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Unterbelichteter Leuchtturm

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Sie schlenderten also Richtung Leuchtturm, wie so viele andere vor ihnen und sicher noch viele andere danach. Jeder, der das vor ihnen tat und sich davon berichten lassen würde, wäre überzeugt davon, genau zu wissen, was dabei von den beiden verspürt worden sein musste, doch, auch wenn man das wohl denken mag, so irrt man sich, denn mag es wohl ähnlich sein, aber niemals gleich. Viel zu individuell sind doch die Erleber und zu viele Dinge spielen Rollen, die jedes Erlebnis für jeden anders gestalten und erlebbar werden lassen und ähnlich ist eben nicht gleich. Der Empfänger des Beschriebenen wird nur erinnerungsgeweckte, mit Emotionen verknüpfte Gedanken haben und seinen Denkegoismus damit befriedigen. Plötzlich blieb er stehen.Sie tat es ihm gleich und um zu verstehen, warum er hielt, blickte sie ihn an. Er schaute auf das Meer. Kaum ein anderer Aufsmeerblicker vermochte wohl auf diese beinahe schon arrogant gleichgültig wirkende Weise und mit so viel Abwesenheit von erkennbarer Regung in die Ferne zu schauen. In keinem anderen Blick hätte Leere so viel Fülle haben können und seine dazu nicht gesprochenen Worte schienen doch deutlich hörbar zu sein. Für sie war er schon beinahe entschlüsselt. Sie guckte ihn an, schloss zufrieden schmunzelnd kurz die Augen und schmiegte sich ihrem, so die Weite des Meeres beobachtenden, noch nicht durch behördliche Formalitätserfüllungen, gesetzlich anerkannten Mann an die Schulter. Sie konnte ihn hören. Sie hörte ihn, wie schon tausendmal zuvor. Immer, wenn er so in das Nichts starrte, wusste sie, welche Gedankenschweife durch seinen Kopf gingen. Sie: „Na, mein Liebster, ist es wieder so einsam auf dem Olymp?“ Er bewegte nicht einmal den Kopf, seufzte kurz, leise aber deutlich. Sie hatte das gut erfasst. Genau das war sein Gedanke. Er genoss dieses, ihm so oft entgegengebrachte Gefühl, des von anderen Unverstandenseins und gerne begab Er sich dann in seine gedanklich so weit vom Rest der Umherdenkenden gewöhnlichen Hirnnurspazierenträger entfernten Welt, die ihm, aufgrund der Ferne zu jenen das Gefühl, gerne gewollter Einsamkeit, eines griechischen Gottes gleich, gab, der hinab von seiner bergigen Heimstadt auf die hellenische Küste blickte und ähnliches empfinden hätten können müssen. Es war ein schönes Gefühl, wenigstens von ihr so gut verstanden worden zu sein und doch hatte sie jetzt diese Worte benutzt, die seiner Ansicht nach, untrennbar mit ihm verbunden und nur ihm zuzuordnen seien, dass er alleine das Recht hatte, sie auszusprechen. Für diesen Moment war der Ausspruch nun vergriffen. Kurz grübelte Er, bis ihm wieder ganz klar wurde, dass Er Sie doch so sehr liebte, dass alles andere unwichtig dagegen schien und Er musste zugeben, dass es ihm ja irgendwie gefiel, seine Worte, wenn natürlich als Frage gestellt, aus ihrem Mund, mit ihrer Stimme, warm und verständnisvoll zu hören. Nun schien es an der Zeit, den Kopf zu drehen, sie wieder anzusehen und ihre Stirn zu küssen. Sie setzte dem Großgestentum erst einmal ein Ende, indem sie ihm, ihren zum Küssen bereiten und zugleich dazu auffordernden zarten Mund entgegenstreckte. Natürlich kam er dem so vorgetragenen Wunsch sofort und voller Lust nach, küsste sie und sie gingen weiter. Der Leuchtturm wurde immer größer und je näher sie ihm kamen, umso mehr verlangsamten sich ihre Schritte, um das Ziel nicht zu schnell zu erreichen. Kurz bevor die beiden fast am Turm angekommen waren, nur wenige Schritte entfernt, stoppte er erneut. Leicht angewidert, verzog er den rechten Mundwinkel. Sein Blick galt nicht dem Leuchtturm oder der weiten Sicht auf das Meer, nein er suchte und fand deutliches Missfallen an dem, was sich seinen Augen direkt vor ihm bot. Er sah eine Schar von Menschen, die alle dort waren, wo Er doch sein wollte. Sie lachten, machten Fotos, riefen sich laut die überflüssigsten Bemerkungen zu. Jeder von ihnen spielte nun Columbus, die meisten typisch touristisch beoutfittet, einige von winzigen Chihuahuas begleitet und trotzdem noch in der Lage, ihren Lebenspartner oder die mürrisch mitgeschleppten und ob des Wlanmangels vor Ort gelangweilten Großstadtgören auf rhetorisch niedrigstem Niveau, dafür aber für alle anderen Leid.