Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 7 und 8 - Elda Drake - Страница 7

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Kapitel 4

Zwei Tage später verließen sie Cairns Richtung Norden. Denn eines ihrer Ziele war ein Besuch des Cape Tribulation und davor stand Port Douglas an.

Hetty erklärte. »Heute ist Markttag, da kannst du dir gleich mal deinen Geldbeutel einstecken. Wer da nichts für sich findet, was das Kaufen lohnt, ist nicht von dieser Welt.«

Zuerst waren aber gute zwanzig Kilometer schalten und kuppeln angesagt, denn leider mussten sie quer durch Cairns, um vom Bruce Highway auf den Kennedy Highway zu kommen. Wobei alle diese Teile eigentlich der Highway Nummer Eins waren, der einmal rund um Australien führte.

Wie Hetty immer grinsend bemerkte. »In dem Land kann man sich nicht verfahren, einfach immer dem Einser nach und spätestens nach vierzehntausend Kilometern bist du wieder am Ausgangsort!«

Nachdem sie die Außenbezirke hinter sich gelassen hatten, stupste sie Pat an. »Du solltest mal auf meiner Seite aus dem Fenster sehen!«

Es war ganz gut, dass sie diese Strecke, wie ihre eigene Westentasche kannte, denn schließlich wollte der Großteil ihrer Mitfahrerinnen vor allem die Ostküste sehen.

So konnte sie Pat beruhigen, die unruhig zappelnd auf dem Beifahrersitz saß. »Es kommt gleich eine Stelle, an der ich anhalten kann. Du kriegst schon dein Foto!«

Die Unruhe war verständlich, denn hier befanden sie sich an einer der schönsten Küstenstraßen Australiens. Gute dreißig Kilometer lang hatte man immer wieder wunderbare Ausblicke auf sandige Buchten und in der Ferne auftauchende, hohe bewaldete Hügel, die ins Meer hinausragten. Die Wellen brandeten an die Küste, an der sich Sand und große kantige Felsblöcke abwechselten.

Am Straßenrand wuchsen alle Bäume, die man in den Tropen finden konnte, große und kleine Palmen, Eukalypten, Mangroven, rot- und gelbblühende Jucarandas und natürlich fehlten auch nicht die Baumfarne mit ihren ausladenden Wedeln. Damit die Fotos noch dekorativer wurden, gab es auch noch zahlreiche Gräser, die mit ihren unterschiedlichen Samenrispen einen wunderbaren Vordergrund anboten. Pat war begeistert und Hetty hielt deswegen auch wirklich an jedem möglichen Stopp an.

An dem einzigen offiziellen Aussichtspunkt seufzte ihre Mitfahrerin auf. »Ich habe nicht gewusst, dass es hier oben so schön ist. Weiter als bis Cairns bin ich noch nie gekommen. Und als ich dort war, musste ich arbeiten und konnte mich nicht mal richtig umsehen.«

Hetty schmunzelte. »Das kenne ich. Zuhause in Deutschland kenne ich mit Müh und Not meine nähere Umgebung. Wenn ich Urlaub machen wollte, bin ich weggeflogen.«

Als sie eine Viertelstunde später vom Highway nach Port Douglas abbog, guckte Pat reichlich erstaunt aus dem Fenster. »Ich habe gedacht, das wäre hier nur so ein kleines Fischernest. Wie ich sehe, habe ich mich geirrt. Die lassen hier ja ganz schön die Puppen tanzen.«

Womit sie vollkommen recht hatte. Schon die langgezogene, breite, palmengesäumte Zufahrtsstraße zur Shoppingmeile wies daraufhin, dass hier keine armen Leute wohnten. Alleine die Pflege der englisch kurz geschnittenen Rasenflächen welche die Alleebäume umgaben, musste tausende Dollar im Monat kosten, schließlich zog sich die Straße etliche Kilometer hin. Und irgendein offizieller Straßensauberhalter musste hier wohl seinen Dienst verrichten, denn nirgends lag auch nur ein Fitzelchen Abfall herum.

