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Kapitel 2

Mitten in der Nacht wacht sie auf. Ein greller Schmerz durchfährt die linke Seite ihres Kopfes. Sie presst die Hand an die pochende Schläfe, stöhnt auf. Blitze zucken vor ihren Augen. Ihr Mund fühlt sich trocken an, wie nach einem tagelangen Marsch durch die Wüste. Kathrin drückt auf den Schalter der Nachttischlampe und schwingt die Beine aus dem Bett. Dabei stößt sie mit dem Fuß auf die am Boden liegende Rotweinflasche, die schwungvoll über die Dielen rollt. Verdammt. Sie hatte sich geschworen, nur noch in Gesellschaft zu trinken und dann höchstens zwei Gläser. Sie weiß doch, dass Rotwein Migräne bei ihr auslöst. Mit zwanzig war das in Ordnung gewesen, mehr zu trinken. Aber jetzt konnte sie den Kater nicht mehr so leicht abschütteln. Jetzt muss sie für ihre Unvernunft büßen. Ihre Handtasche mit den Tabletten liegt auf dem Stuhl. Sie erhebt sich schwankend, ihr wird schwindlig und sie hält sich am Bettpfosten fest. Jede Bewegung kostet Mühe und steigert das Pochen in ihren Schläfen. Sie wühlt in ihrer Handtasche, findet die Packung. Dann greift sie nach der Mineralwasserflasche auf der Kommode und spült drei Tabletten hinunter.

Aus ihren Erfahrungen mit Migräneanfällen weiß sie, dass sie das Tageslicht unerträglich blenden wird. Als sie sich aus dem Fenster lehnt, um die Fensterläden zu schließen, nimmt sie eine Bewegung in der Hecke am Zaun wahr. Sie meint ein Rascheln zu hören, sieht genauer hin. Aber nichts bewegt sich, sie muss sich getäuscht haben.

Das Dröhnen in ihrem Kopf verstärkt sich. Wenn der Schmerz doch endlich aufhören würde! Sie will ihn wegschlafen und rollt sich auf ihr Bett.

»Schläfst du noch?«

Kathrin schlägt die Augen auf, Frank beugt sich über sie.

»Die Leute von der Reinigungsfirma können jeden Moment kommen.«

Sie hält sich die Ohren zu. »Schrei bitte nicht so, ich hab Migräne.« Kathrin ist froh, dass sie noch in der Nacht daran gedacht hat, die Rotweinflasche zu verstecken. Frank würde sonst einen längeren Vortrag über ihre Unbelehrbarkeit, ihre Unvernunft halten. Nachdem sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben, sieht sie seinen prüfenden Blick.

»Kannst du dich um die Leute kümmern? Mir ist so schlecht. Ich bleib noch liegen. Und bitte bring mir Wasser.«

Frank verlässt geräuschlos den Raum, schließt behutsam die Tür hinter sich und sie schläft sofort ein.

Später weckt sie das Geräusch eines Rasenmähers auf. Sie klettert aus dem Bett, öffnet die Fensterläden und sieht einen Mann, der den Rasenmäher vor sich herschiebt. Der schaut plötzlich zu ihr hoch. Sein Blick bleibt an ihr haften. Er starrt sie so hasserfüllt an, dass sie vom Fenster zurückstolpert. Wer ist das? Hat sie ihn schon mal gesehen? Und vor allem: Was hat sie ihm getan?

Sie zieht sich in ihr Bett zurück und zittert am ganzen Körper. Ach was, beruhigt sie sich. Ich reagiere überempfindlich wegen der Migräne. Das ungute Gefühl will aber nicht von ihr weichen. Sie wird so lange im Bett bleiben, bis die Reinigungskräfte gegangen sind.

Da klopft es. Frank bringt ihr eine Schale mit Gemüsesuppe und Tee.

»Geht’ s besser?« fragt er. Seine Stimme klingt besorgt. »Du solltest aufstehen und an die frische Luft gehen.«

Er setzt sich auf den Bettrand und reicht ihr die noch dampfende Schale. »Etwas essen solltest du auch. Das wird dich wieder auf die Beine bringen.«

Kathrin nickt und löffelt lustlos in der Suppe herum.

»Die Reinigungsleute sind gerade gegangen. Ein Mann und vier polnische Frauen. Der Mann hat im Garten gearbeitet und die Frauen haben ziemlich flott die Räume im Erdgeschoss gereinigt. Allerdings konnten sie nicht das ganze Haus an einem Tag schaffen. Sag ihnen Bescheid, wann sie wiederkommen sollen.«

Er legt ihr eine Visitenkarte auf die Bettdecke, die sie im Moment nicht sonderlich interessiert. Frank hält kurz inne, bevor er weiterredet.

Er hebt einen grauen verschnürten Karton vom Boden auf.

»Ach übrigens, das hing vorne am Portal und ist an dich adressiert. Ich mach mal einen Kaffee und warte auf dich im Garten.«

Frank erhebt sich von der Bettkante und verlässt den Raum, indem er leise die Tür hinter sich schließt.

Kathrin betrachtet die steile Druckschrift auf dem Karton mit ihrem Namen. Keine Schriftzüge, die ihr bekannt vorkommen.

Sie steigt aus dem Bett, holt die Nagelschere aus dem Etui und zerschneidet die Schnur. Als sie den Karton öffnet, gleitet ein Gegenstand heraus. Kathrin schreit laut auf. Ein blutiges Beil landet, begleitet von einem dumpfen Geräusch, auf dem Boden.

Still ruht der See

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