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Traumziel Seefahrt

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Im letzten Schuljahr wurde immer öfter die Frage der Berufswahl diskutiert. Lehrstellen gab es aber nur spärlich. Einige Mitschüler wussten schon, was sie lernen wollten und hatten zum Teil auch eine Lehrstelle in Aussicht. Auch im Kreise meiner Familien wurde immer wieder die Frage gestellt: „Was willst du denn einmal werden? Diese berühmte Frage wurde selbstredend auch mir gestellt. Meine klare Antwort: „Ich will zur See fahren.“ Dieser Wunsch resultierte wahrscheinlich aus den Gesprächen mit meinem bei Blohm & Voss arbeitenden Großvater und dessen Schwager, also meinem Onkel, der als Klempner drüben bei Blohm arbeitete. Dieser Onkel, Karl Volkmann, wohnte in der Seewartenstraße gegenüber der heutigen Jugendherberge ‚Am Stintfang’ und ging mit mir, wenn ich ihn und meine Tante Martha besuchte, auf das Dach der U-Bahnhaltestelle Landungsbrücken und erklärte mir über den Hafen blickend die Helgen der Stülcken-Werft, die Docks von Blohm & Voss, den pulsierenden Betrieb der Barkassen und warum die Landungsbrücken bei Flut nicht untergehen können.


Mein Großvater brachte mir auf die einfachste Art die Begriffe Backbord und Steuerbord bei. Ich trug gerne einen dunkelblauen Pullover und sollte für Backbord ein Streichholz mit rotem Kopf an den linken Ärmel stecken, die andere Seite war somit Steuerbord. – Klar wie Kloßbrühe!

Nun gut, mein Wunsch stand fest, es gab jedoch noch meine Mutter, die ganz und gar nicht damit einverstanden war. Sie sagte, Wasser hätte keine Balken und Ähnliches, ich solle lieber einen ordentlichen Beruf erlernen. Wie recht sie damit hatte, ist mir später deutlich vor Augen geführt worden. Bei ihrem, wie man heute sagt – ‚Lebensabschnittspartner’ fiel der Wunsch allerdings auf fruchtbarsten Boden. Zunächst war ich geknickt, denn ich sollte, wie mein Vater, Klempner und Installateur lernen. Sogar eine Lehrstelle war ausgeguckt. Ich war gezwungen, mich zu fügen, ich war 15 Jahre jung und musste! Also fing ich die Lehre bei Klempnermeister Willi Stephan in der Hammer Landstraße an.

Mir bzw. meiner Mutter wurde zugesichert, dass es monatlich außer dem Lehrgeld von 50 DM ein Fahrgeld von 20 DM und eine Überstundenentlohnung von 50 Pfennigen geben sollte. Ich glaube heute noch zu wissen, wie enttäuscht ich war, als ich meine erste Lohntüte in Händen hielt, es waren 50 DM darin und kein Heller mehr. Auf Nachfrage bei des Meisters Gattin bekam ich zur Antwort: „Das ist alles so richtig.“ Daraufhin verabschiedete ich mich mit den Worten: „Auf Wiedersehen, ich komme nicht wieder.“ Zu Hause angekommen, erzählte ich, was vorgefallen war. Die Stimmung war angespannt, und momentan wusste keiner so recht, wie es weitergehen sollte, nur ich wusste es, und ich blieb hartnäckig und hatte Erfolg.


Jetzt aber kam Leben in mich: Ein Seefahrtsbuch beim Seemannsamt in der Admi (Admiralitätsstraße) geholt, eine Einverständniserklärung von Mutter konnte vorgelegt werden, und ein Passbild war auch da. Es gab keinerlei Schwierigkeiten. Das Seefahrtsbuch mit der Nummer 2305 hatte ich nun, aber keine Ahnung, wo ein Schiff für mich zu bekommen war.

