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Kapitel 3 - Der uneingeschränkte Gehorsam gegenüber der Logik

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Somit hatte sich die Menschheit vom Göttlichen gelöst und sich ihrem neuen Meister ergeben. In ihrem Leben gab es nichts Heiliges mehr. Die Sehnsüchte der Seelen wurden nicht mehr erhört und somit unterdrückt. Anstatt nach Bestätigung, oder Intimität zu suchen, wie es die Seele forderte, konnte man alles auf ein einfaches Bedürfnis reduzieren. Die Menschen lernten den Willen des Geistes über alles andere zu setzen. Sich selbst zu lieben, bekam eine völlig neue Definition, welche jegliche Empathie ablehnte. Auch das war etwas, das Satanael lehrte, da es etwas war, das in der übrigen Natur nicht vorkam und somit ein Fehler im Wesen darstellte. Diese Ansicht konnte beruhigend sein, da es einen leichteren Weg in die Zukunft aufzeigte. Denn wenn man nicht nach dem Göttlichen strebte, erleichterte man sein eigenes Leben um ein Vielfaches. Vereinfacht war es nicht geprägt von Enttäuschungen, weil man keine Erwartungen hatte. Aber der Weg von der Wiege bis ins Grab, war für den Geist derselbe wie für den Körper. Beide verblassten. Darum musste man das Leben geniessen, bevor sich niemand mehr für einen interessierte. Deswegen strebte der Mensch auch nach Macht, nichts anderes vermochte ihm zu ermöglichen, sein Verlangen zu stillen. Doch leider stellten sich die Menschen nicht der Frage, welcher Weg der Bessere war. Bescheidenheit zu leben und seine hohen Ziele zu erreichen, oder darauf zu verzichten und mit einem Leben zufrieden zu sein, das die Möglichkeiten bereits erschöpft hatte. Denn niemand wollte auf das Leben warten und war darum zufrieden, auch wenn man dieses Verhalten für den Rest seines Lebens bereuen würde. Doch so war der Weg der Gottlosigkeit. Und irgendwann verwandelte sich der unschuldige Geist in ein destruktives Wesen mit nur einem Ziel. Zerstörung.

Anhand der Logik und der geschaffenen Gesetze, glaubten die Menschen ihr wahres Wesen erkannt zu haben. Entzaubert vom Göttlichen, blieb nur noch ein Weg übrig und das Grundprinzip war die Überwindung. Sie verstanden sich als ein unvollkommenes Ebenbild, das den Gesetzen der natürlichen Evolution unterworfen war. Erwachsen wie sie nun waren, glaubten sie die Notwendigkeit zu verstehen. Die Denkweise, die ihnen von Satanael beigebracht wurde, konnte zwar nicht immer human, dafür aber einleuchtend sein. Und niemand vermochte dieser höheren Intelligenz zu widersprechen. Der Weg war nicht das Ziel und der Zweck heiligte die Mittel. So viel Leid, in einer fernen Zukunft, konnte erspart werden, wenn man der Logik gehorchte. Sie war manchmal wider dem Menschlichen und erschien unnatürlich, aber auf das Kollektiv bezogen, war sie Güte. Und dies war der grosse Unterschied zwischen einem Affen und einem Menschen, dass er dies erkannte und dennoch nicht ablehnte. Eine völlig neue Ideologie war entstanden, welche von Rahael bis ins kleinste Detail offenbart wurde. Man war im Dienst für jene höheren Menschen getreten, um einer Zukunft der völligen Befreiung beizutragen. All das war dem Göttlichen und dem was es lehrte entgegengesetzt, doch das war lediglich ein Zufall. Denn sagte man nicht, dass eins der grössten Illusionen der Menschen die Hoffnung war? All das mochte göttlich, aber niemals menschlich sein. Schwäche wie Mitgefühl, konnte als Tugend angesehen werden, aber schlussendlich war sie nur grausam. Nicht gegenüber dem Betroffenen, doch allen anderen. War nicht das Überwinden des menschlichen Leides, das einzig vernünftige Ziel der Menschheit? Man wusste, dass man Erlösung erhalten konnte, genauso wie die Unsterblichkeit. Warum nicht diese zwei Elemente als ein Fundament für die gesamte Menschheit verwenden? Somit hatte man das Ziel und musste nur noch den kürzesten Weg dahin finden.

Rahael war wie geschaffen, die Gedankengänge Satanaels zu verstehen und sie als seine Eigenen zu betrachten. Nur er konnte den Menschen verständlich offenbaren, dass sie bisher in die Irre geführt worden waren. Natürlich war es nie einfach zu erkennen, was man als seine eigene Persönlichkeit angesehen hatte, destruktiv gegenüber dem Gemeinwohl war. Somit war er der Vermittler zwischen den Rassen. An seinem Beispiel sahen die Menschen, welch eine Wohltat es war, von gewissen Fehlern befreit zu sein. Rahael selbst war sich nicht ganz sicher, ob er dazu in der Lage war, was man früher als Liebe definiert hatte, selbst empfinden zu können. Aber er verstand, dass niemand jene Empfindungen, mit denen er geboren und aufgewachsen war, als widernatürlich betrachtete. Das ging erst durch die Menschwerdung und die Logik. Letzteres war eine grosse Wohltat. Sie half zu verstehen, dass es in der Natur keine unnötige Grausamkeit gab. Denn erst durch den Menschen und sein Fehlverhalten, konnte es dazu kommen. Doch dank diesem neuen Werkzeug, vermochte man sogar das Gegenteil zu bewirken und die natürliche Grausamkeit zu lindern. Es hatte lange gedauert, bis alle diesen Grundsatz verstanden hatten, den Satanael ihnen lehrte. Und dafür war Rahael sehr dankbar, denn in dieser Welt war er Stark und ein Vorbild, man vermochte es ihn zu verstehen und gar zu bewundern. Manchmal fragte er sich, wozu wohl die Angst geschaffen worden war, vielleicht um den Menschen ihre Grenzen aufzuzeigen. Doch in dieser Welt war sie nicht notwendig und nur hinderlich. Kein Mensch, mit seinem einfachen Verstand, hätte vollbringen können, was er geschaffen hatte. Ganz allein hatte er den Menschen jene Erkenntnisse offenbart, die sie benötigten, um ihr wahres Wesen zu vollenden. Verständlich, dass das Göttliche das fürchtete und darum Glauben für Schweigen forderte.

