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IX.

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Hans war seit ein paar Wochen in das Giebelzimmer des Markerschen Hauses eingezogen. Von früh um vier Uhr ab war er zu Fuß oder zu Pferd unterwegs, um die verschiedenen Arbeiten kennen zu lernen. Die viele Bewegung in der frischen Luft behagte ihm, aber es wurde ihm schwer, sein Gedanken und seine Aufmerksamkeit längere Zeit auf eine Sache wie die Arbeit eines Heuwenders oder das Behacken von Rübenfurchen zu konzentrieren. Auf den Waldwiesen, war die Heuernte in vollem Gange. Hans stand am Waldrande und unwillkürlich schweiften seine Gedanken über die Wiesen hinweg fernen Tagen zu, wo er seine Waldgänge im Waroziner Revier gemacht hatte. Hoch über der Wiese schwebte ein Weih, nach Raub ausspähend. Hans sah ihm nach. Jetzt wäre er in Schutzhöhe gewesen, nun hob er sich wieder höher.

„Was ist denn das hier für eine Lodderwirtschaft!“ schrie Herrn Markers Stimme ärgerlich in Hansens Träumerei hinein.

Er hielt auf seinem Braunen mitten auf der Wiese, wo die Leute in einem Knäuel zusammengedränt standen. Hans ging eilig dort hin.

„Herr von Walsberg“, schrie ihn Marker an, „wo stecken Sie denn, wie können Sie dulden, dass die Leute hier faulenzen und Reden über den kaputten Heuwender halten, von dem sie doch nichts verstehen. Er muss sofort in die Schmiede, die Mädel gehen hinüber auf die Marienwiese und helfen beim Aufladen, der andere Heuwender muss hier die Arbeit allen fertig machen. Wozu Sie aber hier stehen, wenn Sie solche einfache Dispositionen nicht selbst treffen können, das weiß ich nicht.“

Hans schwieg, aber er wandte sich kurz um und ging nach Hause. Er war empört darüber, dass Herr Marker ihn vor den Leuten schalt wie einen Schulbuben, es widerstrebte ihm, sich mit ihm in eine Auseinandersetzung einzulassen; aber er ging geradeswegs zum Generaldirektor, um sich zu beschweren. Er war doch immerhin Offizier gewesen und durfte sich eine derartige Behandlung nicht gefallen lassen.

Der Generaldirektor empfing ihn in seinem Arbeitszimmer und hörte seinen Bericht an. Dann fragte er: „Ja, mein lieber Walsberg, was machten Sie denn eigentlich auf der Wiese?“

„Ich beaufsichtigte die Leute“, antwortete Hans, und in demselben Augenblicke fühlte er, was ihm in seinem Ärger ganz entgangen war, dass seine Beaufsichtigung schlecht und der Tadel Markers nicht ganz unverdient war.

„Ich war ja allerdings nicht sehr aufmerksam gewesen“, fügte er etwas beschämt hinzu, „aber was sollen denn die Leute denken, wenn Herr Marker mich so anfährt?“

„Hm – nun, wissen Sie, was die Leute denken sollen, das liegt in Ihrer Hand. Jetzt denken sie wahrscheinlich: der junge Herr hat geträumt, anstatt aufzupassen – und wenn Sie ihnen bei nächster Gelegenheit beweisen, dass Sie auf dem Flecke sind, da werden sie denken: der junge Herr ist doch ein tüchtiger Kerl. Seh’n Sie mal, wenn ich dem Marker Vorwürfe darüber mache, dass er Sie angefahren hat, so wird er Ihnen das nachtragen. Das wäre für keinen Teil ersprießlich. Also halte Sie ihm seine Ungeduld zugute – wie ich ihn kenne, tut’s ihm selbst leid – und ein anderes Mal – ja – da passen Sie eben besser auf!“

Hans stand unschlüssig da, und der Generaldirektor fuhr fort:

„Man muss sich und anderen das Leben nicht unnötig schwer machen, lieber Walsberg, damit vertreibt man die Freudigkeit – und die ist gerade unsere beste Hilfe bei jeder Arbeit.“

Die blauen Augen des Generaldirektors sahen Hans ernstfreundlich an, als blickten sie ihm bis auf den Grund der Seele. Er reichte ihm die Hand und sagte:

„Na denken Sie mal drüber nach, Sie werden mir Recht geben!“

Und über Hansens Lippen kam es unwillkürlich:

„Ich danke Ihnen, Herr Generaldirektor.“

Dennoch wurde es Hans nicht ganz leicht, Herrn Marker gleich darauf freundlich zu begegnen, und diese schien auch nicht dergleichen zu erwarten, denn sobald er Hans zu sehen bekam, sagte er: „Wegzulaufen hätten Sie auch nicht gleich nötig gehabt!“ Aber dabei blieb es, denn er hatte wohl selbst das Bewusstsein, etwas grob gewesen zu sein.

