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Kapitel 2 - Der neue und unabhängige Mensch

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Und so beschlossen Satanael und die Seinen, sich ein eigenes Abbild zu erschaffen. Die Evolution der Menschen hatte gerade erst begonnen und konnte eine interessante Richtung annehmen. Man musste lediglich die emotionalen Empfindungen der Menschen überwinden, um sich so zu befreien und andererseits die Möglichkeit zu haben, die Welt zu geniessen. Denn nicht ihre Sichtweise, sondern die der Menschen war falsch. Es war völlig unnötig nach der Göttlichkeit zu streben, wenn man gleichzeitig durch die Geburt an die Erde gebunden war. Denn hier lag das wahre Paradies verborgen. Das einzige Dilemma war die Sterblichkeit der Menschen, doch das betraf sie nicht und auch ihre Kinder vermochten unsterblich zu sein. Schlussendlich war die Erde eher für die Freuden der Engel, als die der Menschen gemacht. Es wurde Zeit, dass man die guten Eigenschaften der Menschen, wie ihre äusserliche Schönheit durch eine strenge Züchtung beibehielt, aber alles andere hinter sich liess. Und so nahmen die Gefallenen sich Menschenfrauen und fingen an eine neue Rasse zu erschaffen. Sie wurden schwanger und gebaren ihnen aussergewöhnliche Söhne und Töchter. Sie zeugten Wesen ohne Seelen und ohne die Möglichkeit an der Göttlichkeit teilzuhaben. Doch das war auch nie das Ziel gewesen. Diese erste Generation verband das Schlechteste und das Schlimmste beider Gattungen. In sich trugen sie den Samen des Aufstandes und der Rache. Zudem besassen sie die Kraft ihrer Väter. Somit übertrafen sie die einfachen Menschen in allen Bereichen. Die Welt hatte eine neue Bestimmung gefunden. Von nun an, bis ans Ende aller Tage, war dies nun ein ständiger Begleiter der Menschen. Und auch wenn die Meisten diese Umstände als natürlich annahmen, dem war nicht so. Der Krieg, den Satanael entfachte, um die Frage, ob das Leben ein Geschenk, oder eine Prüfung war, hatte begonnen. Genauso über die Notwendigkeit des Göttlichen. Denn die Erde verlockte mit ihren Möglichkeiten.

Auch Samael beobachtete diese Ereignisse genau. Noch waren es wenige, die ihren Weg zu ihm gefunden hatten, doch das würde sich wohl bald ändern. Was Satanael machte, war einfach nur abscheulich. Dadurch wurde er zu seinem eigentlichen Pendant. Während er nur beweisen wollte, dass, wenn man beide Rassen gleichsetzte, jene der Engel besser und überlegen war, wollte Satanael sich mit ihnen verbünden, um die Göttlichkeit zu stürzen. Samael war stolz über seine göttliche Abstammung und wäre nie auf die Idee gekommen, sie für das aufzugeben, zu dem Satanael bereit war. Natürlich verstand er seine Überlegung. Lebensfreude sollte im Fokus stehen, auch jene Gelüste, die moralisch, aber nicht egoistisch gesehen, fraglich waren. Satanael wollte beweisen, dass, da sie von göttlicher Herkunft waren und makellos, nichts was sie tun wollten, sich gegen die Göttlichkeit richten konnte. Sozusagen wollte er die Ansichten des Herrn der Geister widerlegen. Und das war das Einzige, das Samael an seinem ehemaligen Bruder gefiel. Auch er setzte dort an, bevor die Menschen entstanden. Die Erde bot viele Freuden, aber manche davon waren für die Menschen verboten. Während sie sich auf der Welt ausbreiten durften und wenn sie die Möglichkeiten besassen, das Leben zu geniessen, musste man als Engel enthaltsam bleiben. Zudem unterschieden sich die Mentalitäten beider Rassen. Die Engel hätten die Erde völlig anders gestaltet und im Nachhinein stellte sich die Frage, warum der Herr der Geister die Erde den Menschen zum Geschenk gemacht hatte und nicht ihnen. Doch Samael hatte nicht vor einzugreifen, so dumm war er auch nicht. Satanael war so die viel größere Provokation.

Aber auch im Himmel machte man sich Gedanken um die Ziele Satanaels. Es war ein sehr kurzer Weg vom Licht in die Dunkelheit. Satanael schien ein Problem mit der Sensibilität der Menschen zu haben. Der Mensch war unrein, da er von der Erde genommen und nicht in der Göttlichkeit erschaffen wurde und alle Engel erkannten diesen Makel, wenn sie in deren Angesicht blickten. Das leugnete niemand. Aber gleichzeitig hatte der Herr der Geister ihnen eine Welt geschenkt, an der niemand anders Anteil haben konnte, wie die Liebe, Mitgefühl oder Hoffnung. Gleichzeitig besassen sie Eigenschaften, wie Angst, oder ein Gewissen. Satanael vermochte das nicht zu verstehen, lediglich deren Funktionsweise und das war für ihn der Stein des Anstosses. Für ihn wäre es weitaus besser gewesen, würden die Menschen die Welt mit den Augen der Engel betrachten und dementsprechend handeln. Schon immer faszinierte ihn das argumentative Recht und das wollte er nun demonstrieren. Denn was war schon die Liebe der Menschen, wenn nicht eine geschickte Manipulation? Ihre Hoffnung, die sie motivierte, beruhte meistens auf Illusionen und war falsch. Alleine der Umstand, dass die Menschen das nicht erkannten, liess sie weitermachen. Auch empfanden sie Mitleid, welches nur emotional begründet werden konnte. All das störte Satanael nicht nur, weil es falsch erschien, sondern auch weil es ihm frevelhaft vorkam. Darum war er abgefallen und bereit die Menschheit zu zerstören, um eine Neue zu erschaffen. Emotionale Liebe war nicht real, es entsprang nur der Vorstellung der Menschen, weil sie glaubten, ein Stück vom Paradies haben zu können. Gegen all das war Satanael und er hatte die Bereitschaft gezeigt, diese Fehler zu beheben. Das bereitete grosse Sorgen im Himmel. Die Ära der Menschen, konnte schneller vorbei sein, als gedacht.

