Читать книгу Arthrose. Kompakt-Ratgeber - Dr. med. Eberhard J. Wormer - Страница 8

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Gelenke: Form folgt Funktion

Das knöcherne Skelett des Erwachsenen besteht aus 206 bis 214 Knochen sowie Knorpeln und Bindegewebe. Säuglinge haben noch mehr als 300 Knochen, von denen einige im Lauf der Zeit zusammenwachsen. Viele Knochen sind durch Gelenke miteinander verbunden – mehr oder weniger fest, starr oder beweglich.

Dem Skelett verdanken wir die relativ stabile aufrechte Haltung entgegen der irdischen Schwerkraft. Knochen allein bewirken keine aufrechte Haltung, geschweige denn eine Bewegung. Haltung und Bewegung werden erst durch Gelenke plus Muskelkraft möglich.

Es gibt Gelenkknochen und Bänder, die sie zusammenhalten. Werden diese Bänder durchtrennt, fällt alles auseinander. Die Knochen bewegen sich nur dann, wenn über die Muskulatur Kraft auf sie einwirkt. Allerdings wirkt ein Muskel nicht unmittelbar auf den Knochen ein, sondern überträgt die Kraft auf Sehnen, die die Muskeln und Knochen verbinden.

Jede Bewegung des Knies mit zugehörigen Knochen ist stets das Ergebnis des Zusammenspiels von Muskeln, Faszien, Sehnen und Knochen, die im Gelenk beugen, drehen oder strecken können. Ohne bewegliche Verbindungen der einzelnen Knochen wäre der Mensch nur ein schlaffer Knochensack. Es gibt deshalb ein äußerst stabiles Stützskelett mit mehr als 360 Gelenkverbindungen.

Grundstoff: Bindegewebe

Bindegewebe gehört zu den grundlegenden Bausteinen von Gelenken. Es übernimmt unter anderem Stütz- und Versorgungsfunktionen. Das Bindegewebe selbst besteht aus Zellverbänden und der Bindegewebsmatrix. Knorpelzellen (Chondrozyten) gehören zu den Bindegewebszellen, die Zellverbände bilden können.

Die Bindegewebsmatrix besteht zu 20–30 Prozent aus Fasern (kollagen, elastisch, retikulär) und zu 65–70 Prozent aus eiweißhaltigen Molekülkomplexen (Proteoglykane, Glykoproteine). Die Matrixmoleküle vernetzen die Bindegewebsfasern und fungieren beispielsweise als Wasserspeicher – Knorpel besteht zu 80 Prozent aus Wasser. Unter Belastung kann Knorpel durch Wasserverlust ein Fünftel seiner Höhe verlieren. Man weiß heute auch, dass es Bindegewebs-Stammzellen gibt, die Knorpelzellen erzeugen können.

Bewegliche Teile: Gelenkknochen

Ein Gelenk verbindet mindestens zwei verschiedene Knochen. Je nach Funktion unterscheidet man Kugelgelenke (wie an der Hüfte), Eigelenke (wie an der Hand), Scharniergelenke (wie am Ellbogen), Zapfengelenke (wie am Unterarm), Sattelgelenke (wie an der Daumenwurzel) und flache Gelenke (wie an den Wirbeln). Drei Gelenktypen stehen zur Auswahl:

Unbewegliche Gelenke (Synarthrosen), z. B. am knöchernen Schädel

Gelenke mit stark eingeschränkter Beweglichkeit (Amphiarthrosen), z. B. Wirbelkörper

Gelenke mit eindeutiger Beweglichkeit (Diarthrosen), z. B. die Gliedmaßengelenke

Am Gelenk beteiligte Knochen haben unter der Knorpelschicht eine spezielle Knochenschicht, den sogenannten subchondralen Knochen. Es handelt sich um eine dünne Knochenplatte, die vergleichsweise gut verformbar ist. Subchondraler Knochen ist mit dem darunterliegenden Knochen und dem darüberliegenden Knorpel durch kollagene Fasern fest vernetzt. Bei Arthrose verfestigt sich der subchondrale Knochen zunehmend. Hyaliner Gelenkknorpel hat an der Unterseite noch eine verknöchernde Knorpelschicht, die mit dem subchondralen Knochen fest verzahnt ist.

