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LA POULE AU POT DE MME KLEIN

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Zutaten:

1 nicht zu altes Suppenhuhn

Salz, Pfeffer

2 halbierte Zwiebeln

Thymian, Lorbeer

optional 1 Würfel Hühnersuppe

jeweils etwa 500 g Halmrüben (Navets), Karotten, Kartoffeln, Sellerie, Lauch

30 g Butter

30 g Mehl

¼ l Obers

2 Dotter

Das Huhn salzen und pfeffern, in einem großen Schmortopf mit Wasser bedecken und mit den halbierten Zwiebeln und einem Gewürzstrauß aus Thymian und Lorbeer eineinhalb Stunden köcheln lassen, eventuell den Suppenwürfel dazugeben. Währenddessen Rüben, Karotten, Kartoffeln, Sellerie und Lauch schälen und in Stücke schneiden. Dazugeben, ggf. noch salzen und eine weitere halbe Stunde köcheln lassen.

Für die Sauce Butter im Kochtopf aufschäumen lassen, das Mehl einrühren und kurz rösten. Mit einem halben Liter der filtrierten Hühnersuppe ablöschen, gut verrühren und noch einmal aufkochen lassen, Obers dazugeben, abschmecken. Die fertige Sauce vom Feuer nehmen und danach die Dotter einrühren. Keinesfalls mehr kochen!

Das Huhn zerteilen und mit dem Gemüse, der Sauce und gekochtem Reis auf flachen Tellern anrichten. Die (leere) Suppe wird traditionell in Tassen dazu gereicht und getrunken.

Mme Klein, die aus einer Winzerfamilie stammt, empfiehlt dazu unbedingt einen eher jungen Crozes Hermitage, einen vollmundigen Rotwein aus dem nördlichen Rhônetal, kann sich aber auch einen Weißwein vorstellen – nur allzu leicht darf er nicht sein.

Henri IV. hätte sein Huhn übrigens noch mit einer Mischung aus Innereien, Wurstbrät, Brotwürfeln, Ei und Kräutern gefüllt – doch die Verkäuferin bestätigt, dass das Huhn auch ungefüllt einfach perfekt war.

Mme Klein war früher Visagistin und Modedesignerin mit Hang zum Extravaganten gewesen, Antiquitäten liebte sie aber „schon immer“. Vor mehr als zwanzig Jahren begann sie mit dem Handel, vor sechs Jahren ist sie mit ihrem Mann in dieses Haus gezogen, in dessen Obergeschoß sie wohnen. Dem Charme des Hauses und seines Gartens ist sie auf den ersten Blick erlegen – was man sofort versteht.

Es war ein guter Einstieg ins Gespräch, Mme Klein nach dem Kochrezept zu fragen. In Fahrt gekommen, beantwortet sie mir ganz von selbst eine Frage, die ich mir schon lang gestellt habe: Wer kauft denn all die Kirchturmspitzen, Marmorstatuen und goldenen Spiegel, die zwar so gekonnt „zufällig“ in diesem Haus und Garten herumstehen, aber nicht eben billig sind? Luxushotels zum Beispiel, oder Immobilienhändler, die Luxusvillen verkaufen und zuvor mit passender Dekoration ausstatten, erfahre ich. Oder Gärtner beziehungsweise deren Kunden, die ihre Privatparadiese stilvoll verschönern wollen. Darunter sind schon auch Franzosen, aber es dürften vor allem Kunden aus Asien sein, mit denen die teuren Antiquitätenhändler hier ihren Umsatz machen.

Ich spaziere weiter in Richtung Marché Paul-Bert. Der Markt ist etwas jünger als Vernaison und weniger chaotisch, aber trotzdem hat er sehr viel Charme. Besonders gern mag ich den großen Schuppen von Bachelier Antiquités gleich beim Eingang, ein riesiger Raum voll edler alter Küchengeräte aus Kupfer und Geschirr aus der traditionsreichen lothringischen Keramikstadt Sarreguemines im Erdgeschoß und im über eine elegante Wendeltreppe zu erreichenden ersten Stock. Ich überlege, eine alte, aber makellos erhaltene dottergelbe Terrine mit Deckel zu kaufen, doch sie ist teuer und der Transport nicht ohne Risiko. Freilich, eine darin servierte Pastete sähe großartig aus. Bei einem relativ dicken, ovalen Teller werde ich hingegen schwach, der ist auch nicht billig, aber robust und muss jetzt einfach mit – es ist immer ein gutes Gefühl, etwas gefunden zu haben, und sei es nur ein Salzstreuer, und den Flohmarkt nicht mit leeren Händen wieder verlassen zu müssen. Planen kann man ja nie, ob etwas Passendes dabei ist.