Ich ging erst einmal zum Heuerstall (heute das „Hotel Hafen Hamburg“) und gab mein Seefahrtsbuch dem Heuerbaas durch eine Klappe, fast postwendend hatte ich mein Seefahrtsbuch wieder in den Fingern – es fehlte die Gesundheitskarte – wat nu?


Das heutige Hotel Hafen Hamburg diente über viele Jahrzehnte als Hamburger Seemannshaus. Hier befand sich auch der ‚Heuerstall’.

Erst mal zu Onkel Karl und Tante Martha, sie wohnten ja ganz in der Nähe. Onkel Karl gab mir dann den Rat, zur HAPAG (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Aktiengesellschaft) oder auch Hamburg-Amerika-Linie in die Poststelle zu gehen, da wäre ein Onkel Erich beschäftigt. Diesen hatte ich vorher zwar schon einmal bei meinem Großvater gesehen, aber das war auch alles. Na ja, ich also in die Ferdinandstraße zur Poststelle der HAPAG. Hallo, Onkel Erich, kannst du mir helfen? Er konnte. Er kannte einen Kapitän Schulz in der HAPAG eigenen Heuerstelle – zu dem gingen wir dann und trugen ihm mein Anliegen vor. Entschuldigung, aber bei der HAPAG heißt es weder Heuerstall oder Heuerstelle sondern ‚Mannschaftsannahmestelle’. Wie konnte ich bloß vergessen, dass ich bei einer Reederei fahren wollte, die bekanntermaßen Weltgeltung hatte. Nur hatte ich das bis dahin noch nicht gewusst. Bevor es darum ging, auf einem Schiff anzumustern, musste erst der Betriebsarzt konsultiert werden, um eine zwingend notwendige Gesundheitskarte zu erhalten. Gemacht, „Husten Sie mal!“, Abhorchen und einige Spritzen gegen Tropenkrankheiten (noch die schönen Glaskolben-Spritzen) – und die Gesundheitskarte war gesichert.

Schnell wieder zu Kapitän Schulz und gefragt, wann es denn nun losgehen könne. Wie enttäuscht war ich wohl, als er mir sagte: „Junger Mann (Mann!), geh erst mal nach Hause, du musst dich gedulden, wenn ich ein Schiff für dich habe, bekommst du ein Telegramm.“ Mit der Geduld ist das so eine Sache, sie war und ist bei mir nie so richtig ausgeprägt gewesen. Eine andere Eigenschaft – die Hartnäckigkeit – schon eher, und die sollte hier, wie später oft im Leben, zum Erfolg führen. Morgens nach dem Frühstück fuhr ich jeden Morgen, ich hatte ja viel Zeit, mit der Straßenbahn in die Stadt und schaute bei Kapitän Schulz am Vormittag und vor der Heimfahrt am Nachmittag vorbei, immer mit der Frage, ob nicht ein Schiff für mich da sei.

Diese Fragerei ging so ungefähr drei Wochen lang, dann muss es ihm zu viel geworden sein, ich bekam mein erstes Schiff, das MS „NAUMBURG“. Die erste Musterung wurde in mein bis dahin leeres Seefahrtsbuch am 11.6.1956 eingetragen.

Fahrtgebiet: Westindien (heute heißt es nur noch Karibik). Bis heute bin ich das Gefühl nicht los geworden, dass Kapitän Schulz froh war, mich Zecke endlich los zu sein. In null Komma nix fuhr ich nach Hause zum Klamotten packen.

Ich war selig, Mutter skeptisch. Anderntags brachte Mutter mich zum Liegeplatz – Kaiser Wilhelm Hafen, Schuppen 72 – und auf meine für die nächsten Monate neue Heimat. Ich war so aufgeregt und ließ den Spruch – „endlich wieder Planken unter den Füßen“ los. Mutter tippte sich nur an die Stirn, sie half mir noch, mein Zeug in die mir zugewiesene Kammer zu bringen und einzuräumen. Ein kurzes Probeliegen in der Koje, ein kleiner Rundgang über das Schiff, Abschied nehmen, und ich war auf mich allein gestellt.


Ab 1956 als Steward zur See

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