Читать книгу Lena Halberg: Der Cellist - Ernest Nyborg - Страница 13

4

Оглавление

Durch den offenen Kreuzgang des überdachten Innenhofs, der die verschiedenen Hotelbereiche miteinander verband, ging Almeda nach der Besprechung hinauf zur Dachterrasse. Er war zufrieden über die Entwicklung in den letzten zwei Stunden. Mit seiner Annahme, dass die Hyänen ihrer Gier folgen und sich auf die Schürfrechte stürzen würden, hatte er richtig gelegen. Doch gab es unter ihnen auch einen deutschen Anlagenbauer und eine große australische Minengesellschaft, die seine Intentionen verstanden – beide hatten derartige Projekte schon anderswo realisiert und konnten sich vorstellen, direkt hier im Land zu investieren. Wenn es ihm gelang, sie gemeinsam an einen Tisch zu bringen, kam das einer Lösung in seinem Sinne schon sehr nahe. Für ein erstes Abtasten der Interessen ein gutes Resultat.

Almeda nahm das Etui mit den dunklen Zigarillos aus der Tasche, zündete sich genüsslich eine seiner geliebten Brasils an und lehnte sich an die Steinbrüstung. Sie lief rund um das Dach und war durch kleine gemauerte Türmchen unterbrochen. Der Blick auf die malerische, von der UNESCO zum Weltkulturerbe gekürte Stadt, die sich vor der hohen Bergkette ausbreitete, entschädigte ihn für die maßlosen Wünsche mancher Manager und die Kälte des Abends. Er fühlte sich zu Hause zwischen den weißen Bauten aus der Kolonialzeit mit den spanischen Dächern. Das Parador lag direkt in der historischen Altstadt, nur einen Block vom zentralen Platz entfernt und davor ragte der Glockenturm der großen Kathedrale mit seinen überlebensgroßen Statuen der Apostel und Evangelisten auf. Nur wenige Straßen entfernt war er aufgewachsen. Schon als Kind, wenn er mit seiner Mutter zur Messe ging, hatten ihm die dunklen Heiligen, die stumm in alle Himmelsrichtungen blickten, Respekt eingeflößt und ein wenig davon empfand er noch heute.

»Qué panorama impresionante!«, lobte eine laute weibliche Stimme hinter Almeda die Aussicht und riss ihn aus seinen Gedanken. »Schön, Sie hier abseits der Meute anzutreffen.«

Almeda wandte sich um. Das schlechte Spanisch mit dem amerikanischen Akzent gehörte zu der großen blonden Frau, der einzigen, die vorhin bei dem Meeting war. Die Störung und ihre platte Bemerkung verdrossen ihn, denn natürlich hatte sie nur darauf gewartet, ihn irgendwo alleine abzupassen.

»Evelyn Schillman«, fuhr sie ohne Pause fort. Mit schnellen Schritten kam sie näher und hielt ihm mit vorgestrecktem Arm ihre Visitenkarte hin. »Aber für meinen Freunde bloß Ivy!«

Almedas angenehme Stimmung war weg. Kann man denn keine fünf Minuten Ruhe haben?, dachte er. Er kannte solche Leute zur Genüge – während eines Gesprächs in der Allgemeinheit brachten sie den Mund nicht auf und danach versuchten sie, ihre Interessen in privaten Deals durchzudrücken. Schon vorhin, als er mit dem Vertreter der deutschen Firma gesprochen hatte, stellte sie sich wie zufällig daneben, versuchte mitzuhören und nahm an, er würde es nicht bemerken.

»Danke, Señora Schillman«, antwortete er deshalb betont förmlich und steckte die Karte mit einer mechanischen Geste ein, ohne sie anzusehen.

»Ein wunderbarer Abend«, sagte sie und stellte sich neben ihm an die Brüstung. Zweifellos war sie trotz ihres Alters – er schätzte sie auf Mitte fünfzig – attraktiv und versuchte damit bei Männern zu punkten. Aber aus der Nähe betrachtet wirkten ihre Züge hart und die Schminke zu dick aufgetragen. »Es muss herrlich sein, hier zu leben, obwohl Washington auch seine Reize hat.«

Almeda nickte. »Was kann ich für Sie tun?« Es war eine rein rhetorische Frage, in Wahrheit interessierte ihn das Gespräch nicht.

»Es wäre von beiderseitigem Vorteil, bereits jetzt über die weiteren Schritte der Lithiumgewinnung nachzudenken.«

»Es handelt sich lediglich um einen Informationsabend, die Ausschreibung unseres Ministeriums wird allen Interessenten schriftlich zugestellt.« Er zog an seiner Zigarre und wollte sich wieder abwenden.

Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen«, sagte sie vertraulich und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Vielleicht kommen wir gemeinsam zu dem Entschluss, dass es keiner solchen Ausschreibung bedarf.«

»Was meinen Sie damit …?«

»Unter Umständen kann ich Sie davon überzeugen, einen Vertrag mit uns zu schließen, ohne diesen Umweg.«

Ach, daher weht der Wind, dachte er.

»Hören Sie!«, sagte er laut und ging einen Schritt auf Distanz, »das ist gegen jede Gepflogenheit und gegen meine persönlichen Prinzipien. Außerdem verschwenden Sie Ihre Zeit, denn Ihr Unternehmen hat mit uns Kontakt aufgenommen und eine Absage erhalten. Ich verhandle seit dem Unglück in Potosí nicht mehr mit US-Konzernen.«

»Ich verstehe, Sie denken, ich vertrete die Leute aus Amerika, weil ich selbst von dort komme.«

»Nicht?«

»Nein, ich bin Lobbyistin der Art Union Bank aus Estland. Ein sehr arriviertes Unternehmen!« Sie deutete auf die Tasche seines Sakkos, in dem ihre Karte steckte.