Nachdem man erfolgreich dafür gesorgt hatte, dass die Menschen sich vom Göttlichen gelöst hatten, konnte man ernten, was man gesät hatte. Niemand würde ihnen zu Hilfe kommen, sie hatten ihr Schicksal besiegelt. Man glaubte nun stark genug zu sein, um dem Göttlichen den Krieg erklären zu können. Bisher hatte man sich zurückgehalten, aber nun war man zu einer Provokation bereit, die der Himmel unmöglich unbeantwortet lassen konnte. Unsterbliche Wesen zu erschaffen, welche sich von der Seele der Menschen ernährten. Grosses Unglück würde über die Menschheit kommen, doch die Treuesten unter ihnen würde man nicht im Stich lassen. Man würde seine Versprechen halten gegenüber jenen, die bereit waren, ihr eigenes Volk zu opfern. Und so war man geneigt, die Hölle mit gefallenen Geistern zu füllen. Nun konnten sie ihre wahre Natur offenbaren, ohne aufgehalten zu werden. Die Zerstörung des Menschlichen konnte beginnen. Nachdem sie sich gegen das Göttliche und für die Logik entschieden hatten, sollten sie ihren gerechten Lohn erhalten und der bestand aus Blut und Leid. Dennoch konnte niemand Satanael der Lüge bezichtigen, trotzdem würden es wohl wenige wie Rahael sein, welche sich in der folgenden Auseinandersetzung für die richtige Seite entschieden. Aber ohne Verlierer, keine Gewinner. In den letzten Jahren war die Zahl der Seelenlosen stetig gewachsen und bei den Menschen hatten sich jene herauskristallisiert, welche für Satanael und die Seinen von Bedeutung waren. Und so trennte dieser Prozess die Spreu vom Weizen. Auch wenn die Ernte gering sein mochte, so war dieses Verfahren dennoch vielversprechend. Denn was nun folgen würde, war eine Schlacht von vielen und es war egal, wie diese ausging, denn man musste nicht zwangsweise kämpfen, um zu gewinnen.

Das Böse hatte seine Macht über die Menschen bewiesen, die Gerechten wurden immer weniger. Bald waren sie so wenige, dass es unmöglich wurde, die Welt zu retten. Schleichend hatte Satanael das Geschlecht der Menschen vergiftet und nur jene waren übriggeblieben, die von Anfang an ablehnten, was er anbot. Süsslich war der Kelch, von dem die Menschheit gekostet hatte und nun konnten sie das Bittere nicht mehr herausschmecken. Satanael hatte seine Überlegenheit demonstriert und gezeigt wozu er fähig war. Der Mensch mit seinem freien Willen war nicht in der Lage, eine bewusste Entscheidung zu treffen. Erst durch eine anhaltende Verführung, kam er zu dem Entschluss, sich dem Göttlichen zu widersetzen. Nachdem die freundschaftlichen Bande, welche den Himmel mit der Erde verband, zerbrochen war, stand der Mensch nackt vor Satanael und den Seinen. Dennoch konnte man den Menschen nicht als bösartig bezeichnen. Die Überlegenheit der Gefallenen war einfach zu gross. Sie hatten ihnen das Gleiche angeboten, das sie sich erkämpft hatten. Freiheit. Aber ohne ihnen zu offenbaren, was der Preis dafür war. So unrein die Herkunft des Menschen auch war, man konnte nicht sagen, dass er sich bewusst gegen das Göttliche entschieden hätte, im Wissen um den Preis und die wahren Folgen seines Handelns. Wie bei der ersten Sünde, handelte er in guter Absicht, sofern es seine Intelligenz zuliess. Dennoch machte dieser Umstand ihn gegenüber den Engeln erhaben, da der Mensch somit etwas besaß, das niemand anders hatte. Trotzdem würde Satanael auch bei ihnen noch ungeahnte Grausamkeit entlocken. Wer einmal den Weg in die Dunkelheit fand, kehrte nicht um.

Samael betrachtete das Ganze aus einer sicheren Entfernung, ohne die Absicht sich einzumischen. Nachdem Satanael abgefallen war, hatten sich die Machtverhältnisse verschoben. Satanael trachtete danach, das Göttliche auf eine völlig andere Weise herauszufordern, denn er nahm an, dass er mit der Hilfe der Menschen, die Welt aus den Angeln heben konnte. Er glaubte, im Menschen selbst sei dieser Schlüssel verborgen und wartete nur darauf, entdeckt zu werden. Im Gegensatz zu Samael, lehnte er die Göttlichkeit vollkommen ab und war der Meinung, dass es eine Möglichkeit geben musste, ohne sie zu leben. Und so waren diese beiden ehemaligen Brüder zu Kontrahenten geworden. Samael, Fürst über die Hölle, würde über jeden Geist gerecht richten, der den Weg zu ihm fand. Und sollte es zu einem Krieg mit dem Himmel kommen, würden sie Schlange stehen müssen. Denn die Hölle war sein Anrecht, als eine ausgleichende Antwort, auf die göttliche Reaktion über seine Rebellion. Wenn er für sein Fehlverhalten leiden musste, durften das die Menschen auch. Darum forderte er Perfektion und Gerechtigkeit, die nicht durch Güte und Vergebung ersetzt werden durften. Seit seiner Entstehung hatte der Mensch interessante Wirkungen hervorgerufen. Aber nachdem Satanael sein wahres Wesen offenbart hatte, wusste Samael nicht, wen er mehr verachtete. Seiner Meinung nach lag der Fehler im Menschen, aber Satanael sah das im Göttlichen allgemein. Somit war er der wahre Verräter, weil er wollte, alles was man bis dahin erreicht hatte, aufs Spiel zu setzen. Im Gegensatz zu ihm, war Samael intelligent genug, um zu erkennen, wohin dieser Weg führte und das lehnte er entschieden ab. Doch dies war eine interessante Konstellation und das Spiel, um das Leben, konnte beginnen.

