Читать книгу Eine Bluse macht noch keinen Sommer - Guido Maria Kretschmer - Страница 8

Der mäßige Umgang mit Geflügel oder das fliegende Textil

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Nicht alles, was Flügel hat, kann fliegen und einige Vogelarten haben das Fliegen sogar verlernt, sie bleiben lieber am Boden. Wir Menschen stehen aufrecht auf unseren Füßen und können nach oben schauen, wir hüpfen mit aller Kraft und binnen Sekunden hat uns die Erde zurück. Unsere Arme sind keine Schwingen, die uns in die Lüfte heben, egal wie geschickt wir mit ihnen schlagen. Aber unsere Gedanken können fliegen und mit genug Fantasie heben wir ab und sind frei. Selbstständig denken ist auch ein bisschen wie hoch über dem eigenen Sein zu segeln.

Wer wie Ikarus in die Lüfte steigt, der sitzt in aller Regel in einem Flugzeug oder Segelflieger, einem Flugdrachen oder aber in einem Ballon, einem, der mit heißer Luft gefüllt ist. Erfunden von den Brüdern Montgolfier, die im Jahre 1783 den Versuch starteten, den Luftraum zu erobern, weil es uns Menschen immer schon dorthin gezogen hat, wo der Himmel wohnt, über uns, über allem. Ein Weidenkörbchen, eine handelsübliche Gasflasche, ein Brenner, Sandsäcke, und das unter Inanspruchnahme einiger Seile alles an einen großen Ballon zu hängen ist abenteuerlich und mutig gleichermaßen.

Aber auch auf der Erde lässt es sich hin und wieder fliegen. Wer einmal im hohen Bogen geflogen ist, der hätte sich Flügel gewünscht und Schutzkleidung, die Schlimmeres verhindert hätte. Wir fliegen von der Schule und aus einer Stelle, wenn es nicht gut läuft, wir lassen aber auch unsere Gedanken fliegen und in unseren Träumen schweben einige von uns durch die Luft und hin und wieder ist genau dieser Umstand der Grund für die Entlassung. Andrea Berg ist »mit dir so hoch geflogen« und war »dem Himmel ja so nah« und alle singen mit. Wir haben sogar ein Insekt, das wir im Plural »Fliegen« nennen, und die Angehörigen dieser Spezies sind dem aufmerksamen Zuschauer von Krimis wohlbekannt als die Ersten, die kommen, wenn es sich für uns ausgeflogen hat.

Vor nicht allzu langer Zeit hat sich eine Teenagerfliege auf meine Hand gesetzt, sie hat in aller Ruhe mit mir den Nachmittag verbracht, sie saß mal auf dem Stift, mit dem ich zeichnete, dann auf meinem Arm und zu guter Letzt auf meiner Schulter, als wolle sie mir über selbige schauen. Sie hat etwas Wasser geleckt und an einem Krümel genagt und hat sich tadellos benommen. Also, ich mochte sie und habe sie Hildegard getauft, und nachdem sie Stunden mit mir, oder besser auf mir, gesessen hat, habe ich sie in den Garten gebracht. Sie blieb noch etwas sitzen und flog dann ab, und nach einer Runde nahm sie noch einmal kurz auf meiner Schulter Platz, um dann zu verschwinden. Seit diesem Tag ist es mir unmöglich, nach einer Fliege zu schlagen, es könnte Hildegard oder einer ihrer Nachkommen sein!