Die Gebäude, die links und rechts neben der Straße auftauchten, konnte man auch nicht unbedingt als Bruchbuden bezeichnen. Da war ein Prachtpalast neben dem anderen zu finden und Hetty nahm sich, wie schon so oft, vor, endlich zu Fuß diese Straße abzugehen. Was sie aufgrund der schwülen Hitze bisher immer wieder auf das nächste Mal verschoben hatte. Ein äußerst vornehmer Golfclub konnte sogar seine eigene Abfahrt bei einem Kreisverkehr sein Eigen nennen. Allerdings war auch zu sehen, dass diese Anlagen erst vor kurzem entstanden sein konnten, denn es waren alles architektonisch ausgeklügelte moderne Neubauten, die in frischer Farbe erstrahlten.

Hetty parkte am Hafen neben der Marina und freute sich diebisch, dass sie einen Platz unter einem schattigen Baum erwischt hatte. »Dann heizt die Karre nicht ganz so auf.«

Von hier waren es nur ein paar Meter über den großen Parkplatz zu den ersten Marktständen. Dort wurde alles angeboten, was man als Kunsthandwerk bezeichnen konnte. Wobei Hetty am allerliebsten die tollen Schmuckgegenstände bewunderte, die hier ausgestellt waren. Auch wenn sie selbst nie welchen trug, so schaute sie doch für ihr Leben gerne welchen an.

Pat war schon am ersten Stand mit einem Stöhnen in Verzückung verfallen. »Schau mal, sieht diese Kette nicht toll aus!«

Natürlich war das Teil wunderbar. Aus roten und braunen Samenkapseln einheimischer Bäume geformt, erweckte sie in einem den Zwang, sie unbedingt kaufen zu müssen. Genauso wie das Armband daneben. Und die vielen hundert anderen Ketten und Bänder, die es hier gab. Hetty ging mit einem leisen Seufzen durch die Stände und wünschte sich einfach mal genug Geld zu haben, um sich das hier alles problemlos kaufen zu können.

»Und was hätten wir dann davon? Nur lauter Zeug, das in Schubladen rumliegt.« Ihr Verstand schaltete sich wie üblich ein, um ein finanzielles Fiasko zu verhindern.

Hetty zuckte mit den Schultern. Sie würde nie reich sein, also waren das sowieso fruchtlose Spekulationen.

Nachdem sie zwei Stunden lang durch die Stände gebummelt waren, strichen sie die Flagge. Pat hatte einige Male nicht widerstehen können und sah amüsiert Hetty an, die nach wie vor nur ihre Umhängetasche mit der Wasserflasche mit sich trug. »Du hast ja gar nichts gekauft?«

Hetty zuckte mit den Schultern. »Im Camper ist wenig Platz und was soll ich mit dem ganzen Zeug? So schön es aussieht, aber wichtig ist es wirklich nicht.«

Wobei sie bald darauf in einer Galerie ganz leicht mit ihrem Schicksal haderte. Schließlich liebte sie gute Kunst und hier waren einige Bilder ausgestellt, die danach riefen, von ihr gekauft zu werden. Als sie der netten Dame an der Verkaufstheke gestand, dass ihr ein Bild besonders gefiel, war diese sehr geschmeichelt. Denn sie war die Künstlerin, die dieses Werk geschaffen hatte und deutete gleich noch auf ein paar andere Bilder, die von ihr stammten.

Hetty gestand, dass sie auch diese Arbeiten wunderbar fand und sagte mit ehrlichem Bedauern. »Da bräuchte ich ein schönes großes Haus mit weißen Wänden und viel Geld, dann würde ich jetzt hemmungslos zuschlagen.«

»Dieses Hemmungslose können wir uns zumindest leisten!« Die Sarkasmusabteilung stichelte leicht durch die Gegend.

Schließlich hatte Hetty am italienischen Eisstand gnadenlos bestellt. Durch vergangene Missgeschicke klüger geworden, kaufte sie kein Eis in der Waffel. Das hätte nur dazu geführt, dass ihr T-Shirt ein Kandidat für die Waschmaschine geworden wäre. Bei achtunddreißig Grad Außentemperatur, schmolz Eis schneller als Schnee in der Sonne, was dazu führte, dass man zwangsgedrungen irgendwann seine Kleidung bekleckerte. Wobei man sich auch anstrengen musste, drei Kugeln Eis noch rechtzeitig in den Körper zu befördern, bevor man eine Suppe in seinem Becher hatte, die man schlürfen konnte.

