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Das Erdöl tritt auf die Weltbühne

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Doch was hat das alles mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs zu tun? Unschwer lässt sich erkennen, dass spätestens um das Jahr 1900 herum die wachsende Bedeutung des Erdöls und seine zukünftige weltpolitische Rolle den Großmächten bekannt waren. Wenn England wegen ein paar wertvoller Goldfelder um die Jahrhundertwende einen gut dokumentierten, grausamen Krieg auslöste, musste es vielmehr in seinem vitalen Interesse sein, das überdehnte Weltreich strategisch und logistisch abzusichern und zu kontrollieren.

Eine Kohlen-Dampf-Flotte war nur bedingt einsatzbereit, weltweite schwierige Versorgung mit Kohlentendern, geringe Reichweiten, erhöhte Unfallgefahr und Laderaumverluste waren für die operierende Flotte ein starkes Handicap. Als Lösung zeichnete sich ab, dass die Umstellung auf Ölbefeuerung und der Einsatz von Dieselmotoren notwendig und damit ein enormer Bedarf an Erdöl erkannt wurde.

Aber Hoffnung war in Sicht. Zum einen durch einen Austral-Briten und einen deutsch-englischen Pfarrerssohn in britischen diplomatischen Diensten: William Knox D'Arcy und Henry Drummond Wolf. Der eine, ein in Australien reich gewordener Engländer, der andere Sohn eines deutsch-jüdischen Wanderpredigers, geboren in Malta und bestens vertraut mit dem Balkan, Ägypten, der Türkei und dem dreigespaltenen Persien. Ein Mann für alle Zwecke mit Freundschaften in den höchsten englischen Kreisen; der zweite Sohn des Herzogs von Marlborough, Randolf Churchill, war einer seiner engsten Freunde.

Ab 1901 wuchs eine ständige Rivalität zwischen England und dem zaristischen Russland. Grund war, dass Russland in Zentralasien seinen Einflussbereich bis zu den transkaspischen Gebieten ausgedehnt hatte und unmittelbar die englischen Interessen in Indien und Afghanistan bedrohte und außerdem, und noch bedeutender: aufgrund von Zufallsfunden an Ölschiefer wurde vermutet, dass in diesem Gebiet Erdöl in größeren Mengen zu entdecken sei.

Lord Curzon, der Vizekönig vom Kronjuwel Indien, beschrieb Persien »als eine der Figuren auf dem Schachbrett, welche gebraucht werden, um die Welt zu dominieren«.

Aber auch auf der stolzen Insel hatte ein begabter, karrierehungriger Seemann, welcher das Pech hatte, nicht in arrivierte Kreise geboren worden zu sein, die Bedeutung Persiens erkannt. Admiral Jack Fisher, seit 1904 genialer und charakterlich schwieriger 1st Admiral of the Fleet, erkannte die logistischen und strategischen Vorteile für die englische Flotte mit einer Umrüstung von Kohle auf Öl. Zeitlebens frustriert, dass die von ihm erdachte und begonnene Modernisierung der Flotte erst von den Admiralskollegen skeptisch aufgenommen wurde (Spitzname »Oilmaniac««) und später auch anderen Personen der englischen Hierarchie zugesprochen wurde: König Edward VII und Winston Churchill. Auf seine Veranlassung hin wurde eine Admiralty Fuel Commission [7] eingerichtet, welche das Bindeglied zwischen den Interessen der Marine, Politik und Wirtschaft war. Und tatsächlich: 1908 wurde eine bedeutende Ölquelle entdeckt. 1912 wurde die erste Raffinerie mit technischen Schwierigkeiten eingeweiht. Die Anlage fiel aus und das raffinierte Produkt war von schlechter Qualität. Im Juni 1913 legte Winston Churchill, welcher Wilson, den Nachfolger Fischers, als 1st Sealord abgelöst hatte, eine Studie über die Versorgung des Ölbedarfs der königlichen Flotte vor. [8] Unter anderem sollten zwei Direktoren der Anglo Persian Oil Company (siehe nächstes Kapitel) die Interessen der Admiralität vertreten. Auch wurde ein separater, 20 Jahre gültiger Vertrag mit der Firma abgeschlossen, welcher die Admiralität am Gewinn der Firma teilhaben ließ. Im Jahre 1914 besetzten türkische, russische und englische Truppen Teile von Persien. Und ein Jahr später startete Winston Churchill das Gallipoli-Abenteuer, um angeblich den russischen Waffenbruder durch die Dardanellen logistisch versorgen zu können. In Wirklichkeit ging es aber um das persische Öl.

Spätestens seit 1912 bei der Kopenhagener Werft Burmeister & Wain das erste hochseetaugliche Motorschiff, das Fracht- und Passagierschiff Selandia in Dienst gestellt wurde, war es in allen Marinen klar, dass Erdöl und Dieselmotoren die Welt und ihre Kriege verändern werden. Und in Europa hatten die Engländer die Nase vorn. Der Besitz und die Sicherung der persischen Ölfelder waren von enormer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung für die Weltherrschaft des britischen Empires. Und das sollte seine Konsequenzen haben.

[7] Verantwortlich für die Umrüstung der Flotte von Kohle auf Öl

[8] Oil Fuel Supply for His Majesty’s Navy

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