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Vorsichtshalber las der Waschbär den Zettel, den Jimmy ihm vernünftigerweise überlassen hatte, ein weiteres Mal und wunderte sich erheblich. Hätte der Hase den Text nicht selbst vorgetragen, wäre es dem Bären noch schwerer gefallen, die schriftähnlichen Striche eindeutig zu identifizieren. Angestrengt überlegte er, was Loretta ihm wohl mitteilen wollte. Um sich ganz sicher zu sein, dass ihm auch nichts entgangen war, drehte er den Zettel um. Zu seiner Überraschung war die Rückseite ebenfalls beschrieben, erstaunlicherweise sogar in halbwegs leserlicher Form.

Da Jimmy mal gehört hatte, dass die linke Gehirnhälfte bei Rechtshändern betont ist, fragte er sich lange Zeit, was eigentlich die andere Gehirnhälfte während des Schreibens so treibt. Ein höchst dubioser, renommierter Arzt, kein geringerer als Dr. Dizzy Kanonenrohr, versicherte ihm, dass er dieses Phänomen zu Genüge untersucht und studiert hätte und von daher mit Sicherheit behaupten könne, dass die jeweils nicht geforderte Hirnhälfte der Ursprungsort aller wirklich schlechten Ideen sei. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass Unterforderung zwangsweise zu dummen Ideen führt. (Als Beispiel führte Dr. Kanonenrohr stets seine eigene Ehe an, auf die er sich nie eingelassen hätte, wenn er nicht zufällig gerade Zeit gehabt hätte.) Weiterhin besagt seine Studie, dass Freizeit (Unterforderung) und Alkoholgenuss meist proportional zueinanderstehen. In der Tatsache, dass Alkohol ohnehin ein großer Förderer dummer Ideen sei, sah Dr. Kanonenrohr seine These bestätigt.

Jimmy gestand sich nach dieser Erkenntnis unwillkürlich ein, bereits genug dumme Ideen zu haben, was sein Flachmann durch aufrichtiges Nicken nur bejahen konnte. Um sein volles geistiges Potential zu nutzen, beschloss er von daher nun auch mit links zu schreiben. Da er das Ergebnis meist selbst kaum lesen konnte, schrieb er die wirklich wichtigen Dinge weiterhin mit der rechten Pfote.

Die Sätze „Ich werde Großkaiser“ und „Entsetzliches Kind wird vom Wolf verschluckt!“, die den Zettel mehrfach zierten, halfen dem Waschbären aber auch nicht weiter. Emotional aufgewühlt beeilte er sich. Schon bald hatte er den kleinen Strandabschnitt hinter sich gelassen und konnte in einiger Entfernung schon die Umrisse des groß angelegten Parks erkennen, von dem aus es nur noch etwa zwanzig Meter bis zum Restaurant waren. Ohne Umschweife überquerte er die große Kreuzung, die den überschaubaren Strand von der eigentlichen Stadt trennte, und kam an mehreren in die Jahre gekommenen Bürogebäuden vorbei, die sich auf beiden Seiten der vierspurigen Straße emporreckten. Den Park im Blick, ärgerte sich der Waschbär doch sehr, dass er Entfernungen nur sehr schwer abschätzen konnte. Sonst hätte er wahrscheinlich auch nicht in unmittelbarer Nähe des Parks geparkt. Doch schließlich gefiel ihm das Geräusch, das seine schweren Tatzen auf den mit Kieselsteinen ausgelegten Wegen des Parks verursachten doch sehr. Er mochte das Knirschen einfach. Er konnte es nicht erklären, doch es beruhigte ihn irgendwie. Ein paar Mal hatte er es auch mit seinen Zähnen versucht, aber das war einfach nicht das Gleiche. Bis zum Park hatte der Bär noch einen weiten Weg vor sich, sein entschlossener Schritt verkam zum Schlendern und er verfluchte seine fatale Fehleinschätzung von Distanzen aufs Herzlichste. Äußerst kurzatmig schleppte er sich eine ganze Weile später schließlich in die Grünanlage und trat genüsslich in den Kiesweg. Das Ächzen der Kieselsteine verschaffte ihm endlich die Ruhe, die ihm der ereignisreiche Tag bislang verwehrt hatte und die er doch so dringend zum Nachdenken benötigte. Und zu bedenken gab es viel. Mindestens mehrere Dinge waren heute passiert. Flugs stellte sich der Waschbär eine Liste zusammen, um etwas Ordnung zu schaffen. „1. Frack vollgesaut. 2. Zettel von Jimmy bekommen“, notierte er sich gedanklich. Geschwind überlegte er sich die plausibelsten Optionen zur Problembewältigung, denn gänzlich unvorbereitet konnte er Loretta schließlich nicht gegenübertreten. Nach anstrengenden zehn Minuten reduzierte er die Lösungen einfach auf „Pelz waschen“ und „Ins Reich der Schwarzalben aufbrechen“. Nachdem er diese Dinge nun geklärt hatte, ging er zu seinem Auto, das er in unmittelbarer Nähe des Parks abgestellt hatte. Da die Parkplätze hinter ihm mittlerweile frei geworden waren, setzte er vier Wagenlängen zurück und ergatterte so einen Parkplatz direkt vorm Restaurant. In der Küche angekommen sah er seine Frau mit großen Augen an.