Hetty hatte ihren Schock, als sie vor vielen Jahren ihr erstes Eis in Australien gekauft und entsetzt gesehen hatte, wie viel das hier kostete, längst überwunden. Denn aus einer dieser Kugeln hätte zuhause in Deutschland jeder Italiener oder Konditor locker drei oder vier herausgebracht. Also war der Preis tatsächlich angemessen.

Nachdem nun den Kalorien genüge getan war, beschloss Hetty mit einem Blick auf die Uhr. »Jetzt steigen wir auf den Flagstaff Hill, da haben wir einen wunderbaren Ausblick.«

Als Pat die Teerstraße bemerkte, die nach oben führte und darauf deutete, schüttelte Hetty den Kopf. »Die ist für die Autos – allerdings nicht für Camper. Unten steht ein großes Schild, das darauf hinweist. Man muss nur lesen können und auch kapieren, dass bei euch die Hinweisschilder links stehen. Ich Trottel habe gedacht, ach das ist für den anderen Weg gedacht und bin einmal im Leben hier hochgefahren.«

Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Die stehen mir, wenn ich daran zurückdenke, heute noch zu Berge. Das war ein wahrer Todesritt. Wenn man losfährt, geht es erst einige Zeit harmlos flach dahin aber dann kommt eine Kehre, die zum Berg hin tiefer hängt und kaum ist man um die Ecke herum, bräuchte man den ersten Gang, um noch weiterzufahren zu können. Da man das aber vorher nicht sieht, hängst du dann mitten im Berg und kannst weder vor noch zurück, denn die extreme Steigung vor dir schaffst du nicht mehr.

Glücklicherweise ist im Anschluss an die Kehre noch eine Hauseinfahrt. In die habe ich mich dann über die Seitenspiegel vorsichtig hinein larviert und dann stöhnend bemerkt dass, wenn ich von dieser Seite um die Kurve fahre, ich mir gleich einen Termin beim Automechaniker geben lassen kann, weil der Unterboden mit Sicherheit auf der Straße aufgeht. Es half alles nichts – ich musste hoch, ob ich wollte oder nicht. Also habe ich Vollgas gegeben, sozusagen Anlauf genommen und bin mit laut heulendem Motor im ersten Gang den Berg hinaufgefahren. Als ich oben ausgestiegen bin, haben mir die Knie gezittert und ich war völlig nassgeschwitzt, als ich zum Ausguck ging.«

Hetty grinste. »Zumindest haben mich alle Leute, die nach mir kamen, darauf angesprochen, wie ich das denn geschafft hätte. Aber ehrlich gesagt – einmal und nie wieder!«

Pat lachte und folgte ihr Richtung Fußpfad. Auf die Erfahrung konnte sie auch dankend verzichten. Der ziemlich steile Weg hatte glücklicherweise nicht bayrische Dimensionen anzubieten. Schließlich war hier in Australien jede Erhöhung mit hundert Höhenmetern definitiv ein Hügel und alles darüber ein Berg. Aber wie immer, wenn man in diesem Land einige Meter in die Höhe ging, hatte man eine atemberaubende Aussicht. Allerdings war die hier hart erkämpft und der Schweiß rann in Strömen.

Doch der Rundumblick war dann wirklich die ganze Mühe wert. Der weiße Sandstrand auf beiden Seiten und die Buchten mit den dahinterliegenden bewaldeten Hügeln, hatten einfach typisches Karibikflair, da konnte man eigentlich nur noch nach einem Segelschiff unter voller Beflaggung Ausschau halten. Aber alles was kam, waren wieder einmal Japaner. Hetty hatte definitiv nichts gegen diese Bevölkerungsgruppe. Schließlich hatten sie Deutschland nicht bombardiert und das bisschen Markenklau konnte man problemlos verkraften. Aber die Urlaubsstrategie dieser Nation war für sie einfach nicht nachvollziehbar.

Als Pat ein entsetztes Stöhnen von sich gab, beruhigte sie. »Du wirst sehen, die sind in fünf Minuten wieder weg.«

Womit sie vollkommen recht hatte. Denn auch diese Touristengruppe machte Australien in zwei Wochen und da war keine Zeit vorhanden, mehr als einige Fotos an jedem Stopp zu schießen.