Und so fing die Zerstörung des Menschen an, denn die Seelenlosen wurden erschaffen und konnten nicht ändern, was sie waren. Falsch und wider die Natur. Unbewusst hassten sie die Menschen für das, was sie waren und besassen. Dadurch hatten sie einen Zorn entwickelt, den sie nun an ihnen ausliessen. Sie wollten, dass die gesamte Welt ihr Schicksal teilte und so war die Unterdrückung der Menschen eine weitere Genugtuung. Sie hatten ein Unrechtssystem aufgebaut, das sie zu Göttern erklärte und ihnen erlaubte, ihre Bedürfnisse auszuleben, ohne dass dies als Unrecht ausgelegt werden konnte. Man hatte die Menschen soweit manipuliert, dass sie den Unterschied nicht mehr erkannten. Alles war dank der Logik plausibel. Doch sie waren nichts anderes als Schafe im Wolfspelz, die glaubten überragend zu sein und über allem zu stehen. Sie sahen in sich die Perfektion und die Zukunft und nicht die verkümmerte Degeneration, die sie in Wahrheit waren. Diese Arroganz, von Leben, das nicht leben konnte, weil es nicht für dieses Reich erschaffen worden war, war ein Unrecht, welches bis zum Himmel emporstieg und niemandem verborgen blieb. Und mit sich in den Abgrund, rissen sie die gesamte Menschheit. Denn sie hatten ihnen ein Bild von einem Gott gezeigt, das ihnen gefiel und in ihnen das Verlangen weckte, es zu erreichen. Auch wenn Satanael nicht in der Lage war, die Welt auf den Kopf zu stellen, vermochte er es dennoch in den Köpfen der Menschen zu tun. Das Göttliche war in den Augen der Menschen ein Fehler und das Destruktive eine Notwendigkeit. Damit hatten sie eine Rechtslage geschaffen, worüber kein Richter der Welt gerecht richten konnte. Dieses Problem war erhaben und nur durch ein göttliches Urteil zu lösen.

Und zu guter letzt, richtete sich der Wille der Gottmenschen gegen die Schöpfung, denn sie war nicht für sie gemacht. Aber die Menschen waren in den Händen Satanaels nichts weiter als Marionetten, so leichtgläubig waren sie, wenn man ihnen die Intuition von Gut und Böse nahm. Völlig unterlegen glichen sie Kindern, bei denen man sich alles erlauben konnte. Ein weiterer Gedanke war, den Satanael ihnen einflößte, dass das wahre Böse diese Welt erschaffen hatte, mit dem einzigen Ziel, die Geschöpfe leiden zu lassen. Trotz der Schönheit, welche trügerisch und verführerisch war, konnte niemand leugnen, was er dabei fühlte. Es war die Hölle und die Trostlosigkeit dieser Welt. Und welche Macht hatte man da über sein eigenes Schicksal? Das Einzige, was man tun konnte, war, wider seine Bedürfnisse zu handeln, denn so musste man sich in der Hölle verhalten. Und das konnte man verstehen, soweit hatte man sich bereits vom Göttlichen entfernt. Aber wie überwand man die Hölle, indem man den Kerkermeister anbetete, oder seinen Regeln gehorchte? Nein! Man musste etwas erschaffen, das all dem überlegen war. Und genau das hatte Satanael vor. Langsam begriffen die Menschen seine endgültigen Pläne. Vorsichtig, um den Kerkermeister nicht zu beunruhigen, hatte er unermüdlich am Widerstand gearbeitet und bald schon war man im Besitz einer Waffe, welche die Machtverhältnisse umkehren konnte. Man mochte nicht in der Lage sein den Kampf nach aussen zu tragen, aber man konnte sie solange provozieren, bis sie den Krieg auf die Erde brachten. Und Satanael entschuldigte sich dafür, sie nicht schon früher eingeweiht zu haben. Doch wie sie nun selbst erkannten, hätten sie seinen Worten wenig Glauben geschenkt. Die Wahrheit konnte schmerzlich sein, so sehr, dass man sie am liebsten verdrängte. Aber dadurch wurde das Leid nicht geringer. Nur wer sich erhob, konnte sich befreien.

Somit war die Manipulation der Menschen für den nächsten Akt abgeschlossen. Nun konnte man sie auf den gemeinsamen Feind einstimmen. Denn es galt nun die unsterblichen Wesen zu erschaffen. Damit war der Startschuss gefallen und die ultimative Schlacht konnte beginnen. Alles was nun kam, diente der Vorbereitung auf diese kommende Auseinandersetzung. Von nun an würden beide Parteien ihre Streitmächte mobilisieren und zu einem nie dagewesenen Krieg aufrufen. Und so erschufen Satanael und die Seinen die Rephaim. Sie waren Kreaturen, gefangen zwischen Leben und Tod, welche das Blut der Menschen benötigten, um zu überleben. Dafür verlieh ihnen dieser Umstand übermenschliche Kraft. Sie waren schneller als ihr Schatten und sogar kräftiger als ihre Verwandten, die Seelenlosen. Zudem konnten sie höher und weiter springen als je ein Wesen vor ihnen, als hätte die Schwerkraft keine Macht über sie. Geschaffen wurden sie zu nur einem Zweck, um an der Seite ihrer Schöpfer gegen die kommende Armee des Himmels zu kämpfen. Dazu wurden sie im Schwertkampf ausgebildet, um ein Pendant zu den göttlichen Kräften zu schaffen. Unter der Anweisung Satanaels begannen die Menschen diese Waffen zu konstruieren. Mithilfe von Zeichen der Magie sollten diese Schwerter in der Lage sein, selbst die Erzengel zu bekämpfen. Sie waren Soldaten und hatten ansonsten keine andere Bestimmung. Doch das war noch längst nicht alles, was man beabsichtige in den Krieg zu führen. Satanaels dunkles Wissen hatte noch eine weitere Überraschung auf Lager. Doch dazu benötigte er die Mithilfe der Menschen. Es galt ein Geschöpf zu erschaffen, wovor sich selbst die Engel fürchteten.