Die erste Generation, der Kinder, der gefallenen Engel, wuchs heran. Sie waren grösser, stärker und boshafter, als die Menschen und ihre Väter hatten grosse Erwartungen an sie. Denn aus ihrer Sichtweise, waren sie nun die Krönung der Schöpfung und der Beginn eines völlig neuen Weges. Sie besassen einen freien Willen und Macht, womit sie den Verlauf der Geschichte verändern konnten. Im Gegensatz zu den einfachen Menschen, waren sie gegenüber den Schwächen wie Zweifel, Furcht, Unsicherheit, oder Mutlosigkeit erhaben. Nichts hinderte sie an ihrer natürlichen Entfaltung. Sie waren selbstbewusste Geschöpfe, welche ihr Handeln nicht ständig hinterfragten. Und so lehrten sie ihren Töchtern und Söhnen, was bisher niemandem beigebracht wurde, was sie aber als ihr Erbe betrachteten. Erkenntnis, Bewusstsein und wahre Erhabenheit. Sie verrieten ihnen die Geheimnisse des Himmels. Und so lehrten die gefallenen Engel ihren Kindern Dinge, worauf sie vielleicht nie von alleine gekommen wären, wie etwa die Herstellung von Waffen. Krieg musste es zwangsläufig geben, da man ansonsten seine Interessen nicht durchzusetzen vermochte. Das war es, was sie ihren Kindern an Ratschlägen mit auf den Weg gaben, um sich gegen die grösste Gefahr durchzusetzen, die es für sie gab. Die einfachen Menschen. Und so demonstrierten sie ihr Recht auf einen Platz auf der Erde, sie waren die nächste Generation und es lag in ihrer Natur, langsam aber stetig alle anderen zu verdrängen. Das verlangte die Evolution, aber noch war es ein weiter Weg. Dies war der erste Schritt, hin zur Unabhängigkeit, gegenüber der Göttlichkeit. Alles was ihre Väter ihnen gaben, nahmen sie an und alles andere, lehnten sie ab.

Doch auch die einfachen Menschen liess man an diesen Gaben teilhaben. Noch war man auf sie angewiesen, denn man erhoffte sich von ihnen Kenntnisse über die Zukunft, welche nur ihnen offenbart wurden, wenn sie zu Dienern des Todes wurden. Allen anderen war dieser Bereich des Lebens verschlossen. Und bereits jetzt schon hatten sie sich in der Kreativität ausgezeichnet, das Leben zu verbessern und es stetig zu verändern. Und darauf war man angewiesen. Darum lehrte man ihnen das Deuten der Sterne, nur so konnten sie die Handlungen des Göttlichen richtig auslegen. Auch lesen und schreiben brachte man ihnen bei, damit sie festhalten konnten, was wichtig war, um der Zukunft eine Geschichte zu geben. Und so wurde die Menschheit, in diese unheiligen Künste und bisher geheimes Wissen, eingeweiht. Sobald dieser Prozess abgeschlossen war, konnte man sie aussterben lassen. So erhoffte man sich das Göttliche umgehen zu können, damit es keine Notwendigkeit mehr war. Irgendwann waren alle Geheimnisse dieser Schöpfung offenbart und man war nicht mehr darauf angewiesen. Nur dazu war noch eine Seele notwendig. Und darunter verstand man die wahre Bedeutung des Wesens Mensch. Einerseits war er durch die Erbsünde gebunden und gezwungen sein Kreuz zu tragen, gleichzeitig vermochte er der Schöpfung ihre Geheimnisse zu entlocken, um das Leben angenehmer zu machen. Und vielleicht tat er das nicht für sich selbst, sondern eben für andere, welche dies eher zu schätzen wussten und bereit waren dies zu erben. Das war die Aufgabe und die Notwendigkeit der Menschen. Sie waren die Bauern, die das Feld bestellen mussten, damit andere ihre Früchte ernten konnten. Die Kinder der Gefallenen waren frei davon und darum musste ihr Schicksal das Leben sein. Denn sie waren zu größerem bestimmt, es konnten nun mal nicht alle Bauern sein. Das war der wahre Weg der Evolution, hin zur absoluten Freiheit.

In diese Zeit wurde Rahael geboren. Obwohl sein Stammbaum rein menschlich war, war er ein besonderes Kind, denn obgleich er eine Seele hatte, schien er keine menschlichen Schwächen zu besitzen. Er war einzigartig unter den Menschen und ein Beweis, dass die natürliche Selektion ein solches Wunder hervorzubringen vermochte. Es war eine Bestätigung, dass der verbesserte Mensch unmöglich mit dem Allgemeinen verglichen werden konnte. Es war als würde ein Affe versuchen, das höhere Wesen zu verstehen, aber trotz aller Vermenschlichung, blieb es ein dummes Tier. Das war nicht artgerecht und von solchen Sentimentalitäten musste man sich zwingend lösen. Das war keine Hilfe, im Gegenteil. Doch Rahael war interessant. Er war weitaus intelligenter, als all seine Mitmenschen. Denn während alle anderen, mehr oder weniger, zwischen der Realität und dem Unbewussten gefangen waren, wie in einem Märchen, war es sein Wille, diese Zustände zu durchbrechen und sich selbst zu befreien. Er wollte sein Leben ausschliesslich der Welt widmen und sich von allem anderen lösen. Bei ihm konnte man Großes erwarten, während der einfache Mensch sich vor allem durch seine Dummheit und Inkompetenz ausdrückte. Darum war Rahael schon früh klar, dass er sein Leben der Logik widmen wollte. Wenn er seine Artgenossen betrachtete, sah er wie ausdruckslos sie waren, man konnte nicht viel von ihnen erwarten. Die Kinder der Gefallenen hatten nicht mit solchen Problemen zu kämpfen. In diesem Sinne waren sie frei und dasselbe strebte Rahael bereits in jungen Jahren an. Denn wenn man alles ablehnte, von dem man nicht ausgehen konnte, dass es real oder möglich war, dann blieb das Einzig vernünftige übrig und mit Illusionen wollte er sich nicht länger auseinandersetzen, als notwendig.