Während sie schwitzend dem Gewurle zusahen, fluchte Hetty. »Hier in den Tropen brauche ich mehr Geld für die Automaten an den Waschmaschinen und Trocknern, als für Essen und Trinken.«

Pat, die mit durchgeschwitztem T-Shirt neben ihr stand und einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche nahm, gab ihr vollkommen Recht. »Zumindest muss man nicht dauernd auf die Toilette, denn die meiste Flüssigkeit baut man durchs Schwitzen ab.«

Hetty wusste, nach wie vor, nicht mit Bestimmtheit, ob das den Nachteil aufwog, dass man, wenn man von einem Stuhl aufstand grundsätzlich aussah, als ob man eben diesen Gang zu lange hinausgezögert hätte. Da halfen auch die vielen Ventilatoren nicht, welche an den Decken der ganzen schönen Restaurants in der Hauptstraße zahlreich platziert waren. Sie ulkte beim anschließenden Mittagessen auf der überdachten Veranda ihres Lokals, das vom Ambiente her eindeutig für richtige Großverdiener gedacht war. »Besser beim Essen schwitzen, als beim Arbeiten!«

Wobei sie kurz darauf erst erfuhr, was schwitzen tatsächlich hieß. In aller Gemütsseelenruhe waren sie zum Parkplatz zurückgeschlendert, wo das Unglück dann über sie hereinbrach.

Als sie sich dem Fahrzeug näherten, entfuhr Hetty ein entsetzter Aufschrei. »Um Gotteswillen!«

Pat stand neben ihr und stöhnte. »Ameisen!«

Der schattige Baum hatte sich als trojanisches Pferd entpuppt. Denn in seinem Bereich lebte anscheinend eine Gruppe großer grüner Ameisen, die aus welchen Gründen auch immer, beschlossen hatten, dass dieser schöne Camper ein toller Aufenthaltsort war, auf den man übersiedeln sollte. Hunderte, nein tausende, dieser Tiere wuselten über den kompletten vorderen Fahrzeugbereich und Hetty hatte den Eindruck von Sekunde zu Sekunde würden es noch mehr werden. Einsteigen über die Fahrertüre konnte sie vergessen. Auch die Beifahrertüre und die Seitenfront waren ausgeschlossen. Sofort würden hunderte dieser Insekten den Innenraum okkupieren und sie konnten den Kammerjäger holen.

Nachdem sie eine Minute starr vor Verzweiflung die Armee der Sechsbeiner gemustert hatte, machte sie die Runde um den Camper. »Pass auf, ich mach jetzt die Hecktüre auf und hole den Besen.«

Es war eine Sache von Sekunden, aber als sie wieder im Freien stand, war sie sich ziemlich sicher, dass keine einzige Ameise es geschafft hatte, in den Innenraum zu kommen. Dann hieß es kehren. Und kehren. Und kehren. Irgendwie wurden die Tiere nicht weniger.

Schließlich wurde ihr bewusst, dass sie vor allem den Standort wechseln mussten, damit zumindest nicht noch mehr Insekten vom Boden zum Camper hochkrabbeln konnten. »Pat, ich mache dir jetzt deine Türe frei, du steigst ein und riegelst gleich mal die Aircondition ab. Dann komme ich und wir fahren ein paar Meter weiter.«

Gesagt, getan. Mit Vollgas und ohne jegliche Rücksicht auf die sechzig Stundenkilometer, welche in der Stadt vorgeschrieben waren, düste Hetty los. Bisher hatte sie noch nicht gewusst, welche Temperatur das Innere ihres Fahrzeugs bei ausgeschalteter Klimaanlage annehmen konnte, jetzt erfuhr sie, dass eine Sauna dagegen ein kühles Plätzchen war. Sie wechselte einen kurzen Blick mit Pat, die genauso wie sie schweißüberströmt dasaß und leicht hysterisch die wuselnde Ameisenschar beobachtete, die sich erfolgreich gegen den Fahrtwind verteidigte.

Hetty setzte den Blinker, fuhr in den Parkplatz vom IGA-Einkaufszentrum und erklärte. »Du bleibst sitzen und verteidigst den Innenraum. Ich gehe jetzt raus und kehre wieder!«

Gleich darauf sprang sie, mit dem Besen in der Hand aus dem Wagen, schlug die Türe hinter sich zu und versuchte erneut der Meute her zu werden. Nach einigen Minuten saß sie wieder auf dem Fahrersitz und meinte schulterzuckend, während sie sich den Schweiß aus den Augen wischte. »Das Spiel werden wir öfter spielen müssen.«

Hetty startete den Wagen und wechselte wieder den Standort. Zwanzig Meter weiter begann ihre Kehrorgie erneut. Während sie verbissen versuchte die endlose Ameisenschar zu vertreiben, dachte sie bei sich, dass hoffentlich niemand mitbekam, was sie hier auf diesem Parkplatz veranstaltete.