Gleitfläche: Gelenkknorpel

Gelenkknorpel ist hyaliner Knorpel (hyalin = durchscheinend, glasig, klar). Die Knorpelschicht sitzt auf dem subchondralen Knochen und dieser wiederum auf dem Gelenkknochen. Gelenkknorpel kann mehrere Millimeter dick sein (z. B. am Knie: 5 mm). Knorpel wird nicht durch Nerven, Lymph- oder Blutgefäße versorgt, sondern durch das Zusammenwirken aller am Gelenk beteiligten Strukturen (Gelenkkapsel, Gelenkflüssigkeit, Bänder u. a.).

Unter dem Mikroskop erscheint die Knorpeloberfläche weißlich und mit winzigen Einsenkungen bedeckt, wie bei einem Golfball. Diese Einsenkungen markieren vermutlich die Standorte von Knorpelzellen (Chondrozyten). Knorpelzellen werden durch Diffusion via Gelenkflüssigkeit ernährt: durch Pumpbewegungen bei Gelenkaktivierung.

Statische Gelenkbelastung (zum Beispiel durch langes Stehen) sowie Gewichtsbelastung der Knie- und Hüftgelenke begünstigen Knorpelabbau durch mangelhafte Knorpelernährung. Dies erklärt auch den Erfolg eines vorbeugenden Trainings der physiologischen Gelenkbewegung, die die Knorpelernährung verbessert und vor Arthrose schützt.

WUNDERSTOFF GELENKKNORPEL
AufgabenAufbau
Stützgewebe Reibungslose Gelenkbewegung Sicherung des Gelenks bei Zug- und Druckeinwirkung Stoßdämpfung (Schockabsorption) Ausgleich von Druck- und Scherkräften (bei aufrechtem Gang) Knorpelzellen (Chondrozyten): Bildung von elastischen und kollagenen Fasern Knorpelmatrix: Mukopolysaccharide, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure u. a. Wasseranteil: Erwachsene 80 Prozent, im hohen Alter 40 Prozent

Gelenkknorpel besteht zu fast 80 Prozent aus Wasser sowie aus Knorpelzellen, Kollagen und Zucker/Eiweißstoffen (Proteoglykane). Bei Druckeinwirkung kann der Knorpel bis zu ein Fünftel seines Wassergehalts verlieren. Lässt der Druck nach, saugt sich der Knorpel wieder mit Wasser aus der Gelenkflüssigkeit voll. Hyaliner Knorpel hält Drücke bis zu 2000 kPA aus, was dem 10-bis 20-fachen Autoreifendruck entspricht. Die Elastizität des Gelenkknorpels lässt sich mit einem Wasserkissen vergleichen, das sich bei Druckeinwirkung die Formveränderung merken kann. Knorpel ist demnach hochgradig und optimal anpassungsfähig.

StoffwechselBiomechanik
Knorpelernährung via Diffusion (keine Blut-/Lymphgefäße) Mechanische Druck-/Entlastungsbewegung führt zu Pumpbewegungen, die den Stoffaustausch in der Gelenkflüssigkeit ermöglichen. Quellungsdruck: Gelenkflüssigkeit tendiert immer dazu, in Gelenkknorpel einzudringen. Gelenkbewegung produziert Gelenkflüssigkeit. Stoßdämpfung durch Druckverteilung

Knorpel gehört zu den komplex aufgebauten Bindegeweben. Kollagen, Knorpelzellen und Verknöcherungsprozesse sind eng miteinander verzahnt, damit es im Gelenk reibungslos läuft.

Gehäuse: Gelenkkapsel

Die meisten Gelenke sind in einer geschlossenen Membran aus straffem kollagenem Bindegewebe untergebracht (Synovialmembran). An der Innenseite dieser Membran sitzen gelenkflüssigkeitproduzierende Zellen (Synoviozyten). Die Gelenkkapsel ist sehr gut mit Nerven und Blutgefäßen versorgt. Sie ist auch mit elastischen Kollagenfasern ausgestattet, die bei Stoßeinwirkung die Ausdehnung der Gelenkflüssigkeit federnd abfangen. Zahlreiche Bänder verbinden die Gelenkkapsel mit zugehörigen Knochen und Muskeln. Die Gelenkkapselmembran – bzw. die dort produzierte Gelenkflüssigkeit – übernimmt die Ernährung der Knorpelzellen.