Satanael freute sich über solche kleinen Wunder, bestätigten sie doch nur, was er schon immer wusste. Die Wahrheit drückte sich durch ihre Seltenheit aus und Rahael bewies das nur zu gut. Real konnte nur jene Welt sein, die alle teilten, alles andere war reine Fantasie und Wunschdenken. Doch das würden die meisten Menschen wohl nie verstehen, denn ihre Seelen waren die wahre Bürde, die sie zu tragen hatten. Bis zum Tod hielt sie den Geist hin, ohne ihm zu offenbaren, wohin er nun gehörte. Dieser Trialog zwischen Körper, Geist und Seele war eine grosse Behinderung. Sie verhinderte, dass der Geist sich ausschliesslich der Welt widmen konnte. Während des Schlafes verliessen den Körper Geist und Seele, ohne an denselben Ort zu gehen, aber während des Tages kämpften beide um Aufmerksamkeit. All das hatte grossen Einfluss auf den freien Willen der Menschen und deren Entscheidungen, denn ein freier Geist sehnte sich nicht nach demselben wie die Seele, denn er war viel stärker mit dem Körper verbunden als sie. Während Satanael der Meinung war, dass die Wünsche der Seele einerseits Illusionen und Manipulationen waren, glaubte er, dass die Instinkte und Triebe des Körpers dagegen wahr und natürlich waren. Daran sollte man sich orientieren. Es stellte jene zeitlose Auseinandersetzung dar, zwischen ihm und dem Göttlichen, zu beweisen, anhand der zahllosen Leben der Menschen, dass nur einer Recht behalten konnte. Die Liebe konnte nicht mehr sein als ein Bedürfnis des Körpers, das durch die Fantasie des Geistes an Lebensqualität gewann. Unter diesen Umständen verstand auch Satanael sich als ein liebendes Wesen. Das war jene anbetungswürdige Welt, die so viel kostbarer war.

Auch Rahael sah dies ähnlich, obwohl er eine Seele besass, aber dadurch hatte er es nur noch schwerer seinen Standpunkt zu vertreten. Liebe war eine Entscheidung, die man nicht mehr rückgängig machen konnte und niemand definierte sie so wie die Menschen. In deren Vorstellung übertraf die wahre Liebe alles andere, selbst das Göttliche, so gesehen war es nur natürlich danach zu streben. Aber nicht einmal der Hass, vermochte ein grösseres Leid anzurichten und darum widersprach die Welt diesen romantischen Ansprüchen. In Wahrheit strebte niemand nach Liebe, der bei klarem Verstand war. Nichts auf der Welt schwächte den Geist mehr, machte ihn verletzlich und unsicher. All dieser infantile Unsinn entsprang der realitätsfremden Seele. Aber der Geist lebte in einer anderen Welt. Die Seele verlangte nach einer Sensibilität, welche der Realität völlig widersprach. Sie blieb das Kind, das man einst war, ohne sich weiterentwickeln zu können. Darum bevorzugte Rahael das Bittere vor der Süße des vermeintlichen Lebens, es war ehrlicher und weitaus weniger hinterhältig. Und dies zu kosten, war stets eine Bestätigung. Denn man mochte das Leid im Leben nicht verhindern können, aber sehr wohl konnte man den Schmerz kontrollieren, den es verursachte. Und nach dieser Logik war es unsinnig, zuzulassen, dass man schwach war und noch mehr litt. Wenn es das Paradies gab, so war es eine gefährliche Droge für den Geist, weil man es sich nicht verdienen konnte. Und auf Erlösung sollte man sich nie verlassen. Für Rahael war klar, dass man dieser Göttlichkeit nicht trauen durfte, es gab weitaus wertvolleres im Leben. Die Seele versprach Glück, welches nicht von der Erde war und darum nicht zu der Natur des Menschen gehörte. Darum war es besser, nicht nach dem Unerreichbaren zu streben und lieber um das trauern, das man verloren hatte.

Aber an all das, verschwendeten die Kinder der Gefallenen keinen Gedanken. Das Leben war nicht traurig, es war schön. Das Einzige, das man fürchtete war der Tod. Aber genauso wie die Menschen, vermochte man hunderte Jahre zu leben, bevor der Traum zu Ende war. Ihnen war bewusst, welche Zukunft auf sie wartete. Sie besassen keine Seele und hatten somit keine Hoffnung, vom Göttlichen aufgenommen zu werden. Sie waren verdammt in der Hölle zu landen. Auch wenn das mit einer grossen Furcht verbunden war, gab es dem Leben doch die notwendige Würze, denn hier war man frei und hatte Macht. Und auch wenn die Unsterblichkeit noch nicht gegeben war, arbeiteten ihre Väter hart an ihrer Erlösung. Doch dieser Umstand löste keine Demut aus. Im Gegenteil. Diese Ohnmacht der eigenen Zukunft gegenüber, übertrugen sie auf die Menschen. Aber es war kein Neid, den sie verspürten, denn sie waren stark. Sie sahen die Unfähigkeit der Menschen, sich im Leben zurecht zu finden und sahen ihre Hemmungen, gegenüber ihren eigenen Bedürfnissen. Dieser innere Konflikt, den scheinbar jeder Mensch besass, war interessant anzusehen, auch wenn die Seelenlosen den nur ansatzweise begriffen, denn sie waren frei. Dennoch verstanden sie, dass die Göttlichkeit gewisse Anforderungen und Gebote an die Menschen hatte und ihnen nicht alles erlaubte, was sie glaubten, dass es ihrer Natürlichkeit entsprach. Frei von einer Seele, welche versuchte den freien Willen zu beeinflussen, hatte man diesen Disput nicht. Und so war es irritierend zu sehen, wie die Menschen sich überwinden mussten, um zu gehorchen und manch einer stellte sich die Frage, wem die Menschen nun mehr glichen. Denn nur weil es wider die Göttlichkeit war, musste es nicht wider die eigene Natur sein. Und mit einem Schicksal gesegnet, das schon besiegelt war, stellte sich diese Frage überhaupt nicht.