Aber es fliegen nicht nur Insekten und Vögel, sondern manchmal auch die Röcke, und von einer, die ein großes Verlangen spürte, leicht zu sein, möchte ich Ihnen jetzt erzählen. Sie hatte ein enges Verhältnis zur Luft und allem, was sich bewegte, und konnte sogar einen Heißluftballon fliegen. Sie liebte Kleider und Röcke, die fliegen konnten, und sie drehte sich so gern hin und her, dass es eine Freude war, ihr dabei zuzusehen. Sobald sie sich bewegte, lag alle Aufmerksamkeit auf ihr, und obwohl sie sich noch am Boden zu bewegen schien, war sie ein Luftwesen und hob ab. Sie schwebte an einem heißen Sommertag in mein Leben und vom ersten Augenblick dachte ich: »Sie ist ein Vogel.« Sie war klein, ohne dabei winzig zu wirken, aber winzig genug, um immer etwas Angst um sie zu haben. Eine Elfe mit fast durchscheinender Haut, wie die Flügel einer Fledermaus, und ihre Nase war so spitz wie der Schnabel eines Vogels. Sie hatte etwas von einem Küken, aber ohne den Flauschanteil, und sie konnte picken und scharren und war so flink wie eine Bachstelze. Als sie einmal etwas auf ihre Anprobe warten musste, da haben wir sie schneller bedient als geplant, da wir dachten, sie scharrt mit ihren Schuhen den Parkettboden durch, wenn es noch etwas länger dauert. Auch machte sie vogelähnliche Geräusche, sie piepte zwischen ihren schnell gesprochenen Sätzen, und wenn sie sich entspannte, dann machte sie wie das Lieblingshuhn meines älteren Bruders »Pooogg«. Das Huhn hieß Gertrud und war eine schwarze Legehenne. Sie war der Spielkamerad meines Bruders, und die viele Zeit, die sie zusammen verbrachten, nutzte er, um ihr einige Kunststückchen beizubringen. Na ja, Tricks ist vielleicht etwas viel gesagt, aber er war der festen Überzeugung, dass, wenn er »Hopp, Gertrud« sagte, der Vogel von seiner rechten in die linke Hand springen würde. Ich habe es nie gesehen und leider auch nicht die 500 Schüler in unserer Aula, die dem ersten Auftritt der beiden beiwohnen durften. Es hat Jahre gebraucht, bis das Huhn in der Erinnerung so einiger verblasste. »Gertrud Hopp« ist ein fester Bestandteil meiner Familie und die Gute ist erst Jahre später altersschwach von der Stange gefallen. Sie war eine Seele von Huhn und vermutlich eine große Künstlerin und irgendwie meine erste Schwägerin, da sie die erste feste Freundin meines Bruders war. Ich bin froh, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Thomas Gottschalk bekannt war, ich bin mir sicher, er hätte sie gewollt und »Gertrud Hopp« hätte die Wette verloren. Sollte jemals ein Junge mit einem Huhn zum Supertalent kommen, ich werde die beiden eine Runde weiterkommen lassen, egal wie wenig der Federvogel kann, es wäre meine Wiedergutmachung.

Aber zurück zu meinem »Fluggerät« mit zwei dünnen Beinchen und einem schulterlangen grauen Bob, der seine Bahnen in die Luft schrieb, sobald sie sich drehte. Ich hatte nicht einmal das Gefühl, ihr je richtig in die Augen geschaut zu haben, da sie hinter ihrem dichten langen Pony nicht zu erkennen war. Die Nase, die an einen spitzen Schnabel eines Vogels erinnerte, war das einzige, was durch die Haare schaute, und es war immer ein großes Vergnügen, wenn das Köpfchen sich wieder bewegte und ihr Gesicht für Sekunden zum Vorschein kam. Ein seltsames Menschlein und ein eigenwilliges noch dazu, aber freundlich, und es hätte mich nicht gewundert, wenn sie in einem Nistkasten gewohnt hätte. Einmal habe ich hinter ihr den Finger ausgestreckt und leise »Gertrud, hopp« gesagt, aber sie war auch ein störrisches Huhn und schlecht zu trainieren.