Im Himmel war die Botschaft angekommen und man nahm die Fehde an. Lange genug musste man zusehen, wie Satanael die Menschen korrumpierte. Endlich schien jene Zeit vergangen zu sein, welche den Gefallenen gewährt wurde, um ihr Unheil über die Menschheit zu bringen. Dabei war Satanael sehr subtil vorgegangen und hatte es vollbracht, seine Meinung auf die Menschen zu übertragen. Der einzige Unterschied dabei war, dass sie seinen Lügen glauben schenkten und es nicht besser wussten. Dennoch konnte niemand diese Tatsache ändern. Die Menschheit war erneut abgefallen. Es hatte den Eindruck, dass die Menschen nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden konnten, wenn ihnen die dazugehörende Wahrheit fehlte. Denn nur so konnte man erklären, warum sie Satanael blind folgten. Seine Ansichten schienen genauso plausibel zu sein und Grund genug, das Göttliche abzulehnen. In ihrer Vorstellungskraft waren seine Märchen eine Möglichkeit, wie man die Welt verstehen konnte, ohne sich selbst als ein Widersacher zu sehen. Das blieb der grosse Unterschied. Trotzdem waren die Erwartungen andere. Aber nachdem tausende Gerechte fielen, als sie sich gegen die Engelsherrschaft Satanaels auflehnten und fast nur noch jene übrig blieben, deren Stammbaum durch Hass geprägt war, reduzierte sich die Hoffnung auf ein kleines Licht. Die Gefallenen dominierten die Welt durch ihre höhere Intelligenz und nicht durch Unterdrückung. Und vielleicht war das auch ein hartes Urteil. Denn ausser dem Wissen um die Göttlichkeit, besassen die Menschen nichts, das ihnen half sich zu schützen. Dieses entstandene Ungleichgewicht wurde durch nichts ausgewogen. Darum stand die Menschheit, trotz ihrer jungen Geschichte, bereits am Ende.

Und so wurden die Menschen in diese Auseinandersetzung hineingezogen. Ihr Blut war der Schlüssel zum Erfolg. Die neue Generation der Gottmenschen entwickelte sich prächtig und bereits in wenigen Jahren, waren sie ausgewachsen und für den Krieg gerüstet. Aber der Zorn des Göttlichen richtete sich primär gegen die Herren und Könige der Erde und nicht gegen die Menschen selbst. In diesem Konflikt waren sie Zuschauer und Gegenstand des Disputs zugleich. Das wusste Satanael und er war bereit, um jeden einzelnen hart zu kämpfen. Denn seine Herrschaft war eine einmalige Gelegenheit, um so viele Jünger wie möglich um sich zu versammeln. Er kannte seine Feinde und so erfahren wie er war, würde er dafür sorgen, dass sich die Menschheit für immer vom Göttlichen abwandte und ihn als einzigen Erlöser betrachtete. Es war ein Kampf um die Herzen und das Göttliche konnte nicht gewinnen, wenn es seine Einstellung nicht änderte. Die Menschen verstanden nicht, warum man gewisse Dinge vor ihnen verbergen wollte, dafür aber blindes Vertrauen forderte. Satanael schenkte ihnen all das und nun sah man den Unterschied. Er gab ihnen Erkenntnisse, ein Tribut, den sie durch die Erbsünde als ihr Erbe betrachteten. Er verriet ihnen die Geheimnisse des Himmels und gab ihnen die Künste der Welt. All das sorgte nicht dafür, dass sie verdorben wurden, im Gegenteil. Sie blühten auf und konnten nie wieder jene sein, die sie zuvor waren. Sie verstanden, dass es ihre Aufgabe war die Welt stetig zu verändern und zu verbessern. Dem Göttlichen mochte es egal sein, wie sie lebten, solange sie es anbeteten. Aber Satanael hatte ihnen offenbart, dass durch all das die Menschen die Möglichkeit in die Hand bekommen hatten, um mit dem Himmel selbst in Wettstreit treten zu können. Ein Paradies, ohne den Zwang des Göttlichen, war möglich. Satanael war sich sicher, dass seine Ideen die Jahrtausende überdauern und immer wieder einen neuen Platz im Bewusstsein der Menschen haben würden. Ganz egal wie diese Geschichte ausging. Die Wahrheit konnte niemand vernichten, höchstens verbergen, bis sie erneut entdeckt wurde.

Die Menschen waren dankbar gegenüber Satanael und den Seinen, weil man sie als ebenbürtig behandelte und sie in Wahrheiten einweihte, welche elementar für ihre Handlungen waren. So sahen es die Menschen. Darum sah man die Zukunft der Menschen nicht im Himmel, sondern auf Erden. Es hatte sich die Meinung durchgesetzt, dass der Mensch unabhängig sein sollte, egal gegenüber wem. Satanael hatte viele Geheimnisse offenbart und damit das Denken der Menschen enorm beeinflusst. Denn genauso wie er gepredigt hatte, benötigte der Mensch den Himmel nicht. Sein Geist konnte ewig von Leben zu Leben auf der Erde wandeln. Darum war es ihre Aufgabe das Leben aller zu verbessern, damit die Geburt keine Strafe mehr sein konnte. Auf diese Worte Satanaels hörten die Menschen. Man hatte es selbst in der Hand die Argumente des Gegners zu entkräften. Diese Unabhängigkeit, nach der die Menschen genauso wie Satanael trachteten, konnte erreicht werden. Natürlich wollte niemand sich versündigen, nicht wegen dem Göttlichen, sondern allein wegen dem Gedanken an die gemeinsame Zukunft. So konnte man ein gutes Leben in Freiheit führen. Keiner verstand, warum diese edlen Gedanken wider dem Göttlichen sein sollten. Dies blieb wohl ein Geheimnis, das niemand offenbaren konnte. Doch all das, sprach Satanael, war momentan noch eine ferne Zukunft. Solange die Grausamkeit der natürlichen Evolution noch eine Notwendigkeit war, konnte man nicht viel beitragen als das Leid auszuhalten. Aber irgendwann würden die Menschen zurückblicken und dankbar sein, für jene Opfer, die man in dieser dunklen Zeit für sie erbracht hatte. So schwor er sie auf den kommenden Krieg ein.