Nach der vierten Haltestation meinte Pat. »Ich glaube, du hast sie erledigt. Puh! Das war jetzt wirklich widerlich. Können wir nun die Klimaanlage wieder einschalten?«

Hetty hatte bis dahin gar nicht beachtet, welche Frontarbeit ihre Mitfahrerin in der Zwischenzeit geleistet hatte. Denn Pat hatte, wie befohlen, jede Ameise die in den Innenraum kam, gnadenlos zerquetscht.

In einem Papierhandtuch lagen zahllose Leichen und sie meinte. »Die sollten wir besser bei der nächsten Mülltonne loswerden, nicht dass ihre Kumpel zur Beerdigung kommen!«

Hetty, die Vollgas Richtung Mossman unterwegs war, nickte. »Nur eine tote Ameise ist eine gute Ameise. Ich hasse diese Biester. Nicht umsonst sind alle Lebensmittel, auch das Brot, bei mir im Kühlschrank verstaut. Sonst kannst du das Zeug vergessen. Die kommen überall rein.«

Pat gab ihr recht. »So schön die Tropen sind, aber das Viehzeug ist echt widerlich!«

Damit bezog sie sich auf ihre abendlichen Einsprühorgien mit Insektenschutzmittel. Leider hielt das Zeug nur sechs Stunden durch, also bekam man trotz allem in den frühen Morgenstunden etliche Stiche ab, denn die Mozzies, wie die Australier ihre Mücken nannten, waren die ganze Nacht am Werk. Allerdings hatten die Biester in Hettys Augen einen großen Vorteil gegenüber ihren deutschen Verwandten – sie summten nicht. Was zumindest dafür sorgte, dass man nicht hysterisch nach ihnen schlug und sich selbst eine Ohrfeige verpasste. Nein, diese Teile pirschten sich lautlos an und auch der Juckreiz hielt sich in Grenzen.

Nach zehn Minuten flotter Fahrt setzte Hetty mit einem lauten Aufstöhnen den Blinker, denn sie hatte gesehen, dass erneut eine Armada Ameisen den Außenspiegel und die Fensterflächen besetzte. Anscheinend hatte sich ein Großteil des Heeres an irgend einem verborgenen Ort vor ihrer Wischorgie versteckt, um nun von dort aus anzugreifen. »Auf ein Neues!«

Wahrscheinlich würden sie für die Einwohner von Mossman Stadtgespräch werden, aber das war ihr im Moment egal. Die breite Seitenstraße eignete sich wunderbar für erneute Stopp-and-Go-Aktionen. Und langsam, aber sicher, wurden es tatsächlich immer weniger Ameisen.

Schließlich kehrte Hetty zufrieden in ihre Fahrerkabine zurück. »Die meisten sind weg, der Rest ist belanglos. Jetzt fahren wir zur Schlucht. Du kannst dir gleich den Bikini anziehen, denn wir werden baden!«

Wobei vor dem Anziehen, das Ausziehen stand. Und sie hatten damit alle beide ihre Probleme. Die vom Schwitzen klatschnassen Klamotten klebten am Körper und auch die Klimaanlage half momentan nicht viel. Hetty kam sich vor, wie eine Schlange, die sich ihrer alten Haut entledigte.

»Schlangen sind schlanke, behändige dünne Wesen. Das hat mit dir gar nichts zu tun.« Die Sarkasmusabteilung musste ihr unbedingt auch noch eine mitgeben. Als ob sie Gott heute noch nicht genug gestraft hatte.

»Du glaubst nicht an Gott! Wie kann er dich strafen?«

Zähneknirschend versuchte Hetty sich aus ihrem T-Shirts zu befreien, dass irgendwie nicht über den Kopf gehen wollte. Ja, schon gut. Sie war Atheistin. Aber irgendjemand hatte sie heute auf dem Kieker.

Wer auch immer das war, war anscheinend der Meinung, dass er Spaß genug gehabt hatte, und sorgte dafür, dass sie nach einer Stunde Wanderung durch den Regenwald, einen idyllisch gelegenen Felsenpool ganz für sich alleine hatten.