Diese Vogelfrau hatte einen Sohn und der hatte nichts von der Leichtigkeit seiner Mutter. Seine Erscheinung, wenn es der Vergleich in der Zoologie zulässt, eher ein Walrösschen, um es vorsichtig auszudrücken. Er war der absolute Gegenentwurf, und wie er überhaupt aus dieser kleinen Frau geschlüpft sein konnte, ist eines der Wunder des Lebens. Sicher, zu diesem Zeitpunkt war er auch nur ein Säugling, aber es musste etwas falsch gelaufen sein bei der späteren Fütterung. Sie brachte ihn an einem Nachmittag mit in mein Atelier, er war sicher schon Anfang der Vierziger und ein klassisches Riesenbaby, das es sich im Hotel Mama gemütlich gemacht hatte. Auf den ersten Blick war klar, er war unvermittelbar, und als er mir die Hand gab, da spürte ich diesen nassen Griff, wodurch seine Chancen auf dem Heiratsmarkt noch einmal erheblich sanken. Seine Mutter ließ nichts unversucht, den Sohn an die Frau zu bekommen, irgendeine, um genauer zu sein. Einmal sagte sie zu mir: »Er bekommt ein kleines Vermögen, haben Sie nicht eine in der Hinterhand, die ihn heiratet? Hier gibt es doch sicher ein nettes Mädchen?« Nein, das hatte ich nicht und ich weiß, es verbietet der Anstand, diesem Mann nicht auch eine Partnerin zu gönnen, aber ich hatte Verständnis dafür, dass auch ein Millionenerbe ihn nicht attraktiver machte. Er war wirklich nicht sehr gelungen und es würde mich nicht wundern, wenn die Mutter ihr Haar nicht auch ein wenig wegen ihm zu lang vor den Augen trug.

Er schwitzte so stark, dass er immer einige Hemden zum Wechseln dabeihatte, und hätte er doch nur die trockene Art seiner Mutter gehabt, dann bin ich mir sicher, es hätte die eine oder andere gegeben, die beide Augen zugedrückt hätte. Selbst eine Anzeige in der Süddeutschen, »vermögender Alleinerbe«, hatte nicht die ersehnte Schwiegertochter gebracht und ich glaube, es lag nicht nur an der Optik und der Hyperhidrosis. Er war so schrecklich uncharmant und er trank immerzu Cola und quengelte wie ein Kind. Zu allem Übel hatte er die Angewohnheit, »äh« zu sagen, und das ist, wenn es nach jedem zweiten Wort geschieht, auch nicht wirklich gut zu ertragen.

Er wünschte sich allerdings eine Freundin, und als ich ihn einmal fragte, wie sie denn in seiner Vorstellung auszusehen habe, da war endgültig klar, er hatte nicht alle Tassen im Regal und noch nie in den Spiegel geschaut! Er war zu allem Übel noch ein unverbesserlicher Macho und nach dem zweiten »äh«, da war es so sicher wie bei unserer guten Gertrud, er würde nie »hopp« machen können, nein, das würde er nicht. Später erzählte mir die Mutter, dass eine Dame sich auf die Kontaktanzeige gemeldet und sich im Nachhinein als eine Prostituierte herausgestellt hatte und ein sehr nettes Mädchen gewesen wäre, aber auch sie hatte verzichtet. Geld allein macht auch nicht begehrenswert. Sie bekam ihn nicht los und ich schlug vor, ihn doch in eine eigene Wohnung mit Putzhilfe zu verfrachten. Doch die Aussicht, sein Leben mit Playstation und Pizzataxi verbringen zu können, reichte wohl auch nicht, ihn in die Selbstständigkeit zu bewegen.

Vielleicht haben es ihr die Fahrten in ihrem Ballon leicht gemacht, zu schweben über dem Alltag und der Verantwortung für den Sohn. Immer wenn sie mir von den Reisen in ihrem Ballon erzählte, dann hörte ich mit Spannung zu und war mir sicher, niemals diese Freude mit ihr zu erleben. Ich sollte mich gewaltig irren, da sie mir zu meinem Geburtstag einen Flug schenkte und mich überredete mit ihr zu fliegen. Tellerröcke können auch fliegen, sagte sie zu mir, während ich den Saum absteckte, und gleich drehte sie sich wieder und ich musste lachen und sagte: »Ich mach es, ich fliege mit Ihnen.« Meine Einschränkung, nicht so hoch zu steigen und auch nicht zu weit zu fliegen, lächelte sie weg.

