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Kapitel 2

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Auch Alexander hatte einen beschwerlichen Weg hinter sich. Durch Marcel war er zu unserer Gruppe gestossen, hatten die beiden sich doch bei der Arbeit kennen gelernt. Er war nach Erstfeld gezogen, weil er an der Raststätte eine Anstellung als Koch erhalten hatte. Marcel wiederum war Stammgast gewesen und wollte mal den Schaffer der vorzüglichen Schnitzel persönlich loben.

In einem rhythmischen Staccato liess Alexander die Klinge des Küchenmessers auf das kleine Brett prasseln, um die Karotten zu zerkleinern. Er war in Eile, hatte er doch alleine Dienst und nun waren die ersten Reisecars bei der Raststätte Erstfeld vorgefahren und deren Insassen wollten für ihre lange Weiterreise zu den touristischen Zielen der Toskana oder den monumentalen Kreuzfahrtterminals Liguriens gestärkt werden. Zusätzlich hatten sich im Vorraum einige Chauffeusen und Chauffeure niedergelassen, welche aus Ruhezeitgründen oder dem Tropfenzählersystem wegen ihre Sattelschlepper stehen lassen mussten und um die Zeit für einen Schwatz mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die wohl ebenso an Einsamkeit litten, zu nutzen.

„Draussen warten Kunden seit fünfzehn Minuten auf ihr Essen!“, dröhnte eine tiefe männliche Stimme durch die Küche. Alexander verdrehe genervt die Augen, sie gehörte dem Chef des Betriebes, Dominik Hopfner. Hopfner trimmte den Laden auf Effizienz, deshalb wurde die Anzahl diensthabender Köche pro Schicht und Küche auf einen reduziert.

„Weiss!“, polterte dieser und baute sich vor Alexander auf. „Sie sind nicht zum Pause machen hier! Und Sie haben schon wieder die falsche Anzahl Nahrungsmittel bestellt!“ Er hielt dem verdutzten Alexander eine Tabelle unter die Nase. Tatsächlich waren die Daten nicht mehr dieselben, wie er es tags zuvor ausgefüllt hatte. Nebst ihm hatte nur noch eine Person Zugriff, Pasquale di Clemente, der Koch der Spätschicht.

„Das sind keine guten Voraussetzungen für Ihre Bewerbung als Küchenchef der Raststätte!“ Laut schlug Hopfner die Tür hinter sich zu und Alexander spürte die verwunderten Blicke der Küchengehilfen auf sich.

Als er längst wieder im Auto sass, fühlte er sich immer noch in einer Zwickmühle sitzend. Er wusste, dass Pasquale die Angaben geändert haben musste, doch war dieser so was wie sein einziger Freund hier. Die Küchengehilfen bedachten ihn ohnehin mit Hohn und Spott, weil er kein Einheimischer war, was eine Gemeinsamkeit mit dem gebürtigen Italiener Pasquale war, verband sie doch das gemeinsame Schicksal.

Doch dass dieser ihm ins Handwerk pfuschen sollte, konnte er nicht so recht glauben.

Als er bei der an seiner Wohnung am nächst gelegenen Ausfahrt die Autobahn verliess, fasste er einen Entschluss. Beim nächsten Kreisel wendete er und kehrte zur Raststätte zurück, er wollte Pasquale zur Rede stellen.

Er stellte seien Wagen auf den Dienstparkplatz und verschaffte sich mit seinem Badge Zugang zum Liefereingang. Als er einen Blick in die Küche wagte, sah er die Küchengehilfen, die zwar charakterlich schwach, aber dennoch fleissig waren, bei der Arbeit, doch von Pasquale fehlte jede Spur.

Er wollte gerade wieder umkehren und sein Vorhaben auf den nächsten Tag verschieben, als er aus dem Büro des Koches eine Stimme hörte. Eine Stimme, die unverwechselbar Pasquale gehörte und offenbar ein Telefonat mit amourösem Hintergrund führte.

Langsam näherte sich Alexander dem Büro. Auch wenn der Koch während den Betriebszeiten grundsätzlich in der Küche präsent sein sollte, stand ihm für administrative Belange ein Arbeitsraum mit Telefon, Computer und Drucker zur Verfügung. Früher beinhaltete dieser Raum noch ein Bett, damit einer der Köche sich kurz ausruhen konnte, doch kurz nachdem Hopfner die Schichten reduziert hatte, wurde das Bett aus dem Raum entfernt.

Ciao bella, ich bin so verliebt in dich... Komm schon, ich reserviere uns einen Tisch im Seerestaurant, ich habe Rabatt!“, säuselte Pasquale. Die Bürotür stand einen Spalt breit offen, Alexander linste durch diesen. Pasquale fläzte auf dem Stuhl, die Beine auf der Schreibtischplatte gekreuzt, der Telefonhörer in der Hand.

Alexander stutzte. So weit er im Bilde war, war Pasquale doch verheiratet, jedenfalls zeigte er immer Bilder seiner Frau und den Kindern, welche noch in Italien lebten und seinen Angaben nach dort glücklicher wären als in der Schweiz.

