Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 19 und 20 - Elda Drake - Страница 4

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Kapitel 1

Der gellende Hilfeschrei von Dolly weckte das ganze Haus auf. Es dauerte wohl nur einige Sekunden, bis Kai und Patrick neben ihr standen und entsetzt auf den leblos wirkenden Körper von Fritz starrten, der vor ihnen auf dem Boden lag.

Patrick hatte bereits den Hörer in der Hand, als Kai, der nach dem Puls gefühlt hatte, anordnete. »Notarzt, schnell, Herzinfarkt!«

Während Patrick telefonierte und dem Mann an der Rettungsleitstelle die GPS-Daten ihres Standortes durchgab, kniete sich Kai auf den Boden und begann mit den Erste-Hilfe-Maßnahmen. Mit leiser Simme zählte er mit, während er rhythmisch auf den Brustkorb von Fritz drückte, um das Herz in Bewegung zu halten. In Abständen legte er kurze Pausen ein, damit er zusätzlich eine Mund-zu-Mund-Beatmung machen konnte.

Nachdem Patrick das Telefonat beendet hatte, informierte er mit angespannter Stimme kurz die Anwesenden. »Der Arzt ist unterwegs!« Dann kniete er sich gegenüber von Kai, neben den nach wie vor regungslosen Körper, um ihm bei Fritz zu helfen.

Hetty war nur kurz nach den beiden in der Diele angekommen und hatte erst entsetzt das Bild, das sich ihr bot, gemustert. Dann hatte sie Dolly, die wie versteinert dastand und mit weit aufgerissenen Augen auf ihren, wie tot daliegenden Mann starrte, fürsorglich in den Arm genommen. Als sie sah, dass die beiden Männer das Geschehen soweit im Griff hatten, sagte sie leise zu ihr. »Komm wir gehen in die Bibliothek. Hier können wir nicht helfen und stehen nur im Weg.«

Sie ersparte sich die Bemerkung, dass der Anblick von Kai und Patrick, die sich damit abwechselten, das Herz von Fritz am Schlagen zu halten, einem die Luft abdrückte.

Die knappen zwanzig Minuten, die vergingen, bis der Arzt endlich eintraf, dauerten schier eine halbe Ewigkeit. Und sie mussten noch dankbar sein, dass der Helikopter des Notarztes einer von der schnelleren Sorte war und die weite Strecke in dieser Zeit geschafft hatte. Glücklicherweise gab es inzwischen im Außenbezirk von Brisbane eine Rettungsleitstelle, welche die Versorgung des Hinterlandes abdeckte.

Hetty hatte in der Zwischenzeit Dolly einen starken Whiskey eingeflößt und war dann zu den Schlafräumen hinaufgegangen, um zwei Shorts zu holen, die sie mit einem Fingerzeig neben die Männer legte. Keinem der beiden war bewusst gewesen, dass sie nur das trugen, was sie normalerweise im Bett anhatten und das war, wie üblich, nur die blanke Haut. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte man über den irritierten Blick, den sie auf die Bekleidungsstücke warfen, eigentlich lachen müssen.

Bei ihrem kurzen Aufenthalt im Obergeschoss hatte Hetty ihr Schlafshirt allerdings ebenfalls gegen ein normales T-Shirt mit Bermuda getauscht. Denn auch das war nur äußerst bedingt für einen Auftritt in der Öffentlichkeit geeignet – vor allem, wenn man unter dem Shirt keine Unterwäsche trug und es von der Länge her nicht im Entferntesten bis zum Oberschenkel reichte. Schließlich sollte der Notarzt nicht glauben, er wäre hier in ein Nudistencenter geraten und vor lauter Schreck auf dem Absatz umdrehen, wenn er die Anwesenden erblickte.

Als sie den Rotor des näherkommenden Helikopters hörte, ging sie nach draußen, um den Hubschrauber einzuweisen und dem Arzt und dem Sanitäter den Weg in das Haus zu zeigen. Eine Viertelstunde später war Fritz bereits in der Luft und unterwegs zum Krankenhaus in Brisbane.

