Читать книгу Eine andere Realität oder Die Zerstörung der Welt - Frank Westermann - Страница 5

1. Kapitel: Die Gesandten (I)

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Sikrit war sich der Ehre bewusst, die ihr mit der Erlaubnis, das Flügelpferd reiten zu dürfen, zuteil wurde. Nur in ihren kühnsten Phantasien hatte sie sich diesen Wunschtraum erfüllt. Nun war er Wirklichkeit geworden. Firlin hatte den Antrag im Außenrat eingebracht und hatte sich über ihre Verblüffung sichtlich amüsiert. »Für diesen Auftrag ist das Beste gerade gut genug,« hatte Firlin argumentiert und war damit bei allen durchgedrungen - trotz Sheitas vehementer Einrede (aber es war zur Genüge bekannt, dass diese nur aus persönlichen Gründen erfolgt war).

Nach der Sitzung war Sikrit ihrer Freundin um den Hals gefallen und hatte sie mit Zärtlichkeiten überhäuft. Firlin hatte auch das genossen.

Sikrit lächelte in der Erinnerung an die Szene. Jetzt stand sie also vor dem weiß-rot gescheckten Pferd und streichelte vorsichtig seine Nüstern, beruhigende Worte murmelnd. Es war ihr, als ob das Flügelpferd sie misstrauisch ansah, vielleicht barg es ebenso viel Unsicherheit in seinem robusten Körper wie sie. Nach einer Weile schnaubte es leise, als wollte es damit seine Zustimmung ausdrücken.

»Ich weiß nicht, welche Namen dir andere, die dich geritten haben, gaben. Ich werde dich Khanur nennen nach der Göttin der Tapferkeit. Sie ist zwar nicht mehr besonders populär, aber der Name hat mir schon immer gefallen.«

Flügelpferde waren selten zu finden. Niemand wusste, wie viele Exemplare ihre Zahl ausmachte, aber es waren sicher nicht mehr als einige hundert. An einigen Orten wurden sie als heilige Tiere verehrt und überall nur in seltenen Fällen geritten. Soweit ihr bekannt war, war es nie gelungen, ein Flügelpferd einzufangen. In manchen Fällen entschieden sie aus unerfindlichen Gründen selbst, bei dem Menschen, der sie aufgespürt hatte zu bleiben und sich in die Obhut seiner Lebensgemeinschaft zu begeben. Aus ebenso unergründlichen Motiven verließen sie dieses Terrain wieder. Sie liefen immer frei herum, jederzeit bereit zu kommen oder zu gehen.

Unzählige Geschichten über sie machten die Runde, manche voller Bewunderung und Ehrfurcht, andere verhießen Vorsicht und Zurückhaltung.

Khanur weidete seit jeher auf einer der ausgedehnten Wiesen am Nordende des Dorfes abseits der anderen Pferde. Das erweckte den Anschein, als schreckten sie vor ihm zurück oder sie wiesen es aus irgendwelchen Gründen ab. Ein einsames Tier, das aber auch die Gesellschaft der anderen nicht suchte.

Sikrit befestigte den Rucksack auf ihrem Rücken und schob die Thermopistole zurecht. Die Waffe war ihr vom Techno-Rat zugebilligt worden. Die Bewegung erinnerte sie schmerzhaft an die Gefahren, die ihr aller Wahrscheinlichkeit nach bevorstanden. Wie fast alle Bewohnerinnen und Bewohner der matrilinen Dorfgemeinschaften verabscheute sie Gewalt - körperliche noch mehr als psychische. Als eine von wenigen war sie im Gebrauch von Waffen ausgebildet, aber sie hatte auf ihren Reisen erst einmal davon Gebrauch gemacht. Es war ihr nicht leicht gefallen, aber sie hatte nicht gezögert und kein schlechtes Gewissen quälte sie. Es hatte ihren Ruf als Pragmatikerin gefestigt.

Sie schätzte es allerdings weitaus mehr, wenn ihr normales Durchsetzungsvermögen ausreichte, gerade deshalb wurde sie so oft auf Botschaftsritte geschickt. Außerdem hatte sie damals ein Messer benutzt. Sie konnte sich an keinen Fall erinnern, an dem Hochenergiewaffen ausgeteilt worden waren.

Khanur war ein kleines Exemplar seiner Rasse, so dass sie sich ohne Mühe auf seinen Rücken schwingen konnte. Klein, aber kräftig. Wahrscheinlich konnte es ohne Anstrengung eine weitere Person ihres Gewichtes tragen.