Und so setzte sich der ursprüngliche Streit, zwischen den ersten beiden gezeugten Kindern, auf der Erde, fort. Während der eine Stammbaum ausgelöscht wurde, aber durch einen weiteren ersetzt worden war, stürzte der Andere endgültig ins Verderben. Ein Klassenkampf entbrannte. Es schien, als könnte es nur eine Art von Menschen auf der Erde geben. Viele Gerechte waren im grossen Krieg gefallen und nun wurden sie immer weniger. Nachdem es keine Engel mehr gab, welche ihnen Rechtschaffenheit lehrten, kannten sie nicht den Pfad, welcher in den Himmel führte. Niemand hatte ihnen das offenbart und sie besaßen keine Philosophie, die sie schützte. Viele waren geneigt, den Worten Satanaels zu glauben. Sie fühlten sich im Stich gelassen. Unweigerlich kollidierten die natürlichen Menschen mit den Gottmenschen. Doch die Kinder der Engel waren in allen Bereichen den Menschen weitaus überlegen. Ihre Dominanz liess keine Akzeptanz zu und sie wurden immer mehr. Sie schienen zum Gespött der Schöpfung erschaffen worden zu sein. Ihr Äusseres täuschte die Menschen und liess sie vergessen, womit sie es zu tun hatten, dass man keine Menschlichkeit erwarten konnte. Die Welt stand an einem Scheideweg. Ginge es nach der natürlichen Selektion der Naturgesetze, würde der ursprüngliche Mensch irgendwann aussterben. Aber was ihn ersetzen sollte, widersprach dem Versprechen, irgendwann von der Ursünde befreit und zum alten Glanz zurückgeführt zu werden. Die Kinder der Gefallenen besassen den freien Willen der Menschen und die Erhabenheit, über dem Gewissen zu stehen, wie ihre Väter. Dadurch wurden sie zu den gefährlichsten Kreaturen, die es je gegeben hatte. Doch das machte es ihnen auch unmöglich den Sündenfall zu verstehen, zu bereuen und erlöst zu werden.

Völlig überfordert, flehten die Menschen den Herrn an, sie zu erlösen. Doch nichts geschah, denn Zeit wurde gegeben und dieses Versprechen gehalten.

Die Menschen waren gezwungen, sich zu entscheiden, denn wenn man sich für die Göttlichkeit aussprach, war man ein Feind aller anderen. Und das liessen die sie deutlich spüren. Darum füllte sich die Erde mit dem Blut der Unschuldigen und dem Unrecht, das ihnen angetan wurde. Es war die erste Phase eines langen Krieges, dass als erstes die Menschen sich gegenseitig bekämpften. Eine neue, barbarische Lebenseinstellung entstand, fernab der moralischen Vorstellung von Gut und Böse. Noch vermochte kein Mensch das wahre Wesen der Seelenlosen zu verstehen, aber man gehorchte ihnen, denn man teilte dieselben Werte und darum wurden sie bewundert. Die Kinder der Gefallenen fühlten die Hölle anstatt der Göttlichkeit, doch anstelle, dass dieser Umstand sie schwächte, zogen sie ihre Stärken daraus. Denn dies entsprach ihrer Natürlichkeit, damit wurden sie geboren. Und so zogen sie das Leben und die Menschen mit sich in den Abgrund. In dieser Situation war es unmöglich, dass für sie Hoffnung bestand. Wie ein schlecht verheilter Knochenbruch, mussten sie zuerst erneut gebrochen werden. Aber davon waren sie noch weit entfernt. Und so ergötzten sie sich am Leid der Menschen und erhoben somit das Böse auf ein neuerlich erhöhtes Podest. Gleich nach der Lehre, dass man nichts vermissen konnte, das man nicht kannte, strebten sie ein völlig anderes Leben an, als es die Göttlichkeit anbot. Und Letzteres blieb den Beweis schuldig, dass es vorteilhaft war, dass man auch ausserhalb des Paradieses danach strebte. Nein, Satanael trachtete nach einer völlig anderen Ansicht von Frieden, Gerechtigkeit und Vergebung, als es die Schöpfung anbot. Er wollte nicht dem Herrn der Geister dienen, sondern dem, das über ihm stand. Die Hölle, das Chaos und die Dunkelheit. Darum musste nicht er sich anpassen, sondern die Welt.

Ohnmächtig gegenüber dieser Überlegenheit, wurden die Menschen verführt. Satanael gab ihnen was noch niemand bereit war ihnen zu schenken. Verständnis, Macht und Erkenntnis. Schlussendlich fehlte ihnen die Vorstellung, was den Himmel so erstrebenswert machte. Dort mochte es Dinge geben, die es auf der Welt nicht gab, aber es fehlte auch vieles, was es auf Erden gab und die das Leben so erstrebenswert machten. Schlussendlich setzte sich der Gedanke durch, dass wenn man durch die Geburt schon an die Welt gebunden war, man ihr auch die vollkommene Aufmerksamkeit schenken konnte. Zudem, so lehrte Satanael, war es reine Interpretation, ob man die Vergangenheit positiv, oder negativ bewerten wollte. Denn nachdem der Höchste aller Engel gefallen war, genauso wie der Mensch und nun auch Satanael und die Seinen, musste an der Perfektion des Planes gezweifelt werden. Niemand vermochte zu erkennen, was an der Erkenntnis so abgrundtief Böses anhaftete und ein so grosser Aufwand um die Geheimnisse des Himmels gemacht wurde. Die Menschen wurden doch nicht nur geschaffen, um zu lieben und das Göttliche anzubeten, um am Ende ihres Lebens in dieser Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Es schien fast so, als würden sie völlig unterschätzt werden. Man wollte sie dumm halten, damit sie sich nicht weiterentwickeln konnten, aus Angst, dass die Verantwortung sie überfordern würde. Aber alle hatten gesehen, nachdem Satanael all sein Wissen mit den Menschen geteilt hatte, welch köstliche Früchte daraus hervorgingen. Er gab ihrem Leben einen völlig neuen Sinn. Das Leben auf Erden war in einen Wettstreit mit dem Paradies geraten. Und genauso wie das Göttliche einen Preis forderte, tat das Satanael auch.

