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Für existenzielle Sicherheit und Stabilität sorgen

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Zum Verständnis:

Die Depression ist eine Phase im Leben, deren Heilung mehr erfordert als die Einnahme von Tabletten. Insbesondere brauchen Betroffene in ihrer Umgebung Sicherheit und Halt, um mit dieser Lebenssituation und den damit verbundenen existenziellen Ängsten umgehen zu können. Ich möchte im Folgenden einige rein organisatorische und praktische Punkte nennen, die zu bedenken sind.

Nehmen wir an, Sie haben das Gefühl, an einer manifesten Depression oder an einem Zustand des Ausgebranntseins zu leiden. Sie sind zurzeit äußerst empfindlich, unruhig und verletzlich. Ihr limbisches System ist aus irgendeinem Grund in ständiger Alarmbereitschaft. Ihre Neurotransmitter, die für gute Laune, Motivation, Frustrationstoleranz und Offenheit sorgen, verbrauchen sich viel zu schnell und Ihr vegetatives System ist aus der Balance geraten.

Auch wenn Sie sich so überhaupt nicht kennen – im Moment fühlen Sie sich depressiv, ängstlich oder unangenehm erregt. Sie leiden unter Stimmungsschwankungen, sind erschöpft oder apathisch und bringen nur wenig zustande. Zurzeit mahnt Ihr gesamtes System, dass es Halt und Schutz braucht. Für einen Depressiven heißt das: gute Rahmenbedingungen, aber auch die Unterstützung von Experten, die helfen, sich zu orientieren und systematische Heilungsschritte einzuleiten. Worauf kommt es an?

Falls Sie sich nicht sicher sind, ob es sich bei Ihrem Zustand um die Folgen einer körperlichen Krankheit handelt, lassen Sie dies von einem Arzt Ihres Vertrauens abklären, denn oftmals haben Krankheiten auf der Körperebene auch psychische Symptome zur Folge. Die Frage ist, ob es sich nur um ein momentanes Stimmungstief oder um eine tiefgehende seelische Störung handelt. Wenn Sie nach einem Arzt oder Therapeuten suchen, achten Sie darauf, dass die „Chemie“ stimmt und Sie sich im Kontakt bestärkt und aufgebaut fühlen. Gemeinsam mit dem Therapeuten Ihres Vertrauens überlegen Sie, welche Schritte in der aktuellen Situation heilungsfördernd sind. Zunächst geht es um die Sicherung Ihrer Existenz.

Die Frage ist, ob es ausreicht, dass Sie gegenwärtig nur etwas besser auf sich achten und sich ein wenig schonen. Oder ist eine zeitweilige Krankschreibung oder Beurlaubung nötig? Dadurch bekommen Sie ein Zeitfenster, um sich über Ihren derzeitigen Gesundheitszustand klar zu werden. Falls Sie selbstständig sind und für den Fall, dass Sie länger krank sein sollten, ist die wichtigste Frage: Wie kann ich meine Existenz absichern? Sie brauchen jetzt vor allem genügend Freiraum ohne Belastung. Außerdem brauchen Sie Menschen, die Ihnen den Rücken freihalten und Sie aktiv unterstützen. Diese Tatsache wird oft unterschätzt und ist doch so wichtig, um sich endlich der eigenen Gesundheit widmen zu können.

Gemeinsam mit einem erfahrenen Therapeuten können Sie die Frage klären, welches Ausmaß Ihre Krankheit hat. Handelt es sich nur um ein leichtes Stimmungstief, das sich durch ein paar Tage Ruhe überwinden lässt? Ist es ein Überarbeitungszustand, ein Burn-out oder eine leichte bis mittelschwere Depression, in der Sie bei (zeitweiliger) therapeutischer Begleitung weiter zur Arbeit gehen können? Oder handelt es sich um einen tiefen krisenhaften Einbruch, der die Grundfesten Ihrer Persönlichkeit ins Wanken gebracht hat? Manchmal braucht man etwas Zeit, um genau herauszubekommen, welches Ausmaß der Krankheitszustand hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein paar in kurzen Abständen geführte Gespräche oft schon helfen, dies zu klären. Dann ist Zeit, um die Ursachen kontinuierlich aufzuarbeiten und gezielte Selbsthilfestrategien anzuwenden. Dazu später.