Es war früher Morgen, die Sonne hatte sich gerade erst über den Horizont geschoben, aber einige dunkle Wolken kündigten schon an, dass sich ihre Wärme nicht lange halten würde.

Sikrit sah kurz zurück auf die ersten Häuser des Dorfes, das noch in friedlicher Stille ruhte. Vielleicht würde dieser Friede nicht mehr von langer Dauer sein, wenn sich Firlins Vermutungen bewahrheiteten oder die umlaufenden Gerüchte zu Tatsachen wurden.

Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten der Bäume, die die Wiese von allen Seiten umschlossen, und kam auf sie zu. Mit Erstaunen erkannte sie Sheita. Eher noch hätte sie Firlin erwartet, von der sie sich allerdings schon in der letzten Nacht liebevoll verabschiedet hatte. Ihr wurde etwas ungemütlich, als die junge Frau, die in gewisser Weise eine Rivalin Firlins war, näher trat.

»Ich möchte dir viel Glück auf deiner Reise wünschen, Sikrit,« begrüßte sie die hoch gewachsene, weißhaarige Techno-Expertin. »Ich möchte dir außerdem zu verstehen geben, dass ich weder aus Bosheit noch aus einer üblen Laune heraus gegen deine und Firlins Ideen opponiert habe. Meine Gründe, die ich in den Räten ausführlich dargelegt habe, entsprechen meiner Überzeugung und haben nichts mit meiner Beziehung zu euch zu tun. Ein anderes Motiv allerdings, das ich nur zu gut vor mir selbst versteckt hatte, ist mir erst vor kurzem offenbar geworden. Ich gebe zu, es fällt mir schwer, so offen gerade mit dir zu reden, aber du sollst nicht aufbrechen, ohne darüber Bescheid zu wissen. Ein wesentliches Merkmal, das mein Verhalten bestimmte, war einfach Angst.«

Sikrits Augen weiteten sich und ihre rechte Hand krallte sich in die Mähne Khanurs. Angst? Wie konnte gerade Sheita Angst haben und wovor? Die Frau hatte für sie immer den Inbegriff des Mutes und der Furchtlosigkeit dargestellt.

»Ich sehe Ungläubigkeit in deinen Augen,« fuhr Sheita fort, »aber du hast dich nicht verhört. Meine Angst beruht auf dem Bemühen, unsere Dörfer nicht in Gefahr zu bringen und ein neues Aufbäumen patriarchaler Gewaltstrukturen wie zuletzt in den paratechnischen Jahrzehnten von uns abzuwenden. Diesem Bestreben ordne ich alles andere unter. Und sollte sich diese Gefahr, von der ihr redet, als real erweisen, so fürchte ich um unsere Gemeinschaften. Denn was könnte uns stärker bedrohen als ein Zusammenschluss barbarischer, patriarchaler Horden, die zum wiederholten Mal ein finsteres Zeitalter für uns heraufbeschwören wollen?«

»Ich weiss nicht,« meinte Sikrit stockend. Sheitas pathetische Wortwahl hatte sie schon immer unangenehm berührt. »Ich habe mir über die Natur dieser Gefahr keine weitergehenden Gedanken gemacht, da uns jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Warum nimmst du an, die Struktur unserer Lebensgemeinschaft könnte bedroht sein?«

»Darauf kann ich dir keine Antwort geben. Meine Angst manifestiert sich lediglich aus dumpfen Ahnungen heraus, doch darauf wirst du nichts geben, weil du zu sehr Realistin bist. Ich hoffe bei den Göttinnen, dass ich Unrecht habe und dass deine Mission negativ verläuft.«

Sie nahm Sikrits Hand, drückte sie fest und entfernte sich dann mit schnellen Schritten.

Bei Ceris, sie ist ja richtig aufgewühlt, dachte Sikrit und sah ihr nach, bis ihre Silhouette in der Morgendämmerung mit den Schatten der Häuser verschmolzen war. Dann schüttelte sie heftig den Kopf und straffte ihre schlanke Gestalt, als wollte sie düstere Gedanken vertreiben.

»Auf gehts, Khanur,« trieb sie das Flügelpferd an, das daraufhin in einen leichten Trab verfiel.

