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Vorspruch an den Mann der Front.

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Vor Péronne war‘s.

Der Tag begann zu grauen. Die grellen Lichtkegel, die von aufschlagenden Granaten wie Scheinwerferbahnen aufstiegen, wurden blässer und mählich zeichnete sich die Landschaft aus dem Dunkel heraus. Ich sah ein nahes, starkes Lampenlicht, das ungehörig am Saum der Front leuchtete. Aber es war gegen den Feind im Graben und im Fliegerland abgedeckt und leuchtete nur einem Dutzend Soldaten, die an einer Dreschmaschine arbeiteten. Es kam mir so vor, als hätte ich nie flinkere Arme gesehen, und als hätte nie ein Motor rascher laufen müssen, wie diese sausende, klappernde Kraft. Das Getreide schien zu wandern und die Säcke füllten sich fast von selbst: die Leute gabelten, warfen und schleppten, und zwei große Lastautos zogen jetzt mit der Brotfrucht ab, die man aus dem Feuerbereich gerettet hatte. Zwei andere harrten noch, und die Wagenführer sahen prüfend in den aufhellenden Morgen: sie sollten vor dem lichten Tag mit ihren Riesenmöbeln außer Sicht sein.

Ich steige verlegen aus dem Wagen — ein Zivilist. Ich weiß, diese schwer schaffenden Menschen lieben das bequem anfahrende Zivil nicht, das ihnen tändelnd und müßig nach vorn zu kommen scheint. Sie haben ein brummiges Wort auf den Lippen, und die Sehnsucht nach dem Friedensgewande, das man ihnen plötzlich im absolut feldgrauen Lande vorführt, macht den Abstand nicht kleiner.

Und jetzt rücken aus dem Morgengrauen Leute von der Front an, rund eine Kompagnie, grabengemäß beschmutzt, schwer bepackt mit Helm und der ganzen Frontlast. Die Kompagnie sieht klein, klein aus. Die Schatten ihrer Toten wandeln hinten nach, fühlbar, ein Heer von Gedanken dieser Lebenden an Kameraden, die gestern noch Blut und Sprache hatten. Aber der Franzose schlug wieder den großen Trommelwirbel, und dann hetzte er seine Leute an. Man wehrte sich prachtvoll, grimmig. Sieg und Herzeleid, Hurra und Gestöhn. Der Abend kam blutrot und die Nacht im dunkelsten Trauerkleid — Kamerad, wisch‘ das Erlebnis von der Stirn und nimm den harten Zug aus den Mienen!

Und sieh mich nicht so an, Kamerad!

Wärm“ dich an meinen Augen auf und hör“: Verflucht das Volk, das dich vergisst!

Wie meinst du: Zivil tut weh??

Mensch, dein grauer Rock tut weher. Mensch, ich lauf‘ länger als zwei Jahre da draußen hinter den grauen Röcken her und vermag nicht hart zu werden. Der Krieg wird mir nicht zur Gewohnheit und der Mann nicht gleichgültig. Deine Tage sind schwerer geworden, mein Amt auch. Der Stoff, in den man die Feder taucht, hat eine furchtbar rote Farbe. Ein hartes Schreiben, Kamerad.

Schrieb ich Phrasen über dich?

Ich nannte dich nie den wackeren Feldgrauen und nie den braven Feldgrauen. Ich nannte dich Mensch, Dulder und Mann, und du bist Pflicht und Schicksal. Ich schreibe von deiner Not und muss den Mantel über dich decken, wenn deine Augen brechen und dein Fleisch zuckt.

Deine Kinder sollen das nicht sehen!

Verstehst du mich, Kamerad?

Ich will dir erzählen, das; die von den französischen Zeitungen lange nicht mehr hinter denen hergehen, für die sie tausend Titel erfunden haben. Warum, Mensch? Sie klingelten, orgelten und jubelten — und es war nicht so. Sie ließen ihre französischen Männer nicht in Not und Dreck stehen und verhüllten alles Scheußliche mit schönen Worten. Und der Mann im Graben las mit glimmenden Augen von seiner prachtvollen Art und von seiner köstlichen Laune.

Der Mann im Graben, den man um seine grausigen Erlebnisse betrog, spie aus vor Ekel!

Und sieh, Kamerad, ich lese die Blätter der Franzosen und finde, das; die Leute alle in guter Entfernung von dem Manne bleiben, den sie zeichnen. Es ist kein reines Gewissen mehr da drüben.

Es wird eine böse Zeit kommen für die, die fabelten.

Großes Hauptquartier West,

im Oktober 1916.

Georg Queri

Kriegsberichterstatter des Berliner Tageblatt.

Die hämmernde Front

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