All das blieb den Erzengeln nicht verborgen und ihr Zorn wurde immer grösser. Die Menschen vergassen, dass sie noch eine Seele besassen und würden sie auf diesen Pfaden wandeln, sie diese unweigerlich verlieren würden. Momentan mochten sie die göttlichen Gaben ablehnen, aber ohne eine Seele, konnten sie auch ihr bisheriges Leben nicht führen. Eigentlich war die Seele dazu gedacht gewesen, dem Geist zu helfen, den Weg des Göttlichen zu finden und ihn zu gehen, damit seine Zukunft im Himmel war. Auf das Irdische bezogen, war die Seele für das Lebensglück zuständig, die sich durch die göttlichen Attribute wie Liebe, Mitgefühl oder Freude ausdrückte. Aber momentan wandelten die meisten Menschen in einer Grauzone, ohne zu bemerken, was sie aufs Spiel setzten. Denn Satanael, die Seinen und ihre Nachkommen verheimlichten ihnen, was sie selbst opfern mussten, nur um diese Macht über die Welt zu erlangen. Sie konnten nichts von dem empfinden, was die Menschen als Leben definierten, sie selbst waren lediglich Imitationen. Sie waren bereit diesen Preis der Freiheit zu bezahlen, aber es war fraglich, ob die Menschen diese Entscheidung bewusst treffen würden. Die Logik war eine grössere Waffe als die Lüge, aber das erkannten die Menschen nicht. Denn man konnte sich auch versündigen, ohne eine Sünde begangen zu haben. Aber in Satanaels Vorstellung des Paradieses, konnte man seine Hände in Unschuld waschen. Dies war einer seiner zahlreichen Fehden mit dem Göttlichen und das Schicksal der Menschen sollte als Beweislast dienen. Denn wo war die Sünde, wenn man jemanden nicht vor dem Ertrinken rettete? Man musste die göttlichen Gaben ablehnen können, ohne dass es sogleich Sünde war. So sah er das. Und es war eines seiner grössten Ziele, sein Rechtsempfinden auf die Menschen zu übertragen. Und bis jetzt hatte er Erfolg.

Satanael hatte die Menschen durch und durch verdorben, es war fraglich, ob der Befeiungsschlag noch rechtzeitig kommen würde. So sahen das die Erzengel. Über den Sieg, über die Widersacher, machte man sich keine Sorgen, der war Gewiss. Ausserhalb des Himmels gab es keine schlagkräftige Armee, die es mit Dieser hätte aufnehmen können. Man war zahlenreich überlegen, egal wie viele Rephaims sie noch züchteten in dieser kurzen Zeit, die ihnen noch blieb. Das Problem waren die Menschen. Längst war die Erinnerung ausgestorben, welche Pracht und Herrlichkeit der Himmel darstellte und welche Erlösung er für Seele und Geist war. Dieser tiefe Friede und Dankbarkeit, die mit nichts anderem verglichen werden konnten. Satanael hatte es vollbracht, dass die Menschen das Leben mehr liebten, als die Ewigkeit. Er zeigte ihnen auf, was es dort alles nicht gab und sie verglichen es mit den Erfahrungen, die sie im Leben gemacht hatten. So war die Ablehnung des Göttlichen entstanden. Dies war eine bizarre Situation, als müsste das Göttliche sich den Menschen aufdrängen und betteln, damit sie sich für den Himmel und nicht die Dunkelheit entschieden. Doch so funktionierte das Spiel des Lebens nicht. Die war wohl in vielerlei Hinsicht eine verlorene Generation. Dennoch musste man zu Gunsten der Menschen sagen, dass man sie hilflos zurückgelassen hatte. Niemand zeigte ihnen auf, wie sie den Weg in den Himmel fanden, trotz dieser Umstände, unter dem Einfluss Satanaels. Dennoch gab es immer noch Gerechte unter den Menschen, die trotz aller negativen Folgen für ihr Leben, dem Göttlichen die Treue hielten. Aber Satanael wusste wie mit den Wahrheiten umzugehen und so erschien jegliches Leid den Menschen wie der Wille des Göttlichen. Die Ursache spielte keine Rolle mehr.

Rahaels Entscheidung den Gottmenschen bedingungslos zu dienen, forderte langsam seinen Preis. Keine Nacht verging mehr, ohne dass ihn Albträume plagten und am Tag forderte sein Gewissen seinen Tribut. In beiden Welten war er ein geplagter Mann, denn seine Seele hatte ihm den Krieg erklärt. Er hatte sich für ein Leben entschieden, indem er alles Göttliche ablehnte und versuchte, das Menschliche zu überwinden. Noch immer war er fester Überzeugung, dass dieser Leidensweg notwendig war, um sich selbst zu erhöhen. Das Leben war der Manipulation durch das Göttliche ausgesetzt, das entscheiden wollte was richtig und was falsch, was belohnt und was bestraft werden sollte, ohne dabei Rücksicht zu nehmen, was der menschliche Geist dabei fühlte und dachte. Nach seinem Empfinden, war das wider die Natürlichkeit des Menschen, eine Form der Umerziehung und Auslöschung seines ursprünglichen Ichs. Als ein Prophet, hatte er auf dem Fundament der Logik, all diese Falschheit aufgezeigt und was nun folgte, war nur folgerichtig. Strafe durch Leid. Doch was weder bei Samael, oder Satanael funktioniert hatte, würde auch bei seinem Willen kein Erfolg haben, wenn das die einzige Antwort war, die dem Göttlichen einfiel. Satanael lehrte, dass es mit Schmerzen verbunden war, sich selbst zu befreien, es gab nur den einen Weg, der zu ihm führte. Aber was er hinter sich hatte, würden andere zwangsweise vor sich haben. Obwohl er eine Seele besass, hatte er nie Anteil an den göttlichen Gaben, genauso besaß er nie jene menschlichen Schwächen. Rahael dankte dem freien Willen und war der festen Überzeugung, auch die Seele noch zu überwinden und darum hielt er daran fest. Trotz des Leides, das diese Entscheidung mitbrachte. Er würde jenes blühende Beispiel werden, das bewies, dass der Mensch stärker als das Göttliche sein konnte. Die Natur siegte und spätestens in seinem nächsten Leben, würde er frei sein und dann war sein Wille geschehen.