Schmiermittel: Gelenkflüssigkeit

Gelenkflüssigkeit (Synovia) stellt die Ernährung des Gelenkknorpels sicher und fungiert als »Schmiermittel« für reibungslose Gleitfähigkeit der am Gelenk beteiligten Knochen. Gelenkflüssigkeit schmiert sowohl Knorpel gegen Knorpel als auch Knorpel gegen Gelenkflüssigkeit. Veränderungen der Zusammensetzung der Gelenkflüssigkeit können die Gleitfähigkeit der Gelenkknochen beeinträchtigen und Schäden am Knorpel verursachen. In Gelenken finden sich nur sehr geringe Mengen Flüssigkeit: 0,13 bis 3,5 Milliliter, im Durchschnitt 1,1 Milliliter. Gelenkflüssigkeit ist ähnlich zusammengesetzt wie Blutplasma, enthält aber mehr Hyaluronsäure (2–4 mg/dl). Der Anteil an Hyaluronsäure bestimmt, wie zähflüssig Gelenkflüssigkeit ist. Hyaluronsäure ist das Schmiermittel schlechthin für Gelenkoberflächen. Sie kann wegen der beachtlichen Molekülgröße die Gelenkkapsel nicht verlassen.

Das perfekte Bewegungsmuster von Gelenken ist so ausgelegt, dass sich die Gelenkflächen niemals berühren können. Bei Druckeinwirkung »schwitzt« der Gelenkknorpel Flüssigkeit aus, und bei Druckentlastung wird Flüssigkeit wieder zurück in den Knorpel hineingezogen. Dieses Wechselspiel von Druck und Entlastung in der mit Flüssigkeit gefüllten Kapsel sorgt für reibungslose Beweglichkeit und die Ernährung der Knorpelschicht. Im schmalen Gelenkspalt befindet sich immer Gelenkflüssigkeit.

Teamarbeit: Bänder und Muskeln

Gelenke sind hochkomplexe raffinierte biomechanische Konstruktionen, die uns zu erstaunlichen Körperbewegungen befähigen. Bänder und Kapseln formen die Führungs- und Begrenzungsstrukturen für die jeweils nötige Gelenkbeweglichkeit. In manchen Gelenken sind zusätzlich scheibenförmige Faserknorpel vorhanden, z. B. Menisken im Kniegelenk. Muskeln sind der stärkste Belastungsfaktor für Gelenke. Normalerweise sind die auf ein Gelenk einwirkenden Kräfte und Gegenkräfte der beteiligten Muskeln ausbalanciert. Nerven verbinden die Gelenkkapsel, Bänder und Muskeln mit dem zentralen Nervensystem und sorgen dafür, dass alle Komponenten optimal auf die Anforderungen abgestimmt funktionieren.

Biomechanik: Die wichtigsten Gelenke

Gelenke sind Wunderwerke der biologischen Evolution. Jedes Gelenk ist anders konstruiert und ermöglicht bestimmte Bewegungsabläufe. Gelenke sind lebenslang in Bewegung und damit auch gewissen Verschleißerscheinungen unterworfen. In der Regel kann der Körper solche Knorpelveränderungen problemlos bewältigen, und wir bemerken es nicht einmal. Unterschätzen Sie nicht die biologischen Anpassungsmechanismen und Ihre körpereigenen »Selbstheilungskräfte«! Viel Bewegung und ein gesunder Lebensstil helfen dabei, sich vor schmerzhafter Arthrose zu schützen.

Hüftgelenk

Das Hüftgelenk ist das zweitgrößte Gelenk des Körpers. Der Oberschenkelknochen und das Becken sind die knöchernen Bestandteile. Der Hüftkopf des Oberschenkelknochens ist kugelförmig und befindet sich größtenteils in der passenden Gelenkpfanne des Beckens. Zahlreiche Bänder und Muskeln stabilisieren die Gelenkfunktionen: beugen, strecken, abspreizen, heranführen, auswärts und einwärts drehen. Das Hüftgelenk trägt tagaus, tagein das gesamte Gewicht des Oberkörpers. Ultima ratio: Bei weit fortgeschrittener Arthrose kann ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden.

Kniegelenk

Das Kniegelenk ist ein Scharniergelenk und das größte Gelenk des Körpers – ein wahres Wunderwerk der Beweglichkeit. Dieses Gelenk muss das meiste Gewicht tragen – jedes Kilo mehr belastet das Kniegelenk. Ein Grund mehr über Gewichtsabnahme nachzudenken. Die beweglichen Knochen des Gelenks sind der Oberschenkelknochen, das Schienbein und die Kniescheibe. Es handelt sich um ein zusammengesetztes Gelenk: Kniescheibengelenk plus Kniekehlgelenk. Beim in Ruhe stehenden Menschen lastet ein Gewicht von etwa 70 Kilogramm auf dem Knie. Bei Bewegung, z. B. Hochsprung, kann die Kniebelastung kurzfristig siebenfach höher sein. Ultima ratio: Bei weit fortgeschrittener Arthrose kann ein künstliches Kniegelenk eingesetzt werden.