Alexander schüttelte den Kopf. Dieser Mensch hatte wohl noch mehr unbekannte Facetten an sich. Immerhin war ihm der Begriff der Diskretion wohl nicht gänzlich unbekannt, sonst würde er wohl kaum den Geschäftsanschluss für solche privaten Angelegenheiten missbrauchen.

„Jetzt brauch‘ ich ein Bier!“, platzte Alexander in unsere Runde im Auld Triangle. Zugegeben, die Runde war klein, hatte bis zu seinem Eintreten nur aus Marcel und mir bestanden. Severin hatte auf die Anfrage nach einem kurzen Bier am Abend nicht geantwortet. Auch sonst befanden sich nicht viele Leute im kleinen Pub, das aus nicht viel mehr bestand als der Bar und vier kleinen Tischchen, wovon eines von uns als Stammtisch auserkoren wurde.

„Was ist denn los, Alex?“, fragte ich.

In kurzen Sätzen schilderte Alexander das Geschehene und fragte uns um Rat, wie er nun am folgenden Tag Pasquale gegenübertreten sollte.

„Konfrontiere ihn mit seinen Taten“, schlug Marcel vor.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, du sollst nicht alle Trümpfe ausspielen!“

Alexander nickte. „Stimme ich dir zu, Alessandro, dann hätte ich noch ein As im Ärmel.“

Der Abend wurde noch lang, irgendwann kreuzte auch noch Severin auf, seine Freundin Silvia im Schlepptau. Dieser missfiel es gewaltig, dass wir uns zu fortgeschrittener Stunde vor der Dartscheibe versammelten und versuchten, Severins Rekorde zu pulverisieren.

Natürlich ohne Erfolg.

Denn was Severin an Eifer bei der Arbeit vermissen liess, kompensierte er an der Dartscheibe. So lange er an dieser Erfolg hatte, sah er keinen Anreiz, sich um eine Festanstellung zu bemühen.

„Na Sevi, durftest du nun schon mal ran?“, fragte Marcel unverblümt, ungeachtet dessen, dass Silvia direkt daneben stand. Diese rümpfte auch angewidert die Nase, war sie in unseren Augen doch recht prüde und dementsprechend über solche Sprüche nicht gerade erfreut.

Irgendwann beschlossen wir, noch das Lokal zu wechseln. Nebst dem Auld Triangle war auch das La Finca eines unserer Stammlokale, auch wenn uns Mariella mit ihrer lauten Art ordentlich auf den Keks ging. Schon seit geraumer Zeit wuselte sie auffällig oft um uns herum, doch wir konnten uns keinen Reim darauf machen.

Wahrscheinlich hatte sie Interesse an einem von uns, was jedoch niemals ernst sein würde, war Mariella doch berühmt-berüchtigt dafür, sich durch die Matratzen halb Erstfelds zu wälzen.

Wir betraten das Lokal und sahen, das Mariella offenbar nicht da war. Dafür die neue Bedienung, die – so viel ich weiss –Marija hiess. Ihr Blick war auffallend stark auf den Tresen gerichtet, immer wieder strich sie sich eine Haarsträhne über das rechte Auge.

Es waren nur wenige Gäste da, beispielsweise Leandra, Mariellas beste und ebenso nervige Freundin.

Als Alexander winkte und sie hochsah, erkannte ich warum. Ein blau-lila Veilchen zierte ihre Augenpartie. Wir waren alle geschockt.

Wer verprügelte sie?

Ihr mutmasslicher Freund?

Frowin?

Ich konnte nicht zu Ende denken, als Mariella doch noch aufkreuzte. Jedenfalls suggerierte dies ihr Geplärre im Treppenhaus. Meine Vorahnung wurde bestätigt, als sie ins Restaurant platzte, aufgetakelt und in einem samtroten Kleid, tonnenweise Make-up und kirschrotem Lippenstift. Wen die wohl verführen wollte.

In diesem Moment erklang ein lautes Brummen auf der Strasse. Marcel öffnete das Fenster, ein Porsche 911 war vorgefahren.

„Ich bin jetzt weg!“, liess Mariella alle wissen, ehe sie sich an Marija wandte: „Bitte sei so gut und mache diesmal nichts kaputt, wir wären alle sehr froh. Schönen Abend noch!“

Schon war sie verschwunden.

Wie neugierige Kinder durch das Loch im Zaun wagten wir einen heimlichen Blick aus dem Fenster, gespannt, wer denn der Unbekannte beziehungsweise der Unglückliche war. Meines Wissens konnte sich João einiges leisten, aber sicherlich keinen Sportwagen.

Da öffnete sich die Fahrertür und ein dunkelhaariger Mann stieg aus, der eher aufs Set eines italienischen Jugendfilms passte als hier auf die Gotthardstrasse. Irgendwie war es nicht verwunderlich, dass Mariella auf solche Angeber stand. Ich hatte ihn noch nie gesehen; João jedenfalls war nun definitiv nicht Mariellas Verabredung.

Doch Alexanders Miene verdüsterte sich schlagartig.

„Pasquale!“, zischte er.

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