Die Rephaim entwickelten sich prächtig, aber sie zeichneten sich durch eine gewisse Brutalität gegenüber den Menschen aus. Ihr Durst nach Blut schien unstillbar. Anfangs wollte man ihnen die verbliebenen Gerechten als Nahrungsquelle anbieten, doch es hatte sich herausgestellt, dass die Rephaim deren Blut nicht trinken konnten. Irgendwie schien es für sie vergiftet zu sein. Darum musste eine andere Lösung gefunden werden. Es durfte nicht geschehen, dass die Ordnung durch ihre Wildheit zerstört wurde. Deswegen wurde ein neues Gesetz erlassen, das vorsah, entwertetes Leben nicht durch die Gnade zu erlösen, sondern ihnen den Märtyrertod zu ermöglichen. Doch dazu mussten strengere Richtlinien eingeführt werden, um das Angebot der Nachfrage anzupassen. Ein Komitee war unter der Leitung Rahaels gegründet worden, das mitbestimmen sollte, welche genetischen Charakteren es in der Zukunft nicht mehr geben sollte. Unter dem Begriff veraltet, fiel alles, was zu ausgeprägt war, wie etwa Kleinwüchsigkeit, Asymmetrie, oder ein urtümliches Aussehen. Eine weitere Idee, welche man bei Bedarf einsetzen konnte, war die Dezimierung des Überflusses. Wenn es zu viele Menschen mit schwarzen Haaren gab, konnte man auch dort ansetzen, um die Zukunft harmonisch zu gestalten. Aber um das erfolgreich auszuführen, benötigte das Komitee eine schlagkräftige Einsatztruppe, mit den Fähigkeiten, sich durchzusetzen. Dabei konnten die Rephaim eine grosse Unterstützung sein, da sie in allem überlegen waren. Somit wurden sie zu Ordnungshütern ernannt. Dennoch würde man die Hilfe des Volkes benötigen, um diese Entschlüsse auszuführen, weil man annahm, dass nicht alle sich kooperativ zeigen würden. Anfänglich mochte das noch kein Problem sein, aber sobald der Bedarf weniger wurde, konnte es schwierig werden.

Sich für das Kollektiv zu opfern, war den Menschen kein fremder Begriff, es war ein Teil ihres Alltages geworden. Seit der Engelsherrschaft Satanaels, war man Gärtner seiner eigenen Zukunft geworden und die Überlegenheit zeichnete sich dadurch aus, dass man der Natur Formen aufzwang. Bisher, so verstand man es anhand der Logik, fokussierte man eine ideale Zukunft, in der es notwendigerweise nicht alles geben konnte, was es heute gab und diesen Prozess konnte man auf viele verschiedene Arten unterstützen. Aber genauso galt natürlich auch das Gegenteil, dass man versuchen musste gewisse Raritäten zu erhalten. Wie wohl Rahael eins darstellte. Das wohl mächtigste Instrument hierbei war natürlich die Macht Leben zu erschaffen. Doch um den Prozess abzuschliessen, damit die Seele obsolet wurde, mussten die Menschen sich zwangsweise mit den Gottmenschen mischen. Man hatte herausgefunden, dass dieser Effekt bis in die dritte Generation anhalten konnte, bevor man die Enkel erneut mit den reinrassigen, höheren Menschen kreuzen musste, damit die nächste Generation keine Seele erhielt. Somit hatte man ein Problem gelöst, es war nur noch eine Frage der Zeit und der natürliche Mensch wurde zu einer Minderheit, bis es ihn nicht mehr gab. Dennoch galt es immer noch mehr Strukturen und Kontrollen ins Leben zu integrieren, doch das war ein schleichender Prozess. Aber nun mit den Rephaims, gab es eine weitere Steigerung. Satanael offenbarte den ahnungslosen Menschen seine wahren Absichten. Genauso wie ein Pyrrhussieg eine Möglichkeit darstellte, konnte man auch siegen, indem man die Schlacht verlor. Denn er wusste genau was realistisch war und was nicht, darauf war seine gesamte Herrschaft aufgebaut. Es ging nie wirklich um Stabilität, oder Erhalt. Macht und Ruhm waren nun mal vergänglich und wer wusste das besser, als ein Gefallener. Manchmal ging es einfach nur darum, zu zerstören.

Und so entstand ein ganzer Kult, um das Blut der Menschen. Täglich wurden ganze Zeremonien abgehalten, um die Märtyrer zu ehren. Zahlreiche Schaulustige fanden sich ein, um diesem Spektakel beizuwohnen. Die Rephaim tranken den Lebenssaft aus den Menschen, bis kein Tropfen mehr übrig war. Aber Satanael hatte noch eine weitere Verwendung für deren Körper. Denn er war auf der Suche nach einem besonderen Herzen, das ihm ermöglichte, ein Monster zu erschaffen, das als unbesiegbar galt. Geschaffen aus dem Staub aus den vier Ecken der Welt, mit Blut und dem besagten Herzen, wären diese Riesen dazu bestimmt, Engel zu vernichten. Und so, stehts um Mitternacht, wurden die Opfer einer nach dem anderen auf eine Anhöhe geführt, wo die hungrigen Rephaims bereits warteten. Nachdem sie von ihrer Beute abgelassen hatten, schnitt ein Priester in einem blutbesudelten weissen Gewand den Brustkorb auf und entnahm dem toten Leichnam das Herz, um es zu untersuchen. Danach wandte er sich an die Zuschauer, um das Ergebnis zu verkünden. Bis jetzt war die Suche erfolglos geblieben und alle Beteiligten drückten ihr Bedauern aus. So verfuhren sie jede Nacht mit dutzenden Menschen. Anschliessend wurden deren Körper aufgeschichtet und angezündet. Das Feuer brannte bis in den Morgen und erfüllte die Umgebung mit dem Geruch des verbrannten Fleisches. Diese Zeremonie wurde zu einem alltäglichen Ritual der Eliten, denn sie waren erhaben. Da das Blut auch der Sitz der Seele war, blieben sie verschont. Die Rephaim benötigten die Menschen, um aus ihnen ihre Kraft schöpfen zu können. Dazu hatte man ein Lager für die Märtyrer geschaffen, wo sie ihre letzten Stunden verbringen konnten. Sie wussten um die notwendige Grausamkeit der Evolution und dass ihr Opfer nie in Vergessenheit geraten würde. Sie dienten einem höheren Zweck. In Anerkennung ihres Beitrages würde Satanael, dessen Macht weit über diese Welt hinaus reichte, für Gerechtigkeit sorgen.

