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Martin Luther: Gott helfe mir (1521)

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„Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen.“ Diese Sätze gehören zu den geflügelten Worten unseres Zitatenschatzes, auch über den deutschen Sprachraum hinaus. Sie bilden den Schluß einer der folgenreichsten Reden der Geschichte, die Martin Luther vor dem im Frühjahr 1521 in Worms durch Kaiser Karl V. (1519-1556) versammelten Reichstag gehalten hat. Jedoch: so bekannt dieses Zitat auch ist, diese Worte hat Luther nicht so ausgesprochen. Sie finden sich vielmehr als späterer handschriftlicher Zusatz der lateinischen Fassung der Wormser Rede in der Formulierung: „Ich kann nicht anderst, hie stehe ich, Gott helff mir, Amen.“ Dieser Zusatz fand Eingang in die erste, noch zu Luthers Lebzeiten begonnene Gesamtedition seiner Werke, die sogenannte ‚Wittenberger Ausgabe‘.

An sich ging es bei diesem ersten Reichstag in der Regierungszeit des Kaisers um die Absicherung der Wahlversprechen, die er in der Form einer „Wahlkapitulation“ (d. h. eines in Einzelkapitel unterteilten Textes von Zugeständnissen an die Reichsfürsten, die ihnen u. a. weitgehende Mitbestimmung in Regierungsangelegenheiten zusicherten) hatte abgeben müssen. Nur so konnte nach der am 28. Juni 1519 in Frankfurt durch die Kurfürsten erfolgten Wahl die Krönung Karls zum deutschen König in Aachen stattfinden. Dies war am 23. Oktober 1520 der Fall, nachdem der junge Habsburger (seit 1516 König von Spanien) von den Niederlanden her kommend zum ersten Mal in seinem Leben deutschen Boden betreten hatte. Bereits in seinen niederländischen Herrschaftsgebieten hatte ihn der päpstliche Nuntius Hieronymus Aleander aufgesucht und ihn dazu bewogen, die Lehren Luthers, die in Deutschland bereits auf großen Widerhall gestoßen waren, zu verbieten. Der Kaiser selbst stand aufgrund seiner Erziehung wie auch seiner Herrschaftsauffassung treu zur Papstkirche und war der Meinung, daß es seine vornehmste Augabe sei, jegliche Form von Ketzerei zu unterdrücken. In Deutschland angelangt, mußte er sich indes davon überzeugen, daß die Lehren des Wittenbergers inzwischen auf breiten Widerhall gestoßen waren. Bereits die im Herbst 1517 veröffentlichten 95 Thesen Luthers gegen den Ablaßhandel, seine gegen die theologische Leitkompetenz von Papsttum und Konzilien bezogene Stellung während der Leipziger Disputation im Sommer 1519 und seine drei großen Schriften von 1520 („An den christlichen Adel deutscher Nation“, „Über die Babylonische Gefangenschaft der Kirche“ und „Von der Freiheit eines Christenmenschen“) hatten Intellektuelle wie Volksmassen tief berührt. Auch die am 10. Dezember 1520 durch ihn vor den Toren Wittenbergs vollzogene öffentliche Verbrennung eines Drucks der päpstlichen Urkunde, mit der ihm der Kirchenbann angedroht wurde, hatte große Zustimmung gefunden. Luther artikulierte offenbar eine nicht nur in Deutschland seit langem bestehende tiefe Unzufriedenheit mit der Kirche, mit ihrem Fiskalismus und ihrer Verweltlichung sowie mit ihrer offenbaren Unfähigkeit, den für sie eigentlich wesentlichen seelsorgerischen Aufgaben gerecht zu werden. Daß hierauf am 3. Januar 1521 vom Papst über Luther der förmliche Bann verhängt wurde, machte letzteren nur noch populärer.

Karl V. stieß mit seiner anfänglichen Neigung, Luther einfach als Ketzer zu behandeln und ihn dementsprechend aburteilen zu lassen, sowohl bei seinen engsten Beratern wie auch bei dem angesehensten unter den Kurfürsten, Friedrich dem Weisen von Sachsen, auf Bedenken, ja Widerstand. Machten die Ratgeber ihm klar, daß die Kurie zwei Jahre zuvor schließlich versucht hatte, seine Wahl zum deutschen König und damit zum Kaiser zu verhindern, so mußte er selbst einsehen, daß es ein Fehler war, den sächsischen Kurfürsten zu verprellen, der – obwohl in seiner Glaubensauffassung keineswegs mit Luther im Einklang – über diesen als Landeskind und mittlerweile angesehensten Professor seiner Landesuniversität Wittenberg schützend die Hand hielt. Es wurde daher zugesagt, Luther, der bereits auf dem Augsburger Reichstag von 1518, dem letzten von Karls Großvater und Vorgänger Kaiser Maximilian I., von einem päpstlichen Legaten verhört worden war, auf dem in Worms anberaumten Reichstag noch einmal anzuhören und ihm hierfür freies Geleit zuzusichern.

