Читать книгу Ohne Rauch geht's auch oder wie frau auch ohne Zigarette eine Liebeserklärung aussprechen kann - Gerd Mjøen Brantenberg - Страница 5

Der 2. Tag –
Die alte Christiania Gjestgiveri und ein Puzzlespiel

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Als ich heute morgen aufwachte, war es wirklich wie ein Wunder. Mein erster Gedanke: Oh Gott, du hast es geschafft, einen ganzen Tag ohne eine einzige Zigarette. Das war fast wie nochmals geboren zu werden. Ich fühlte mich so sauber, so rein.

Ich erinnerte mich, daß nachts etwas Merkwürdiges passiert war. Halb vier wachte ich plötzlich auf, war hellwach und dachte an Cecilie Hauge. Cecilie Hauge ist eine der aufmerksamsten Nichtraucherinnen, die ich kenne. Sie paßt immer auf, daß wir nicht rauchen. Manchmal rauche ich trotzdem und tu so, als ob sie darauf ja gar nicht achte.

Wir spielen zusammen in unserem Orchester, wir sind dort fünf, die Frauenlieder einüben und spielen. Cecilie sagt, daß Rauchen und Musikmachen nicht zusammengehören. Sie spielt Saxophon. Das Saxophon kann keinen Tabaksrauch vertragen, sagt sie.

Das Gefühl eines Wunders hat mich den ganzen Tag über erfüllt. Ich sehe mich fast wie von außen. Beim Job tu ich, als wäre nichts. Keiner merkt es. Es ist schwieriger, wenn ich nach Hause komme. Die Zigarette nach dem Essen. Manchmal habe ich ja nur gegessen, um eine zu rauchen.

Als wir nachmittags Kaffee trinken wollten, setzte ich mich hin und starrte Magnhild ununterbrochen an. Magnhild wohnt im gleichen Haus wie ich. Darum trinken wir manchmal Kaffee zusammen und rauchen eine. Diese eine, derentwegen wir Mittag essen. Das Haus ist ein großes rotes Holzhaus in Grefsen, es gehört uns nicht, und wir wissen nicht, wann wir rausmüssen, denn als wir einzogen, standen einige Möbel hier rum. Ich bin es gewohnt, so zu leben, aber eine Sache ist auf jeden Fall unveränderlich, und das ist die Zigarette zum Nachmittagskaffee. Gerade sie könnte es sein, die ein Drittel oder die Hälfte der Bevölkerung dazu bringt, 10, 20, 30, 40 Zigaretten am Tag zu rauchen. Die Zigarette zum Nachmittagskaffee. Wer will freiwillig auf sie verzichten? Darum saß ich also zur Nachmittagszigarette bei Magnhild und starrte sie unentwegt an, folgte allen ihren Bewegungen. Wie sie sich eine vom Petterøe-Tabak drehte, sie zwischen die Lippen steckte. Streichholzschachtel in die linke Hand, Streichholz raus mit der rechten. Anreißen. Die Flamme vor der Selbstgedrehten. Die Lippen pressen sich ein wenig zusammen. Sie saugt, die Zigarette ist angezündet, glüht auf. Eine feine zierliche Rauchsäule steigt aus der Glut empor. Magnhild lehnt sich zurück, nimmt die Kaffeetasse, genießt das Leben. Das Rauchen stört mich nicht im Geringsten. Es fällt mir auch nicht schwer zuzuschauen, wenn Leute rauchen. Ganz im Gegenteil. Es ist viel besser, die Raucher anzustarren. Denn so werde ich daran erinnert, was ich hier die ganze Zeit treibe und was ich nicht tu. Und damit umgehe ich diese permanenten Schockerlebnisse, die meinen Kopf so furchtbar ermüden.

Ich springe vom Kaffeetisch auf, stürze in mein Zimmer und komme gleich darauf mit meinem Whiskylikör und zwei kleinen Gläsern zurück. Das ist jedenfalls nicht verboten!

Ich sitze da und erzähle, wie positiv ich das Rauchen finde. Ein so wunderbarer Geschmack, so gemütlich und kommunikativ. So entspannend. Ich starre auf Magnhilds Zigarette. Sie weiß nicht, daß ich nicht rauche.