- und Freudgenossen gut hörbar, zu maßregeln. Nein, das war nicht sein Ziel, ihres auch nicht, doch hätte sie, vor lauter Verliebtheit, einfach darüber hinwegsehen, den Rest der Leute ausblenden und den Moment mit ihm genießen können. Er war nicht gewillt, das zu ertragen. Er konnte es schon aber Er sträubte sich dagegen, zu akzeptieren, ein Teil dieser, auf ihn so primitiv wirkenden, Meute zu sein. Da stand er also und starrte in die Menschenmenge. Jeder, der wollte, konnte seinen Ekel darüber deutlich an seinem Gesichtsausdruck erkennen, nur reichte ihm das nicht aus. Das musste raus. Er brüllte nicht, aber Er redete, gut hörbar seine Worte des Missfallens, so dass jeder, der ihm Aufmerksamkeit schenkte, sich angesprochen und beleidigt fühlen konnte und auch sollte. Er vermied es natürlich, die Leute direkt anzusprechen sondern monologte vor sich hin. Es war nicht in seinem Interesse, sich mit dem Ausflugspöbel zu unterhalten, Er mochte sich ihnen nicht gleich machen. Ging jemand dennoch auf seine Worte ein oder auf seine Art, sie auf abfälligste Weise vorzutragen, dann bekam er kein Gespräch sondern noch mehr Schmäh zu hören. Denen, die daraufhin immer noch nicht abgeschreckt waren, wandte Er sich dann doch direkt zu, blickte sie von oben herab an, um dann den durchbohrendsten aller Blicke zur Unterstützung seiner finalen Worte waffengleich zu nutzen. Kaum jemand war ja auf solche Situation vorbereitet und niemand war dann in der Stimmung oder gar in der Lage, sich adäquat wortreich zur Wehr setzen zu können. Die so beleidigten zogen dann ab, grummelnd über das unerhört erhörte. So war wenigstens diesen Leuten die Laune ähnlich verdorben, wie sie es ihm war, mit dem Unterschied, dass sich seine hob, dadurch dass Er dieses beinahe feindliche Aufeinandertreffen, nach seiner Sicht, zu seinen Gunsten entschieden hatte. Sie war da nicht wie Er. Gerne hätte sie einfach nur genossen, doch kannte Sie ihn ja und da Er mit der gleichen Konsequenz, die Er da an den Tag legte, ja auch in verschiedenen anderen Situationen, so viel Liebe und Freude verströmte, konnte sie das mit einem Miniseufzer abtun. Er nahm das leise Seufzen zwar zur Kenntnis, ließ es sich aber nicht anmerken, um dieser Regung nicht zu viel Bedeutung zukommen lassen zu wollen. Er drehte sich nun um, war nicht bereit, zu diesem Zeitpunkt, den Leuchtturm aus der Nähe zu bewundern. Immernoch hielten sich die zwei an den Händen. Als er zurück in die Richtung lief, aus der sie kamen, bedürfte es nur eines ganz leichten Zuckens im Handgelenk und wie selbstverständlich begleitete Sie ihn. Dieser Automatismus schien die beiden wie eins wirken zu lassen. So fühlten sie sich ja auch, selbst wenn er manchmal zu selbstverliebt und sie manchmal zu sensibel war, vorausgesetzt, man konnte überhaupt zu sensibel sein. Als sie sich nun ungefähr 50 Meter vom, von allen angestrebten, Ausflugsort entfernt hatten, bogen sie ab, gingen den Strand hinauf, bis sie ganz nah an der Düne waren. Dort setzten sie sich in den Sand. Sichtlich zufriedener nahm er sie dabei in den Arm und sie kuschelte sich an ihn. Es war kein starker Wind, nur eine seichte Brise, die ihr Haar ein bisschen wehen ließ. Gemeinsam galten ihre Blicke nun dem Meer. Sie hörten den Möwen zu. Verglichen mit dem Geschnatter der Touristen waren es schöne Gesänge, die von Freiheit und Ferne zu berichten schienen. Ein bisschen verfielen sie jetzt in eine Art Seefahrerromantik und er brummte sanft ein Matrosenlied. Beide gruben ihre Füße in den warmen Sand und lange hielten sie es aus, ohne ein Wort zu sprechen. Nach einer gefühlten Ewigkeit der Entspannung blicke Sie ihn an. Er blickte sie an. Sie schwärmte. Sie: „Es ist so traumhaft schön...!“ Verliebt, wie am ersten Tag, schaute er in ihre Augen. Er: „Ja, das ist es aber mit Dir, meine hübsche Frau, ist es doch überall schön. Jeder Ort, den wir zusammen betreten oder vielmehr, jeder Ort, der das Glück und die Ehre hat, von uns gemeinsam betreten zu werden, wird doch sogleich der wunderschönste traumhafteste Ort und jeder Moment somit zum traumhaftesten, den man erleben darf.“ Sie lauschte seinen Worten, kannte seine Art zu reden gut und sie gefiel ihr. Es war jetzt aber nicht an ihr, diesen Augenblick mit noch blumenreicherer Rede auszuschmücken. Sie äußerte das Wesentliche: „Ich liebe Dich!“ „Ich liebe Dich auch!“ erwiderte Er und beide blickten weiter in die Ferne. Nachdem sie das nun eine Weile getan hatten, standen sie auf und liefen zurück, um ihre Schuhe und Socken wieder an sich zu nehmen. Zu ihrem Glück waren diese noch an dem Ort, an dem sie sie zurückgelassen hatten. Sie bekleideten ihre leicht versandeten Füße und wenig später fanden sie sich auf der Promenade wieder.

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