Bei all dem wollte Satanael nicht glauben, dass es nichts gab, das sich der Kontrolle des Göttlichen entzog. Vielleicht musste dieses Terrain auch erst erschlossen werden. Das Gute mochte vorhersehbar sein, aber sicherlich nicht das Entgegengesetzte. Niemand vermochte sich vorzustellen, was er anstrebte. Bei so vielen Menschen auf Erden, konnte es sein, dass die Gerechtigkeit innerhalb des Göttlichen gefunden werden konnte, oder war es nicht so, dass dazu eine höhere Ordnung notwendig war? Denn danach war er auf der Suche. Für ihn stellte die Schöpfung ein abgeschlossenes System dar, bei dem nichts Neues dazu kam, oder verloren ging. Alles war wandelbar, aber blieb im Kern dasselbe. Die Göttlichkeit konnte dabei nur einen sehr geringen Teil ausmachen. Es war lediglich ein Versuch Ordnung zu schaffen, im unüberwindbaren Chaos. In seiner Vorstellung der wahren Realität, welche zwanghaft versucht wurde zu zähmen, galt das Gesetz des Stärkeren. Und in diesem Bezug war er ein gesegnetes Wesen, das weit oben in der Nahrungskette stand. Darum verstand er auch nicht, warum er seine Vorteile gegenüber den Anderen opfern, oder sich selbst bewusst durch die Demut schwächen sollte. Innerhalb der Evolution war er derjenige, der neue Fussspuren hinterliess. Wie konnte etwas wider die Natürlichkeit sein, das durch die Verwirklichung eine solch enorme Befriedigung verschaffte? Das Leid anderer, stillte ein schier unbändiges Verlangen nach Genugtuung. Er sah nicht ein, warum er eine solche Begierde unterdrücken sollte. Dieses Gefühl von Macht war berauschend, es allein verlieh einen göttlichen Glanz und liess alles andere verblassen. In solchen Momenten waren sie das einzige, was noch Bedeutung besass.

Und Samael sah, dass er Recht hatte. Wie leicht die Menschen doch bereit waren, das Göttliche zu opfern, für eine Handvoll Lügen. Noch erkannten sie nicht, dass sie der Feind der Seelenlosen waren. Sie bewunderten ein Verhalten und wünschten es zu teilen, ohne zu erkennen, was sich dahinter verbarg. All diese menschlichen Schwächen wie Unsicherheit, Angst, oder falscher Vorfreude, waren ein Indiz, dass der Mensch nicht perfekt war. Zwangsweise musste der höhere Mensch sich davon befreien. Die Kinder der Gefallenen waren selbstbewusst und nahmen sich was sie wollten. Gleichzeitig pflegten sie eine Kultur der Logik, die anfänglich etwas brutal und herzlos erschien. Aber eigentlich waren sie im Recht und das erkannte auch der einfache Mensch. Die Naturgesetze hatten nur den Anschein, erbarmungslos zu sein, denn im Endeffekt waren sie eine Wohltat für die Überlebenden. Genauso wie ein Waldbrand vieles zerstörte, schuf er doch Platz für neues Leben. Und Satanael versprach, was bitter schmeckte, darum umso süsser war. Und die Menschen wollten keine Kinder mehr sein und dementsprechend behandelt werden. Lange hatte man die wahre Realität vor ihnen verborgen, aber damit war nun Schluss. Sie verstanden, dass sie sich für die Zukunft opfern mussten und dass sie voller Fehler waren. Der ideale Mensch drückte sich in Form der Seelenlosen aus und so versuchte man sie nachzuahmen und das eigene Gefühl von Falschheit zu unterdrücken. Aber Worte wie Liebe, Freundschaft oder Mitgefühl verloren an Bedeutung und verblassten. Die Versuchungen waren viele und die Menschen verstanden nicht damit umzugehen. Sie waren zweigeteilt. Ein Teil in ihnen wollte den Verführungen erliegen, aber gab man nach, war man schlussendlich nur enttäuscht. Und ab diesem Zeitpunkt war man verloren.

Rahael hatte beschlossen, sein Leben der Logik zu widmen. Jeden Tag dankte er Satanael, Gott dieser Welt, für diese Gabe, vereinfachte sie doch sein Leben enorm und liess ihn in ungeahnte Gebiete vorstossen. Dieses ehemalige Geheimnis des Himmels war ein notwendiges Geschenk. Es veränderte das Leben und die Denkweise der Menschen absolut. Zudem liess es einen viel objektiveren Blick auf das zu, was von anderen bisher als Gut und Böse definiert wurde. Denn wie Satanael bereits erkannt hatte, hing das vom jeweiligen Standpunkt ab und so konnte etwas, das auf den ersten Blick als grausam erschien, schlussendlich doch als Gnade erkannt werden. Denn die wichtigste Botschaft des Himmels, hatte Satanael mit den Menschen geteilt. Evolution. Man wurde nicht erschaffen, um unverändert zu bleiben, sondern damit man sich weiterentwickeln konnte. Die Kinder der Gefallenen waren ein gutes Beispiel dafür, kamen sie doch dem Endziel am nächsten. Und nun, wo jeder Mensch wusste, was das verborgene Ziel der Schöpfung war, konnte man sich Gedanken darüber machen, wie der optimale Weg dafür aussah. Und auch hier wusste Satanael Antwort. Die Geheimnisse verbargen sich in der Natur, sie zu erkennen und richtig zu deuten, war aber nicht einfach. Dafür benötigte man einerseits die Logik und andererseits ein Geschöpf wie Rahael eines war. Denn die Gesetze der Natur waren objektiv und nur darauf ausgerichtet, das beste Resultat zu liefern. Auch ein einfacher Mensch musste lernen, das zu erkennen. Dennoch überliess man ihnen die freie Wahl. Jedenfalls noch. Und so wurde Rahael zu einem angesehenen Mann, wirkte er doch als ein Entdecker und Vorreiter für die gesamte Menschheit. Er half mit zu beenden, dass die Schwachen über die Starken herrschten.