Luthers Reise nach Worms gestaltete sich zu einem regelrechten Triumphzug. In Worms nach zweiwöchiger Reise am 16. April 1521 angelangt, wurde er am Abend des folgenden Tages vor die Reichsversammlung geführt. Hier befragte ihn der vom Kaiser zu seinem Verhandlungsführer und Sprecher („Orator“) bestimmte Leiter des obersten kurtrierischen Gerichts („Offizial“) Johann von der Ecken, ob er die Bücher, die ihn als Verfasser auswiesen, geschrieben habe und ob er bereit sei, etwas von ihrem Inhalt zu widerrufen. Der harsche Ton schüchterte den Wittenberger Theologen zunächst dermaßen ein, daß er die erste Frage unmittelbar bejahen wollte. Doch der ihm als Rechtsbeistand beigegebene Wittenberger Jurist Hieronymus Schurff forderte, daß die Titel der Schriften zunächst verlesen würden. Luther vermochte sich währenddessen zu fassen und antwortete dann sowohl auf lateinisch wie auf deutsch, er erkenne die genannten Bücher als seine eigenen an, erbete sich aber zur Beantwortung der zweiten Frage eine Bedenkzeit. Sie wurde ihm gewährt, die Frist hierfür wurde jedoch auf einen Tag begrenzt.

Am 18. April 1521 hat Luther nun die im folgenden abgedruckte Rede auf deutsch und dann – da Karl V. damals des Deutschen noch nicht mächtig war – auf lateinisch gehalten. Sie ist nur in der lateinischen Fassung erhalten. Wie der gut durchformulierte Text zeigt, war sie überaus sorgfältig vorbereitet. Sie hat sich in handschriftlicher Form in der Staatsbibliothek Dresden erhalten. Luther hat ihr einen Zusatz – die Aufforderung kurtrierischen Richters, kurz zu antworten, und die eigene Antwort darauf – beigefügt. Beide Teile erschienen alsbald zu Wittenberg in Druckform; außerdem gibt es einen erweiterten Bericht über Luthers Aufenthalt in Worms unter dem Titel Acta et res gestae D[octoris] Martini Lutheri in Comitijs Principum Vuormaciae, Anno M. D. XXI., gleichfalls noch 1521 in Wittenberg erschienen, dazu zwei weitere Drucke desselben Jahres. Dieser Bericht beschreibt den Ablauf der Ereignisse an beiden Tagen. Er wird gestützt durch den Bericht Aleanders, zu dem der kurtrierische Offizial von der Ecken unter dem Titel Acta comparationis Lutheri in Diaeta Wormatiensi beigetragen hat; er wurde erst im späten 19. Jahrhundert im Vatikanischen Archiv entdeckt und 1884 veröffentlicht. Für die Wirkung der Wormser Rede Luthers bedeutsamer sind die zahlreichen deutschen Übersetzungen geworden, die noch im gleichen Jahr im Druck verbreitet wurden.

