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2.Liebeskummer

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Sobald Gelegenheit war und Zeit dafür, streifte Uwe auf der Suche nach der großen Unbekannten durch die Straßen seiner Heimatstadt. Erfolglos. Aber: Unerwartete Überraschung, als er faulenzend zu Hause aus dem Fenster guckte.

Eigentlich war das langweilig, nur so aus dem Fenster zu schauen, aber in der Kleinstadt ein beliebter Brauch. Irgendwie war es eine Abwechslung. Man sah diesen oder jene, die unten auf der Straße lang kamen und die man kannte. Wenn es Nachbarn waren, musste man artig "Guten Tag" sagen. Manche Leute kamen immer wieder zu ganz bestimmter Zeit daher. Nur selten geschah wirklich etwas Außergewöhnliches. Aber diesmal!

War doch plötzlich ein weibliches Wesen um die nahe Ecke gebogen, das ihm mit seinem wiegenden, lockeren Schritt prompt das Blut pochend durch alle Adern jagte. Das geschah unabwendbar und unfassbar, noch bevor er wirklich genau hatte sehen können, dass es sich tatsächlich um das Fräulein handelte, das ihm nun schon seit Wochen überhaupt nicht wieder aus dem Kopf ging. Von innerer Erregung erfasst, doch irgendwie instinktiv ein bisschen ins Fenster zurückgeduckt, sah er alsbald deutlich: Es war sie! Eindeutig! Ja! Ja! Es war sie! Da schritt sie hin, kam näher.

In Uwes Kopf wirbelten die Gedanken, überschlugen sich geradezu. Sollte er so ausgesprochen demonstrativ am Fenster bleiben? Sie ging drüben auf dem Fußsteig, musste ihn also nicht unbedingt gesehen haben. Sollte sie aber doch, was durchaus wahrscheinlich war, würde von ihr als eine Reaktion gewertet werden, wenn er jetzt vom Fenster wegging. Sie konnte es als Desinteresse auslegen, auch als Feigheit. Das wollte er vermeiden.

Gar schnell und also einigermaßen kopflos auf die Straße und zu ihr hinüber zu eilen, verbot sich. Was hätte er sagen sollen? Bestimmt wäre nur irgendetwas Blödes herausgekommen. Ja, wenn er tollkühn wäre, so ein richtiger Casanova wie im Kino! Außerdem, wurde ihm klar, hatte er verschlissene Hausschuhe an, und darin irgendwelche Annäherung zu beginnen, wäre nichts als absurd und lächerlich gewesen. So überstürzten sich seine Gedanken. Und sie schritt dahin unten auf der Straße, schaute nicht einen Moment hoch zu ihm und war vorbei.

Aussichtslos! Aussichtslos an so eine Frau heranzukommen! Uwe blickte ihr einigermaßen verzweifelt nach, bis sie oben am Ende der Straße um die Ecke bog. Er konnte also nicht einmal feststellen, in welche Haustür sie gehen würde. Das wäre eine Chance gewesen, ihr vielleicht näher zu kommen. Er hätte ausspionieren müssen, ob sie etwa gar dort wohnt, oder wen sie besucht. Jetzt war nur die Möglichkeit zu warten für den Fall, dass sie und ob sie zurückkommt. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Schon schmerzten die Ellenbogen vom Aufstützen auf dem Fensterbrett. Schließlich wurde Mutter ungeduldig. Er ahnte, was sie dachte. Statt ihr bei der Vorbereitung des Abendbrotes ein bisschen zur Hand zu gehen, trödelte er nichtsnutzig herum. Draußen dunkelte es bereits.

"Was ist?", fragte Mutter plötzlich hinter seinem Rücken. Was sollte sein? Uwe hatte keinen Grund, seinen Kopf noch länger zum Fenster hinaus zu stecken. Jedenfalls keinen, den er Mutter hätte mitteilen können. Also schloss er schweren Herzens das Fenster und half still und in sich gekehrt, den Tisch zu decken. Dass ihm dabei ein Teller herunterfiel, der in viele Stücke zersprang, war für Mutter einmal mehr das Zeichen, dass ihr verträumter Sohn fürs Lebenspraktische offenbar nicht so recht taugte. Und Uwe empfand diese zusätzliche Demütigung vom Schicksal besonders schoflig.

Lassen sich die menschlichen Geschicke überhaupt zwingen? Uwe bezweifelte das immer heftiger. Warum musste einen eine völlig unbekannte Frau so ganz und gar aus dem Gleichgewicht bringen? Und wenn, dann wäre es doch - schicksalsmäßig gesehen - nur recht und billig, wenn's bei der Frau auch irgendwie einschlägt. Wozu sonst die ganze Aufregung?