Nach und nach veränderte sich die Welt und die Ansichten der Menschen. Nun wo sie ernst genommen wurden, verstanden sie die Welt. Das Leben forderte Opfer und dazu war man bereit. Schlussendlich zählte nur das Ergebnis. Sie erkannten, dass nicht die Welt grausam war, sondern das Göttliche. Letzteres versuchte vergebens, die Gewalt der Natur zu mildern, aber dadurch verkümmerte der Mensch. Denn der wahre Unterschied zwischen einem Tier und einem Menschen war, dass dieser in der Lage war, anhand der Logik, die Wahrheit zu erkennen und sie sogar zu fördern. Die Natur war objektiv und nicht unnötig grausam und der Mensch war fähig, diesen Prozess zu unterstützen, um durch seine Taten, die Folgen noch weiter zu mindern. So sah man die Angelegenheit. Aber während in der Welt der Tiere, die Schwachen und Kranken grausam ermordet wurden, hatte man als Mensch humanere Methoden. Doch der Fokus musste immer auf die Zukunft ausgerichtet sein und dem hatte man alles andere unterzuordnen, denn falsches Mitleid konnte gravierende Folgen haben. Langsam begriffen die Menschen die Botschaft Satanaels und gaben ihm Recht. Beim Göttlichen lag der Schwerpunkt nicht auf der Welt, sondern auf dem Himmlischen, bei Satanael war es genau umgekehrt. Und schliesslich lag es in den Wünschen aller, seinen Kindern einen besseren Ort zu vermachen. Darum war man bereit dies anzunehmen. Es mochte nicht schön, dafür aber vielversprechend sein. Anstatt die Bürde der Vergangenheit zu tragen, war man bereit sich für die Zukunft zu opfern. Noch war das Leiden gross unter den Menschen aufgrund ihrer Unvollständigkeit. Aber Satanaels Weg versprach, einerseits diese Fehler zu beheben und andererseits für eine freie Welt einzutreten. Was konnte man mehr wollen.

Frei vom Einfluss des Göttlichen, oder Menschlichen, arbeitete Rahael an seiner ersten These zum perfekten Menschen: „Der Mensch ist eine Schöpfung und dennoch kann er seine eigene Natur überwinden und zu etwas Neuem und Einzigartigen werden. Er selbst kann bestimmen, was eine Wohltat ist und was nicht. Das Streben der Menschen muss es sein, ebenbürtig zu ihrem Meister zu werden. Dazu gehört es, jene Illusionen abzugewöhnen, welche uns umgeben und all jenes abzulegen, das nur dafür gemacht ist, uns Grenzen aufzuerlegen. Gleichgestellt zu werden, bedeutet auch göttlich geworden zu sein. Das ist erstrebenswert und nicht abzulehnen. Das Ziel muss es sein, eine Welt zu erschaffen, in der der Mensch frei ist, von all dem, das ihn noch einengt und seine Entwicklung behindert, denn es gibt viele Eigenschaften, die weder vorteilhaft noch nützlich sind. All das gilt es durch sorgfältige Auslese auszulöschen. Anhand der Logik können wir in eine ferne Zukunft blicken und verstehen, was getan werden muss, um sie zu erreichen. Doch wenn wir uns darüber Gedanken machen, so geht es nicht darum, eine perfekte Welt zu suchen, im Gegenteil. Wir alle werden durch Leid geboren und bis jetzt hat noch niemand dabei gelächelt. Darum muss man aufhören, die Welt durch die Augen der Kinder zu betrachten. Der Fokus muss zwangsweise bei der Evolution liegen, welche nur unserem freien Willen unterliegt. Denn wenn wir stets danach trachten, uns durch die Generationen ständig zu verbessern, werden wir nicht nur Göttlichkeit erreichen, sondern sie vielleicht sogar übertreffen. Doch dazu ist eine grosse Willensstärke notwendig. Wir können uns den perfekten Menschen vorstellen und darum müssen wir alles Notwendige tun, um ihm zu dienen. Seine Zukunft ist unser Schicksal und kein Preis zu hoch. Diese Ankunft müssen wir vorbereiten, egal was von uns verlangt wird.“

Somit wurde Rahael zum ersten Propheten Satanaels. Er hatte die Botschaft verstanden, mit ihm begann eine völlig neue Ära, in der die Menschen erkannten, was wahrlich böse war und nicht nur grausam. Denn die Grausamkeit gehörte zum Leben, aber sie war kein Fehler, im Gegenteil. Bevor Satanael die Kontrolle übernahm, waren die Menschen nur Kinder, aber nun waren sie verwandelt, sie hatten sich selbst überwunden. Denn Glaube hatte nichts mit Wissen, oder Wahrheit zu tun und setzte Vertrauen voraus. Diesen Tribut waren immer mehr Menschen nicht mehr bereit zu zahlen. Das Göttliche war zu einer überfürsorglichen Mutter geworden, die mit ihren Taten und ihrem Schweigen ihre Kinder schützen wollte. Aber das missfiel dem Kind, das nun gar keines mehr war. Was Satanael ihnen schenkte, mochte nicht schön sein, dafür aber ehrlich. Schlussendlich ging es darum, wie der ideale Mensch nach ihren Ansichten aussah und hier wich man deutlich von den göttlichen Vorstellungen ab. Zudem kam Demut von Demütigung und das verstand man nicht. War es nicht einfacher in Sünde zu leben und irgendwann Absolution zu erhoffen, als sein Leben dem Göttlichen zu widmen, in der Hoffnung, nicht enttäuscht zu werden. Denn wenn es keinen Unterschied gab, welchem Gott man im Leben diente, um belohnt zu werden, warum sollte man sich für das Göttliche entscheiden? Niemand sollte versuchen gegen den Strom zu schwimmen, um die Quelle zu finden. Der Mensch war ein Herdentier und geteiltes Leid, war wohl halbes Leid. Das Leben verhöhnte die verbliebenen Gerechten, welche es noch gab und die sehr hartnäckig blieben. Aber ihr Gott schenkte ihnen nichts, außer dem Tod.