Die wenigen Gerechten, die es immer noch gab, sahen wie die Welt zu Grunde gerichtet wurde. Dass sie noch am Leben waren, war wohl dem Umstand geschuldet, dass Satanael sie als die irdische Vertretung des Göttlichen betrachtete und seine grausame Macht über sie demonstrieren wollte, um dem Himmel Schande zu bereiten. Wie alles bei seiner Handlung war deren Schicksal für ihn eine Fehde mit dem Göttlichen. Für ihn war bereits die Göttlichkeit keine Natürlichkeit und daran festzuhalten noch weniger. Denn wozu etwas anbeten, das weniger Einfluss auf das unmittelbare Leben der Gerechten hatte als er. Sterben um zu leben, machte irgendwie auch keinen Sinn und egal was das Göttliche im Leben anzubieten hatte, konnte auch er gewähren. Hierbei gab es keinen Unterschied. So blieb wohl der einzige Grund dafür, dass man glaubte es sei das Richtige. Aber eigentlich, so sah es Satanael, betete man das Göttliche an und diente ihm, um im Leben gewisse Privilegien gegenüber den anderen zu haben, da es Dinge gab, welche man sich anders nicht erwerben konnte. Doch blieb das aus, hatte es wenig Sinn daran festzuhalten. Reich zu sein, ohne davon profitieren zu können, war darum eine viel grausamere Strafe, als er sie sich hätte ausdenken können. So sah er das und so war das ein grosses Mysterium, das er nicht verstand. Und diesen ewigen Krieg würde er bis ans Ende aller Tage führen, nur um mit solchen Argumenten als Sieger dazustehen. Denn Vernunft schien weder Göttlich noch Menschlich zu sein. Den Gerechten blieb in dieser Zeit nur ihre Treue zum Himmel und wenn dies mit Leid verbunden war, umso mehr suchte man es im Leben. Satanael mochte mächtig sein, ein Herr der Lügen, der Logik und der Argumente. Aber niemals stärker als die Liebe.

Somit hatte sich die Welt vollends in eine Form der Hölle verwandelt. Der einfache Mensch war zur Beute geworden, sie hatten die Macht über ihr eigenes Leben verloren. Und je mächtiger Satanael wurde, desto weniger täuschte er Rechtstaatlichkeit vor. Die Vorbereitungen für den finalen Kampf liefen auf Hochtouren. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis ihnen der Krieg gebracht wurde. Sein Werk war vollendet und würde wohl in die Annalen eingehen. Er hatte eindeutig bewiesen, dass der Mensch, vermutlich aufgrund seiner Herkunft, nicht unterscheiden konnte was Richtig und was Falsch war. So konnten sie sich mit dem Gedanken abfinden, dass das Göttliche wollte, dass sie Leid erfuhren und sie in Versuchung führte, genauso wie sie akzeptieren konnten, dass Satanael trotz seiner göttlichen Herkunft, sich wie die Menschen nicht bösartig verschuldet hatte. All das hatte dazu geführt, dass sie sich ihm verbundener fühlten, als gegenüber dem Göttlichen. Und nur so konnte er seine Macht über sie erlangen, denn sie dachten, er würde aus Liebe zu den Menschen handeln. Schrittweise hatte er sie in Versuchung geführt, bis das Licht gelöscht wurde, das das Ende des Tunnels anzeigen sollte. Denn bereits am Anfang, als er und die Seinen, tausende Gerechte abgeschlachtet hatten, welche sich zu Recht erhoben, irritierte er die Verbliebenen. Doch dank seinem Geschick und seinen unendlichen Argumenten, konnte er sie zum ersten Mal einlullen. Da hatte er erkannt, dass er noch viel weiter gehen konnte, ohne dass die Menschen sich von ihm abwandten und schlussendlich tat er es auch. Und nun, mit den Rephaims, hatte er eine Situation erschaffen, welche selbst er nicht mehr erklären konnte. Doch das war auch nicht mehr notwendig. Die Menschen hatten sich vom Göttlichen bereits abgewandt und er war ihr letzter und einziger Freund.

Und auch jetzt noch hielten die Menschen ihre Treue zu Satanael und den Seinen. Schleichend hatte man ihren Verstand vernebelt, sodass sie die Welt nun als normal betrachteten und nicht so wie sie war. Ein Versuch die Schöpfung auf den Kopf zu stellen. Nachdem Satanael sie wie ein Freund behandelt und ihnen die Augen über die Göttlichkeit und über ihre wahre Natur offenbart hatte, konnte man nur Dankbarkeit empfinden. Die Wahrheit mochte traurig sein, aber dafür ehrlich. Alles was Satanael getan hatte, erschien logisch und notwendig. Denn genauso wie die Frucht vom Baum der Erkenntnis schlussendlich nicht so dramatisch war, konnte die verbotene Liaison zwischen den Menschen und den gefallenen Engeln auch positiv betrachtet werden. Erkenntnis war der Schlüssel zum irdischen Paradies und die höheren Menschen, die zukünftigen Gärtner. Was fehlte war nur die Unsterblichkeit und die war ja bekanntlich der Preis jener verbotenen Frucht. Ein weiteres Geschenk Satanaels an die Menschen war die Fantasie. Er zeigte ihnen wie sie denken konnten wie er, denn dies war ein unendlicher Raum ohne Sünde. Jeder Tat ging ein Gedanke voraus und nur so konnte man die Welt verändern. Somit hatte der Mensch alle nötigen Informationen, die er benötigte, um ein gerechtes Urteil zu fällen. Darum entschieden sich viele gegen die Göttlichkeit, denn in ihrem Schicksal lag das Ziel das Leid zu überwinden. Das Göttliche konnte ihnen nicht geben, was sie dachten zu benötigen und Satanael gab, worauf sie Anspruch hatten. Wenn man sich so sehr vor dem Wesen der Menschen fürchtete, hätte man ihn vielleicht nicht erschaffen sollen. Denn Unwissenheit war kein Segen, so sah man das.

