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III.

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Als Hans den Hof erreichte, sah er seine Mutter mit dem Dorfschullehrer vor der Veranda stehen.

„Hanuschko!“ rief sie ihm zu, „komm‘ und höre einmal den Rektor an, ich möchte wissen, was Du dazu meinst“.

Der Rektor näherte sich Hans in einer Haltung, die einen Grad unterwürfiger war, als die, die er seiner Mutter gegenüber angenommen hatte.

Ich wollte sehr gebeten haben, ob die Herrschaften nicht möchten an dem „Elternabende“ teil nehmen, den wir morgen veranstalten, Herr Baron“.

Hans stieg vom Pferde und reichte dem „Rektor“ die Hand.

„Wir sind nicht in der Stimmung Festlichkeiten mitzumachen, Herr Rektor“.

„Ach Gott, Herr Baron, ein Vergnügen ist so ein „Elternabend“ ja für niemand, und uns wird’s auch schwer genug, denn wir verlieren zwei Nachmittage in der Schule mit den Vorbereitungen, und Geld kostet‘s auch noch – aber die Regierung verlangt’s doch einmal von uns Lehrern –“

„Es ist auch ganz hübsch, Hanuschko“, fiel Hansens Mutter ein. „Die Kinder sagen da Geschichte und führen ein Stück auf, und die Eltern sehen zu“.

„Ja, was hat denn aber die Regierung damit zu tun?“ fragte Hans, und der Rektor erklärte:

„Es ist ja wegen dem Deutschtum! Zur Pflege des Deutschtums müssen wir so was machen – und man kommt als Lehrer in einen schlechten Ruf, wenn man’s nicht tut. Ich halte ja gar nichts davon, denn die Kinder werden da bloß herausgeputzt und dressiert und Eitelkeit und Missgunst wird unter ihnen erregt, gerade so wie unter den Eltern, und acht Tage lang haben die Kinder und die jüngeren Lehrer auf nichts anderes die Gedanken als auf den Unsinn. Aber was soll ich machen? Ich will doch nicht in schlechten Ruf kommen. Und nun reden ja die Leute, dass Warozin soll an die Polnische Banka Ludovie (Polnische Volksbank)verkauft werden“.

„Wer redet davon?“ rief Hans dazwischen.

„Nehmen nicht übel, Herr Baron, aber im Kretscham ist schon seit acht Tagen die Rede davon –“

„Das ist gelogen, wir verkaufen nicht an die Banka Ludovie!“(Volksbank) schrie Grau von Walsberg entrüstet; „wenn wir überhaupt verkaufen, so ist’s an einen deutschen Herrn Landgerichtsrat.“

„Ich bitte nicht übel zu nehmen, aber ich dachte mir, dass vielleicht gerade die Frau Baronin möchte zu dem „Elternabend“ kommen als deutsche Edelfrau – “

Frau von Walsberg lachte.

„Nu, was werde ich denn nicht eine deutsche Frau sein“, sagte sie. „Lebe ich doch hier über der deutschen Grenze, bin ich doch natürlich eine Deutsche und Mutter von deutschem Offizier! Wer ist denn so dumm, dass er denkt, ich bin nicht eine Deutsche?“

„Ich denke, wir geben einen kleinen Beitrag Mutter“, mischte sich Hans darein, „und damit ist die Sache wohl abgemacht, Herr Rektor.“

„Ganz wie die Herrschaften befehlen – ich dachte mir, es wäre doch meine Pflicht – –“

„Schon gut, lieber Rektor“ – Hans zog sein Portemonnaie und reichte dem Rektor drei Mark.

„Da für Kuchen, für die Kinder – adieu, lieber Herr Rektor!“

Als Hans neben seiner Mutter die Veranda durchschritt, sagte diese:

„Eigentlich schade, Hanuschko, dass Du nicht hingehen willst, so was ist doch lustig und eine Abwechslung:“

„Es war eine Unverschämtheit von dem Rektor, darauf anzuspielen, dass Du Dich als Deutsche dokumentieren solltest“, erwiderte Hans erregt.

Sie lachte.

