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Warum Kompetenzen?

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Die vielfach diskutierte Wissensexplosion und die damit verbundene, zunehmend kürzere Halbwertszeit von Spezialwissen führen zu einer Schwerpunktsverschiebung in der Hochschullehre. Zusätzlich zur reinen Informationsvermittlung, der nach wie vor noch sehr wichtigen Schulung von Fachkompetenz, geht es mehr und mehr darum, neben dem fachlichen Denken auch Problemlösefähigkeiten zu üben und das eigene Lernen zu thematisieren (überfachliche Kompetenzen). Die wachsende Komplexität in der Forschung und Arbeitswelt hat zur Folge, dass Problemstellungen immer häufiger nur in Zusammenarbeit mit Personen aus anderen Fachbereichen gelöst werden können. Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Ausdauer, Belastbarkeit und Selbstorganisation spielen dabei eine zunehmend wichtigere Rolle. Die genannten überfachlichen Kompetenzen müssen vermittelt und immer wieder geübt werden und können bei den Studierenden nicht einfach vorausgesetzt werden.

Der Begriff «Kompetenz» weist darauf hin, dass man die Studierenden befähigen will, in konkreten, situationsspezifischen Kontexten Fragestellungen zu lösen. Man möchte dadurch unter anderem deren Arbeitsmarktfähigkeit (employability) erhöhen. Der Begriff Kompetenz wird uneinheitlich diskutiert und definiert (Klieme & Hartig 2007; Rychen & Salganik 2001; Gonzalez & Wagenaar 2003). Verallgemeinernd kann aber festgehalten werden, dass mit Kompetenzen Verbindungen von Wissen, Können und Erfahrung gemeint sind, mit denen komplexe Situationen bewältigt werden können. Daneben beinhalten Kompetenzen auch motivationale Elemente wie den Willen, ein Problem lösen zu wollen, die Ausdauer, Rückschläge wegzustecken, Toleranz im Umgang mit Ambiguität, den Optimismus, eine Lösung zu finden. Wissensbasiertes Handeln wird zum Globalziel eines Studiums. Am Ende der Ausbildung stehen Persönlichkeiten, die sich in offenen, unüberschaubaren, komplexen und dynamischen Situationen selbst organisiert und kreativ zurecht finden und für noch nie dagewesene Probleme Lösungen finden.


Abb. 3 Kompetenzelemente (Darstellung H. Bachmann).

Wie Kompetenzentwicklung verstanden werden kann, illustrieren North & Reinhardt (2005) anschaulich mit einer Treppe. Es geht dabei um mehr als nur um Wissen und Verstehen von Sachverhalten. Wichtig ist, wie aus Informationen durch Vernetzung und Anknüpfung an schon vorhandenes Gelerntes bei den Studierenden Wissen erzeugt wird. Damit aus Wissen Können wird, müssen Anwendungsmöglichkeiten bereitgestellt werden. Neben dem Können braucht es bei den Studierenden aber auch die Bereitschaft und Motivation, das Gelernte umsetzen zu wollen. Einstellungsänderungen sind dabei etwas vom Schwierigsten – noch schwieriger als Verhaltensveränderungen – was es zu vermitteln gibt. Von Kompetenz sprechen wir, wenn in konkreten Arbeitssituationen Herausforderungen angemessen analysiert und entsprechend gelöst werden. Geschieht dies alles noch unter Einbezug von ethischen Überlegungen, haben wir nach North & Reinhardt (2005) den Status eines professionellen Experten erreicht.


Abbildung 4 Kompetenztreppe nach North & Reinhardt (2005).

Der Status eines Experten kann kaum in einem regulären Studium erreicht werden, da er viel praktische Erfahrung voraussetzt. In dieser Hinsicht stösst man bei der Kompetenzvermittlung an Hochschulen an eine Grenze, weil einfach die Zeit für entsprechende Erfahrungen fehlt. Nach North & Reinhardt (2005) führt der Weg zum Experten vom Kenner über den Könner zum Experten. Kenner zeichnen sich aus durch geringes theoretisches Wissen, wenig Praxiserfahrung und fehlende komplexe Lösungsstrategien. Könner verfügen über Kenntnisse in ihrem Spezialgebiet, können ihr Handeln selbst organisieren und finden intuitiv Lösungsstrategien. Experten haben viel praktische Erfahrung, professionelle Lösungskompetenz und neben hoher Fachkompetenz auch überzeugende Methodenkompetenz. Um diese Kompetenzentwicklung entsprechend abzubilden, wird oft der Begriff Standard verwendet.