Isabelle Klein

Bei einem der nächsten Stände bewundere ich ein kunstvoll verziertes silbernes Fisch-Servierbesteck. 120 Euro ist es mir nicht wert, aber das nimmt mir die Verkäuferin nicht krumm, eine strahlende junge Frau mit blonden Locken, die mit mir über Möglichkeiten nachdenkt, wie man das schöne Besteck am besten zweckentfremdet, um es häufiger benützen zu können – einen großen Fisch für mehrere Personen zerlegt man ja nicht alle Tage bei Tisch. Und schließlich machen die schönen Stücke den Sonntagstisch eben erst zu einem solchen. Ein bisschen Eleganz schadet nie, meint Héloise, die mir, als sie hört, dass ich aus Österreich komme, von ihrer bayerischen Großmutter erzählt. Bei unserem Gespräch zeigt sich einmal mehr, wie ergiebig das scheinbar ziellose Plaudern sein kann. Ich habe mich schon immer darüber gewundert, warum man in Frankreich die Gabel so auf den Tisch legt, das die Zinken nach unten zeigen statt nach oben. Meine Vermutung war, dass das mit den in Silberbestecken oft eingravierten Initialen zu tun hat, doch Héloise klärt mich auf: Im siebzehntes Jahrhundert kamen Rüschenärmel in Mode, die bis zu den Fingern reichten. Damit blieb man leicht in nach oben stehenden Gabelzinken hängen, wenn man die Hand vom Tisch zurückzog. Man drehte die Gabel also einfach um, Problem gelöst. Die Gravuren passte man im Nachhinein an.


Blick von Marché Paul-Bert

Genau diese Geschichten sind es, die jeden stundenlangen Flohmarktbummel rechtfertigen. „Wissen Sie auch, warum die Messer bei Tisch abgerundete Spitzen haben?“, unterbricht Héloise meine Gedanken. Habe ich mir noch nie überlegt, ich erfinde eine Theorie von Attentatsversuchen am Königshof, gar nicht schlecht, aber nein: „Es war früher üblich, sich mit den spitzen Messern bei Tisch Fingernägel, Zahnzwischenräume und sogar die Ohren zu putzen. Der Kardinal Richelieu hasste das und sorgte dafür, dass die Messer bei Hof abgerundete Spitzen bekamen.“ Ich sehe wahrscheinlich drein wie der alte Kardinal beim Anblick eines ungehobelten Adeligen, der sich gerade eine Portion Schmalz mit dem Messer aus der Ohrmuschel schält, Héloise prustet laut los. „Auf dem Flohmarkt zu arbeiten, ist ein so poetischer Beruf“, meint sie, eine Tatsache, der man eindeutig nicht widersprechen kann.

Sie hätte nach ihrem Jus- und Kunstgeschichtestudium während ihrer Ausbildung auf dem Flohmarkt nur ein Praktikum machen sollen. Eigentlich wollte sie bei einem Auktionshaus einsteigen, beschloss aber an ihrem ersten Tag am Flohmarkt, hierzubleiben. Sie schwärmt mir von der jährlichen „Fête des Puces“ im September vor, einem Kostümfest zu einem Thema. Man muss selbstverständlich verkleidet kommen. Letztes Jahr war das achtzehnte Jahrhundert dran – für Flohmarkthändler ist es natürlich Ehrensache, ein besonders authentisches oder originelles Kostüm zu haben. Tausende „Puciers“ und geladene Gäste feiern da ausgelassen, eine großartige Vorstellung. Schade, dass sich Héloise jetzt um ihre Kunden kümmern muss, die sich für einen eleganten Jugendstilluster interessieren. Ob der Raum hoch genug ist dafür?

Ich spaziere weiter, ganz erfüllt vom Ésprit dieses Marktes, der nicht von verschrobenen, alten Fetzentandlern bevölkert ist, sondern von kreativen, jungen Leuten, die ihre Freude an vielleicht etwas unpraktischen, mitunter auch kitschigen, aber eben sicher nicht alltäglichen Gegenständen ausleben und weitergeben. Ich denke an die Wohnungen meiner Pariser Freunde und Bekannten, und tatsächlich geben sich die wenigsten mit einer Einrichtung zufrieden, bei der alles von der Stange ist – ein paar alte oder ungewöhnliche Dinge gehören einfach dazu. Was logisch ist: Die Pariser kultivieren ihren Individualismus wie sonst kaum jemand, und in St. Ouen werden sie bei ihrer Suche nach Gegenständen, die eine Seele haben, fündig.

Ich stöbere noch länger auf dem Marché Paul Bert herum und nehme noch das eine oder andere Ding in die Hand, finde sogar einen zweiten Teller, der genau zum ersten passt – und nur die Hälfte kostet …

Durch den überdachten Markt Jules Vallès, in dem es elegante alte Gehröcke und Hüte gibt – womöglich werden die im September beim der Fête des Puces wieder getragen –, gelange ich zum Restaurant La Péricole, dem nettesten und ruhigsten der vielen Restaurants am Flohmarkt.

Links von dem Tisch, an den ich gewiesen werde, blättern zwei niederländische Touristen in soeben erstandenen Bildbänden, rechts von mir klagt ein Händlerpaar bei einer fantastisch aussehenden Choucroute de la mer über die schwierigen Zeiten. Das Thema kommt mir bekannt vor, interessanter finde ich das Gericht. Für mich allein tut es zwar auch eine Linsensuppe mit viel Brot und einem Glas Brouilly, beim Hinausgehen frage ich aber dennoch nach dem Rezept des „Meeres-Sauerkrauts“. Wie gut Kraut und Fisch harmonieren, weiß ich aus meiner Zeit im Elsass, wo man Flussfische auf die landläufigen Sauerkrautberge schlichtet, wenn man einmal keine Lust auf Bratwurst oder Kassler hat. Matrosen- statt Bauernschmaus sozusagen. Hier das Rezept des Péricole-Chefs Laurent Heunde – wie immer mit Mengenangaben, die der Fantasie keine zu straffen Zügel anlegen.

Paris abseits der Pfade (Jumboband)

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