Als das Dorf nicht mehr zu sehen war, steigerte Khanur seine Geschwindigkeit zu einem schnellen Galopp, entfaltete seine weissen Flügel, ein kurzer Ruck durchfuhr Pferd und Reiterin, dann berührten die Hufe den Boden nicht mehr und sie gewannen langsam aber stetig an Höhe.

Die Momente der ersten Panik, in denen Sikrit ihre Hände in der Mähne Khanurs verkrallte, vergingen rascher, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war, als ginge ein beruhigender Einfluss von dem Pferd aus. Sie fühlte Erleichterung. Und bald bewunderte Sikrit, unsicher aber voller Zuversicht und Staunen, wie die gesprenkelten Landschaften unter ihnen vorbei glitten.

In den folgenden Tagen hatte sich ein nie gekanntes Hochgefühl eingestellt. Der Traum vom Fliegen war wahr geworden und sie konnte nicht genug davon bekommen. Das Gefühl des Losgelöstseins von der Welt, die ihr als verkleinertes Abbild zu Füßen lag, ergriff sie mit jeder Flugphase von neuem. Alles schien an Bedeutung zu verlieren, nur Khanur und sie gehörten der Wirklichkeit an. Bisher war die Reise ohne Mühe verlaufen, es hatte keinerlei Schwierigkeiten mit den Gemeinschaften gegeben, deren Obhut sie sich nachts anvertraut hatten und die sie wieder auf den »Boden« der Realität zurückbrachten. Sie machte kaum Gebrauch von den zahllosen GesprächsangeGesandten und ließ nichts über den Zweck ihrer Reise verlauten. Sie bemerkte allerdings auch nichts von einer unbestimmten Gefahr. Die Gerüchte, die ihr in der Heimat zu Ohren gekommen waren, schienen aus der Luft gegriffen.

Das Wetter hatte kaum Anlass zur Klage gegeben. Es wurde zwar kühler, je weiter sie nach Norden vordrangen, und einige starke Regenschauer zwangen Khanur zur Landung, aber im allgemeinen kamen sie zügig voran und lagen durchaus innerhalb der Zeitplanung.

Von nun an erstreckte sich unbekanntes Terrain vor ihnen, doch wenn sie nicht einen weiten Umweg in Kauf nehmen wollten, mussten sie dieses Gebiet überqueren.

Es handelte sich um einen sogenannten Magischen Bereich. Länder, in denen bevorzugt magische Kräfte gebräuchlich waren, stellten keine Ausnahmeerscheinung auf der Erde dar. Sie waren meist im östlichen Teil der Welt zu finden und weitgehend isoliert geblieben.

Aus Erzählungen wusste Sikrit, dass sich die Sitten und Gebräuche der Lebensgemeinschaften der östlichen Hemisphäre derart von denen der westlichen unterschieden, dass sie kaum verständlich waren. Es handelte sich eben um Kulturen, die auf einer völlig anderen Basis aufgebaut waren. Sie musste allerdings zugeben, dass sie persönlich keinen Menschen kannte, der jemals in eines der Magischen Länder vorgestoßen war, und so blieb eine gewisse Skepsis über den Aussagewert dieser Erzählungen.

Ebenso wie es Ausläufer technischer oder post-technischer Kulturen im Osten der Welt gab, existierten Magische Bereiche vereinzelt in der Westhälfte. Um einen solchen Bereich handelte es sich hier.

Im Allgemeinen wurden Magische Bereiche gemieden und umgangen, und ihr war kein Beispiel bekannt, dass je Personen oder irgendetwas anderes daraus in die ihr bekannte Welt eingedrungen wären. Diese Zonen waren tabu. Sie stellten keinerlei Bedrohung dar, bereiteten aber naturgemäß den Menschen, die nahe ihren Grenzen lebten, Unbehagen und Unannehmlichkeiten und man machte Umwege um diese Gebiete.

Es war unbekannt, nach welchen Regeln das Leben in den Magischen Bereichen verlief. Es war die Rede von wunderlichen und beängstigenden Vorgängen, aber diese Geschichten entbehrten jeder Grundlage. Menschen neigten nun mal dazu, dem Unbekannten ihre eigenen verborgenen Ängste anzudichten. Natürlich hatte es wagemutige Frauen und Männer gegeben, die in Magische Zonen vorgedrungen waren, sei es aus Neugier, Forschungsdrang oder als Ausspähungsversuch. Sie wurden nie wieder gesehen. Anders verhielt es sich bei Menschen, die ohne Wissen und Absicht dort hineingeraten waren: sie tauchten unversehrt wieder auf und berichteten - mit geringen Abweichungen in ihren Erzählungen -, dass es sich um verlassene Landstriche handelte, die lediglich einige bekannte Tierarten aber keine Menschen beherbergten. Es wurde vermutet, dass sie nicht die wirkliche magische Welt zu sehen bekommen hatten oder ihnen die Erinnerung daran auf irgendeine Weise genommen worden war. So erwiesen sich diese Augenzeugenberichte als nutzlos.

