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3.Heimliche Liebe

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In Uwe, das war gewiss, brannte ein Feuer, und das hieß heimliche Liebe. Es musste unbedingt heimlich bleiben! Aber das fiel sehr, sehr schwer, weil er sein Geheimnis wie eine schwere Bürde mit sich herumschleppte, die sich überhaupt nicht ablegen ließ und ihn so drückte, dass zumindest Mutter spürte, wie er litt. Er war ihr echt dankbar, dass sie ihn in Ruhe ließ. Er kam im Moment einfach nicht mit sich ins Reine. Uwe hatte sich nämlich zwar vorgenommen, diese Hübsche, die einen anderen hatte und sogar in aller Öffentlichkeit küsste, einfach aus seinem Leben zu tilgen, aber das klappte nicht.

Das klappte ganz und gar nicht. In der Schule im Unterricht beispielsweise spazierten seine Gedanken ungewollt immer wieder zu der Unbekannten, meist verbunden mit dem erfolglosen Versuch, sich ihr Gesicht vorzustellen. Und zu Hause am Mittagstisch konnte es passieren, dass er sinnierte, wie herrlich das wohl wäre, wenn die Kleine als seine ausgewiesene Freundin mit am Tisch sitzen würde. Am aufregendsten, aber leider auch am deprimierendsten waren seine Gedankenspiele abends im Bett. So heftig er sich auch vornahm, nicht an die Schöne zu denken, es half nichts. Immer wieder versuchte er sich vorzustellen, was wohl los wäre, wenn sie zärtlich zu ihm unter die Decke gekrochen käme.

Geradezu demütigend dabei war, dass er nach wie vor nicht genau wusste, was außer Küssen noch stattfinden könnte. Das heißt, er vermutete zwar, dass sein Ding eine besondere Rolle zu spielen haben würde, nämlich möglicherweise hineingesteckt zu werden in ein so fleischlich aufgewölbtes Loch wie bei dieser Henne damals, aber er wusste nicht, wie er das mit seinem schlaffen kleinen Pimmel würde bewerkstelligen können. All seine Erfahrung besagte, dass der Kerl niemals auf Kommando steif und fest wurde. Irgendein Geheimnis musste da sein, das er noch nicht kannte. Was war er doch für ein kläglicher Anfänger! Was Anfänger?! Nicht einmal das! Er hatte bislang überhaupt nicht angefangen! Sich nur in blöder, unsinniger Sehnsucht verzehrt, und das nach einem völlig unbekannten, offenbar mit Küssen recht freigebigen Frauenzimmer.

Als Uwe wieder einmal mit sich haderte, schmiedete er aus lauter Verzweiflung den Plan, sich einfach so lange vor die in Frage kommende Haustür zu stellen und dort zu warten, bis die angebetete Unbekannte herauskam, und dann einfach keck neben ihr herzulaufen und auf sie einzureden. Irre Idee das, gewiss, nicht unbedingt tauglich. Aber doch wenigstens eine Idee. Schließlich wäre es wahrscheinlich ehrenhafter, sich einen Korb zu holen, statt gar nichts zu tun. Aber Uwe fehlte jede Erfahrung, und ein wenig davon, glaubte er, müsste er schon haben für solch gewagtes Unternehmen. Also ließ er den verwegenen Plan fallen.

Unverhofft kam ihm das Schicksal zu Hilfe. Wenigstens was den Namen der Hübschen betraf. Während einer seiner unruhigen Bummel-Touren durch die Hauptgeschäftsstraße seiner Heimatstadt entdeckte er die Angebetete, wie sie allein und offenbar gelangweilt von Schaufenster zu Schaufenster schlenderte, obwohl so wahnsinnig Interessantes nicht zu schauen war. Sofort schlug ihm das Herz bis in den Hals.

Angestrengt überlegte er. Jetzt war die Gelegenheit! Günter, sein Freund und Konkurrent, nicht in der Nähe. Er, Uwe, musste ja nicht wissen, dass Günter mit dem Fräulein liiert war. Aber würde er den Freund ausstechen können? Schließlich war der zwei Jahre älter und ohne Zweifel bereits erfahren im Umgang mit Frauen. Wahrscheinlich würde er, Uwe, sich so ungeschickt anstellen, dass ohnehin alles vergebens war. Aber dann hätte er es wenigstens mal versucht. Und im Trubel dieser Geschäftsstraße würde außer ihm und der Angesprochenen niemand merken, dass sich da eben ein junger verliebter Dussel einen Korb eingehandelt hatte.

Uwe überlegte einen Moment zu lange, und schon kam alles anders als gedacht und erhofft. Fast war er schon neben seiner Angebeteten gewesen, nur wenige Schritte hinter ihr, als sie plötzlich von der gegenüberliegenden Straßenseite gerufen wurde.