So oft Hans sich aber auch in der Folge des Generaldirektors Wort von der „Freudigkeit“ zurückzurufen suchte, sie wollte sich bei ihm nur sehr selten einstellen. Die Sache ging noch im Sommer, wo die Erntearbeiten Mannigfaltigkeit in den Wirtschaftsbetrieb brachten und die sommerliche blühende Natur auf Hans freundlich einwirkte. Als aber der Herbst kam mit den endlosen Ackerungsarbeiten, als gar der Winter einsetzte mit kurzen grauen Tagen, da wollte die Freudigkeit sich gar nicht mehr einstellen.

Dagegen geschah es immer öfter, dass Hans sich der Gespräche mit den Mielosenskis erinnerte.

„Den jungen Herren in Paris und Warschau genügt es, ein Mensch zu sein und sich ihres Lebens zu freuen“, dachte Hans. „Warum quält unsereins sich nun, anstatt es jenen gleich zu tun? Was habe ich denn von meinem Leben hier? Ja, was kenne ich denn überhaupt vom Leben?“ Und seine Phantasie begann zu arbeiten und ihm Bilder vorzumalen von einem Leben, wie es sein könnte, wenn er zufällig als Franzose oder Pole zur Welt gekommen und sich dem Gesetze des „etwas tun und etwas sein Müssen“ nicht unterworfen hätte. Dazu kam, dass Herrn Markers mürrische Art mit dem schlechten Wetter zuzunehmen schien, während frau Marker „ihre jungen Herren“ zu abendlichen Unterhaltungen eizuladen begann. Gewöhnlich kamen dabei die Eleven der verschiedenen Domänen zusammen und die „Unterhaltung“ lief auf eine Skatpartie hinaus, bei der unmenschlich viel Bier und ab und zu minderwertiger Wein getrunken wurde. Hans fühlte sich dabei sehr unbehaglich, denn die jungen Herren legten ihm seine stille Art als „Hochmut“ aus und meinten, man müsse dem „Leutnant“ und „Baron“ zeigen, dass er hier nur „ihres gleichen“ sei.

Eines Tages begegnete er dem Generaldirektor auf dem Hofe; der kam auf ihn zu, reichte ihm die Hand und sagte, ihm in die Augen sehend:

„Na, was machen wir denn?“

Hans zuckt die Achseln.

„Ich fürchte – nicht viel Gescheites Herr Generaldirektor. Ehrlich gesagt – ich weiß nicht recht, ob ich zum Landwirt tauge.“

„Erlauben Sie mal, das wollt ja ich Ihnen nach einem halben Jahre sagen, ob Sie dazu passen, lieber Walsberg, aber ich hab‘ mich nicht viel um Sie kümmern können, weiß nur, dass Sie Ihren Weg gehen und Ihre Pflicht tun. Und da möchte ich Ihnen sagen: ein tüchtiger Kerl stellt überall seinen Mann, ob als Landwirt oder sonst wo. Aber man muss auch dabei sein, bei seinem Beruf, auch mit seinen Gedanken. Und die Ihren reisen, glaub ich, manchmal ins Traumland.“

„Mein Gott, Herr Generaldirektor, man erlebt doch aber auch gar nichts hier!“

„Hm – ja richtig, Sie sind ja noch so schrecklich jung!“ Er sah ihn freundlich, aber ein wenig mitleidig an.

„Na, warten Sie mal, ich nehme Sie nächstens irgendwohin mit, wo’s was zu sehen oder zu erleben gibt.“

Hans verneigte sich dankend. „Sehr gütig, Herr Generaldirektor.“ Herr Blei nickte ihm zu.

„Ich denke schon daran!“ rief er ihm im Weiterschreiten zu.

An dem Tage fühlte Hans sich froher, nicht des Versprechens wegen, sondern weil er das Wohlwollen seines Chefs durch dessen Worte hindurch fühlte und ihm das das Herz wärmte. Aber dann kamen doch wieder graue Tage.

Frau Markers gesellschaftlicher Ehrgeiz war durch die Skatpartien nicht befriedigt. Sie lud Hans und einige Auserwählte zu einem musikalischen Nachmittag ein.