Weit schwingende Röcke brauchen etwas Schmales oben, und wenn nicht möglich, dann zumindest an der Taille etwas Körpernähe. Meine Kundin kombinierte immer einen Pullover und eine für meinen Geschmack viel zu weite Strickjacke. Damit sah sie immer unförmig aus und wurde ihrer zarten Gestalt nicht gerecht. Der einzige Grund für sie, von mir Angefertigtes zu tragen, war wohl ihre schmale Taille und dass Tellerröcke im Handel nicht immer zu bekommen sind. Ein weit schwingender Rock ist ein nicht zu unterschätzender Materialverbraucher, da seine Bahnen rund aus dem Stoff geschnitten werden. Sollte dann noch ein Muster zum Einsatz gekommen sein, dann gehen der Materialverbrauch und der damit verbundene Verschnitt ins Beachtliche. Um mich bei ihr für die freundliche Einladung zu einer, sagen wir mal, nicht besonders stark ersehnten Reise mit ihrem Heißluftballon zu bedanken, hatte ich mir etwas ganz Besonderes ausgedacht. Ich suchte fast alle noch vorhandenen Stoffstückchen ihrer Röcke zusammen und baute eine hoch komplizierte Collage in Form eines schwingenden Rockes zusammen. Jetzt bin ich nicht der ausgeschriebene Fan von Mustermix, aber ich muss an dieser Stelle sagen, es war gelungen und eine reizvolle Kombination und eine kleine Handwerkskunst. Mit Sicherheit hatte und sollte ich nie wieder so viel Zeit mit einem Tellerrock verbringen dürfen! Ich verbrachte Tage damit, den Stoff zu schneiden und ihn zusammenzunähen, zudem war ich mehrmals an dem Punkt, die komplizierte Arbeit zu beenden und nach einer hoffentlich sicheren Landung mit einem Blumengruß meine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Eine befreundete Designerin, die mich in meinem Atelier besuchte, war so begeistert von der Kreation und dem Verlauf der verschiedenen Muster, dass sie mich für diese Fleißarbeit für den Friedensnobelpreis vorschlagen wollte oder alternativ den Rock direkt an das Kostümmuseum im englischen Bath zu überstellen gedachte.

Der Morgen meines ersten Ballonfluges begann mit erheblicher Verzögerung, denn mein Auto war noch nicht wieder eingetroffen, da es zusammen mit meiner lieben Mitbewohnerin Urlaub bei ihren Eltern machte und die beiden spontan entschieden hatten, noch einen Tag länger zu bleiben.

Der Flugplatz lag außerhalb der Stadt und es kostete mich etwas Mühe, das Ziel pünktlich zu erreichen. Im Nachhinein muss ich sagen, meine verspätete Ankunft hatte den Vorteil, nicht bei dem zeitaufwendigen Aufbau dabei gewesen zu sein, was mir der spätere Abbau deutlich zeigte. Zudem stand der Ballon schon in seiner vollen Pracht und war sozusagen »abfahrbereit«. Es wurde übrigens nie von fliegen gesprochen, sie sagen fahren, und warum das so ist, ist mir schleierhaft. Ich kann nur so viel sagen, ich bin dann später für mein Empfinden – geflogen!

Das Flugfeld, oder sagt der gemeine Ballonfahrer Parkplatz, wer weiß das schon, war gut besetzt, da sicher an die 10 Fluggeräte auf ihren Start warteten. Ich muss schon sagen, es gab auch Abenteuerliches: neben den üblichen Ballonformen eben auch eine Art Glücksschwein und eine Tüte Kölner Zucker. Ich wäre nie in die Zuckertüte gestiegen und auch der Einstieg in meinen Ballon kostete mich erhebliche Überwindung. Den Umstand, dass der Ballon meiner Kundin mit einer Versicherungswerbung versehen war, deutete ich als ein gutes Zeichen, da ja bekanntlich diese Unternehmen genau prüfen und einen möglichen Absturz nicht in Kauf nehmen würden, das hoffte ich zumindest. So ein Korb ist nicht sehr groß und es liegt auch so einiges rum, was den Aufenthalt nicht unbedingt gemütlicher macht. Aber als kein Geringerer als das Riesenbaby unter Mithilfe einiger Helfer in unseren Korb gehievt wurde, da war ich geneigt, laut »Nein!« zu rufen und das Körbchen schlagartig zu verlassen. Meine Enttäuschung über den Mitreisenden in Kombination mit der zu erwartenden Flugangst ließen mich nur »Hallo« sagen.