Weiterhin ist zu überlegen, ob ein Klinikaufenthalt sinnvoll ist. Falls Sie zum Beispiel zurzeit gar nicht imstande sind, Ihren Alltag zu regeln, nur noch in Panik sind, keinen Schlaf mehr finden und nicht mehr alleine zu Hause zurechtkommen, kann es sein, dass der Aufenthalt in einer psychiatrischen Akutklinik Ihnen erst einmal einen geschützten Raum bietet, in dem Sie zur Ruhe kommen können. Vielleicht reicht auch eine ambulante Begleitung durch die Krise aus, um Sie zu stabilisieren. Währenddessen kann zum Beispiel auch der Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik vorbereitet werden.

Eine weitere Frage ist, ob Sie Medikamente benötigen oder ob eine therapeutische Begleitung (mit oder ohne Krankschreibung) ausreicht.

Was Sie aber vor allem brauchen, und zwar noch viel dringender als Medikamente, das ist ein unterstützendes Netzwerk von Menschen, die Ihnen zur Seite stehen. Zu einem solchen unterstützenden Netzwerk gehören vor allem vertraute Freunde und Verwandte. Manchmal reicht schon eine Person, zu der Sie Vertrauen haben. Umgeben Sie sich jetzt mit Menschen, die eine ruhige, gelassene Ausstrahlung haben und die Sie nicht noch durch ihre eigenen Ängste und Sorgen verunsichern. Sie brauchen Menschen, in deren Gegenwart Sie sich nicht verstellen müssen, die aber auch selbst Grenzen setzen können und sich nicht von allen Ihren Stimmungen an-stecken lassen. Ich werde dieses Thema noch in einem eigenen Kapitel ansprechen.

Auch Selbsthilfegruppen und unterstützende Institutionen können Hilfestellung geben, zumindest aber das Gefühl vermitteln: Du bist nicht allein! Und das ist schon eine ganze Menge. In jeder Stadt kann man beim Gesundheitsamt Adressen von Anlaufstellen erfahren, die bei seelischen Problemen Unterstützung bieten. Auch im Internetforum der Deutschen DepressionsLiga kann man Orientierung erhalten. Scheuen Sie sich nicht vor einem Anruf bei der Telefonseelsorge, auch dort kann man Ihnen Anlaufstellen nennen. Die Hauptsache ist, Sie treten mit jemandem in Kontakt und bleiben nicht allein mit Ihren Problemen. Aus dem ersten Schritt entsteht der nächste.

Hilfe anzunehmen und zu signalisieren, dass Sie jetzt Hilfe brauchen, ist ein wesentlicher Heilungsschritt, insbesondere für Menschen, die es gewohnt sind, in ihrem Leben alles alleine zu bewältigen. Im nächsten Kapitel werde ich näher beschreiben, welche weiteren grundsätzlichen Schritte zu Ihrer Heilung beitragen.

Meine Empfehlung:

Nehmen Sie sich ein Blatt Papier (quer gelegt) und schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt zu der Frage: Wer oder was kann mich im Moment unterstützen? – Fragen Sie sich: Wer hat mir bisher schon einmal zur Seite gestanden und welche Anlaufstellen gibt es in meiner Nähe (Hausarzt, Psychologe, Pfarrer, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Freunde, Verwandte, Selbsthilfenetzwerke)? Kenne ich jemanden, der auch schon einmal eine Krise durchlebt hat und seine Erfahrung mit mir teilen kann?

Was sind die nächsten praktischen Schritte für mich (Krankschreibung, Gespräch mit dem Arbeitgeber wegen einer Entlastung bei der Arbeit, Klinikaufenthalt, Kontakt mit dem Kostenträger wegen spezieller Fragen wie Therapeutenliste, Recherche im Internet nach geeigneten Institutionen, Selbsthilfegruppen; Ordnen von Unerledigtem). Notieren Sie alles ganz konkret mit Telefonnummer, Adresse, Zeiten der Erreichbarkeit. Etwas zu tun macht Sie tatkräftig!

Stellen Sie Ihre Versorgung sicher, zur Not mit Unterstützung durch einen Menschen Ihres Vertrauens. Dokumentieren Sie Ihre Erkenntnisse mit kurzen Worten in einem Heft. Auf diese Weise können Sie Ihren Heilungsprozess ab sofort mit allen kleinen Fortschritten gut nachvollziehen. Sie nehmen dadurch mehr eine Beobachterrolle ein und werden Ihr eigener Experte. Dies fördert Ihren Heilungsprozess.

Depression und Burn-out überwinden

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