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1.2. „Christliches …“

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Das Stichwort „christlich“ ist für Kulturwissenschaftler von geringem Nutzen, da sich Kulturwissenschaftler dafür interessieren, wie Kulturen, die dieselben Texte als Heilige Schriften anerkennen, sehr verschiedenen Formen religiöser und sozialer Institutionen und normativer Ordnungen hervorgebracht haben. An sich versteht sich, dass die im Westen sehr erfolgreich institutionalisierte religiöse Kultur der römisch-lateinischen Kirche (und später ihrer protestantischen Ausdifferenzierungen) nur eine von vielen Möglichkeiten war, den Rekurs auf das Alte und das Neue Testament als religiöse Kultur zu institutionalisieren. Das Spezifische dieser lateinischen christlichen Kultur ist nur erkennbar im Vergleich mit den vielen anderen christlichen Kulturen, die entweder als historische Varianzen entstanden und wieder verschwunden sind, oder als Minderheitenkulturen überlebt haben, oder sich ebenso wie die römisch-lateinische Kirche als religiöse Großkulturen etabliert haben – so etwa die griechisch-orthodoxe oder die äthiopisch-orthodoxe Kirche.8 Wenigstens das Imperium am Bosporus, in dem noch über viele Jahrhunderte mit Institutionen der alten römischen Mittelmeerwelt gearbeitet wurde, ist als Dauervergleich unverzichtbar, wenn man die Geschichte des lateinischen Westens im ersten poströmischen Jahrtausend entwirft.

Derzeit allerdings spielt dieses griechischsprachige römische Imperium praktisch keine Rolle, wenn man Hand- und Lehrbücher zur Geschichte der nachrömischen Kulturen im Einflussbereich der römischen Kirche (also: zur „mittelalterlichen“ Geschichte) zu Rate zieht. Unsere Studierenden lernen nicht, wie sich die Kulturen im Einflussbereich der römischen Kirche (fränkische, angelsächsische, skandinavische Welt usw.) formiert haben im Unterschied zu den Kulturen im Einflussbereich der griechischen Kirche – oder im Unterschied zu den Minderheitschristentümern im arabischen Raum.

Pluralistische Identität

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