„Ich muss leider einen Nachmittag anstatt eines Abend nehmen“, sagte sie zu Hans, „weil Adelka Blei um 9 Uhr schlafen geht – denke sie nur, das große Mädchen, das nächsten 16 Jahre alt wird! Und Bleis halten sie immer noch wie ein Kind!“

„Ach, sagte Hans verwundert, „ist sie schon 16 Jahre alt?“ Er hatte Adelka auch für ein Kind gehalten, und als er sie an dem betreffenden Nachmittage in ihrem weißen Wollkleide mit dem dicken blonden Zopf im Nacken ins Zimmer treten sah, betrachtete er sie zum ersten Mal aufmerksamer. Nein, ein Kind war sie freilich nicht mehr, aber ihre Kinderaugen und ihr Lachen ließen sie jünger erscheinen als die Markerschen Töchter, die schon anfingen, die jungen Damen zu markieren. Diese produzierten sich zuerst mit Gesang und Klavierspiel, und Hans dacht, dass die Skatabende immer noch angenehmer gewesen seien als diese Art der Unterhaltung. Dann gab es ein Zischeln und Köpfe zusammenstecken unter den jungen Mädchen, und endlich stand Adelka mit der Geige im Arme neben dem Pianino, vor dem die älteste Markertochter mit Grandezza Platz nahm.

Hans, der, ohne selbst musikalisch zu sein, ein feines Gefühl für Musik hatte und falsche Töne schaudernd empfand, blickt resigniert nach dem Podium hin. Adelka legte die Geige ans Kinn – und ein feiner, reiner Ton klang zu ihm hin, die Geige sang eine einfache süße Melodie. Und das Kindergesicht, das sich darüber neigte, veränderte sich, ein verklärter Ernst lag darauf, keine Spur mehr von verlegenem Lächeln und kinderhaften Unruhe, die junge Seele der Spielenden schien auf den Flügeln der Musik dem engen, von Menschen erfüllten Zimmer entrückt. „Auch so eine Bleische Wunderlichkeit, ein Mädchen Geige spielen zu lassen, so unschön!“ flüsterte Frau Marker Hans zu.

Er erwiderte nichts, er war ganz Ohr, und als Adelka geendet hatte, ging er auf sie zu und sagte herzlich:

„Das war schön, gnädiges Fräulein, ich danke Ihnen!“ Sie sah ihm voll ins Gesicht.

„Ja, die Musik ist schön“, sagte sie, „ich habe manchmal gedacht, dass ich Ihnen vorspielen möchte, wenn sie so traurig waren.“ In der Erregung durch das Spiel ging zum ersten Mal aus sich heraus ihm gegenüber.

Er sah sie erstaunt an.

„Woher wussten Sie denn, dass ich oft traurig bin?“ Da wurde sie wieder befangen.

„Ich dachte es nur so“, stieß sie in ihrer gewohnten halb trotzige Art hervor. Die Markers drängten heran. Die Unterhaltung wurde allgemein.

Da wurde die Tür des Zimmers ziemlich unsanft geöffnet.

„So, es ist ja gerade Zeit für Musik und solchen Klimbim“, rief Marker, seinen verbogenen Jagdhut auf den Tisch werfend, „in der Piekarhütte ist der Streik ausgebrochen.“

Frau Marker schlug die Augen gen Himmel, die jungen Herren drängten sich um Marker, um näheres zu erfahren, und die jungen Mädchen standen verschüchtert in einer Ecke.

„Es hat schon lange gegärt unter den Arbeitern“, sagte Marker, „ich habe es dem Generaldirektor vor vierzehn Tagen gesagt, aber er meinte, bei uns wären die Leute zu gut gestellt. Nun haben wir die Bescherung, das Maschinenhaus haben sie gestürmt, einen Aufseher gemisshandelt – die Berichte lauten ganz schrecklich.“

Die Klingel des Telefons rief Herrn Marker in sein Arbeitszimmer. Gleich darauf erschien er wieder.

„Der Generaldirektor wünscht Sie zu sprechen, Herr von Walsberg“, sagte er.

Hans verabschiedete sich eilig und ging zu seinem Chef. Er wurde sofort zu ihm geführt.

„wollen sie mit mir nach Piekarhütte?“ fragte der Generaldirektor, als Hans eintrat.

„Selbstverständlich, wenn Sie gestatten.“

„Machen Sie sich fertig, in zehn Minuten fahre ich.“

Als Hans das Zimmer verließ, kam Adelka atemlos den Gang heraufgelaufen.

„Papa fährt hin?“ fragte sie.

„Ja, und ich soll ihn begleiten“, erwiderte Hans mit dem gehobenen Gefühl, dass ihm eine große Auszeichnung widerfuhr.