Bewundert wegen seinen Fähigkeiten und seiner Freiheit, begann Rahael die Menschen zu studieren und vom Leben zu lernen. Er galt als Vermittler zwischen den Rassen. Seine Einzigartigkeit liess zu, dass er alle Wesen und ihre Wesenszüge verstehen konnte. Nur er konnte an jener Weltformel arbeiten, die schlussendlich alle vereinte. Anhand der Logik vermochte er die Gleichungen zu lösen. Manchmal fragte er sich, welchen Weg die Menschheit wohl eingeschlagen hätte, ohne das Geschenk der Logik. Es hatte eine Weile gedauert, bevor die Menschen den Wert dieser Gabe erkannten, aber nun wo sie deren Notwendigkeit verstanden, konnten sie jener Grausamkeit verzeihen, die sie zwangsweise zur Folge hatte. Satanael hatte ihnen Ehrlichkeit geschenkt und die Augen geöffnet, etwas das vor ihm noch niemand getan hatte. Dadurch wurden sie endlich zu ihren eigenen Herren. Denn wenn man das Leid und deren Ursache verstand, konnte man handeln, um den Schmerz zu lindern. Und bekanntlich es war nun nicht so, dass der Überbringer schlechter Nachrichten Schuld daran trug. Und so kollidierte das Göttliche mit der Logik und die Intelligenz der Menschen gewann. Man strebte nach Erkenntnis, da dies der einzige Unterschied war, um erklären zu können, warum etwas geschah. Die Unergründlichkeit hatte kein Platz mehr im Leben und hatte als Argument ausgedient. Man glaubte fest daran, dass die Erfahrungen eines Menschen an seine Kinder weitergegeben werden konnten. Die Zukunft war eine Konstante und der Mensch hatte die Möglichkeit sein Wesen stetig zu verbessern und zu optimieren. Und wenn der Mensch ein Ebenbild war, musste auch das Göttliche wandelbar sein und der höhere Mensch frei von jener Primitivität, welche die Anfänge bestimmte.

Und so waren der Meister und seine Geschöpfe ungleicher Meinung, wie ihr Ideal aussah. Warum sollte es im Leben um Liebe und Demut gehen, wenn man Macht und Ruhm erhalten konnte? Denn noch lebte der Mensch für Jahrhunderte und diese Jahre wollten ausgefüllt werden. Man musste aufpassen, dass man des Lebens nicht überdrüssig wurde. Vieles, was man in jungen Jahren an Idealen hatte, verblasste mit der Zeit und was übrigblieb, entsprach dem tatsächlichen Wesen. Frei von den Manipulationen des Lebens, war man ein aufgeklärter Mensch. Und so stellte man sich die Frage, ob man sich diese Fehler der Jugend nicht ersparen konnte. Denn was hatte Beständigkeit von der Geburt bis zum Tod? Darum wurde dieser Zustand zu einer immer grösseren Belastung und der Tod als Erlösung blieb fern. Ohne das Göttliche, oder deren Anbetung, war das Leben einfach nur grausam. Die Tugenden verdorrten und das Destruktive gewann an Macht. Man lebte in Bosheit und Sünde und man litt, ohne zu wissen warum. Es wäre besser, wäre man gar nicht gewesen. Deswegen entstand ein völlig neues Bild des idealen Menschen. Und Satanael gefiel es. Denn die Kinder der Gefallenen waren frei davon. Langeweile, oder Trägheit, kannten sie nicht und der Mensch strebte dasselbe an. All diese überflüssigen Enttäuschungen, die ihren Ursprung im Göttlichen hatten, wären besser nie gelebt worden. Wo blieb die Liebe, die einen nie verliess, die Hoffnung, die nie enttäuscht wurde, oder der innere Frieden, der nie genommen werden konnte? Die Welt war nicht in den Händen jenes Gottes, der das garantieren konnte. Und darum war die Unterwerfung der Preis der Freiheit.

So musste es sich anfühlen, erwachsen zu sein, dachte sich der Mensch. Wer sich nicht weiterentwickelte, starb aus. Niemand wusste wann der Mensch erlöst wurde, oder die Herrschaft Satanaels zu Ende war. Darum schuf man an seiner eigenen Rettung. So gesehen hatte man keine Freunde, lediglich Feinde. Irgendwann würde man zur vierten Macht aufsteigen und den anderen drei ebenbürtig sein. Dann befahl weder das Göttliche, noch Samael, oder Satanael über ihr Schicksal. Sie waren die Einzigen, welche in beiden Welten leben konnten. Durch ihre Seele konnten sie Anteil am Göttlichen haben und dank des Körpers, an dieser Welt. Irgendwann würde man erneut unsterblich sein, wo würde man dann nur leben? Aber es kam eine Zeit, um zu leben und Eine, um zu büssen. Worin lag der Grund für die Erbsünde? Selbst Satanael wusste es nicht. Es musste ein grosser Schreck gewesen sein. Es stellte sich die Frage, was jeder Mensch zu lernen hatte, um dies zu überwinden. Die Erlösung wurde ihnen versprochen, aber was wurde nur aus den anderen? Denn man war nicht mehr die dominante Rasse auf dieser Erde. Darum teilte man deren Schicksal. Die Fusion dieser beiden Arten, machte es unmöglich, dass das Göttliche sein Versprechen halten konnte. Somit hatte das Geschlecht der Menschen seinen Höhepunkt bereits überschritten und sich endgültig entschieden. Was, wenn nicht Erlösung, konnte darauffolgen? Und wenn dieser Zustand nur vorübergehend war, was wurde aus den Fehlern, die in dieser dunklen Zeit entstanden? Einfach wegdenken, konnte man sie nicht. Das Kind war bereits in den Brunnen gefallen.

