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Hochschullehre im Lichte der Bologna-Reform und neuerer Erkenntnisse aus der Lernforschung

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Hinter der Bologna-Reform steht die ehrgeizige Vision, Europa zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten und wissenschaftsbasiertesten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Um diesem Ziel näher zu kommen, wurde 1999 die Bologna-Deklaration für eine gesamteuropäische Studienreform unterzeichnet. Mittlerweile haben sich ungefähr 50 europäische Staaten dieser Reformbewegung angeschlossen. Eckpunkte der Bologna-Reform betreffen

►die Neustrukturierung der Studiengänge (bachelor/master/doctorate),

►die Transparenz, Vergleichbarkeit und Anrechenbarkeit von Studienleistungen europaweit (ECTS, workload, competencies),

►Qualitätssicherung der Hochschulbildung (EQF – European Qualification Framework/NQF – National Qualification Framework),

►Neuausrichtung der Hochschulen auf gegenwärtige und zukünftig zu erwartende Entwicklungen in einer globalisierten, wissensbasierten Wirtschaft (lifelong learning, employability, mobility).

In ihrem «Trends IV Bericht» zur Umsetzung der Bologna-Reform weisen Reichert & Tauch (2005) darauf hin, dass der Bologna-Prozess immer noch allzu häufig als reiner Harmonisierungprozess von Studienstrukturen gesehen wird. Das Bewusstsein für die Auswirkungen der Bologna-Reformprozesse auf die Hochschullehre und die damit verbundene «pädagogische Neuorientierung, die den Lernenden in den Mittelpunkt stellt», fehlt vielerorts noch (S.3). Diese Bedenken werden auch von Prof. R. Dubs der Universität St. Ga­l­len geteilt, der anlässlich einer Gastvorlesung vom 7.12.2005 im Rahmen der Hochschuldidaktik an der Universität Zürich auf die Gefahr hinwies, dass vor lauter ETCS-Punkten und Workload-Berechnungen die Qualität der Lehre in Vergessenheit zu geraten drohe.

Der Begriff «Didaktik» geht auf das griechische Wort didactos zurück, was soviel wie «lehrbar» heisst. Wie die Etymologie zeigt, sind darin schon alle Grundbedeutungen erkennbar, die eine heutige Didaktik ausmachen (Kron 2004, S.39):

►die Tätigkeit, zu lehren,

►die Auswahl der Inhalte, die gelernt werden sollen,

►die Lehrmittel, also Methoden und Medien,

►die Schule und die Klasse verstanden als räumliche und soziale Bedingungen,

►das Lernen.

Modern formuliert, könnte man auch verkürzt von Performing-Learning-Teaching sprechen (vgl. the tuning model, González & Wagenaar 2003, S.4). In einer zeitgemässen Hochschuldidaktik muss dabei in dieser Triade bei Performing begonnen und müssen erst am Schluss Fragen des Teaching behandelt werden. Damit ist Folgendes gemeint: Das formale Aneignen von Wissen, Können und Werthaltungen ist nicht Selbstzweck, sondern immer in Bezug auf Anforderungen zu sehen, welche die Gesellschaft an ihre Akademikerinnen und Akademiker stellt. Vereinfacht ausgedrückt, müssen Studierende befähigt werden, das Leben in einer modernen Gesellschaft zu bewältigen und am gesellschaftlichen Fortschritt mitzuwirken. Von diesen Leistungen (performing) her muss also abgeleitet werden, was und wie gelernt werden soll (learning) und erst in einem letzten Schritt wird überlegt, wie entsprechende Lehre gestaltet werden kann (teaching).

Die aktuellen Diskussionen zu den Erwartungen der Gesellschaft an Leistungen von Hochschulen sind geprägt durch Schlagworte wie Informationsflut, Globalisierung, Wettbewerb, Nachhaltigkeit, Wissensgesellschaft und lebenslanges Lernen, um nur einige zu nennen (vgl. Schuetze & Wolter 2003; Rychen & Salganik 2003). Einer der weltweit wohl am meisten diskutierten Berichte dazu ist der von der UNESCO publizierte Delors Report zur Bildung im 21. Jahrhundert: Learning, The Treasure within (1996). Obwohl die Begriffe «Globalisierung» und «Wissensgesellschaft» kontrovers debattiert und interpretiert werden, ist man sich einig, dass der Übergang von einer Industriegesellschaft zu einer im globalen Wettbewerb stehenden Wissensgesellschaft weitreichende Konsequenzen für das Bildungssystem hat. Dazu Webler (2004, S.17):

Die drastische Verkürzung der Halbwertszeit des Wissens führt – bis auf einen unentbehrlichen Sockel von Zusammenhangs- und Überblickswissen (Orientierungswissen) – zur (relativen) Abwertung des reinen Faktenwissens und Aufwertung des Wissensmanagements, der Fähigkeit zur Erschliessung, Priorisierung und Strukturierung von Wissen. Nicht die Erzeugung immer weiteren Wissens und dessen elektronische Verfügbarkeit ist das weltweite Problem, sondern der Umgang mit ihm. Daher werden überfachliche, relativ abstrakte Fähigkeiten immer wichtiger. Infolgedessen wird die aktuelle Entwicklung der beruflichen Anforderungen mittlerweile weitgehend konsensual bei aller Kritik im einzelnen mit der Liste der Schlüsselkompetenzen in den vier Gruppen der Fachkompetenz, Selbstkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz beschrieben. Diese gilt es im Studium zu vermitteln, in die normalen Lehrveranstaltungen zu integrieren und die Studiengänge dementsprechend zu überarbeiten.

Diese Entwicklung weg von der Stoffzentrierung in der Lehre hin zur Kompetenzorientierung im Studium (Wörner 2003) wird mit dem englischen Ausdruck shift from teaching to learning (Webler 2004, S.24; Welbers & Gaus 2005) umschrieben. In diesem neuen Verständnis von Hochschullehre liegt der Fokus also nicht mehr auf dem Lehren, sondern auf der Optimierung von Lernprozessen. Vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse der Lernforschung (vgl. Biehler & Snowman 2000; Bransford & Brown & Cocking 1999; Jensen 1998; Spitzer 2002) wird auch deutlich, dass das Vermitteln von Wissen im traditionellen Vorlesungsstil nur noch bedingt Gültigkeit hat.

Kompetenzorientierte Hochschullehre

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