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FRIEDRICH-CHRISTIAN STAHL Generaloberst Johannes Blaskowitz

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Johannes Blaskowitz, am 10. Juli 1883 in Peterswalde, Kreis Wehlau/Ostpreußen, als Sohn eines Pfarrers geboren, zog bereits als zehnjähriger Kadett den Soldatenrock an, verbrachte die Leutnantsjahre in Osterode in Ostpreußen und ließ sich nach seinem dreijährigen Kommando von der Kriegsakademie aus Gesundheitsgründen nach Baden versetzen. Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Kompaniechef und Generalstabsoffizier in Frankreich, Südtirol, Galizien und im Baltikum. Nach dem Krieg wurde er bis 1932 ausschließlich in Württemberg und Baden im Generalstabs- und Truppendienst verwendet. Als Kommandeur des 14. (Badischen) Infanterie-Regiments wurde er im Oktober 1930 zugleich zum Landeskommandanten in Baden ernannt. Diese Funktion ermöglichte es ihm, mit den badischen Landesbehörden und der Presse ein anerkanntes Vertrauensverhältnis herzustellen. War es den Soldaten verboten, sich parteipolitisch zu betätigen – sie waren auch nicht wahlberechtigt –, so gehörte Blaskowitz doch zu den Offizieren, die mit kritischem Blick die politische Entwicklung beobachteten. Aus der Sicht der damaligen politischen Situation Deutschlands sind Äußerungen Blaskowitz’ auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf vom August 1932 zu verstehen, über die der spätere, nach dem 20. Juli 1944 hingerichtete Generalmajor Hellmuth Stieff seiner Frau berichtete. Man hoffe, „daß die Nazis vernünftig bleiben …“. Falls sie „aber Dummheiten machen, wird ihnen mit aller Gewalt entgegengetreten werden, und man wird selbst vor blutigsten Auseinandersetzungen nicht zurückschrecken“. Die Parteien seien „das Unglück Deutschlands“, sie verhinderten „durch ihre Eigenbrötelei jegliche stabile und nützliche Regierungsarbeit“. Daher müsse die Regierung „von den Fesseln des Parlamentarismus befreit werden, um unabhängig arbeiten zu können, gestützt auf das Vertrauen des Reichspräsidenten und die Macht der Reichswehr“.1 Diese Sicht dürfte weitgehend die politische Einstellung des Offizierskorps zum damaligen Zeitpunkt wiedergeben.

Anfang Februar 1933 wurde Blaskowitz als Generalmajor zum Inspekteur der Waffenschulen ernannt. Angesichts der seit langem beabsichtigten Heeresvermehrung hatte er in kürzester Zeit eine neue Organisation der Ausbildungsstätten für den stark ansteigenden Bedarf an Offiziersanwärtern zu schaffen. Am 1. April 1935 wurde Blaskowitz zum Befehlshaber im Wehrkreis II und im gleichen Jahr zum Kommandierenden General des II. Armeekorps in Stettin ernannt. Unter seiner Führung vollzog sich in dem Pommern und Mecklenburg umfassenden Wehrkreis der Übergang vom Berufsheer zum Heer der allgemeinen Wehrpflicht. Wie schnell der Aufbau der Wehrmacht auch die feldmäßige Ausbildung einbezog, erwies das große Wehrmachtmanöver – das einzige seiner Art – im September 1937, woran neben Verbänden aller Wehrmachtteile auch Blaskowitz’ Armeekorps teilnahm. Auf dem zu seinem Korpsbereich gehörenden Truppenübungsplatz Groß-Born wurde Blaskowitz im August 1938 mit zwei ihn stark berührenden Ereignissen konfrontiert: mit der Übergabe des Artillerieregiments 12 an den inzwischen von jedem Verdacht der Homosexualität freigesprochenen ehemaligen Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Freiherr von Fritsch, und – wenige Tage später – mit dem Besuch Hitlers, der in seiner neuen Funktion als Oberbefehlshaber der Wehrmacht eine Übung mit Panzern nutzte, um sich über die künftige operative Verwendung dieser Waffe zu äußern. Nach Berlin zurückgekehrt, kritisierte Hitler „die Ansichten Blaskowitz’ über den Einsatz von Panzern“, da er „genau wie die Franzosen die Panzer als schwere Waffe der Infanterie“ betrachtete. Statt dessen bringe „der operative Einsatz den Schwung für die Vorwärtsbewegung und damit die Überlegenheit“2.