Kai, der, genauso wie Patrick, schweißüberströmt war, fuhr sich mit der rechten Hand durch seine klitschnassen Haare und gab die Anweisung. »Hetty, begleite Dolly nach oben und pack mit ihr die Sachen für das Krankenhaus.«

Mit einem beruhigenden Blick wandte er sich an Dolly, die immer noch voller Entsetzen war, am ganzen Körper zitterte und eigentlich nur noch aus großen, ängstlich blickenden Augen bestand. »Ich dusche mich noch schnell, dann fliege ich mit dir ins Krankenhaus.«

Nachdem die zwei Frauen verschwunden waren, atmete er einmal tief durch. Bisher hatte er nur gehandelt, jetzt wurde ihm bewusst, dass sein Ziehvater vielleicht nicht überleben würde. Und dieser Gedanke war so grauenvoll, dass er ihn blockierte. Irgendwie bekam er keine Luft, denn die Angst um Fritz schnürte ihm den Atem ab. Mit einem Aufstöhnen versuchte er den Druck von der Brust zu bekommen, doch irgendwie wurde die Last einfach nicht leichter.

Eine Hand legte sich tröstend auf seine Schulter und zeigte ihm damit an, dass er nicht alleine mit seinen Sorgen war. Kai hatte völlig vergessen, dass Patrick immer noch im Raum stand und jetzt mitbekam, wie er, der normalerweise über allem stand, Schwäche zeigte.

Doch der wusste auch ganz genau, wie sehr Kai an seinem Mentor hing und momentan tat er ihm von Herzen leid. Schließlich war Fritz derjenige gewesen, der Kai nach dem frühen Tod seiner Eltern unter seine Fittiche genommen hatte. Und auch wenn der Sechzehnjährige keine Geldnöte hatte, so brauchte er doch seelischen Beistand. Außer einer jüngeren Cousine gab es keine lebenden Verwandten und damit hatte Kai im Prinzip keinen Menschen, an den er sich wenden konnte. Also war der beste Freund seiner verstorbenen Eltern, den diese auch zu seinem Vormund ernannt hatten, eingesprungen. Wobei ihm Fritz sofort eine Berechtigung für den Zugriff auf das komplette Vermögen ausgehändigt hatte. Er wollte nicht, dass der Junge glaubte, er wäre von ihm abhängig.

Kai hatte den Kopf geschüttelt und ihm gesagt, er brauche das nicht und hatte das Schriftstück zerrissen. Eigentlich hatte genau diese Handlung gezeigt, wie reif der Jugendliche für sein Alter war. Doch Fritz hatte nur genickt und war seit damals immer für Kai dagewesen, wenn er jemanden brauchte, mit dem er reden konnte. Seine Farm war die Zuflucht geworden, die Kai aufsuchte und ein Ort, an dem er sich wohlfühlte und zuhause war. Als Hetty vermisst wurde, war Fritz derjenige gewesen, der ihn in seiner Meinung bestärkt hatte, sie würde noch leben. Und jeder wusste, dass Fritz Kai wie seinen eigenen Sohn liebte und wenn er sterben würde, dann verlöre Kai zum zweiten Mal den Vater.

Patrick konnte sich deshalb nur zu gut vorstellen, wie es momentan in Kai aussah. Mit leiser Stimme sagte er. »Er schafft es! Da bin ich mir sicher. Du weißt doch, die Überlebensrate ist umso besser, je schneller die Hilfe einsetzt. Wir waren sofort da und der Notarzt hat ihm Lyse gespritzt. Es wird dauern, bis er wieder gesund wird, aber er schafft es!«

Kai drehte sich langsam um und sah in die blauen Augen, die ausnahmsweise nicht den neutralen Ausdruck zeigten, hinter dem Patrick sich ihm gegenüber immer versteckte, sondern ihn mitfühlend ansahen. Es war schon seltsam. Genauso wie er immer eine Ahnung hatte, wie es in Patrick aussah, so hatte der inzwischen auch einen Sensor dafür entwickelt, was er fühlte. Und momentan konnte er seelischen Beistand wirklich gebrauchen.

Er seufzte und antwortete. »Das hoffe ich von ganzem Herzen und an die Alternative will ich gar nicht erst denken. Aber jetzt muss ich mich um Dolly kümmern. Und du wirst die nächste Zeit ganz schön ran müssen, denn du musst die Firma alleine leiten.«

Patrick zuckte mit den Schultern und meinte. »Flieg du jetzt erst mal los, den Rest kriegen wir schon irgendwie.«

Er wirkte nicht im geringsten beunruhigt, dass die Last eines Millionenimperiums die kommenden Tage ganz alleine auf seinen Schultern ruhen würde. Wenn man daran dachte, wie sehr er bei seiner Heirat vor sieben Jahren mit dieser Vorstellung gerungen hatte, dann konnte man kaum glauben, dass sich aus dem unsicheren Jungen von damals, ein so selbstsicherer und souverän auftretender Mann entwickelt hatte. Aber Patrick war in den vergangenen Jahren sehr gereift und Kai wusste auch, dass nicht nur die Last der Geschäftsführung der Erzmine dazu beigetragen hatte. Er war oft genug Zeuge davon gewesen, welche Seelenqualen Patrick durch seine, immer noch vorhandene Liebe zu Hetty durchleben musste. Wenn jemand eine Ahnung davon hatte, was Leiden bedeutete, dann dieser Junge.