Mit Standard ist die Ausprägung einer Kompetenz auf einem bestimmten, massstabsorientierten Niveau gemeint. Gegenwärtig ist man daran, im Rahmen von nationalen Qualitätsrahmen (NQF ) solche Standards zu definieren. Grundlage dafür sind die sogenannten Dublin Descriptors (2004). Sie sind eine fächerübergreifende Beschreibung des Bachelor- und Masterniveaus, die das Leistungsprofil von Studierenden mit einem Bachelor-, einem Masterabschluss oder einem Doktorat festlegen. Häufig werden dabei Mindest- und Regelstandards definiert. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Kompetenzen nur in Auseinandersetzung mit Sachinhalten erworben werden können. Fach­licher und überfachlicher Kompetenzerwerb bedingen sich also gegenseitig. Das heisst, um Kompetenzen zu erwerben und zu schulen, müssen entsprechende Lernarrangements bereitgestellt werden. Stichworte dazu wären zum Beispiel das problembasierte Lernen, das Lernen mit Planspielen oder Projektarbeit. Wie solche Lernarrangements aussehen können, beschreibt der Herausgeber dieses Buches in einer Publikation mit dem Titel «Hochschullehre variantenreich gestalten: Kompetenzorientierte Hochschullehre – Ansätze, Methoden und Beispiele» (Bachmann 2013).

Bei der Einführung der Kompetenzorientierung an Hochschulen wurde zwischen fachlichen und überfachlichen Zielen unterschieden. Die fachlichen Kompetenzen betreffen den Wissenserwerb, wie er traditionell an Hochschulen gepflegt wird. Neben dieser Fachorientierung spielen aber zunehmend überfachliche Kompetenzen (auch Schlüsselkompetenzen oder soft skills genannt) eine Rolle, die in allen Fachrichtungen geschult werden müssen. Dabei wird zum Beispiel zwischen Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz differenziert.


Abb. 5 Unterscheidung zwischen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen.

Methodenkompetenzen beziehen sich auf Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es ermöglichen, Aufgaben und Probleme zu bewältigen, indem sie die Auswahl, Planung und Umsetzung sinnvoller Lösungsstrategien ermöglichen (Orth 1999). Dazu gehören:

►Sprachfähigkeit (z.B. Wissenschaftssprache Englisch, Wissenschaftliches Schreiben, Präsentationstechniken),

►Reflexionsfähigkeit (z.B. Praxistransfer, komplexe Problemlösungen),

►Lern- und Arbeitsstrategien (z.B. Projektmanagement),

►Nutzung von Informationen und Wissen (z.B. Mediennutzung, Recherchieren).

Sozialkompetenzen beziehen sich auf Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die es ermöglichen, in den Beziehungen zu den Mitmenschen situationsadäquat zu handeln (Orth 1999). Dazu gehören:

►Kooperationsfähigkeit (z.B. Teamfähigkeit, Rollenflexibilität),

►Kommunikationsfähigkeit (z.B. Umgang mit Heterogenität, Führungskompetenz),

►Konfliktfähigkeit (z.B. Umgang mit Mobbing).

Selbstkompetenzen sind Fähigkeiten und Einstellungen, in denen sich die individuelle Haltung zur Welt und zur Arbeit ausdrückt (Orth 1999). Dazu gehören:

►Selbstmanagement (z.B. Stressmanagement, Lernmotivation),

►Ethisches Bewusstsein (z.B. Gendersensibilität, Berufsethos),

►Identität (z.B. Selbstkonzept, Fähigkeit zur Selbstkritik).

Kompetenzorientierte Hochschullehre zu gestalten bedeutet, dass die Studierenden immer wieder Gelegenheit erhalten müssen, ihr Wissen anwenden zu können. Bei einer kompetenzorientierten Hochschullehre ist die «Outcome-Orientierung» zentral – welches Wissen und Können, welche Fertigkeiten und Einstellungen sollen die Studierenden am Ende einer Lerneinheit erworben haben? Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine Kohärenz zwischen Lernzielen, Unterricht und Prüfungsformen bestehen muss. Multiple-Choice-Tests sind zum Beispiel denkbar ungeeignet, das überfachliche Ziel der Kooperationsfähigkeit der Studierenden zu prüfen. Mit den neuen Anforderungen an die Studierenden gilt es auch die traditionellen Prüfungsformen zu hinterfragen. Zusätzliche Überlegungen zu diesem Punkt finden Sie im Beitrag von Tobias Zimmermann in diesem Band.

Kompetenzorientierte Hochschullehre

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