»Hallo« war eigentlich das Letzte, was ich zu ihm sagen wollte, ich hatte jetzt einfach nur noch Bedenken, ob wir überhaupt jemals abheben würden. Schweißnass winkte er wie von Sinnen allen zu und rief pausenlos: »Jetzt gehts los, hallo, jetzt gehts los …« »Frommer Wunsch«, dachte ich. Wir verloren den Kontakt zum Boden und es hatte etwas Magisches, das muss ich an dieser Stelle schon sagen, ich flog, die anderen fuhren, selber schuld, dachte ich noch! Der schwitzende Sohn hörte erst dann auf, »Hallo, hallo« zu rufen, als die Mutter ihm ein Butterbrot anbot. Immer wenn er sich bewegte, dann hatte ich Angst, da die heiße Luft nicht wissen konnte, wie er aussah, und die Schwerkraft eine nicht zu unterschätzende Größe ist.

Wir flogen über die Welt, es war wunderbar und der Wind brauste uns um die Ohren. Nach einer geraumen Zeit hatte ich mich auch an das Geräusch gewöhnt, das unser Gasbrenner immer wieder von sich gab. Meine Kundin strahlte über das ganze Gesicht, und hier oben in der Luft, da hatte ich die ganze Zeit freien Blick auf ihr Gesicht, und als ich ihr sagte: »Sie sind ein Vogel, ich wusste es seit dem ersten Augenblick», da lächelte sie und sagte: »Und Sie ein Schatz.« Es war ein so schöner Augenblick, und noch heute, viele Jahre später, bin ich ihr noch unendlich dankbar dafür, und genau in diesem Moment des absoluten Glücks, da überholte uns die Zuckertüte! Es mag sich jetzt vielleicht pathetisch anhören, aber seit dem Tag hatte ich immer das Gefühl, es wird vielleicht gut gehen, mit meinen Träumen. Um meiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, war der perfekte Zeitpunkt gekommen und damit der Moment, ihr mein Geschenk zu überreichen. In windigen Höhen holte ich das Paket mit der Fleißarbeit aus meiner Tasche und gab es meiner Vogelfrau. Als sie den Rock in den Händen hielt, da sagte sie so etwas wie: »Wie wunderschön«, und zu ihrem Sohn: »Schau mal, was der Guido für mich gemacht hat.« Der Unsägliche griff nach dem Rock und sagte noch etwas wie: »Schau mal, wie er flattert …«, und da flog er auch schon davon. Einfach so tanzte er im Wind und ich konnte nur noch sagen: »Schauen Sie einmal, wie schön er fliegt«, und dann sagte sie: »Ich hoffe, er landet in einem Wohngebiet.« Er flatterte langsam davon und es brauchte eine lange Zeit, bis ich ihn nicht mehr erkennen konnte. Er war verschwunden und ich weiß nicht, ob er überhaupt jemals gefunden wurde, vielleicht ist er auch auf einer Wiese gelandet und verging mit den Jahren. Sollten Sie ihn gefunden haben und er in Ihrem Schrank ein neues Zuhause gefunden haben, dann wissen Sie jetzt, er war ein Meisterstück und ist vom Himmel gefallen wie Ikarus und er verabschiedete sich in einem Moment des vollkommenen Glückes!



Röcke

»Schöne Röcke sind nicht immer kurz, kurze Röcke nicht immer schön.« GMK


Was ist eigentlich ein Rock?

Der Rock ist ein Kleidungsstück, das ab der Taille den Unterkörper und die Beine verdeckt. Röcke werden vor allem nach ihrer Länge eingeteilt und dann erst in die verschiedenen Verarbeitungen und unterschiedlichen Designs. Es gibt die Minilänge und die endet unter dem Po und geht dann Richtung Knie. Je näher der Rocksaum jedoch der Kniekehle kommt, desto weniger ist er ein Minirock. Wenn das Knie knapp bedeckt ist, dann spricht die Modewelt von einem Midirock. Der Rock, der bis an die Fußknöchel reicht, ist der Maxirock.