Er ging los und drehte sich nach ein paar Schritten nochmal um. »Danke!«

Patrick sah ihm nach, als er die Treppe hinaufging. Auch er hatte Angst um Fritz. Schließlich hatte sein Schwiegervater ihn immer wie einen zweiten Sohn behandelt und dabei auch keine großen Unterschiede zwischen ihm und Kai gemacht. Aber im Gegensatz zu Kais Eltern, waren seine eigenen noch am Leben und würden ihm im Notfall immer Rückhalt geben. Stirnrunzelnd versuchte er sich vorzustellen, was Kai gefühlt haben musste, als er als Teenager urplötzlich völlig alleine zurechtkommen musste.

Chrissie, seine Exfrau und Tochter von Fritz, hatte ihm einmal erzählt, wie der tödliche Autounfall damals abgelaufen war, von dem Kai diese feine Narbe über der linken Wange zurückbehalten hatte. Sein Vater war sofort gestorben, genauso wie der Unfallverursacher. Doch die Mutter hatte noch gelebt und Kai hatte vergeblich versucht, sie am Leben zu halten, bis Hilfe kam. Es war wirklich kein großes Wunder, dass ein sowieso schon introvertierter Junge, sich daraufhin von seiner Umwelt abschottete und zu einem nach außen hin absolut emotionslosen Menschen geworden war. Doch in Wirklichkeit konnte niemand besser Gefühle verstehen als Kai und er wusste schon lange, dass dieser Mann auch sehr wohl leiden konnte.

Patrick seufzte. Schließlich war er derjenige, der normalerweise dafür sorgte, dass Kai ungute Gedanken bekam, denn schließlich ließ er nichts unversucht, um Hetty endlich für sich zu gewinnen. Seit seiner Scheidung von Chrissie hatte er sich auch nicht mehr sonderlich Mühe gegeben, diese Tatsache und deren Konsequenzen vor seinem Rivalen zu verbergen. Und da Kai immer über alles informiert war, bekam er meistens auch mit, wenn seine Freundin sich nicht an ihre Vereinbarung hielt, dass Patrick tabu war. Da Patrick selbst hin und wieder vor lauter Eifersucht auf Kai am liebsten die Wände hochgegangen wäre, konnte er sich gut vorstellen, dass es hinter der ungerührten Miene, die sein Konkurrent zeigte, sehr wohl anders aussah. Doch momentan gab es wichtigere Dinge zu tun, als ihren ewigen Kampf um Hetty fortzuführen. Jetzt stand erst einmal die Genesung von Fritz im Vordergrund.

Hetty hatte Dolly für einen Moment alleine gelassen und war in ihre Suite gegangen, um nach Kai zu sehen. »Soll ich auch mitkommen?«

Ihr Lebensgefährte schüttelte den Kopf. »Du kannst sowieso nichts machen. Außerdem muss jemand auf Simon aufpassen, Patrick wird dazu keine Zeit haben. Bleib bitte hier auf der Farm, ich gebe dir Bescheid.«

Während er duschte, legte ihm Hetty die üblichen schwarzen Kleidungsstücke auf sein Bett und wartete dann bedrückt darauf, dass Kai wieder auftauchte. Sie wusste, wie sehr er seinen Mentor und Ziehvater liebte und hoffte von ganzem Herzen, dass Fritz diesen Infarkt überleben würde. Ganz abgesehen davon, dass er auch für sie schon lange die Vaterstelle vertrat und sie sich ein Leben ohne Fritz beim besten Willen nicht vorstellen konnte.

Als Kai aus dem Bad kam, stand sie auf und umarmte ihn. »Ich liebe dich!«

Auch wenn er in Eile war, die Zeit für einen langen ausgiebigen Kuss nahm er sich trotzdem. Dann war die Gegenwart wieder da und er griff nach seinem Hemd. »Dolly sitzt sicher schon wie auf heißen Kohlen. Wir müssen los.«

Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 19 und 20

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