Hand- und Fingergelenke

Das Handgelenk ist aus zahlreichen Teilgelenken zusammengesetzt, die bei verschiedenen Bewegungen kooperativ arbeiten: beugen, strecken, abspreizen. Fingergelenke sind die Gelenke zwischen den einzelnen Fingergliedern. Von besonderer Bedeutung ist das Daumengrundgelenk (ein Sattelgelenk), das häufiger von Arthrose betroffen ist (Rhizarthrose). Der Daumen ist ohne Zweifel ein Bewegungswunder, was die Entwicklung erstaunlicher menschlicher Fähigkeiten ermöglicht: vom Smartphone-Surfer bis zum Geigenvirtuosen. Auch Fingermittelgelenke fallen häufig der Arthrose zum Opfer. Hier helfen in der Regel Bewegungsübungen sehr gut dabei, Beschwerden über eine lange Zeit erfolgreich zu bekämpfen.

Ellbogengelenk

Das Ellbogengelenk ist ein Scharniergelenk, das die Beugung und Streckung des Arms sowie die Drehbewegungen der Hand ermöglicht. Es besteht aus drei Teilgelenken, die sich in einer gemeinsamen Gelenkkapsel befinden. Oberarmknochen, Elle und Speiche sind die beteiligten Knochen. Mechanische Belastungen werden zusätzlich von einem Schleimbeutel abgefedert. Monotone und falsche Belastungen können beispielsweise den sogenannten »Tennis-« oder »Golfer-Ellbogen«, Entzündungen (Arthritis) oder Knorpelschäden (Arthrose) verursachen.

Schultergelenk

Das Schultergelenk ist das beweglichste Kugelgelenk des Körpers. Der kugelförmige Oberarmkopf wird durch dicke Muskelpakete in der Gelenkpfanne des Schulterblatts gehalten. Darüber hinaus gibt es drei Schleimbeutel, die den enormen Bewegungsradius im Gelenk absichern. Von allen Gelenken kugelt das Schultergelenk am leichtesten aus und muss dann wieder eingerenkt werden. Ultima ratio: Bei weit fortgeschrittener Arthrose kann ein künstliches Schultergelenk eingesetzt werden.

Sprunggelenk

Das Sprunggelenk verbindet den Unterschenkel mit dem Fuß. Es gibt ein oberes (Scharniergelenk) und unteres Sprunggelenk, die zusammen als Zylindergelenk funktionieren. Das Sprunggelenk muss hohe Belastungen aushalten. Das Körpergewicht lastet letztendlich auf den Füßen. Dieses Gelenk ist häufig von Sportverletzungen betroffen, die Ausgangspunkt einer Arthrose sein können.

Großzehen(grund)gelenk

Das Zehengrundgelenk ist ein Scharniergelenk. Dieses Gelenk ist bevorzugt von Arthritis bei Gicht betroffen, wenn im Gelenkbereich Harnsäurekristalle auftauchen. Die bekannteste Fehlstellung der Großzehe ist der »Ballenzeh« (Hallux valgus), der sich durch schwaches Bindegewebe, schlecht passende Schuhe, Übergewicht oder langes Stehen entwickeln kann.

Wirbelsäulengelenke

Die Wirbelsäule setzt sich aus 32 minimal beweglichen Wirbelkörpern zusammen. Zwischen den Wirbelkörpern befinden sich die Zwischenwirbelscheiben (»Bandscheiben«), die Gewichtsbelastungen und Stauchungen auffangen (Stoßdämpfung). An den Wirbelkörpern befinden sich nach hinten gerichtete Wirbelbögen, die untereinander Wirbelbogengelenke bilden.

Verfestigen sich die Knorpelkomponenten und Zwischenwirbelscheiben, wird die Wirbelsäule zunehmend unelastischer – im höheren Lebensalter nicht ungewöhnlich. Wirbelbogengelenke können bei einem Schleudertrauma mitbetroffen sein.

Knorpelschwund und Verknöcherung an den Wirbelbogengelenken werden als Spondylarthrose bezeichnet.

Beschwerden durch chronisch gereizte, schmerzhafte Wirbelbogengelenke nennt man Facettensyndrom.

Arthrose. Kompakt-Ratgeber

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