Welthistorisch bedeutsam ist die Rede deswegen, weil sie die Verhängung der Reichsacht zur Folge hatte, die im Zusammenhang mit dem Kirchenbann erlassen werden mußte. Dies erfolgte Ende Mai 1521 in der Form des sogenannten ‚Wormser Edikts‘, das sich aber als ‚Schlag ins Wasser‘ erwies und das Gegenteil von dem zur Folge hatte, was der Kaiser damit erreichen wollte. In der Tat wurde Luther jetzt als notorischer Ketzer in Acht und Bann getan, und es wurden auch alle diejenigen unter Strafe gestellt, die künftig seine Schriften verbreiten oder sie lesen sollten. Damit sollte die gewaltige publizistische Wirkung, welche die Lehre des Wittenbergers inzwischen durch Bücher und Flugblätter erzielt hatte, unterbunden werden. Zwar hat man klugerweise vermieden, das Versprechen des freien Geleits zu brechen und so aus ihm einen Märtyrer zu machen, wie es Jan Hus ein Jahrhundert zuvor geworden war – ja bis Luther am 26. April abreiste, wurde durch ihm wohlgesonnene Juristen, die auf Vermittlung bedacht waren, versucht, ihn wenigstens zur Rücknahme seines auf der Leipziger Disputation geäußerten Verdikts gegen die Unfehlbarkeit kirchlicher Konzilien zu bewegen. Luther blieb jedoch unbeugsam. Der Kaiser sah darin nurmehr Verstocktheit und Halsstarrigkeit und fühlte sich in seiner konsequent ablehnenden Haltung bestärkt, die er kurz nach Luthers Äußerungen in einer eigenhändig abgefaßten Rede in französischer Sprache an die deutschen Fürsten bekundet hatte. Darin sah er es sowohl mit der Tradition des Kaisertums wie auch mit der des Hauses Habsburg als unvereinbar an, die Ketzerei eines einzelnen hinzunehmen. Wenn dieser mit seiner Meinung gegen alle Christen stehe, dann könne man ihm nicht Recht geben, weil sonst die gesamte Christenheit von Beginn an geirrt haben müsse. In beiden Reden werden die fundamentalen Standpunkte deutlich, welche den Fortgang der „Reformation“ bestimmen sollten: der universale Anspruch der vom Kaiser gestützten Papstkirche auf Glaubensgehorsam gegen den Anspruch des Individuums auf Glaubensfreiheit.

Das Wormser Edikt erwies sich letztlich als nicht durchsetzbar. Der Kaiser war in den folgenden Jahren vor allem in Italien in Auseinandersetzungen mit dem König von Frankreich verstrickt und mußte 1527 sogar gegen den Papst militärisch vorgehen. In Spanien beschäftigten ihn Aufstände, und im Reich sprengte 1529 die „Protestation“ der lutherfreundlichen Fürsten den Reichstag von Speyer, während im gleichen Jahr ein Türkenheer vor Wien stand und die habsburgischen Besitzungen im Südosten des Reiches bedrohte. Ab 1530 folgte gegenüber den „Protestanten“ eine Politik des Einlenkens, gipfelnd in der Debatte um das von Luthers Freund Philipp Melanchthon auf dem Augsburger Reichstag vorgelegte „Bekenntnis“, die sogenannte ‚Confessio Augustana‘. Luther und der Kaiser, die beiden Kontrahenten von 1521, sind sich nicht wieder begegnet. Als Karl V. 1547 im Schmalkaldischen Krieg die deutschen Protestanten militärisch überwand (ohne anschließend mit politischen Mitteln die Glaubenseinheit im Reich wiederherstellen zu können), war der Wittenberger Reformator bereits seit einem Jahr tot. Mit seiner Wormser Rede begann der Prozeß der Glaubensspaltung in Deutschland, die im Ausgburger Religionsfrieden von 1555 und im Westfälischen Frieden von 1648 besiegelt werden sollte und aus Deutschland ein bikonfessionelles Land machte.

Martin Luther: Rede vor dem Reichstag zu Worms am 18. April 1521

Jesus.– Allergnädigster Herr und Kaiser! Durchlauchtigste Fürsten! Gnädigste Herren!

Gehorsam erscheine ich zu dem Zeitpunkt, der mit gestern Abend bestimmt ward, und bitte um Gottes Barmherzigkeit willen die allergnädigste Majestät und die durchlauchtigsten Fürsten und Herren, sie mögen meine Sache, die, so hoffe ich, gerecht und wahrhaftig ist, in Gnaden anhören. Und wenn ich aus Unkenntnis irgend jemanden nicht in der richtigen Form anreden oder sonst in irgendeiner Weise gegen den höfischen Brauch und Benehmen verstoßen sollte, dann bitte ich, mir dies freundlich zu vergeben, bin ich doch nicht bei Hofe, sondern im engen mönchischen Winkel zuhause und kann ich doch von mir lediglich sagen, daß ich bislang mit solcher Einfalt des Gemüts gelehrt und geschrieben habe, daß ich einzig auf Gottes Ruhm und die redliche Unterweisung der Christen aus gewesen bin.