Am Anfang war nicht nur das Feuer, sondern sicher auch der Rock. Der Urmensch hat sich sicher etwas Leder, Fell oder ein großes Blatt um die Hüften geschnürt und der Lendenschurz war geboren oder der erste Minirock hockte am Feuer und knabberte an einem Knochen. Röcke wurden kostümhistorisch betrachtet immer von beiden Geschlechtern getragen und erst im 14. Jahrhundert kannten wir die ersten Vorläufer der Hosen, den Halbrock. Ein unten zugenähter Rock, mit zwei Öffnungen für die Beine. Ab dem 15. Jahrhundert wurde der Rock immer mehr zum Kleidungsstück der Frauen. Es gab weiterhin Kleider, aber die Trennung von Unter- und Oberteil ließ den Rock als eigenständiges Kleidungsstück immer populärer werden. Auch heute gibt es noch einige Kulturen, für die der Rock das wichtigste Kleidungsstück für beide Geschlechter ist. Der Sarong und der Longyi sind für Frauen und Männer in Indonesien Basiskleidung. Der Kikoi ist der Rock der Afrikaner, ebenfalls getragen von beiderlei Geschlecht. Der Pareo ist auch ein Rock und seine heutige Nutzung als beliebter Schal ist eigentlich eine Zweckentfremdung. Ausnahme in unseren Breiten sind die Schotten, die mit ihren Kilts einen Männerrock geschaffen haben, der mit seinem Muster auch noch den jeweiligen Clan repräsentiert. Es ist unglaublich, wie viele verschiedene Schottenmuster es gibt. Auch in Albanien und Griechenland gibt es noch den Rock für den Mann.

Für unsere lieben Schweizer Nachbarn heißt ein Rock Jupe und Rock ist ein Kleid. Die Mode kennt eine Vielzahl von verschiedenen Rockmodellen und die wichtigsten möchte ich Ihnen vorstellen. Vielleicht macht es Ihnen etwas Lust auf dieses wunderbare Textil, den mehr Frauen tragen können, als Sie vermuten.

Was für Rockformen gibt es und wer sollte welches Modell tragen?


Der Bleistiftrock oder Pencilskirt

… ist ein schmaler Rock und etwas höher in die Taille geschnitten. Er ist mit seiner engen Form die weiblichste Rockform, die wir kennen. Er ist ein perfekter Begleiter zu schmalen Blazern und ein beliebter Kostümpartner. Durch seine über die Taille reichende Höhe ist er ein Figurenschmeichler und lässt die Beine länger wirken. Er ist in der Regel hinten einfach oder doppelt geschlitzt und macht einen schönen Po und streckt den Unterkörper. Diese Rockform ist ein Klassiker und kann von schlanken und zarten Frauen natürlich perfekt getragen werden. Aber er ist auch die Form der weiblichen Rundungen, ein Bleistiftrock macht eine aufregende Silhouette. Alle Pumps mit Absätzen, die gern auch einmal etwas höher ausfallen dürfen, verstärken noch den sexy Look dieses Rockes. Ein Pencilskirt mit einem engen Pullover und einer schönen Brosche, einem kleinen Taillengürtel und einem schönen High Heel ist elegant und aufregend. Die Kombination mit einem weiten Oberteil ist ein spannender Look und ist ideal für Frauen, die etwas »Taillengold« verbergen wollen. Bleistiftröcke sind mit Blusen und kleinen Jacken ein Hingucker und absolut bürotauglich. Kastenförmige Oberteile sind modern und mit dieser schmalen Rockform absolut angesagt. Diese Röcke wollen gern etwas wackeln, bewegen Sie ruhig ihre Hüften und genießen Sie das Gefühl, eine Frau zu sein.

