Читать книгу Geschichte der Stadt Worms - Группа авторов - Страница 49

Zu guter Letzt: noch einmal Gräber und Friedhöfe

Оглавление

Seit der Steinzeit haben die Menschen ihre Freunde und Angehörigen würdig bestattet. Mag man auch oft die Sitten und Gebräuche nicht kennen und verstehen, so kann man doch sicher sein, dass überall Sitten und Gebräuche galten und respektiert werden mussten. Gräber ohne Beigaben können mittellosen Personen gehören, das muss jedoch nicht sein. Ob Feuerbestattung oder Körpergrab, ob Grabgärten an der Straße oder Kammergräber unter Hügeln, immer versucht die Archäologie, das Regelhafte der jeweiligen Epoche herauszufiltern und damals Gedachtes heute verständlich und nachvollziehbar zu machen.

In der Römerzeit dominierten zunächst Brandgräber. Der Tote wurde verbrannt, seine Asche beigesetzt, für beide Vorgänge sind verschiedene Vorgehensweisen belegt. Aus der Regelhaftigkeit der ins Grab gestellten Dinge ist die Vorstellung erkennbar, der Tote habe Speisen und Getränke nötig, auch ein Licht. Manche Menschen erhielten zusätzlich besondere Gegenstände: Maler, Ärzte, vielleicht Schreiber, auch Zauberkundige wurden nicht von ihren Utensilien getrennt. Als unrömisch gilt die Waffenbeigabe: Kelten und Germanen übten sie in unterschiedlicher Weise. Die in Worms Bestatteten sind, um die Angelegenheit nicht zu einfach erscheinen zu lassen, romanisierte Kelten (Gallier) oder Germanen, in den seltensten Fällen »Römer« aus Italien, oder Menschen aus anderen Teilen des Imperiums. Hat sich die Bestattung des Galliers Argiotalus aus Nantes von der eines spanischen oder thrakischen Mitsoldaten unterschieden? Was bedeutet es, dass etwa ein Viertel aller in Worms gefundenen Aschenurnen aus Ton ein sorgfältig eingeschlagenes Loch aufweisen, zumeist im Boden, aber auch in der Wandung84? Vielleicht lässt sich in absehbarer Zeit das Völkergemisch durch derartige kleine, bislang wenig beachtete Anzeichen im Grabritus besser aufschlüsseln.

Speisen und Getränke in Tongefäßen oder manchmal auf noch zu ahnenden, vergangenen Holzschüsseln, etwas Parfum im Fläschchen, dann in wachsendem Maße Glasgefäße, begleiteten auch die im 2. Jahrhundert einsetzenden Körpergräber. Holzsärge und Totenbretter erhielten sich kaum. Bleisärge waren in Borbetomagus selten, häufiger stieß man auf Sarkophage aus Sandstein. Ihre Deckel können in schlichter Dachform, mit Eckwürfeln oder Pinienzapfen ausgeführt sein. Wenn der Sarg eine Grabinschrift trägt wie der seit 1666 bekannte, an der Martinspforte zu Tage gekommene, bis 1689 im Bürgerhof aufgestellte und durch eine Hammanzeichnung bezeugte Sarkophag85 für Spectatia Spectata, beweint von Ehemann und Töchtern, möchte man an eine Aufstellung auf einem Sockel über der Erde oder gar im Rahmen eines Familiengrabbaues denken. Übrigens hat dieser Sarg alle zerstörerischen Ereignisse überstanden und befindet sich heute im Museum der Stadt im Andreasstift. Andere schlichtere Sarkophage sind am tiefsten in die Erde eingelassen, man trifft sie in bis zu 2,50 m Tiefe an. Wohl zur Beschleunigung der Zersetzung wurden viele Leichname mit einer Kalkmasse begossen. Einige solchermaßen entstandene Hohlkörper ließ Koehl ausgießen und gewann auf diese Weise eine plastische Wiedergabe von in Tücher gewickelten Leichnamen. Sie sind nicht mehr im Museumsfundus vorhanden. Die Beigaben (Getränkeservices wie Krug und Becher, aber auch Teller und Schüsseln und manchmal ganz persönliche Utensilien) können im Sarkophag stehen, es gibt jedoch auch Bestattungen mit Geschirrnischen in der Wand des Grabschachtes.

In der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts bestatteten die Romanen grundsätzlich beigabenlos. Hier kann die Archäologie allenfalls statistisch arbeiten, wenn nicht die Anthropologie unterstützend wirkt. Leider wurden solche Gräber eben wegen ihrer Beigabenlosigkeit oder »Fundleere« im stadtnahen Bereich des Wormser Nordfriedhofs noch in den 1970er Jahren bei Bauarbeiten vernichtet. Man hat sie nicht dokumentiert. Eine von hier ins Museum gelangte Glasschale aus dem 2. Drittel des 5. Jahrhunderts beweist, wie groß der Verlust ist: Eine Untersuchung der Skelette hätte vielleicht ebenso Auskunft über eventuelle Zuwanderer gegeben wie sonst Sachgüter.

Die Gräberfelder von Mariamünster, Bollwerk/Kirschgarten und im Norden der Stadt haben über etwa einhundert Jahre hinweg immer wieder Einblicke gewährt. Im Westen der bewohnten Stadt befanden sich Gräber im Gelände des Krankenhauses Hochstift, der Kreuzung mit der Brücke, im heutigen Bahngraben, und noch im Eckgrundstück der Seidenbenderstraße traf man Ende des 19. Jahrhunderts Brandgräber und Körpergräber in Holzsärgen an. Dieser Teil ist am wenigsten bekannt und erforscht. Wie weit erstreckte sich das Gräberfeld südlich der Alzeyer Straße? Überlagert der mittelalterliche Judenfriedhof tatsächlich, wie es schon Koehl auf seinem Plan markierte, römische Gräber? Wäre dann seine Deutung als ursprüngliche Sandgrube, ausgebeutet für Baumaßnahmen des Bischofs, dem die Juden für jedes Begräbnis hier eine Gebühr zahlen mussten, hinfällig?

Geschichte der Stadt Worms

Подняться наверх