Allergnädigster Kaiser, durchlauchtigste Fürsten! Mir wurden gestern durch Eure allergnädigste Majestät zwei Fragen vorgelegt, nämlich ob ich die genannten, unter meinem Namen veröffentlichten Bücher als meine Bücher anerkennen wollte und ob ich dabei bleiben wollte, sie zu verteidigen, oder bereit sei, sie zu widerrufen. Zum ersten Punkt habe ich bereitwillig eine unverhohlene Antwort gegeben, zu der ich noch stehe und in Ewigkeit stehen werde: Es sind meine Bücher, die ich selbst unter meinem Namen veröffentlicht habe, es sei denn, daß die Tücke meiner Feinde oder eine unzeitige Klugheit darin nachträglich etwas geändert oder fälschlich gestrichen hat. Denn ich erkenne schlechterdings nur das an, was allein mein eigen und von mir geschrieben ist, aber keine weisen Auslegungen von anderer Seite.

Hinsichtlich der zweiten Frage bitte ich aber Eure allergnädigste Majestät und fürstliche Gnaden dies beachten zu wollen, daß meine Bücher nicht alle von der gleichen Art sind.

Es gibt einige Schriften, in denen ich über den rechten Glauben und rechtes Leben so schlicht und evangelisch gehandelt habe, daß sogar meine Gegner zugeben müssen, sie seien nützlich, ungefährlich und durchaus lesenswert für einen Christen. Ja, auch die Bulle erklärt trotz ihrer wilden Gegnerschaft einige meiner Bücher für unschädlich, obschon sie sie dann in einem ganz abenteuerlichen Urteil dennoch verdammt. Wollte ich also anfangen, diese Bücher zu widerrufen – wohin, frage ich, sollte das führen? Ich wäre dann der einzige Sterbliche, der eine Wahrheit verdammte, die Freund und Feind gleichermaßen bekennen, der einzige, der sich gegen das einmütige Bekenntnis aller Welt stellen würde!

Die zweite Gruppe greift das Papsttum und die Taten seiner Anhänger an, weil ihre Lehren und ihr schlechtes Beispiel die ganze Christenheit sowohl geistlich wie leiblich zerstört haben. Denn das kann niemand leugnen oder übersehen, da jedermann die Erfahrung macht und die allgemeine Unzufriedenheit bezeugt, daß päpstliche Gesetze und die Lehren der Menschen das Gewissen der Gläubigen aufs jämmerlichste verstrickt, beschwert und gequält haben, daß aber darüber hinaus die unglaubliche Tyrannei auch Hab und Gut verschlungen hat und fort und fort auf empörende Weise weiter verschlingt, ganz besonders in unserer hochberühmten deutschen Nation. Dabei sehen sie in ihren Dekreten selbst vor (wie in Distinctio 9 und 25, quaestio 1 und 9 zu lesen steht)1, daß päpstliche Gesetze, die der Lehre des Evangeliums und den Sätzen der Kirchenväter widersprächen, als irrig und ungültig anzusehen seien. Wollte ich also diese Bücher widerrufen, so würde ich die Tyrannei damit geradezu kräftigen und stützen, ich würde dieser Gottlosigkeit für ihr Zerstörungswerk nicht mehr ein kleines Fenster, sondern Tür und Tor öffnen, weiter und bequemer, als sie es bisher je vermocht hat. So würde mein Widerruf ihrer grenzenlosen, schamlosen Bosheit zugute kommen, und ihre Herrschaft würde das arme Volk noch unerträglicher bedrücken, und nun erst recht gesichert und gegründet sein, vor allem, wenn man damit prahlen würde, ich hätte das auf Geheiß Eurer allergnädigsten Majestät und des ganzen römischen Reiches getan. Guter Gott, wie sehr würde ich da der Bosheit und Tyrannei zur Deckung dienen!

Die dritte Gruppe sind die Bücher, die ich gegen einige sozusagen für sich stehende Einzelpersonen geschrieben habe, solche nämlich, die darauf hingearbeitet haben, die römische Tyrannei zu schützen und das Christentum, wie ich es lehrte, zu erschüttern. Ich bekenne, daß ich gegen diese Leute heftiger vorgegangen bin, als in Sachen des Glaubens und bei meinem Stande schicklich war. Denn weder mache ich mich zu einem Heiligen, noch trete ich hier für meinen Lebenswandel ein, sondern ich streite für die Lehre Christi. Trotzdem wäre mein Widerruf auch für diese Bücher nicht statthaft; denn er würde wiederum zur Folge haben, daß sich die gottlose Tyrannei auf mich berufen könnte und das Volk Gottes grausamer beherrschen und mißhandeln würde denn je zuvor.