Auch in der westlichen Welt waren Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und Begabungen bekannt und Bezeichnungen wie Zauberinnen, Magier, Hellsichtige, Thaumaturgen oder Psi-Begabte waren durchaus geläufig. Meist waren sie integriert in das alltägliche Leben der Gemeinschaften, nur in wenigen Kulturen spielten sie eine besondere Rolle. Sie beherrschten nicht den Lauf der Dinge, ihre Fähigkeiten wurden so selbstverständlich wie die anderer Menschen in Anspruch genommen und ihnen blieb ebenso der Kontakt zu den magischen Bereichen verwehrt.

In einigen Lebensgemeinschaften fungierten sie als Ratgeber, da ihnen Wissen um ein erweitertes Weltbild zugesprochen wurde und in seltenen Fällen hatten sich Kulte um sie herum gebildet.

All das kannte Sikrit aus eigener Erfahrung, ihre Reisen hatten sie selbst in entlegene Gegenden des Kontinents geführt. Doch ein Magischer Bereich war eine andere Sache.

Sie war nicht gefeit gegen die unbestimmten Ängste, die das Geheimnisvolle erzeugt, vertraute aber auf die Friedfertigkeit ihrer Mission und ihre Absicht, sich lediglich einen Umweg zu ersparen. Trotzdem hatte sie vorsichtshalber ihre »Rüstung« angelegt, die ihr Sicherheit geben sollte, obwohl sie sie im Ernstfall wahrscheinlich nicht schützen konnte. Die Rüstung war ihr zusammen mit der Thermowaffe übergeben worden und bestand aus Jacke und Hose aus einem Material, das sich wie Leder anfühlte und sogar Schutz vor Schüssen aus Energiewaffen bieten sollte. Das war sicherlich eine Übertreibung, und Sikrit hoffte, gar nicht erst in eine Situation zu geraten, in der die Rüstung einem solchen Test unterworfen wurde.

Weiter nahm sie sich vor, mit Khanur höher als gewohnt zu fliegen, so dass Ausspähungsversuche von vornherein ausgeschlossen waren. Mehr konnte sie nicht tun.

Jetzt, im Anflug auf den Grenzbereich zur Magischen Zone, kamen ihr Zweifel, ob es wirklich angebracht war, gerade in ihrer Angelegenheit das Risiko auf sich zu nehmen. Schließlich sollte sie sich ausdrücklich nicht m Gefahr begeben, bevor sie ihr Ziel erreicht hatte. Und wenn nun ihr Auftrag mit den Magischen Ländern in Zusammenhang stand?

Doch das war Spekulation und eine Umkehr nicht mehr möglich.

Die Überquerung der Grenze machte sich wie ein körperlicher Schlag bemerkbar. Khanur flatterte kurze Zeit hilflos mit den Flügeln, als ob die Luft an Dichte verloren hätte, und es fühlte sich an, als fielen sie in ein Luftloch. Sikrit merkte, wie ein Schwall von Übelkeit und Erbrechen in ihr hochstieg.

»Zurück,« wollte sie schreien. »Wir müssen umkehren!«

Aber die Worte drangen wie träge, blubbernde Blasen aus ihrem Mund, und die Töne lösten sich vor ihren Lippen auf. Ein widerlicher Geruch stach ihr in die Nase, und kaum hatte Khanur sein Gleichgewicht wiedergefunden, warf ihn eine starke Kraft aus der Flugrichtung und ein unwiderstehlicher Sog zerrte sie und das Pferd dem Erdboden entgegen.

Sikrit versuchte den Schock über die unerwartete Attacke zu vertreiben.

Ihre schlimmsten Befürchtungen waren übertroffen worden.

Khanur stemmte sich verzweifelt gegen den Einfluss, der sie nach unten zog, aber je mehr er kämpfte, desto stärker schien die Kraft zu werden.