Pat war entzückt. »Super, und das Wasser ist sogar kalt.«

Was soviel hieß, dass es ungefähr siebenundzwanzig Grad hatte, das bedeutete in Australien sibirische Kälte.

Hetty seufzte auf. »Darauf habe ich mich gefreut!«

Sie hatten sogar einen Minisandstrand und einen Miniwasserfall. Der etwas größere Bach sprudelte über mehrere kantige Felsen in den Pool, um dann geruhsam weiterzufließen. Auch wenn das Becken nur zehn Meter im Durchmesser hatte, für eine erholsame Erfrischung war es allemal gut.

Beim Rückweg blieben sie an einigen seltsam geformten Eukalypten stehen. »Ich lese für mein Leben gerne diese Beschreibungen, aber ich vergesse sie leider sofort wieder«, gestand Hetty, nachdem sie gerade die Information verdaut hatte, dass das Laub dieser Pinie für Baumkänguruhs ein begehrtes Futter war.

Pat schmunzelte. »Glaubst du wirklich, ich kann unterscheiden, welcher Eukalyptus zu welcher Art gehört? Schließlich haben wir siebenhundert Sorten davon und ehrlich gesagt, finde ich es auch nicht wichtig. Ist halt ein Baum!«

Hetty lachte. »Genau diese Einordnung bevorzuge ich auch. Allerdings mache ich noch Unterschiede.«

Als Pat sie fragend ansah, erklärte sie. »Sehr schöner Baum, schöner Baum, Baum, uninteressanter Baum.«

Vor lauter Lachen wäre ihre Mitreisende fast über die nächste Wurzel gestolpert.

Als sie aufsah, meinte Pat. »Also das hier würde ich dann als sehr schönen Baum einordnen.«

Vor ihnen stand ein Prachtexemplar eines Fig-Trees und weil er so groß war, hatten ihm die Ranger auch eine separate Infotafel gegönnt. Diese Bäume gehörten in die Oberfamilie der Eukalypten, waren aber genau wie die Gumtrees eine eigene Untergruppe. Es gab natürlich zahlreiche verschiedene Arten, allerdings hatten alle Früchte, die wie Feigen aussahen, was dann auch die Namensgebung erklärte. Bei einer Führung im botanischen Garten in Sydney hatte Hetty allerdings erfahren, dass nur eine einzige Art essbar war. Selbstverständlich hatte sie sich nicht gemerkt welche, schließlich war Obst etwas, was nur sehr selten auf ihrem Speiseplan stand.

»Außer in flüssiger Form und mit vierzehn Prozent Alkohol!« Tja, sie trank halt ganz gerne ihren Rotwein und schließlich war ein Gläschen auch gut fürs Herz.

»Dann bräuchtest du die nächsten zehn Reinkarnationen keinen Wein mehr zu trinken! Die Ärzte sagen maßvolles Trinken ist gestattet, nicht Maßvolles!« Ihre Sarkasmusabteilung glänzte wieder mit Euphismen.

Schmunzelnd folgte Hetty ihrer Mitfahrerin, die bereits wieder unterwegs war. Pat hatte ein ziemlich flottes Tempo angeschlagen und sie hatten vereinbart, dass jeder seinen eigenen Trott gehen sollte.

Die Wanderwege in Australien waren grundsätzlich sehr gut markiert und man musste sich schon richtig anstrengen, um sich zu verlaufen. Was vermutlich daran lag, dass sie, wie hier, durch dichten Regenwald führten und außer diesem einem Pfad keine andere Möglichkeit vorhanden war, vorwärts zu kommen. Der vorher verabredete Treffpunkt war die stählerne Hängebrücke, welche den kleinen Fluss gute zwanzig Meter überspannte.

Pat stand in ihrer Mitte, blickte begeistert auf das durch große Felsblöcke dahin sprudelnde Wasser hinunter und meinte. »Schön nicht?«

Hetty nickte und sparte sich den Kommentar, dass dieser Anblick in jedem bayerischen Bergdorf zum Alltag gehörte. Australier verfielen jedes Mal in blanke Euphorie, wenn sie Wasser sahen, dass nicht gerade mal wieder die Straße überflutete. Tja, in einem Land in dem im Inneren meist große Trockenheit herrschte, war das wohl verständlich.

Die Mulgacamper Romane Band 7 und 8

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