Das stand für Uwe inzwischen fest: Diese kleine Hübsche hatte, als sie unbeschwert die Straße lang ging, auch nicht ein bisschen zu ihm hochgeschaut. Offen war allerdings, auch das stand fest, ob sie ihn nicht vielleicht doch gesehen, es aber bewusst vermieden hatte, es ihm zu zeigen. Und überhaupt! Wieso bildete er sich ein, dass diese ihm völlig unbekannte junge Frau irgendein Auge für ihn haben könnte!? Schließlich war er ihr ja völlig unbekannt!

Einige Zeit später schien das Schicksal Uwe doch ein ganz klein wenig gewogen. Aber wirklich nur ein klein wenig. Und eigentlich machte es alles nur noch viel komplizierter. Mitten im Einkaufstrubel der Hauptstraße seiner Heimatstadt erblickte er nämlich plötzlich seine heimlich Angebetete. Doch nicht allein! Sie lief munter plaudernd mit einem jungen Mann, den er mit Entsetzen als seinen Freund Günter erkannte. Prompt schlug ihm das Herz gnadenlos bis in den Hals. Was nun?

Erst einmal heimlich hinterher! Das war das Mindeste. Und sich nicht entdecken lassen. Auch klar. Und während Uwe erst einmal möglichst geschickt wie ein Detektiv hinterherlief, überlegte er fieberhaft, wie er sich überhaupt verhalten sollte. Immerhin gab es zum Beispiel die Möglichkeit, die beiden Bummler einzuholen und Günter betont nebenbei zu begrüßen. Was vielleicht helfen könnte herauszubekommen, ob da gar eine enge Freundschaft im Gange war. Eine Freundschaft? Waren die beiden etwa fest zusammen?

Schon der Gedanke löste bei Uwe ein Gefühl aus, das er bisher nicht kannte, das ihn aber übermächtig ergriff. Eifersucht! So unmäßige Erregung konnte nur Eifersucht sein. Uwe begriff, dass er in solch unerhörter, unkontrollierbarer Aufgeregtheit unmöglich vor die beiden treten konnte. Er hätte sich auffällig so dämlich benommen, dass Günter wahrscheinlich gefragt hätte, ob ihm etwas fehle. Und die kleine Hübsche hätte wahrscheinlich sogar irgendetwas geahnt und still und vielleicht sogar boshaft in sich hinein geschmunzelt. Nein, solch eine Niederlage durfte er sich nicht zufügen.

Uwe entschied, die beiden zunächst einmal weiter zu verfolgen. Was nicht so einfach war. Einmal, ganz plötzlich, wäre beinahe alles schief gegangen. Günter drehte sich nämlich überraschend um und kam ihm entgegen. Offenbar hatte er etwas vergessen, war an einem Geschäft vorbeigelaufen, wo er eine Besorgung hatte machen wollen. Und die Kleine lief nicht etwa weiter, sondern machte mit ihm kehrt.

Zum Glück fand Uwe noch gerade hinter einer Litfaßsäule Deckung. Fast war er jetzt entschlossen, das Versteckspiel zu beenden und aufs Ganze zu gehen. Was sollte schon geschehen, wenn er, den Ahnungslosen spielend, auch in das Porzellangeschäft gehen würde, in dem die beiden eben verschwunden waren? Aber Uwe fand so schnell nicht den Mut. Noch bevor er sich zu dem Schritt durchgerungen hatte, tauchten die beiden wieder auf der Straße auf. Jetzt hakte sie sich auch noch bei ihm ein! Uwe ließ alle Hoffnung fahren. Diesen ersten Fall ernsthaften Interesses für eine Frau musste er wohl ad acta legen. Jedenfalls rein büromäßig gesehen. Ob sich Gefühle allerdings so einfach kommandieren ließen, musste er noch ausfinden

Schon redete er sich ein, dass im Grunde noch alles offen sei, so intim sie auch taten. Weswegen er die beiden weiter verfolgte. Es konnte kein Fehler sein herauszubekommen, wo die Schöne wohnt. Und seinem Freund Günter würde er nicht die leiseste Möglichkeit geben etwa anzunehmen, er, Uwe, interessiere sich für das Mädchen. Nicht, weil er dem Freund ungern in die Quere kommen wollte, sondern weil der nicht unbedingt wissen sollte, dass er, Uwe, sich ausgerechnet in dessen Freundin verliebt hatte. So trottete er denn hinter den beiden her und haderte mit sich und der Welt.