Sikrit selbst war hilflos bei diesem Kampf. Sie sah den Schaum vor Khanurs Nüstern in großen Flocken wie durch ein Vergrößerungsglas davonfliegen. Die Farbe des Himmels um sie herum hatte sich verändert. Aus dem dunklen Blau war ein verwaschenes Grau geworden, von schwefelgelben Adern durchzogen. Die Perspektive hatte sich auf unheimliche Weise verzerrt: der Erdboden schien direkt vor ihren Augen zu liegen, während ihre Arme sich kilometerweit entfernt um Khanurs Hals schlangen, als ob sie nicht mehr zu ihrem Körper gehörten. Dazu erklang ein schrilles Heulen, das ihre Ohren marterte und beständig anwuchs.

Mein gesamter Wahrnehmungsbereich wird angegriffen, dachte sie erstaunlich klar. Ich darf mich davon nicht überwältigen lassen. Bloß nicht das Gleichgewicht verlieren!

Zumindest die Augen konnte sie schließen und versuchen, sich auf ihr inneres Kräftereservoir zu konzentrieren. Die Übung war schwierig unter diesen Umständen, aber sie bekam einen Zipfel der Energie zu fassen, die ihr sonst ungehindert zur Verfügung stand.

»Trugbilder, Illusionen!« schrie sie ihre Wut heraus und öffnete ihre Augen wieder. Mit solchen Tricks werdet ihr mich nicht hereinlegen!«

Khanur landete mühsam. Mit zitternden Beinen stand er in der Nähe zweier riesiger Bäume, die sich wie Ungetüme aus der flachen Landschaft erhoben. Sikrit stellte erleichtert fest, dass die Perspektivverschiebungen aufgehört hatten. Auch das erbarmungswürdige Heulen war abgeklungen. Nur der Himmel drohte weiter in düsteren Farben und das Gras und die Bäume besaßen eine fremdartige, bläuliche Kolorierung.

Sie stieg von Khanurs Rücken und zog die Thermowaffe, um sich und das Pferd gegen weitere Angriffe zu verteidigen. Mit beiden Beinen auf der Erde und einem kräftigen Baumstamm im Rücken fühlte sie sich wesentlich wohler als zuvor. Sie konnte ungehindert bis zum Horizont blicken, entdeckte aber kein Lebewesen. Die eingekehrte Stille wirkte fast bedrohlicher als die unheimlichen Geräusche, selbst der Wind schien eine Pause eingelegt zu haben.

Obwohl Sikrit um das Trügerische der Situation wusste, kam der Überfall völlig überraschend.

Von allen Seiten prasselten Schläge und Tritte auf sie ein und zwangen sie auf die Knie. Nach wie vor war kein Mensch zu sehen, doch das war nur eine weitere Illusion aus der Trickkiste der Angreifer. Mit einem Schmerzensschrei sprang Sikrit zurück in ihre Verteidigungsstellung. Ihr Finger krümmte sich um den Abzug der Thermowaffe, doch die Energieblitze wurden einige Meter vor ihr von unsichtbaren Hindernissen verschluckt. Obwohl sie ihre Gegner nicht erkennen konnte, hatte sie den Eindruck, dass ihre Schüsse irgend- welche Ziele trafen, denn sie vernahm stöhnende und angstvolle Laute und ein klägliches Wimmern.

Der vermeintliche Erfolg gab ihr neuen Mut. Ihr Körper handelte jetzt automatisch nach einem eingeübten Schema. Sie schwang die Pistole in einem Halbkreis, die Attacken auf sie ließen nach.

Es schien, als hätten die Angreifer nicht mit Widerstand gerechnet, aber sie war sich darüber im Klaren, dass sie sich auf Dauer in einer besseren Position befanden. Ihre Unsichtbarkeit schützte sie, und sobald sie ihre plumpe Taktik änderten, hatte sie kaum eine Chance gegen die Übermacht. Sie konnte froh sein, dass die Angreifer bisher auf Waffen verzichtet hatten - auch das konnte sich schnell ändern.

Der einzige Ausweg bestand in der Flucht, Khanur stand nur wenige Schritte von ihr entfernt. Er war bisher nicht belästigt worden und wirkte verwirrt, aber einigermaßen erholt. Ein kurzer Galopp bis hinter die Grenze in bekanntes Gebiet musste ausreichen. Sikrit schöpfte neue Hoffnung.

Eine andere Realität oder Die Zerstörung der Welt

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