Der Minirock

… erfunden in den 60er-Jahren von Mary Quant, einer englischen Designerin. Das Model Twiggy, die auch als die »teuerste Bohnenstange der Welt« bezeichnet wurde, war die Ikone dieses kurzen Rockes und Vorbild für junge Frauen. Der Minirock war wie kaum ein anderes Kleidungsstück eine Revolution und Auslöser für endlose Diskussionen mit Eltern und ihren Töchtern. Der Minirock war Kult und junge Mädchen und Frauen wollten ihn tragen. So viel Bein hatte die Welt zuvor noch nie an Frauen in der Öffentlichkeit gesehen. Heute sind diese kurzen Röcke immer noch angesagt und die Formenvielfalt und die abenteuerlichsten Materialien lassen diesen Kleinen nicht aus der Mode kommen. Er ist geeignet für Frauen mit schlanken und wohlgeformten Beinen. Die kleinen Elfen können wie die Alles-oben-Mädchen natürlich Miniröcke tragen, sollten aber bei Materialien wie Leder und glänzendem Lack nicht unterschätzen, dass dieser Look eine eindeutige Anziehungskraft hat. Miniröcke können sexy, aber auch lässig gestylt werden, eine Strumpfhose und ein lässiger Boot lässt den Look rockig wirken. Minirock und enges Shirt sind ein beliebter Style für einen Club, und ein Paillettenstoff unterstützt noch einmal den Discolook. Ein kurzer Minirock mit einem XL-Pullover kann angezogen wirken, wenn Leggings und ein schöner Schuh dazu kombiniert werden.

Wickelröcke

… sind nicht nur praktisch und beliebt im Sommer, sondern können auch im Winter in einer schönen Wollqualität einen ganz besonderen Reiz haben. Diese Rockform ist offen verarbeitet und besteht aus einem geraden oder leicht angeschnittenen Stück Stoff mit einem Bindegürtel, der lässig auf der Hüfte oder auch in der Taille getragen werden kann. Ein Wickelrock wird häufig im Ethnostil oder in farbenfrohen Drucken angeboten. Dann sollten Sie immer schlichte Oberteile dazu kombinieren. Ein Wickelrock ist immer etwas voluminöser durch die übereinanderliegenden Stoffbahnen, ein schmaleres und körpernahes Oberteil ist dann immer von Vorteil. In einer meiner letzten Kollektionen habe ich einen schwarzen Wickelrock in einer fließenden Wolle und mit großen aufgesetzten Taschen entworfen. Ich habe ihn kombiniert mit einem schlichten dunkelgrauen Pullover, einer weißen Bluse, einem Ledergürtel, dunkelgrauen Wollstrümpfen und einem schwarzen Ankle-Boot. Ein wirklich schöner Look, und ich habe eine Kundin von mir in einer Hotel-Lobby getroffen und sie trug genau diesen Style. Sie sah umwerfend aus mit ihren grauen Haaren und ihren sicher schon siebzig Jahren. Später im Aufzug musste ich lächeln und dachte, was für einen schönen Beruf ich doch habe.

Glockenrock

Dieser Rock besticht durch seinen weiten Saum. Er ist aus einem kreisförmigen Stück Stoff gearbeitet und ist an der Taille schmal und läuft zum Knie weit aus. Diese Form war der Lieblingsrock der 50er-Jahre und er wurde in dieser Zeit gern mit einem Petticoat getragen. Die schmale Taille wirkte durch die Saumweite noch schmaler und es ließ sich ausgelassen in ihm tanzen und durch die Luft schleudern. Noch heute findet dieser Rock mit dem Lebensgefühl der 50er-Jahre seine Anhänger. Glocken oder Tellerröcke brauchen eine Taille und ein schmales Oberteil. Tops mit großen Ausschnitten, schmale Blusen und Korsagen passen hervorragend zu diesen weiten Röcken. Ballerinas und Pumps sind die erste Schuhoption. Die weiten Röcke sind geeignet für Frauen, die keine oder auch etwas zu viel Hüfte haben. Besonders sollte bei dieser Rockform darauf geachtet werden, dass die Oberteile nicht zu voluminös wirken und sie immer Ihre Taille zeigen müssen.