Zu Günter hatte Uwe Kontakt, weil ihre Väter Arbeitskollegen waren. Und weil ihre Eltern sich gelegentlich trafen, auch mal Silvester gemeinsam feierten, hatten eben auch die beiden Jungs Kontakt miteinander bekommen, der aber recht lose geblieben war. So wusste Uwe zwar, und das machte ihn neidisch, dass Günter sehr geschickt war im Verführen von Mädchen, aber er wusste nicht, wie weit solche Verführung zu gehen pflegte. Meist war das gewiss nur so etwas wie ein Flirt, eine Liebelei oder so. Das war nun schon gar nicht nach Uwes Geschmack. Herumtändeln - davon hielt er nichts. Mit einer Frau nur so spielen, das fand er verachtenswert. Wobei er mangels Erfahrung ganz und gar nicht wusste, wo das Tändeln aufhörte und wahre Liebe anfing.

Kurzum, er war im Vergleich zu Günter, der immerhin zwei Jahre älter war, ein unerfahrener kleiner Junge. Was ihn natürlich wurmte, weswegen er zu enge Freundschaft mied. Er, Uwe, wäre nur immer der doofe Zuschauer gewesen, der erleben musste, wie der andere herumknutscht. Einmal zu Silvester war ihm das passiert, und das reichte ihm. Er war einer Einladung Günters zu einer Party gefolgt, und im Ergebnis hatte er zusehen müssen, wie sein Freund mit einer Hübschen schöntat und noch vor Mitternacht davonzog. Er aber hatte, noch des Tanzens unkundig, nur in einer Ecke gehockt und Trübsal geblasen. Nun also schlich er hinter diesem Günter her und musste immer wieder mit ansehen, wie oft sich die Kleine vor Lachen ausschüttete. Günter schien sie glänzend zu unterhalten.

So oft Uwe nahe daran war, die Verfolgung sein zu lassen und auf die beiden knallhart zu pfeifen, so oft trieb ihn denn doch die Neugier weiter voran. Zumal es nicht irgendwohin ging, sondern zur Oberstadt, dorthin, wo Uwe und Günter wohnten. Wobei die heimliche Verfolgung immer schwieriger wurde. Zunächst, als sie noch durch den Park gingen, konnte er sich relativ gut verborgen halten. Meist standen irgendwie Büsche am Wege, hinter denen er in Deckung blieb. Dann aber war nur noch die nackte Straße, kein Baum, kaum mal ein Passant als Schutz. Also musste Uwe weit zurückbleiben, um nicht gesehen zu werden.

Als das Pärchen, traulich Händchen in Händchen, plötzlich in eine Seitenstraße einbog, schien alles verloren. Uwe rannte los – und konnte gerade noch sehen, wie Günter mit der Unbekannten in einer Haustür verschwand. Was er nicht sehen konnte: Beide waren nur auf die Treppenstufen getreten, die zur Tür hinaufführten, und schwätzten munter weiter. Als Uwe hastig und eigentlich kopflos bei der Tür ankam, weil er wenigstens sehen wollte, um welche Hausnummer es sich handelte, sah er beide plötzlich unmittelbar vor sich. Zum Glück waren sie so mit sich beschäftigt, dass sie ihn nicht wahrnahmen. Uwe war nämlich gerade in dem Moment aufgekreuzt, als sein Freund Günter das offenbar willige Fräulein in die Arme nahm und küsste.

Uwe war wie vom Blitz getroffen. Er raffte seine letzte Kraft zusammen und huschte mit weichen Knien vorbei. Er überlegte fieberhaft. Hatten sie ihn gesehen? Er wusste es nicht. Und da er nicht im Boden versinken konnte, tat er so, als sei er hier vorbeigegangen, weil er im naheliegenden Kolonialwaren-Geschäft einkaufen wollte. Zwar war ihm klar, dass Günter wusste, dass Uwe dort nicht einzuholen pflegte, aber das war jetzt gleichgültig. Schon erreichte er die rettende Ladentür und trat flugs ein.

Was wollte er hier? Einkaufen! Irgendetwas! Ah ja, ein Päckchen Zündhölzer aus Riesa musste ihn jetzt retten. Zwar wusste er nicht, wie er zu Hause erklären sollte, warum er sich ohne familiären Auftrag plötzlich für Streichhölzer engagierte, aber irgendwie musste nun einmal gehandelt werden. Gedacht, getan. Der Ladenbesitzer musterte den unbekannten jungen Kunden durch seine Nickelbrille zwar wie einen potentiellen Brandstifter, aber Zündhölzer aus Riesa hatte er selbstverständlich am Lager. Schneller als gedacht stand Uwe wieder auf der Straße.