Adelka schossen die Tränen aus den Augen, sie lief an ihm vorbei ins Zimmer ihres Vaters.

Als Hans reisefertig in das Direktorhaus zurückkehrte, traf er Adelka wieder, die in der Nähe der Haustür gewartet zu haben schien. Sie sah verweint aus, und als sie Hans erblickte, lief sie auf ihn zu und drückte ihm einen harten Gegenstand in die Hand, in dem Hans erstaunt einen Revolver erkannte.

„Nehmen Sie, Sie müssen das nehmen“, flüsterte sie, „geladen ist er auch schon, und hier sind noch Patronen.“

„Aber Fräulein Adelka, Ihr Herr Vater hat mit nicht gesagt, dass – –“

„Ach Papa, der nimmt nichts mit, das ist’s ja eben, aber vor dem haben die Leute Respekt. Die aber kenne sie nicht, Sie müssen eine Waffe haben, ich ängstige mich tot um Sie, Sie – ach Sie –“ Sie brach in Tränen aus, und ebenso schnell, wie sie in seinen Weg getreten war, lief sie nun davon. Hans hielt den Revolver in einer Hand, in der anderen die Patronen. Von der Rampe her klag das Rollen des vorfahrenden Wagens. Hans fand sich selbst lächerlich, aber – er steckt die Waffe ein mit der Empfindung, wie er etwa eine Tose eingesteckt haben würde, die Adelka ihm unvermuteter Weise gegeben hätte. Und wie eine süße Musik klang es ihm in den Ohren:

„Ich ängstige mich tot um Sie.“

Sie war doch kein Kind mehr!

„Los!“ sagte der Generaldirektor, als Hans neben ihm saß. Der Wagen rollte davon.

„Was haben sie denn da in der Seitentasche?“ fragte der Generaldirektor, Han musternd.

Hans zog die Waffe hervor.

„Nur für alle Fälle“, sagte er – er wollte Adelka nicht verraten.

„Verstecken Sie das Ding besser“, rief der Generaldirektor, „es würde nur böses Blut machen, wenn man ’s sähe, und unnütz ist’s außerdem. Zum Schutze habe ich Sie mir nicht mitgenommen, sehen Sie.“

„Ich bin jedenfalls sehr glücklich, mitfahren zu dürfen“, sagte Hans. Der Generaldirektor nickte.

„Ja, es steckt bei Ihnen noch irgendwas im Blute, was heraus will. Sie träumen zu viel, weil Sie noch zu wenig erlebt haben. Und deshalb nehme ich Sie heute mit. Erstens wollt ich unterwegs mit Ihnen sprechen, und dann ist es gerade für Sie gut, wenn Sie mal so einen vollen Blick ins Leben tun.“

„Ich glaube, daran würden in diesem Augenblicke wenige an Ihrer Stelle denken, Herr Generaldirektor.“

„Ach, der Streik sollte alle meine Gedanken in Anspruch nehmen. Sie meinen, ich sollte mich über die Undankbarkeit der Leute als Zeichen der Zeit ereifern – aber das liegt mir nicht. Es ging den Leuten in Piekarhütte gut. Der Streik ist unnatürlich und auf Verhetzung zurückzuführen. Ich denke, wir werden dort bald Ordnung schaffen, denn ich kenne die Leute persönlich zu gut, und sie kennen mich.“

„Aber der Schaden, der schon angerichtet wurde, soll doch sehr erheblich sein.“

„Erstens wird das immer durch mündliche Überlieferung übertrieben, und dann bei einem so großen Betriebe wie der unsere muss man auf ein paar Störungen auch immer gefasst sein. Das gleicht sich später wieder aus. Aber, um noch einmal auf Sie selbst zurückzukommen – wissen Sie, wenn Sie mein Sohn oder Mündel wären, ich glaube, ich schickt Sie erst einmal auf Reisen, und nachher verlangte ich von Ihnen eine ernste Arbeit.“

„Ich bewundere Ihren Scharfblick, Herr Generaldirektor, gerade in letzter Zeit ist meine Sehnsucht, einmal herauszukommen und von Leben und Menschen etwas zu sehen, sehr groß gewesen. Ich habe an Herrn von Wolffen deswegen geschrieben, er will aber nichts vom Reisen wissen. Erst sollte ich etwas leisten –“

Her Blei nickte lächelnd vor sich hin.