Obwohl Hitler seine Abneigung gegen Blaskowitz zum Ausdruck gebracht hatte, wurde er am 10. November 1938 zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe 3 in Dresden ernannt. Trotz der Zusage Hitlers an den britischen Premierminister Chamberlain, nach dem Abkommen von München keinerlei Besitzansprüche mehr in Europa zu stellen, befahl er im März 1939 den Einmarsch in die Resttschechei. Nach dem Einmarsch in Prag, wo Blaskowitz auf dem Hradschin noch am 15. März mit Hitler zusammentraf, wurde er vom Oberbefehlshaber des Heeres mit der vollziehenden Gewalt in Böhmen beauftragt. Schon wenige Wochen danach sah Blaskowitz seine Aufgabe mit der „Befriedung“ des Landes als erfüllt an.3 Noch hielt er sich für ein „soldatisches Glückskind“, dem „diese geschichtliche Aufgabe (…) unversehens anvertraut“ worden sei.4 Doch schon einen Monat später hatte er sich mit seinem Stab auf einen möglichen Feldzug gegen Polen vorzubereiten.

Im Rahmen eines von zwei Heeresgruppen geführten Zangenangriffs auf Warschau sollte Blaskowitz mit der 8. Armee die nördliche Flanke der Heeresgruppe Süd decken und dafür Sorge tragen, daß polnische Kräfte den Hauptstoß der 10. Armee nicht behinderten. Bereits eine Woche nach Kriegsbeginn traf die 8. Armee an der Bzura auf starke polnische Kräfte, die sich bemühten, die Front der 8. Armee zu durchbrechen. Harte Tage hatten die nach Norden sichernden Verbände zu bestehen, bis es gelang, der Krise Herr zu werden. Am 14. September besuchte Hitler in Lodz Blaskowitz’ Hauptquartier. Hitlers kritische Fragen konnten von Blaskowitz und von dem verwundeten General von Briesen befriedigend beantwortet werden.5 Die 8. Armee wurde danach mit dem Endkampf um Warschau beauftragt. Als der polnische Oberbefehlshaber, General Juliusz Rommel, nach erfolgter Kapitulation General Blaskowitz den Abmarsch seiner 118.000 Mann zählenden Truppen in die Gefangenschaft meldete, äußerte dieser, „daß er die Gefühle seines Gegners soldatisch durchaus verstände und würdige, daß aber der Krieg nur ganze Lösungen gestatte. Er habe alles getan, um den polnischen Offizieren den Schritt in die Gefangenschaft ehrenvoll zu gestalten.“ Rommel dankte in polnischer Sprache mit den Worten: „Das militärische Los ist veränderlich.“6

Fast am neuen Standort im Westen eingetroffen, erhielt Blaskowitz den Befehl, Generaloberst von Rundstedt als Oberbefehlshaber Ost abzulösen. Mit seiner Befehlsübernahme trat zugleich eine Neuordnung in den besetzten Ostgebieten ein. Dem Heer wurde die vollziehende Gewalt entzogen, offenbar weil sich einige Generale – wie List, Blaskowitz und Küchler – gegen die dortigen Ausschreitungen der SS gewandt hatten.7 Unter ziviler Verwaltung von Reichsminister Dr. Frank8 wurde das Generalgouvernement mit dem Regierungssitz in Krakau errichtet. Blaskowitz unterstanden die im Generalgouvernement und im Wehrkreis I (Ostpreußen) stationierten Truppen, um den Schutz der Ostgrenze zu übernehmen. In Spala errichtete er sein Hauptquartier. Frank fühlte sich in Krakau als Herr über Polen und erhob den Anspruch, als Repräsentant Hitlers auch über die im Generalgouvernement befindlichen Truppen zu verfügen. Blaskowitz dagegen sah sich ausschließlich an die Weisungen des Oberbefehlshabers des Heeres gebunden, der ihm befohlen hatte, daß „Verwaltungsaufgaben jeglicher Art im zivilen Bereich (…) damit aus dem Pflichtenkreis des Oberbefehlshabers Ost sowie seiner nachgeordneten Kommandobehörden“ auszuscheiden hätten.9 Zwischen Frank und Blaskowitz bestand daher ein gespanntes Verhältnis, um so mehr, als es Frank nicht gelang, die Himmler unterstehenden SS- und Polizeiverbände, die im Lande nach Gutdünken mordeten und plünderten, zur Raison zu bringen.