Rahael war nun ein junger Mann und damit beauftragt worden, die Gesetze zu formulieren, welche als Gerechtigkeit die Erde regieren sollten. Sie dienten dazu Satanaels Herrschaft zu festigen. Ganz am Anfang ging es darum, objektiv zu definieren, was konstruktiv und was destruktiv war. Zudem musste alles in die Bereiche Lebenswert und Nutzlos eingeteilt werden. Denn genauso wie der Mensch sich gegenüber der Natur verhielt, so musste es der höhere Mensch ebenfalls tun. Dazu waren die Seelenlosen sehr wohl in der Lage, besassen sie doch keine Skrupel, oder ein Gewissen. Sie waren Götter, die sich nur vor sich selbst zu verantworten hatten. Und dies war eine Unabhängigkeit, welche viele Menschen anstrebten. Aber damit der höhere Mensch sich entfalten konnte, musste der einfache Mensch weichen. Rahael war der beste Beweis, dass die natürliche Selektion sehr wohl in der Lage war, diesen Weg einzuschlagen. Dank Satanaels Hilfe, vermochte man diesen Prozess zu beschleunigen. Seine Kinder waren der bisherige Höhepunkt, auch wenn sie noch nicht perfekt waren, denn sie blieben sterblich. Aber nachdem die Menschen verstanden hatten, welche Rolle sie in dieser Geschichte zu spielen hatten, konnte sein Plan von der wahren Evolution umgesetzt werden. Das Ziel war es, die Menschen so vorzubereiten, damit sie mit den Gefallenen und deren Kindern sich bestens entfalten konnten. Denn auch die Menschen besassen Vorteile, welche die Gefallenen nicht hatten und die galt es zu erhalten. So wie etwa ihre Schönheit, oder die Fähigkeit, die Geheimnisse der Schöpfung zu ergründen. Denn beides blieb den Anderen aufgrund ihres Wesens verwehrt.

Und darum liess Satanael Rahael an seinen Visionen teilhaben, damit der verstand, welche Aufgabe er zu erfüllen hatte. Denn als erstes galt es die Unabhängigkeit gegenüber dem Göttlichen zu erlangen. Geschlossene Kreisläufe waren das Endziel, welches es zu erreichen galt. Satanael war mächtig, aber nicht so stark, um den Menschen die Unsterblichkeit schenken zu können. Dennoch wollte er die Menschen an sich binden und so legte er deren Hoffnung auf die Wiedergeburt. Sie sollten den höheren Menschen dienen, in der Hoffnung, im nächsten Leben selbst einer zu sein. Und das musste das Fundament sein, auf dem die Gesetze basierten. Die Vorbereitung der Menschen auf eine höhere Lebensform. Denn im Gegensatz zur Seele, vermochte der Geist immer wieder zu kehren. Und nachdem das Göttliche keine Option mehr darstellte, lag die Aufopferung für jene edlen Ziele im Vordergrund. So wollte Satanael garantieren, dass die Seinen belohnt wurden. Er versprach jene Gerechtigkeit, zu der er fähig war. Die Reichen und Mächtigen sollten seine Antwort auf das Göttliche sein. Denn schon früh erkannte er den Wert der Welt. Hier konnten seine Ideen gedeihen, denn man konnte sich dem Göttlichen widersetzen, ohne sich zu versündigen. Sein Ziel war es einen Himmel zu schaffen, der unvergleichlich und frei war. Und irgendwann hatte man jene Phase erreicht, in der man selbst die Hölle nicht mehr fürchten musste. Dann gab es zwei Paradiese und wenn das Göttliche es so wollte, konnte der ultimative Krieg zwischen dem Schicksal der Seelen und den Geistern ausgetragen werden.

Anhand dieser Ideologie schuf Rahael an den Gesetzen des Lebens. Das Ziel musste es sein, den Einfluss des Göttlichen völlig zu verdrängen und allen die Gerechtigkeit Satanaels zu offenbaren. Die Menschen sollten nie wieder in Versuchung geraten. Denn Satanael allein belohnte, oder bestrafte. Das Leben war fest in seinen Händen und die Unsterblichkeit ein Versprechen, das er einhalten wollte. Die verbliebenen Gerechten, waren das beste Beispiel dafür. Sie forderten es heraus und so gab er ihnen, wonach sie suchten. Gerechtigkeit. Denn das Leben war dem Kollektiv unterworfen und Anpassung war notwendig, um daran Anteil zu haben. Und wer das verweigerte, konnte nicht belohnt werden. Verzweifelt hielten sie an etwas fest, das keine Macht mehr über ihr jetziges Schicksal besass. Denn diese Ideale waren längst zerstört worden und Entbehrung war die Folge. Schon längst waren sie zu Märtyrern geworden, denn sie hatten die Hoffnung, auf ein Leben im Einklang mit dem Göttlichen, aufgegeben. Zu stark war der Einfluss Satanaels. Er strafte sie mit Krankheit, Armut und Unruhe, während alle anderen, die seine Gunst genossen, das Leben zelebrierten. Aber niemand litt mehr, als es der Preis der Ewigkeit verlangte. Mancher erinnerte sich noch an die Zeiten, bevor Satanael zum Engelsherrscher geworden war. Damals litten nur jene, die die Dunkelheit bevorzugten, während die Anderen in Harmonie mit der Erde lebten. Das hatte sich verändert. Satanael verzerrte die Ansichten dermassen, dass die Menschen anfingen zu glauben, wer das Göttliche anbetete, musste sterben um zu leben und wer Satanael anbetete und sich für ihn und sein Vorhaben opferte, schlussendlich mit ewigem Leben belohnt wurde.

Im Feuer geboren, im Licht getauft

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