„Ach, die Leute sind ja dumm mit ihrer Wirtschaft jetzt, ob deutsch oder polnisch! Die Kinder müssen doch Deutsch lernen, sonst können sie ja hier nichts werden, und zu was ist denn die Grenze? Wenn eins hier lebt und hat sein Auskommen – da ist er deutsch! Und wenn einer in Polen bleibt, wie mein Bruder Stasch, und er hat dort sein gutes Auskommen, da ist er Pole! Ich weiß nicht, warum sie da erst so viel Gerede machen.“ Im Hausflur trat ihnen der alte Johann entgegen, ein Telegramm in der Hand haltend.

„Jesus Maria, gewiss von den Mielosenskis!“ rief Frau von Walsberg, die Depesche öffnend. Dann sch sie erstaunt ihren Sohn an.

„Denke Dir, der Stasch telegraphiert, dass er heute Abend kommt, und ich solle ihn von der Bahn holen lassen. Grade wie ich von ihm spreche, dass er sein gutes Auskommen hat, da telegraphiert er! Da ist gewiss etwas passiert!“ Hans schwieg. Er hatte diesen Onkel, der eine Oberinspektor-Stelle in Polen bekleidete, nur einmal flüchtig gesehen, erinnerte sich aber seiner mit einem Gefühle der Animosität, das er nicht begründen, oder auch nicht überwinden konnte. Frau von Walsberg eilte in die Wirtschaftsräume, um ihre Anordnungen für den Besuch ihres Bruders zu treffen. Hans hatte die dumpfe Empfindung, als bedecke der Himmel über ihm sich mit unheilschwerem Gewölk. Er durchschritt das Haus und trat hinaus in den etwas verwilderten Park, um den Der Maiabend seine Zauber spann. Unter alten Linden führte der Weg bis zu dem von dunklen Zypressen umstandenen Platze, auf dem inmitten des Parkschattens die Familiengräber lagen. Eine Bank stand dort zu Füßen des Grabes von Hansens Vater. Frau von Walsberg vermied den Platz, aber Hans suchte ihn auf, so oft er in Warozin war. Hans fühlte die Liebe seiner Mutter mit dankbarer Rührung – aber er fühlte auch von Jahr zu Jahr stärker, dass kein rechtes Verstehen, kein innerer Zusammenhang zwischen ihr und ihm war. Umso inniger wandten seine Gedanken sich dem früh verstorbenen Vater zu, und er suchte sich dein Bild klar und verständnisvoll zu vergegenwärtigen. Dabei war es eine Frage, die immer wieder quälend in ihm auftauchte. Wie war es gekommen, dass dieser Mann, aus dessen nachgelassenen Briefen ein hochgebildeter, wenn auch eigenwilliger und eigenartiger Geist sprach, wie war es zugegangen, dass er ein „Mädchen aus dem Volke“ heiratete? Hans wusste, dass seine Mutter nach Warozin gekommen war, um dort die Wirtschaft zu führen. Sein Vater war damals 45 Jahre alt gewesen, ein reifer Mann, der wahrscheinlich mancherlei erlebt, sicher viel nachgedacht und nach unruhigen Reisejahren ein Eisiedlerleben in Warozin geführt hatte. Hans blickt auf den Efeuumsponnenen Hügel hinab. Würde ihm jemals eine Antwort werden auf die Frage, die über sein Dasein entschieden hatte? Die stolze, schwerblütige Art des Vaters und der leichte stets im Augenblick wurzelnde Sinn der Mutter – er fühlte beides in sich nachklingen, und die Disharmonie beider Eigenarten spiegelte sich in seinem eigenen Empfinden. Sein bewusstes „Ich“ strebte dem Vater nach, aber daneben lebte etwas in ihm, das die Impulse der Mutter in seinem Blute vibrieren ließ. Eine Fledermaus huschte in lautlosem Fluge vorüber und berührte seine Stirn mit ihren Flügeln. Er schauerte zusammen. Es rauschte über ihm in den Lindenzweigen wie geheimnisvolle Stimmen. Hans warf sich auf den Efeu des Grabes.

„Vater – was soll denn werden – was soll denn werden?“

Und während er sich quälte um die dunkle Zukunft mit seinem unruhigen Herzen, ging in ewiger Schönheit die Mainacht mit leisen Schritten durch den Park und ließ Bäume und Blumen, Käfer und Vögel träumen von Leben und Blühen, von Werden und Freuen.

Hans der Pole

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