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Das mächtige Wasserrad

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Er blieb in der Tür stehen und lauschte, als Sebastian gerade über die verschiedenen Wasserräder sprach:

„Die Augen zum Müller, die Ohren gespitzt und die Münder geschlossen! Und wer nicht still sein kann, darf nicht in die alte Mühle hinein.“

Die Zuschauer lächelten angesichts der Tatsache, dass ohnehin alle ganz still standen. Natürlich ahnten sie, dass Kindergruppen wohl lebhafter waren. Sie folgten Sebastian zum großen Wasserrad, schauten in die tiefe Wassergrube und hörten aufmerksam seine Erklärungen.

Jetzt waren es nicht mehr acht Leute, sondern zwölf, denn vier weitere Kinder hatten sich begeistert angeschlossen. Als dreizehnter stand Onkel Thomas hinter den Erwachsenen und machte sich etwas kleiner als er war.

„Die Wassermühlen können unterschiedliche Wasserräder haben“, bemerkte Sebastian gerade laut und sachlich.

„Wenn das Wasser von unten in das Rad hineinfließt und es zum Laufen bringt, so nennt man dies ein unterschlächtiges Wasserrad.“

Er buchstabierte noch einmal laut:

„U-n-t-e-r-s-c-h-l-ä-c-h-t-i-g-e-s W-a-s-s-e-r-r-ad“

und rief plötzlich zur Überraschung seiner Zuhörer:

„Alle zusammen!“

„Unterschlächtiges Wasserrad!“ brüllten alle, wobei sich die Erwachsenen über sich selbst wunderten, wie gut sie gehorchten.

Auch Onkel Thomas schmunzelte, weil er sich dabei ertappt hatte, wie auch er mitsprach. Die Unruhe legte sich wieder und zwei weitere Zuhörer fanden sich am Wasserrad ein. Sebastian erklärte eifrig weiter:

„Natürlich gibt es auch mittelschlächtige und oberschlächtige Wasserräder. Was glaubt ihr, was für eins die Zschoner Mühle hat?“

Alle riefen durcheinander:

„Ein oberschlächtiges Wasserrad!“

„Richtig“, kommentierte der junge Führer und ließ auch diesen Ausdruck im Chor wiederholen.

„Und nun zu unserer Mühle. Seit vielen tausend Jahren fließt die Zschone durch das Tal. Das Wasser plätschert lustig tralala über die Steine und täte es noch heute, wenn nicht vor etwa 600 Jahren die Menschen angefangen hätten, sich das Wasser zu zähmen und eine Mühle in den Grund zu bauen. Einer der ersten hier war der Müller Gregor Götze. Er setzte in den Bach ein kleines Wehr hinein und lenkte damit das Wasser in den Mühlgraben, von wo es jederzeit in den Mühlteich fließen, sich ausruhen und mit der Ente spielen konnte.“

Onkel Thomas hüstelte vor sich hin, um zu verbergen, dass er es ganz lustig fand, wie Sebastian das Beispiel mit der Ente erzählte. Plötzlich rief der Junge:

„Und warum hat wohl der Müller einen Teich angelegt?“ Fachmännisch betrachtete er die Runde und fragte weiter:

„Vielleicht, weil er dann mit der Müllerin baden kann? Oder vielleicht, weil das der Ente gut gefällt?“

Nach den ersten Lachern gingen die Zuhörer daran, die Frage ernsthaft zu erörtern. Gemeinsam kam man zu dem Schluss, dass der Zschonerbach in heißen Sommern sicher oft mit Wasser geizte. Der Müller musste für eine solche Zeit gerüstet sein, wenn er mahlen wollte. Also legte er einen Teich an, worin er das Wasser sammelte, bis er es brauchte. Sebastian war sehr zufrieden mit seinen Zuhörern und ging immer eifriger seinem selbstgewählten Amt nach.

„Vom Mühlteich fließt das Wasser auf das Wasserbett aus Kiefernholz hier über uns und von dort, wenn der Müller den Schützen — auch Wasserklappe genannt —

öffnet, plumpst es in die Schaufeln des Wasserrades hinein. Dieses dreht sich dann schneller und immer schneller.“

Auf einmal begann sich das Wasserrad wirklich zu drehen. Völlig verblüfft folgten Sebastian und seine Zuhörer dem Geschehen. Während Sebastian überlegte, was er getan haben könnte, um das Rad in Bewegung zu setzen, freuten sich alle anderen an dem kräftigen Wasserrad und dem Lärm, den das rauschende Nass verursachte. Dann wurden die Bewegungen wieder langsamer. Sebastian, der immer noch einigermaßen ratlos seine Zuhörer anblinzelte, entdeckte plötzlich zwischen ihnen das lachende Gesicht und den Wuschelkopf von Onkel Thomas. Erleichtert rief er:

„Da ist der Müller. Der kann das alles noch viel besser erklären als ich. Und überhaupt weiß ich alles nur von ihm. Sicher wird er euch jetzt führen.“

Wieder erschallte Gelächter. Alle verstummten aber, als Onkel Thomas sagte:

„Nein, nein, so nicht. Mach du nur weiter, ich helfe dir, wenn du etwas vergessen hast. Ich hoffe natürlich, alle Zuhörer bleiben bei uns. Jetzt schlage ich vor, dass wir den Weg des Wassers noch einmal verdeutlichen, bevor wir in die Mühle hineingehen.“

„Ja, das tue ich gleich!“ rief Sebastian froh.

„Ich will auch etwas sagen“, machte sich lautstark einer der beiden Jungen bemerkbar, die von Anfang an bei der Führung mit dabei waren. Sebastian nickte ihm sein Einverständnis zu, und der Junge begann:

„Vom Bach wird das Wasser für den Mühlgraben abgezweigt. Von dort fließt es in den Teich, wo es sich sammelt. Dann gelangt es über das Wasserbett aus Kiefernholz hier oben auf das oberschlächtige Wasserrad und treibt es an. Anschließend plumpst es in die Wasserradgrube und fließt unter der Mühle wieder in den Zschonerbach zurück. Das ist die Wasseranlage der Mühle.“

Anerkennend klatschte Sebastian in die Hände. Auch alle anderen spendeten Beifall. Halb stolz, halb verlegen sah der Junge zu Boden.

„Das 6,00 m große Wasserrad sitzt auf dem Wellbaum. Er wird auch Königswelle genannt und ist aus Eichenholz, weil er viel aushalten muss und lange leben soll“, erläuterte Sebastian weiter. „Er führt durch die Wand in die Mühle hinein und treibt, wenn das Wasserrad sich dreht, die gesamte altdeutsche Mühlenkonstruktion an.“

Aber plötzlich machte er ein betretenes Gesicht, schaute in die Richtung des Müllers und fragte:

„Onkel Thomas, wo sind gleich die Katzensteine, die nach Katzenpisse riechen?“

Unter den Zuhörern entstand Tumult. Sie fragten sich gegenseitig, ob sie sich da wohl verhört hatten. Die ruhige Stimme des Müllers riss sie aus ihren Betrachtungen:

„Zwei dicke Stahlzapfen, innen und außen, sind in den Wellbaum gedrückt. Sie drehen sich auf Specksteinen, die in der Natur vorkommen und gern dafür genutzt werden, weil sie leicht fettig sind. So kann sich das große Wasserrad leichter bewegen.“

„Ja, ich weiß es wieder“, rief Sebastian dazwischen. „Und wenn das Wasserrad sich sehr schnell dreht, bewegen sich auch die Stahlzapfen im Specksteinlager sehr schnell und erhitzen es, so dass es nach ... nun ja, ihr wisst schon, wie die Steine dann riechen.“

Alle waren erleichtert und Sebastian kein bisschen verlegen. Er freute sich, dass ihn auch die Erwachsenen akzeptierten. Sie standen herum und fachsimpelten. Da ermahnte er sie wieder:

„Die Münder geschlossen, die Ohren gespitzt ...“,

und das taten sie dann auch. Schließlich forderte er sie auf, in den Mühlenraum zu gehen und dabei die Fotos im Flur zu beachten, die den Wiederaufbau der Mühle zeigten. Sie befühlten die Lehmwände, mit denen die Fachwerkkonstruktion aufgefüllt worden war und sahen sich die einzelnen Fotos ganz genau an. Auch Sebastian schaute sie sich gern an, besonders das, worauf ein lachender Onkel Thomas in Badehose in der Lehmpampe herumwatet, um auf diese Weise Lehm mit Sand und Wasser durchzumischen und für das Verfüllen des Fachwerks vorzubereiten. Man sah, dass es keine leichte Arbeit war. Anschließend musste noch Stroh hinzugefügt werden, erst dann hatte der Lehm die richtige Beschaffenheit.

,Schade, dachte Sebastian, ,da hätte ich auch gern mitgeholfen, nicht erst beim Gesindehaus.’

Allein stand er noch im Flur an den Fotos.

Sebastian in der Mühle

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