Aber ich bin ein Mensch und nicht Gott. So kann ich meinen Schriften auch nicht anders beistehen, als wie mein Herr Christus selbst seiner Lehre beigestanden hat. Als ihn Hannas nach seiner Lehre fragte und der Diener ihm einen Backenstreich gegeben hatte, sprach er [Johannes 18, 23]: „Habe ich übel geredet, so beweise, daß es böse gewesen sei.“ Wenn also der Herr selbst, der doch wußte, daß er nicht irren könne, es nicht von sich wies, einen Beweis wider seine Lehre anzuhören, dazu noch von einem elenden Knecht: Wieviel mehr muß ich erbärmlicher Mensch, der nur irren kann, da bereit sein, jedes Zeugnis wider meine Lehre, das sich vorbringen läßt, zu erbitten und zu erwarten. Darum bitte ich um der göttlichen Barmherzigkeit willen Eure allergnädigste Majestät, durchlauchtigste fürstliche Gnaden oder wen immer sonst, er sei höchsten oder niedersten Standes, man möge mir Beweise vorlegen, mich des Irrtums überführen und mich durch das Zeugnis der prophetischen oder evangelischen Schriften überwinden. Ich werde völlig bereit sein, jeden Irrtum, der mir nachgewiesen wird, zu widerrufen, ja, der erste sein, der meine Schriften ins Feuer wirft.

Es wird hiernach, nehme ich an, klar sein, daß ich die Nöte und Gefahren, die Unruhe und Zwietracht, die sich um meiner Lehre willen in aller Welt erhoben haben und die man mir gestern hier mit Ernst und Nachdruck vorgehalten hat, sorgsam genug bedacht und erwogen habe. Für mich ist es ein denkbar erfreulicher Anblick, zu sehen, wie um Gottes Wort Unruhe und Zwietracht entsteht. Dies ist nämlich der Lauf, Weg und Erfolg von Gottes Wort, wie Christus spricht [Matthäus 10, 34 ff.]: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert; denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater usw.“ Darum müssen wir bedenken, wie unser Gott wunderbar und schrecklich ist in seinen Ratschlüssen, damit am Ende nicht das, was wir ins Werk setzen, um die Leidenschaften zu besänftigen, dazu führt, daß wir Gottes Wort zu verdammen beginnen und so vielmehr einer neuen Sintflut ganz unerträglicher Leiden zustrebt. Und wir müssen dafür sorgen, daß die Regierung unseren jungen, vortrefflichen Kaisers Karl, auf dem nächst Gott die meisten Hoffnungen ruhen, nicht eine unselige, verhängnisvolle Wendung nimmt. Ich könnte mit zahlreichen Beispielen aus der Schrift vom Pharao, vom König Babylons und den Königen Israels veranschaulichen, wie sie sich gerade dann am sichersten zugrunde richteten, wenn sie mit besonders klugen Plänen darauf aus gingen, Ruhe und Ordnung in ihren Reichen zu behaupten. Denn er, Gott, fängt die Schlauen in ihrer Schlauheit und kehret die Berge um, ehe sie es inne werden [Hiob 5, 13; 9, 5]. Darum ist es die Gottesfurcht, deren wir bedürfen. Ich sage das nicht in der Meinung, so hohe Häupter hätten meine Belehrung oder Ermahnung nötig, sondern weil ich meinem lieben Deutschland den Dienst nicht versagen wollte, den ich ihm schuldig bin. Hiermit will ich mich Euer allergnädigsten kaiserlichen Majestät und fürstlichen Gnaden demütig befehlen und bitten, sie mögen sich von meinen eifrigen Widersachern nicht ohne Grund gegen mich einnehmen lassen. Ich habe gesprochen.

Nach diesen Worten sagte der Redner des Kaisers in harschem Ton: Ich hätte nicht zur Sache geantwortet, und was ehedem auf Konzilien verdammt und beschlossen sei, dürfe nicht in Zweifel gezogen werden. Man wünsche von mir daher eine einfache Antwort ohne Spitzfindigkeiten, ob ich widerrufen wolle oder nicht. Darauf antwortete ich:

Da denn Eure allergnädigste Majestät und fürstliche Gnaden eine einfache Antwort verlangen, will ich sie ‚ohne Hörner und Zähne‘ [neque cornutum neque dentatum, ohne Spitzfindigkeiten] und unverfänglich erteilen, nämlich so: Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es offenkundig ist, daß sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben. Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun.

Gott helfe mir, Amen.

I have a dream.

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