Wenn Blaskowitz auch kein Recht hatte, sich in die inneren Angelegenheiten des Generalgouvernements einzumischen, so spürte er doch als religiöser Christ die Mitverantwortung dafür, was in dem unter seinem militärischen Schutz stehenden Gebiet an von Deutschen begangenen Verbrechen geschah.10 In Lageberichten und Vortragsnotizen sowie bei persönlichen Rücksprachen hat er daher mehrfach die in Polen herrschenden Zustände in einer Deutlichkeit gebrandmarkt, wie dies von seiten verantwortlicher Militärs wohl als einzigartig bezeichnet werden kann. So befaßt sich sein Lagebericht vom 27. November 1939 mit der Stimmung in der Wehrmacht, mit den Nöten der polnischen Bevölkerung, mit dem Verhältnis zur Generalgouvernementsverwaltung, deren Dienststellenleiter „sehr junge Amtsträger ohne jegliche Verwaltungskenntnis“ waren, mit der „ziemlich gestörten“ Verbindung zu den Organen der Polizei und mit den Verhältnissen im sowjetisch besetzten Polen. Die Truppe lehne es ab, „mit den Greueltaten der Sicherheitspolizei identifiziert zu werden“. Der „Blutrausch“ der Polizei stelle für die Wehrmacht „eine unerträgliche Belastung“ dar, „da dies ja alles im ‘Feldgrauen Rock’ geschieht“.11 Als Hitler dieser Bericht auf Brauchitschs Weisung vorgelegt wurde, nahm er ihn „zunächst ruhig zur Kenntnis, begann dann aber mit schweren Vorwürfen gegen ‘kindliche Einstellungen’ in der Führung des Heeres. Mit Heilsarmee-Methoden führe man keinen Krieg. Auch bestätige sich eine lang gehegte Aversion. Er habe General Blaskowitz niemals das Vertrauen geschenkt.“12

Blaskowitz bemühte sich insgesamt um eine korrekte Behandlung der Polen in seinem Verantwortungsbereich und setzte sich dafür ein, „die jüdischen Arbeiter in den Fabriken zu belassen und nicht in Konzentrationslager zu schicken.“13 Als sich trotz seiner kritischen Berichte über die Behandlung der Polen und Juden im Generalgouvernement nichts änderte, gab er seiner Überzeugung mit den Worten Ausdruck: „Die Ansicht, man könne das polnische Volk mit Terror einschüchtern und am Boden halten, wird sich bestimmt als falsch erweisen. Dafür ist die Leidensfähigkeit des Volkes viel zu groß.“14

Mitte Mai 1940 mit seinem Stab nach dem Westen verlegt und zum Armeeoberkommando 9 umgebildet, befahl Hitler, daß Blaskowitz in die „Führerreserve“ zu versetzen sei.15 Als er vierzehn Tage später – noch während des Westfeldzuges – als Militärbefehlshaber von Nordfrankreich eingesetzt wurde, kümmerte er sich vorrangig um die Flüchtlingsprobleme, da etwa sieben bis acht Millionen Franzosen ihren Wohnort verlassen hatten, die Straßen füllten, untergebracht sowie verpflegt werden mußten.16 Nach Beendigung des Frankreichfeldzuges erneut in die Führerreserve versetzt, wurde Blaskowitz im Oktober 1940 zum Oberbefehlshaber der 1. Armee ernannt, die nicht für den Einsatz im Osten vorgesehen war, sondern als Besatzungsarmee in Frankreich und als Ausbildungsstätte für neu aufgestellte Divisionen diente. Blaskowitz war „in jedem Falle froh, wieder wirken zu können“. Mehr erwartete er „von dieser Ernennung nicht“17.

Nachdem Hitler am 11. Dezember 1941 den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt hatte, wurde das Armeeoberkommando 1 nach Bordeaux verlegt, um die Sicherung der französischen Atlantikküste zwischen der Loire-Mündung und der spanischen Grenze zu übernehmen. Am 10. November 1942 befahl Hitler den generalstabsmäßig längst vorbereiteten Einmarsch in das unbesetzte Südfrankreich.18 Um diese Aufgabe möglichst reibungslos zu lösen, nahm Blaskowitz persönlich Verbindung mit französischen Militär- und Zivildienststellen auf. Die neue Situation forderte zudem, Vorbereitungen für mögliche Angriffe der Anglo-Amerikaner in Spanien und Portugal zu treffen. So sah die Aufmarschanweisung für die 1. Armee im Fall „Gisela“ die Besetzung der nordspanischen Häfen bis zur portugiesischen Grenze vor.19