„Lorettaschatz, was sind Schwarzalben?“

„Das sind Zwerge“, sagte sie knapp, die Hände im Spülwasser.

Mund und Augen des Waschbären weiteten sich vor Begeisterung. Zwerge! Er konnte sein Glück kaum fassen. Die fähigsten Waffenschmiede, die man sich vorstellen konnte! Der Bär sah auf den Zettel, auf dem von Schweiß und Gestank die Rede war, wollte man ins Reich der Schwarzalben, wenn er es richtig verstand. Er neigte den Kopf und roch an seinem Fell.

„Findest du, dass ich stinke?“, fragte er hoffnungsvoll.

Loretta blickte vom Spülwasser auf. Sie erinnerte sich an die Verfassung des Hasen und folgerte, dass genau das passiert sein musste, was sie befürchtet hatte.

„Salsa, hast du zufällig Jimmy getroffen?“ Die Frage klang wie eine Drohung.

„Äh, ja“, sagte der Bär vorsichtig.

Sie holte tief Luft. „Ab jetzt werde ich vergessen, dass du und Jimmy gemeinsam zur Schule gegangen seid. Soll dieser Trottel doch seinen Suff von anderen sponsern lassen. Und essen wird er hier auch nicht mehr, klar! Lade ihn also nicht ständig ein! Und überhaupt, wie siehst du eigentlich aus?“

„Äh, der Eismann ist schuld“, stammelte der Waschbär langsam, als ihm plötzlich klar wurde, dass er ein Problem ganz vergessen hatte. Allmählich meinte er sich erklären zu können, warum sich Jimmy ständig Notizen machte. Klar, aufschreiben ist besser. Das nächste Mal würde er sich auch einen Zettel malen und triumphierend ablesen, was er sich Raffiniertes ausgedacht hatte.

„Aha, der Eismann ist schuld! Weil er dir Eis verkauft hat? Sicher, ich sehe ein, dass dem Eismann völlig klar hätte sein müssen, dass der trottelige Bär nicht im Umgang mit Speiseeis vertraut ist. Eigentlich ist es ja sogar seine Pflicht darauf hinzuweisen, dass sich sein Produkt nicht zur äußerlichen Anwendung eignet. Meine Güte!“ Als sie die Farbgebung des Pelzes genauer musterte, machte sie ein äußerst nachdenkliches Gesicht und verschwendete keine Zeit mit Ratereien.

„Welche Sorten hast du eigentlich bestellt?“

„Schoko, Pfirsich und meine Lieblingssorten“, murmelte er. Eine Antwort, die genauso aussagekräftig war, wie eine beliebige Zahl mit unendlich zu multiplizieren.

„Ja, das ist eine Erklärung“, sagte sie kopfschüttelnd.

Mokka Noir

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