"Anneliese!" rief ein ihm unbekanntes Mädchen fröhlich ungeniert, wedelte mit den Armen und eilte auch schon über die Straße.

Aha! "Anneliese!" konstatierte Uwe. Die Gerufene blieb abrupt stehen, er konnte gerade noch ausweichen. Beinahe wäre er mit ihr zusammengestoßen. Schon ärgerte er sich mächtig, dass er diese Gelegenheit nicht genutzt hatte. Günstiger hätte sich ein erster Kontakt nicht ergeben können, sozusagen emotionsgeladen durch einen Aufprall. Schließlich war nicht er, sondern sie plötzlich stehen geblieben. Wie hätte er das wissen sollen? Aber anstatt sich tief bei ihr einzuprägen, indem er kräftig, aber „ungewollt“ auf sie aufbrummte, war er elegant vorbeigehuscht, wahrscheinlich sogar so unauffällig, dass sie das gar nicht mitgekriegt hatte.

Missmutig lief Uwe weiter und blickte verstohlen zum Objekt seiner Begierde zurück. Anneliese, so hieß sie also, setzte inzwischen ihren Bummel mit der Freundin fort. Sie jetzt noch anzusprechen, wenn sie nicht mehr allein war, schien ihm völlig aussichtslos. Er würde sich wahrscheinlich nur lächerlich machen. Ja, wenn er so eine Art Casanova wäre, so ein Draufgänger, der hätte jetzt gewiss den richtigen Einfall und auch den Mut, einfach auf das Mädchen zuzugehen und sie mit irgendeinem Kompliment so zu verblüffen, dass sie nett reagieren müsste. Nein, leider, ein Casanova war er nicht, dazu fehlte aller Mut. Immerhin, kleiner Trost: Er kannte jetzt ihren Vornamen.

Und schon trieb ihn mächtige Neugier aus Stadtmitte hinaus in die Oberstadt in die Straße und zu der Haustür, wo im Flur an den Briefkästen Namen prangten. Er musste unbedingt vor der nun nicht mehr so ganz und gar Fremden dort sein. Erregt und ziemlich abgehetzt betrat er den Flur. Aber noch kam er nicht dazu, in aller Ruhe die Namen zu studieren. Ein aufdringlicher Hausbewohner, der just die Treppe herunterkam, erkundigte sich hilfreich, aber im Grunde misstrauisch nach seinem Begehr.

"Danke, danke", sagte Uwe und ergriff erst einmal die Flucht. Ungeduldig lief er die Straße auf und ab, immer in Sorge, diese Anneliese könnte inzwischen auftauchen. Obwohl, jetzt, da er ihren Namen kannte, könnte er, wenn sie allein käme, vielleicht mit ein bisschen mehr Aussicht auf Erfolg den Kontakt suchen. Doch sie kam nicht.

Also ging Uwe wieder ins Haus. Diesmal störte ihn niemand. Tatsächlich, er hatte schon fast alle Namen gelesen, dann sah er: An einem Briefkasten stand schlicht "Anneliese", und zwar klein und unscheinbar auf einem Zettel unter dem Schild "August Krause". Das konnte eigentlich nur heißen, dass diese Anneliese noch bei ihren Eltern wohnte und sich offenbar durchgesetzt hatte, auf ihren Namen eigene Post zu empfangen.

Prompt gebar Uwe eine neue Idee, die sofort so mächtig wurde, dass er sogleich an ihre Ausführung ging. Er eilte nach Hause in seine Kammer, wo er auf ein weißes Blatt Papier in Druckbuchstaben schrieb: "Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, wie heimliche Liebe, von der niemand weiß." Und schon hatte er auch noch "Uwe" darunter gesetzt. Aber diese Leidenschaft hielt er nicht durch. Denn überhaupt: Was war das für eine "heimliche Liebe", die sich zu erkennen gab? Sozusagen eine "unheimliche" Liebe! Nein, das ging nicht. Also nahm er ein neues Blatt und setzte nur den Vers hin. Dann stopfte er seinen geliehenen poetischen Aufschrei in ein Kuvert, verschloss das Ding, schrieb "Anneliese Krause" darauf und eilte auch schon wieder los.

In bewusster Straße angekommen, schaute er erst noch einmal nach allen Seiten, ob die Angebetete etwa zufällig daherkam, und ging dann möglichst unauffällig als ein normaler Straßenpassant zur Haustür und zum Briefkasten. Als der Brief endlich in den leeren Blechkasten plumpste, schien es ihm, als sei sein Herz mit hineingefallen. Plötzlich war ihm klar, dass er soeben eine durch und durch hirnrissige Aktion abgezogen hatte. Aber ihm war merkwürdig leichter. Offenbar war das, was er soeben unsinnig angestellt hatte, das Äußerste, was er im Werben um eine Frau zurzeit zustande brachte. Rasch trat er den Heimweg an.



WOLLUST ACH - Uwe, der Pennäler

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