„Na, wollen mal sehen, wollen mal sehen“, sagte er halblaut. „Wenn sich nichts anderes bietet, hören sie landwirtschaftliche Kollegs im Winter, es ist immer eine Abwechslung, und ein bisschen theoretisches Wissen ist nützlich für die Praxis.“

Hans wurde warm ums Herz.

Die gütigen Worte des Vaters und das Bild der Tochter vermischten sich in seiner Empfindung. Er drückt leise den Revolver an sich; es wäre ihm lieb gewesen, wenn er ihn zum Schutze des Generaldirektors hätte gebrauchen können.

Vor ihnen ragten die Schlote des Hüttenwerkes auf. Herr Blei runzelte die Stirn.

„Die sind in der Tat ohne Rauch, stehen kalt, aber dafür raucht’s dort vom Maschinenhause her – Schwefelbande!“

Der Kutscher wandte sich um und fragte, ob er nicht auf einem Umwege zum Direktionshause fahren solle.

„Nein“, entschied der Generaldirektor, „fahren Sie nur den gewohnten Weg geradeaus.“

„Aber dort ist es schwarz von Menschen.“

„Zu den Menschen will ich ja eben.“

Hans rückt sich unwillkürlich strammer. Wüstes Stimmgewirr scholl ihnen entgegen. Jetzt war der Wagen bemerkt worden, und um Augenblicke war er von einer johlenden Menge umringt.

Der Generaldirektor richtet sich halb auf.

„Leute!“ rief er mit seiner mächtigen Stimme, „macht mir nicht die Pferde scheu, ich bin doch zu Euch gekommen, um Euch zu hören und selbst zu sehen.“

Ein paar rohe Schimpfworte wurden geschrien, ein Stein flog am Kopfe des Kutschers vorbei.

„Was ist das für ein Halunke, der mit Steinen wirft, wenn ich meinen Leuten reden will?“ schrie der Generaldirektor, dem die Zornader auf der Stirn schwoll. „Ich denke, Ihr kennt mich alle und wisst, was Ihr an mir habt. Also, jetzt die Redner vor, ich will hören, worüber Ihr Euch beschwert!“

Einen Augenblick schienen die größten Schreier uneinig zu sein, dann wurden ein paar Männer vorgeschoben.

„Herr Generaldirektor“, begann der eine; aber Blei machte eine abwehrende Handbewegung.

„Euch kenne ich nicht, seid Ihr von der Piekarhütte?“

In der Menge fingen ein paar an zu lachen.

„Wir sind ja nicht von hier“, begann der eine, „aber –“

„Wie könnt Ihr denn hier für meine Arbeiter sprechen wollen, wenn Ihr nicht von hier seid?“ fuhr sie der Generaldirektor an, „wo ist der Felka und der Ogolsky und der Kerian?“

Wieder wurde gelacht, und dann traten aus der unruhig hin und her schiebenden Menge die gerufenen älteren Arbeiter hervor.

„Also, was gibt’s?“

Ein unklarer Schwall von Phrasen scholl ihm entgegen.

Der Direktor hob abwehren die Hand.

„Später sprechen wir auch davon, Leute, aber jetzt sagt mir erst einmal, all‘ Ihr Leute von der Piekarhütte: Welcher von Euch hat hier Not gelitten? Wer ist um Rat und Hilfe zu mir gekommen und ist nicht gehört worden? Wem ist mit meinem Wissen hier ein Unrecht geschehen? Seht Ihr, Ihr könnt mir auf die Fragen nicht antworten; also nun überlegt Euch erst einmal ordentlich, was Ihr wollt, und dann kommt zu mir ins Direktionshaus und sagt es mir. Aber nur unsere eigenen Leute will ich sehen, keine fremden Hetzer. Und ich denke, was unsere Leute hier auf dem Herzen haben, dafür finden sie Verständnis bei mir, aber klar und kurz müsst Ihr Eure Wünsche vortragen.“

Ein beifälliges Murmeln antwortete, ein paar Zischlaute und Pfiffe waren zwar darunter, aber die Menge macht doch Platz und ließ den Wagen passieren.

Im Direktionshause empfing der Leiter des Hüttenwerkes seinen Chef mit gutgemeinten Vorwürfen.

„Sie durften sich doch nicht so exponieren, wir haben hier Todesängste ausgestanden!“

„Ihr seid nicht gescheit“, erwiderte der Generaldirektor, „ sehe ich aus wie einer, der unter keinem Dache vorbeigehen kann, ohne dass ihm die morschen Ziegeln auf den Kopf fallen? Und nun machen Sie mal Ihre Haustür weit auf, lieber Direktor Wollhasse, dass ich die Arbeiterdeputation empfangen kann!“

Hans der Pole

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