Am 12. Mai 1944 wurde Blaskowitz mit der Führung der neu gebildeten Armeegruppe G unter dem Oberbefehlshaber West beauftragt, um „die Verteidigung der Biskayafront südlich der Loire, der Pyrenäen und der französischen Mittelmeerküste zu leiten“20. Knapp vier Wochen nach Übernahme des neuen Kommandos begann die lang erwartete Invasion in der Normandie. Sofort wurden der Armeegruppe G laufend Verbände, darunter bis auf die 11. Panzerdivision sämtliche motorisierten Verbände, entzogen. Besondere Sorge bereitete Blaskowitz die Entwicklung der Aufstandsbewegungen in den rückwärtigen Gebieten, die sich nach Beginn der Invasion zunehmend bemerkbar machten. Harten Gegenmaßnahmen gegen die Terroristen setzte er am 17. Juni – wenige Tage nach dem Massaker in Oradour – klare Grenzen, die jeglicher Willkür den Boden entziehen sollten. Es dürfe „nicht vorkommen, daß Frauen und Kinder von diesem Kampf in Mitleidenschaft gezogen werden, Gehöfte angesteckt werden, in denen nie ein Terrorist gewesen ist, oder Männer, die nie etwas mit den Terroristen zu tun gehabt haben, der Kugel zum Opfer fallen“.21

Obwohl kein Anhänger Hitlers und dessen Regimes sandte Blaskowitz an Hitler nach dem Attentat vom 20. Juli – möglicherweise von Feldmarschall von Kluge dazu aufgefordert – ein Telegramm, in dem er ihn der Treue der Armeegruppe G versicherte. Dem Feldmarschall von Mackensen vertraute er an, daß „die düsteren Ereignisse“ des 20. Juli außerhalb seiner Gedankenwelt lägen.22

Anfang August 1944 wies Blaskowitz auf die fast unkontrollierbaren Räume des Zentralmassivs und ostwärts der Rhône hin. Der Begriff „Terroristenbewegung“ sei nicht mehr zutreffend, vielmehr handle „es sich jetzt bereits um eine organisierte Armee, die im Rücken der Armeegruppe“ stehe.23 Am 15. August, dem 175. Geburtstag Napoleons, landeten die Alliierten an der französischen Mittelmeerküste.24 Hitler entschloß sich überraschend schnell, den Rückzug der deutschen Verbände aus Südfrankreich zu genehmigen. Blaskowitz hatte diesen Rückzug zu koordinieren, was ihm durch eine nahezu totale Luftüberlegenheit der Alliierten und durch die große Landstriche beherrschende Résistance-Bewegung erheblich erschwert wurde. Das erkannte nunmehr selbst Hitler an, der in einer Lagebesprechung am 1. September äußerte: „Wenn der [Blaskowitz] das fertig bringt, dann leiste ich ihm feierliche Abbitte von allem (…).“25 Dennoch versetzte er Blaskowitz kurz darauf wiederum in die Führerreserve, weil er dessen Führungsmaßnahmen bei Nancy nicht billigte.26 Als Generalfeldmarschall von Rundstedt für Blaskowitz eintrat, lenkte Hitler ein, verlieh ihm sogar das Eichenlaub zum Ritterkreuz und beauftragte ihn Ende Dezember mit der Führung der Heeresgruppe G. Seit 10. April 1945 Oberbefehlshaber der „Festung Holland“, verhandelte er mit dem alliierten Oberkommando erfolgreich, um die Ernährungskrise der holländischen Zivilbevölkerung zu beheben.27 Kapitulationsangebote lehnte er jedoch ab, solange die deutsche Führung nicht selbst kapitulierte oder dies befahl, und ging als einziger Offizier des Heeres, der den Kriegsbeginn und das Kriegsende als verantwortlicher Oberbefehlshaber erlebte, in die Gefangenschaft, die er u.a. in Dachau und als Lagerältester in Allendorf verbrachte.

Anfang 1948 im Nürnberger OKW-Prozeß wegen Kriegsverbrechen angeklagt,28 bereitete er am 5. Februar vor der Verlesung der Anklageschrift seinem Leben durch einen Sprung in die Rotunde des Justizpalastes ein Ende. Sein Grab fand er im Bommelsen in der Lüneburger Heide. Blaskowitz’ Selbstmord stellt die Frage nach der Mitverantwortung der militärischen Führer an Hitlers Verbrechen in aller Deutlichkeit. Zugleich bleibt durch seinen Tod offen, ob er sich als mitschuldig ansah, obwohl er ein Gegner Hitlers war und die Verbrechen in Polen 1939/40 heftig kritisiert hatte, oder ob er sich zu seinem Freitod entschloß, weil er befürchtete, durch seine Aussagen Kameraden zu belasten.

Hitlers militärische Elite

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