Der Rock in A-Form

Dieser leicht ausgestellte Rock ist der für alle. Jede Größe kann diesen Rock tragen. Eine schmale Taille, eine leicht ausgestellte Hüfte und ein schwingender Saum machen diesen Rock perfekt. Tragen Sie ihn mit Blazern, schmalen Oberteilen und Blusen. Modemädchen tragen ihn mit einem kurzen Kastenoberteil oder bauchfrei. Dieser Rock ist auch mit Eingrifftaschen und einem Gürtel praktisch und modisch. Kombinieren Sie ihn mit Stiefeln, Pumps und Boots, er ist ein Multitalent und er sollte in Ihrem Schrank und in Ihren Kombinationen einen festen Platz haben. Er ist schön zu kurzen Mänteln, und auch zu einem Blouson oder einer kurzen Lederjacke können Sie ihn kombinieren. Es gibt diese Form selbstverständlich auch in der durchgeknöpften Variante. Dieser Schnitt ist auch häufig Grundlage für Faltenröcke und auch für die plissierte Variante. Der Rock in der A-Form braucht keinen Schlitz und ist am häufigsten knieumspielt.

Der Tulpenrock

Diese Rockform ist nicht in Holland erfunden worden und Frau Antje hat vermutlich auch keinen Käse damit durch die Niederlande gerollt. Die Form der Tulpe stand Pate für diesen eigenwilligen Rock. Erstaunlicherweise habe ich meinen ersten kleinen Preis genau für so einen Tulpenrock mit einem Blazer bekommen. Er ist ein Modell, das als eigenwillig zu bezeichnen ist und immer nur von wenigen Frauen getragen wurde. Dieser Rock hat eine schmale Taille und macht einen sanften Übergang von oben zur Hüfte. Seine Weite erhält dieser Rock durch eingelegte Falten, die sich aber nach unten wieder etwas verschmälern. So entsteht die Blütenform und die tulpige Optik. Dieses Modell war in meinem Siegerlook aus dunkelrotem Wollcrêpe gearbeitet und hatte einen aufwendig in schmale Falten gelegten Bund. Er wurde später produziert von einem Modeunternehmen und erhielt den Namen Erika. Von dem Preisgeld kaufte ich mir meinen ersten Bügelautomaten. Der Rock hatte mir Glück gebracht, der Bügelautomat allerdings nicht, er hatte sich genau einen Tag nach Ablauf der Garantie dazu entschieden, nicht mehr zu dampfen. Immer wenn ich einen Tulpenrock entwerfe, oder auch jetzt hier an meinem Schreibtisch sitze und dieses Buch schreibe, muss ich an den Tag denken, als der Bügelautomat kam. Er war so groß, dass er nicht durch die Wohnungstür ging. Meine damalige Vermieterin, die gute Frau Blume, erlaubte mir dann den Riesenautomat im Treppenhaus stehen zu lassen und vor der Tür zu bügeln. Als kleinen Dank an die Blume und meine lieben Nachbarn dämpfte ich immer wieder etwas für sie auf. Vermutlich hat er das zugige Altbautreppenhaus nicht vertragen … Den Tulpenrock können Frauen tragen, die etwas an den Hüften »dazuschummeln« wollen, also die sympathischen Bretter. Er macht eine feminine Figur und kann auch ein leichtes »Zuviel« elegant umspielen. Die Perfekten, die Elfen, die Alles-oben-Mädchen und natürlich die Walküren können diesen Rock tragen. Die lieben Händchen der Alles-unten-Damen und Buddhagirls sowie die der Kugelfische sollten von dieser Rockform gelassen werden. Kombinieren Sie ihn mit etwas Körpernahem und gern mit Blusen und Jacken. Besonders schön zu Tulpenröcken sind schmale Twinsets, und auch ein enger Pullover ist mit einem schönen Schmuck eine gute Wahl. Und denken Sie immer daran: Ein gut sitzender Rock ist eine gute Anlage, er schenkt Ihnen Bewunderung.

Eine Bluse macht noch keinen Sommer

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