Erleichterung! Freund Günter hatte sein Rendezvous offenbar beendet. Jedenfalls lief er just davon und erreichte, als Uwe das Geschäft verließ, gerade eine Ecke, um die er verschwand. In aller Ruhe konnte Uwe nun noch einmal zu bewusster Haustür gehen, um zu sondieren. Er fasste sich ein Herz und betrat sogar den Hausflur, um die Namen auf den Briefkästen zu lesen. Aber sie sagten ihm nichts. Meyer, Müller, Schulze. Das Übliche. Uwe war kaum klüger als zuvor. Niedergeschlagen verließ er das Haus.

Schon wollte er, einer plötzlichen Eingebung folgend, auf die andere Straßenseite wechseln, um die Fenster zu studieren. Möglicherweise war das ihn so beunruhigende Fräulein zum Fenster geeilt, um dem Liebsten nachzusehen. Und wenn er auf diese Weise wüsste, in welchem Stockwerk sie wohnt, ließ sich der Name besser ausfindig machen. Aber Uwe stoppte sofort. Keinesfalls durfte sie ihn jetzt sehen. Er trat sogar noch dichter ans Haus, um zu verhindern, dass sie ihn von oben sehen konnte, und gab auf für diesmal. Nach Hause! Immerhin wusste er jetzt genau, wo seine Angebetete wohnt. Der dicke Wermutstropfen allerdings: Die kleine Hübsche, die ihn so verzauberte, hatte einen Liebhaber! Und der war ausgerechnet sein Freund Günter.

Ziemlich trostlos schlich Uwe nach Hause und saß alsbald wieder einmal wortlos und in sich gekehrt am Abendbrottisch. Weshalb er sich von Mutter einen leisen Rüffel einhandelte. Die blöden Zündhölzer hatte er vorsorglich in seine Kammer geschmuggelt; er würde sie schon irgendwann irgendwie dem häuslichen Vorrat zuordnen. Mit wem aber sollte er über seinen schlimmen seelischen Kummer sprechen? Etwa mit den Eltern? Nie im Leben. Das alles ging nur ihn etwas an. Also schwieg er beim Abendessen beharrlich in sich hinein. Und sobald es schicklich schien, verkroch er sich in seine Kammer und ins Bett.

Dort klemmte er seinen Schwanz zwischen die Schenkel und begann routiniert sein wollüstiges Spiel. Wobei er versuchte, sich die Unbekannte nackt vorzustellen. Aber das misslang völlig, störte ihn eher in seinem Treiben.

In all der Aufregung, die ihn stets überfiel, sobald er die Angebetete mal kurz zu sehen bekam, hatte er noch nie wirklich Zeit und Gelegenheit gehabt, zum Beispiel genau herauszufinden, ob sie überhaupt einen ordentlichen Busen hatte. Was ihm seit seiner Studien an Tante Betty irgendwie das Wichtigste schien bei einer Frau, nämlich ein stattlicher Busen, war hier völlig offen. Aber in diesem ersten, ihm vom Schicksal verordneten wirklich brennenden Fall reichte schon die ganz normale Erscheinung des begehrten Objektes, um ihn völlig außer Rand und Band zu bringen, so dass er unfähig war, nüchtern und sachlich hinzugucken.

So lag er denn nicht nur allein im Bett, was trostlos genug war, er vermochte dem elenden Zustand nicht einmal mit seiner Phantasie abzuhelfen. Er war ganz und gar auf seine Körperlichkeit angewiesen. Immer ungestümer und drängender quetschte er seinen Penis zwischen den Schenkeln. Und obwohl der Schwengel völlig schlaff geblieben war, ergoss sich endlich erlösend ein warmer Strahl ins Taschentuch, das er vorsorglich bereit hielt. Jetzt war ihm leichter irgendwie.

Uwe hatte Liebeskummer. Dass es sich darum handelte, war ihm inzwischen sonnenklar. Als er nämlich eines Tages Gedichte Goethes las, weil in der Deutschstunde ein jeder Schüler ein Lieblings-Gedicht vom Weimarer Dichterfürsten nennen sollte, stieß er auf einen Vers, der ihn nicht wieder los ließ. Hieß es doch da: "Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, wie heimliche Liebe, von der niemand weiß." Genau! Das war sein Problem! Olle Goethe kannte sich aus. Wahrscheinlich sprach der aus eigener Erfahrung.




WOLLUST ACH - Uwe, der Pennäler

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