Almeda nahm sie nun doch heraus. Er warf einen Blick auf das große rote Logo und nickte.

»Nun erinnere ich mich. Ich habe die Unterlagen angesehen, die Sie mir vorweg übersandt haben, und mich auch ein wenig über die Gepflogenheiten der Bank informiert, die Sie vertreten.«

»Das freut mich«, sagte sie darauf, »dann werden Sie doch festgestellt haben, dass wir zu den wenigen Unternehmen gehören, die …«

»Die mit der Armee gegen Bauern vorgeht«, ergänzte er den angefangenen Satz und drehte sich ihr zu. Seine Stimme wurde um einen Ton schärfer. »Die Art Union war doch die Bank, die in Projekte in Asien investiert hat, wo die ansässigen Bauern dann mit Gewalt zwangsenteignet wurden?«

»Das sollte nicht der ausschlaggebende Punkt sein.«

»Da ein Großteil unserer Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt, ist er das sehr wohl.«

»Ich wollte mit Ihnen eigentlich über die Schulden Ihres Landes sprechen, die offenen Staatsanleihen, die Sie nicht …« Ivy versuchte noch etwas zu sagen, erntete von Almeda aber nur eine abwehrende Geste.

»Das ist nicht Thema des Abends und unser Gespräch ist damit beendet«, sagte er schroff, drehte sich um und ging hinein ins Hotel.

Vor dem Stiegenabgang nahm er ihre Visitenkarte und warf sie in einen mit Sand gefüllten Ständer, der dort für Raucher als Aschenbecher stand. Er tat dies so, dass sie es noch sehen konnte und spürte förmlich ihren giftigen Blick im Nacken.

Wutentbrannt verließ Ivy das Parador. Almeda hatte sie einfach in der Kälte auf der Dachterrasse stehen lassen! So eine Frechheit war ihr noch nie untergekommen – was bildete sich dieser junge, selbstgefällige Südamerikaner denn ein! Sein ganzes Auftreten bei dem Meeting war unpassend gewesen, empfand sie. Zu einem Termin mit Spitzenmanagern der Industrie erschien man als Vertreter der Regierung gefälligst im Anzug und nicht mit Lederjacke und einem Hemd ohne Krawatte.

Und Taxis standen hier jetzt ebenfalls keine!

»So ein Kaff«, zerdrückte sie zwischen den Zähnen und stöckelte die schmale Straße zu dem Park bei der Kathedrale kurzerhand zu Fuß hinunter. Sie wohnte in einem modernen Hotel auf der anderen Seite der Altstadt, alte Kästen wie das Parador mochte sie nicht.

Der Klang ihrer Absätze hallte auf dem nächtlichen Gehsteig und mischte sich mit den Klängen der lateinamerikanischen Gitarrenmusik, die aus einem Restaurant drang. Es war das einzige Haus, in dem noch Licht brannte, sonst lag die Gasse menschenleer da. Die meisten Geschäfte hatten überdies als Schutz vor Dieben schwere Scherengitter oder Rollbalken heruntergelassen. Die sonst so bunte Stadt wirkte fremd und abweisend auf sie.

Unten am großen Platz nahm sie die längere Strecke an der Außenseite des Parks, da ihr die Anlage nachts zu unsicher erschien. An die prachtvoll beleuchteten Bauten entlang ihres Weges vergeudete sie keinen Blick, für sie waren das einfach nur weiße Häuser und – solange sie ihr nicht gehörten – uninteressant.

Die Welt der Ivy Schillman bestand aus zwei Kategorien von Dingen: solche, die man besaß, und solche, die man haben wollte. Alles übrige war belanglos. Mit dieser Einstellung hatte sie es von einem kleinen Ort in Idaho, den sie genauso verachtete wie ihre kleinbürgerliche Familie, zu einem ansehnlichen Vermögen und einem eigenen Büro in Washington gebracht. Sie betreute hochbezahlte Kampagnen für die National Rifle Association, die Organisation der Waffenliebhaber in Virginia, und vertrat als Lobbyistin die Art Union Bank aus Tallinn. Wobei ihre Stärke kurze, in sich abgeschlossene Projekte waren, die sie in einer überschaubaren Zeit realisieren konnte. Für Langzeitjobs fehlte ihr die Geduld und sie hasste jede Art von längerer Bindung. Das hielt sie auch bei Beziehungen so, die selten länger als einige Tage dauerten.

Im Hotel schlüpfte sie aus den unbequemen Schuhen, warf ihre Jacke aufs Bett und nahm sich einen Drink aus der Minibar, um den Ärger über diesen Almeda hinunterzuspülen. Er hatte ihr einfach das Wort abgeschnitten und war dann grußlos verschwunden. Damit entzog er sich jeder weiteren Diskussion und sie fand keine Möglichkeit, mit ihm näher über die hohe Staatsverschuldung Boliviens zu sprechen. Das wäre aber der Kernpunkt der Botschaft gewesen, welche sie ihm im Auftrag der Bank übermitteln sollte. So hatte er jetzt keine Ahnung von den schweren Konsequenzen für das Land, wenn er sich weigerte, den Vertrag mit ihnen zu unterzeichnen.

Deshalb – und das verstärkte ihren Zorn noch – würde sie morgen versuchen müssen, ihn zu erreichen und ihn trotz seiner rüden Art nochmals freundlich zu einem Gespräch zu bewegen. Sie stürzte den Rest des Drinks in einem Zug hinunter, ging ins Bad unter die Dusche und drehte das Wasser brühheiß auf.

Lena Halberg: Der Cellist

Подняться наверх