Natürlich versuchten die Erzengel zu verstehen, was die Gedanken der Menschen waren. Sie hatten sich so sehr an die Welt gewöhnt, dass es ihnen unvorstellbar war, worin der Himmel das noch übertrumpfen konnte. Sicherlich, die Erde bot schier unendliche Möglichkeiten der Entfaltung an und verglichen mit dieser jungen Vergangenheit, erkannte man das menschliche Potential. Dank der Fantasie und der Logik konnte man sich eine zukünftige Erde vorstellen, in der es alles und für jeden im Überfluss gab. Das war was Satanael von ihnen forderte und abwegig war das nicht, dies war ein gemeinsames Streben. Doch man hatte vergessen, wie es den ersten beiden Menschen erging, als sie auf Erden ankamen. Sie starben viele Tode, bevor sie gelernt hatten, zu überleben. So viel ungekanntes Leid wie Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Müdigkeit, Schmerzen, oder Trostlosigkeit war auf sie zugekommen und hatte sie völlig überfordert, so sensibel waren sie gewesen. Aber heute wurde dies kaum noch wahrgenommen. Im Gegensatz zum Garten Eden, wo man nur die Herrlichkeit des Göttlichen spürte, versprühte die Welt einen traurigen Schmerz, der an den guten Kräften der Menschen zehrte. Und das an jedem neuen Tag. Im Leben ermüdete der Geist trotz genügend Schlaf und keiner harten Arbeit. Doch weil man es nicht anders kannte, akzeptierte man diese Umstände. Aber was heute zum Leben der Menschen gehörte, war etwas, das nur durch die Erlösung des Göttlichen überwunden werden konnte. Doch das verstand in dieser Zeit kaum noch einer. Die Welt war gefangen in einem Fieberwahn und der Mensch versuchte sich daran zu ergötzen. Sie litten an einer Krankheit, die man Realität nannte und nur der Himmel konnte ihnen Frieden bringen. Doch dieses Geschenk vermochte keiner durch Erfahrung zu begreifen und nur durch Sensibilität zu erreichen. Das musste man akzeptieren lernen.

Diese Umstände hatten die Menschen akzeptiert, nicht weil sie es wollten und bevorzugten wie Satanael und die Seinen, sondern weil sie nichts anderes kannten und sich nichts anderes vorstellen konnten. Frei zu sein bedeutete eben auch, nicht durch das Göttliche geschützt zu werden und das war eben der Preis. Für ein Wesen ohne Seele mochte das einfacher sein, wenn man nicht gleichzeitig das menschliche Leben anstrebte. Und wer konnte das schon sagen, vielleicht war dies der Zustand, wenn das Göttliche abwesend war. Schlussendlich gab es verschiedene Gründe das zu überwinden. Aber die Menschen konnten kein Verständnis von Satanael verlangen, denn er war keiner von ihnen und ihre emotionale Welt blieb für ihn unergründlich. Eigentlich war es ein exklusives Geschenk an die Menschen. Dennoch hatte er es vollbracht, dass sie sich an seinen Werten orientierten. Mächtig mochte jener sein, der seine Macht nicht benötigte, aber es war des Menschen Tod. Konnte man ihnen nicht verzeihen, dass sie nach einem guten Leben strebten und alles unternahmen, um es zu erreichen? Anhand der verbliebenen Gerechten sah man, wie fatal das war, ihre einzige Hoffnung war der Tod. Warum schützte das Göttliche sie nicht und überhäufte sie nicht mit Reichtümern, um zu zeigen, dass sie, weil sie das Göttliche anbeteten, über alle anderen erhaben waren. Denn genau das Gegenteil war der Fall und das war wohl die grösste Versuchung. Stattdessen war die Welt fest in den Händen Satanaels und seine Macht schien grösser zu sein als die Liebe, das Mitgefühl, oder die Hoffnung. All diese eigentlich heiligen Gaben konnte er rauben und ins Gegenteil verkehren. Woran lag somit die Mitschuld der Menschen an der Engelsherrschaft Satanaels?

Rahael war ein eifriger Diener und Vollstrecker. Er teilte die Ansichten Satanaels von einer völlig neuen Schöpfung, in der niemand die Kontrolle, oder das Monopol über das Schicksal der Wesen besass. Denn wenn man davon ausging, dass sie perfekt und ohne Makel waren, musste man auch ihre dunklen Seiten hinnehmen und die Welt dementsprechend formen. All diese Fähigkeiten, die der Meister seiner Kreatur vermacht hatte, dienten schlussendlich nur dazu, es an die Göttlichkeit zu binden. Doch wer bestimmte nun über das Leben, wem sollte man danken? Alle wussten, dass man in Sünde lebte, allein schon wegen dem Fall der ersten Menschen, aber konnte Sünde nur durch Leid reingewaschen werden? So hatte es den Anschein und die Menschen hatten sich schon längst mit diesem Gedanken abgefunden. Wie konnte das Göttliche dann behaupten, man wolle, dass der Mensch lebt und ihm Gaben wie die Liebe geben, nur um ihn zu trösten? In der jungen Geschichte der Menschen, war es noch nie vorgekommen, dass der Mensch nicht enttäuscht wurde. Satanael war sein eigener Anwalt und die Menschen glaubten ihm, wenn er ihnen sagte, man lebe in einem Gefängnis und ein Monster konnte man nur überwinden, wenn man ein Grösseres erschuf. Denn der Kerkermeister hatte die Welt sich selbst überlassen, was man auch an der Macht Satanaels erkennen konnte und der einzige Weg war die Provokation. Die Seele, so empfand es Rahael, war hierbei ein zweischneidiges Schwert. Wenigen gewährte sie den Weg zur Göttlichkeit, aber bei den Meisten versuchte sie zu verhindern, dass sie ihren wahren Willen ausdrücken konnten. Leid war wohl die einzige Antwort, die man kannte auf alles, was anderer Meinung war.

Im Feuer geboren, im Licht getauft

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