Ich habe heute lange mit Kari und Camilla darüber geredet. Wir saßen in der Christiania Gjestgiveri. Ich kam als erste, saß allein da. Einige Situationen sind stärker mit Zigaretten verbunden als andere. An Restaurants kann man kaum denken, ohne sich eine anzustecken. Ich saß mit den Ellenbogen auf der Tischplatte da. Angestrengt, verwundert, mit offenen Augen. Fast alle im Restaurant rauchten. Ich betrachtete sie, fasziniert. Als Kari und Camilla kamen, rauchten sie auch. Wir redeten über den Feminismus. Was in Zukunft aus der Frauenbewegung werden würde. Ich habe häufiger mit Grauen daran gedacht. Und hatte Angst, daß ich dort dann nicht mehr rauchen dürfte. Die Öko-Bewegung drängt sich mit ihrer frischen Luft ja überall rein. Es war komisch, sich so zu unterhalten. Ich war gezwungen, diejenige anzusehen, mit der ich redete. Starrte ihr direkt ins Gesicht. Ich konzentrierte mich eher auf das, was wir beredeten, griff ins Gespräch ein statt zu einer Zigarette.

Kari sah mich von der anderen Seite des Tisches aus durch ihre runde Brille an. Ich traute mich nicht, es zu erzählen, das hätte albern gewirkt. Ich saß nur da und zerpflückte ein Zigarettenpapier-Päckchen im Aschenbecher in 200 kleine Fetzen. Und das mehrmals. Sie achteten nicht drauf. Listig brachte ich das Gespräch auf Drogen. Ich hätte es so gern erzählt. Zigaretten erwähnte ich nicht. Wird nicht eigentlich viel zuviel getrunken und so . . .? Kari sagte, das sei, als höre sie sich selbst reden. Aber sie hätte vor vielen Jahren aufgegeben. Sie hätte keine Lust mehr, als Puritanerin angesehen zu werden. Jetzt waren es 300 Krümel geworden.

Kari sah mich durch die Brille an:

»Rauchst du nicht?«

»Oh doch!« rief ich, und mehrere der um uns Sitzenden drehten sich um und sahen uns an.

»Doch, doch. Ich rauche nur gerade jetzt nicht.«

Glücklicherweise fing Camilla an, von der Zeit zu erzählen, als Sie in Goa war. Warum sah sie mich so an? Merkte sie, daß mir der Kopf sauste, wenn ich sie anschaute? Ich guckte sie an. Ich war mir ganz sicher: Sie wußte, daß ich lüge. Camilla sagte, daß politisch aktive Gruppen gedopt würden. Das Blättchen-Paket konnte sich langsam mit einem Riesenpuzzlespiel für die Familie messen, also wechselte ich über zu einem Rotweinkorken. Die Europäer hatten auf dem Strand von Goa an der Ostküste Indiens gelegen und nur Opium geraucht und gemeint, sie lebten in paradiesischen Zuständen, alles andere sei Wahnsinn. Nachdem Camilla nach Hause gekommen war, hatte sie zwei Monate lang keinen Alkohol getrunken. Dann war sie zu einer Feier gegangen. Studentenparty. Wie üblich hatte sie Tee getrunken. Mit der Zeit waren die Gäste so merkwürdig geworden und hatten eine Menge dummes Zeug geredet. Da war ihr klargeworden, daß sie betrunken waren.

Wir lachten. Ich formte aus den Rotweinkorkenstücken ein Frauenzeichen. Kari fragte mich, ob ich nervös sei. »Nein!« rief ich, und einige der Umsitzenden drehten sich wieder um und sahen uns an. Camilla erzählte, daß sie mehrmals aufgehört hatte zu rauchen, weil ihr Arzt ihr gesagt hatte, daß sie es nicht vertrüge. Aber sie hatte wieder angefangen. Kari meinte, sie sei nur Gesellschaftsraucherin und das seit zehn Jahren. Aber die Kuchen! Wir könnten nur nach Hause gehen und uns mit unserem Nikotin ins Bett legen. Kuchen! Sie erzählte, wie sie sich in einem unaufhörlichen Strom einen Kuchen nach dem anderen in den Mund schaufeln könne, und fuhr mit einer eingehenden Beschreibung von Sahnetorten und Schokoladenkuchen, ihrem Aussehen, ihrer Form, Füllung und dem Geschmack bei den verschiedenen Konditoreien in der Stadt fort. Die Zigarette qualmte in ihrer Hand. Sie hatte fast keinen Zug aus ihr genommen, die Asche war lang und fest. Sie sah sie an und seufzte. Das Frauenzeichen aus Korken wurde breiter und breiter.

Aber als Camilla und ich zusammen mit der Straßenbahn nach Hause fuhren, erzählte ich es ihr doch.

»Du solltest aufschreiben, warum du aufhörst, sonst vergißt du es«, sagte Camilla.

Ohne Rauch geht's auch oder wie frau auch ohne Zigarette eine Liebeserklärung aussprechen kann

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