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Mord an Familie Steffens

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Dort hingen die drei Steffens an Seilen aufgeknüpft sie waren tot, die Köpfe zeigten schräg nach unten, ihre Augen waren geschlossen, der Gesichtsausdruck der beiden Alten waren verzerrt. KHK Kortner und KOK Schneider hatte der Atem kurz gestockt, sie fingen sich aber gleich wieder, sie überlegten, ob sie die Leichen abschneiden und herunternehmen sollten, ließen das aber. Stattdessen riefen sie auf dem Präsidium ihren Chef an und erzählten ihm, was sie bei Bauer Steffens vorgefunden hätten, er sollte die KTU und den Notarzt schicken. Sie warteten eine Zeit lang in der gespenstischen Szenerie, mit den drei Toten in der Scheune wirkte der Steffenshof noch heruntergekommener und abstoßender. Die Schweine grunzten laut in ihrem Verschlag, weil sie schon seit längerem nichts zu fressen bekommen hatten und KOK Schneider nahm ein paar Kohlstrünke, die dort herumlagen und warf sie in den Schweinekoben. Mit lautem Gequieke und Gegrunze stürzten sich die Schweine auf das Futter, fast zerdrückten die große Tiere die kleinen Ferkel dabei.

Die drei Steffens hingen in der Scheune wie Schinken, die zum Austrocknen dort hingehängt worden waren, und als auch die Schweine zur Ruhe gekommen waren, herrschte eine furchteinflößende Stille. Die beiden Beamten liefen in der Scheune herum, die sehr ausladend war und kamen in deren hinterem Teil zu einem Unterstand für die Landmaschinen, über die Bauer Steffens verfügt hatte, das waren neben dem Traktor ein Heuwender, ein Pflug und eine Egge, alle übrigen Maschinen hatte er sich bei dem Maschinenring geliehen, den es in Schüttbach gab. An er Wand hingen Werkzeuge, die man für die Ackerbearbeitung brauchte und es hing eine Rolle von dem Draht dort, der von der gleiche Art war wie der Draht, mit dem Annabelle Memmert ermordet worden war. Sein Ende war blank, das hieß, dass vor Kurzem ein Stück von ihm abgeschnitten worden war. Mittlerweile hatten sich die beiden Polizisten an das schreckliche Bild gewöhnt, das sich ihnen bot, sie schnitten ein Stück von dem Draht ab und wollten es ins Labor zur Untersuchung geben. Als die KTU und der Notarzt eingetroffen waren, machten die Männer beim Anblick der aufgehängten Toten ein sehr verstörtes Gesicht. Nachdem die KTU ihr Okay gegeben hatte, schnitten die Beamten die Toten ab und legten sie auf die bereitgestellten Bahren. Benjamin hatte sein ewiges Lächeln auch im Tode nicht verloren, seine Eltern hatten den Ausdruck des Entsetzens im Gesicht. Die Toten wurden in die Leichenwagen geschoben und zur Forensik nach Mensingen gebracht.

Die KTU untersuchte die Scheune und das gesamte Hofgelände nach Spuren, um den Tathergang aufzuhellen. In der Zwischenzeit durchstreiften KHK Kortner und KOK Schneider den Hof, ziellos, sie waren gespannt darauf, ob sie etwas entdeckten, dass sie weiterbrächte. Sie hatten inzwischen fünf Morde aufzuklären und außer den Männern, die vor ihnen in Schüttbach geflohen waren und von denen sie nur eine vage Beschreibung hatten, keine Anhaltspunkte. Sie umrundeten die Scheune und fanden hinten auf dem Hof zwei Schuppen, in dem einen lagerte Holz, in dem anderen hatte sich Benjamin wohl einen Spielplatz gebaut, es gab dort jedenfalls eine Schaukel und in der Ecke Bauklötze, auch ein Jugendfahrrad stand in dem Schuppen. Die Polizisten gingen weiter und kamen an einer verlassenen Hundehütte vorbei, der Hund war sicher längst gestorben. Daneben gab es in die Erde eingelassene Pfähle, an denen Wäscheleine befestigt war, auf der Leine steckten die Wäscheklammern. Sie betraten anschließend das Haus, vor dem man eigentlich erst einmal zurückschreckte, so hässlich und dreckig sah es aus und als sie die Haustür geöffnet hatten, schlug ihnen ein fürchterlicher Gestank nach vergorenem Essen entgegen. Sie ließen die Tür offenstehen und rissen die Fenster auf, es dauerte eine Zeit, bis sich eine Luft einfand, die man halbwegs einatmen konnte, ohne sich gleich übergeben zu müssen.

In der Diele, in der sie sich befanden, stand außer einem kleinen Tischchen kein Möbelstück, an einem groben Stück Holz, das an die Wand gedübelt war, waren einige Haken befestigt, an denen Arbeitskleidung hing, ein dunkelgrüner Overall, ein Haushaltskittel und ein alter Mantel. Allmählich fand sich im Haus eine brauchbare Atemluft ein, die beiden Beamten gingen nach links ins Wohnzimmer und kamen in einen Raum, in dem ausschließlich schäbige abgewetzte Möbel standen, die noch dazu völlig altmodisch waren. Das einzige Utensil, das in dem Zimmer neueren Datums war, war ein riesiger Flachbildfernseher, der für den Raum viel zu groß dimensioniert war, er hatte eine Diagonale von einem Meter und fünfzig Zentimetern und musste, weil er so ausladend war, an der Raumlängsseite stehen. Gegenüber gab es eine Schrankwand aus Schleiflack, in der einige vergilbte Fotos standen, man konnte Benjamin als Kleinkind sehen und es gab ein Foto von der Trauung der Steffens, die schon Jahrzehnte zurücklag. An der Wand hing ein Bild von einem röhrenden Hirschen über dem Sofa, vor dem Sofa stand ein alter niedriger Couchtisch und es gab zwei Sessel, die noch von der Möbelerstausstattung der Steffens zu stammen schienen. Die Polizisten gingen danach in die Küche, in der es immer noch stank, KHK Kortner hob den Deckel von einem Topf auf dem Herd und war auf die Ursache des Gestankes im Haus gestoßen.

Er legte den Deckel sofort wieder auf den Topf und verließ eilends das Haus nach draußen, wo er sich fast übergeben musste, KOK Schneider war ihm gefolgt, es ging ihm nicht besser. Sie gingen wieder hinein und kamen neben der Küche in ein Badezimmer mit Toilette, in dem offensichtlich lange nicht mehr sauber gemacht worden war, der Badewannenabfluss war voller Haare, die Toilette war verschmutzt, es gab einen unansehnlichen Plastikduschvorhang an der Badewanne, ein winziges Fenster ließ nur wenig Licht in das Badezimmer, an der Decke hing eine unverkleidete Glühbirne. Gegenüber lag Benjamins Zimmer, auch in diesem Zimmer war lange nicht geputzt worden, Benjamins schmutzige Wäsche lag auf dem Fußboden, sein Bett war nicht gemacht, die Schranktüren standen offen und Kleidungsstücke waren auf den Boden gefallen. Es gab einen Schreibtisch, auf dessen Unterlage einige Blätter mit Kritzelzeichnungen lagen, es gab keine Gardinen am Fenster und an der Decke hing eine billige Kaufhauslampe. KHK Kortner und KOK Schneider sahen sich an und schwiegen, es gab angesichts des traurigen Bildes, das sich ihnen bot, auch nichts zu bereden. Sie liefen gegenüber ins Schlafzimmer und sahen dort ganz alte Möbel, es gab sogar noch eine hässliche Frisierkommode, bei der aber die Spiegel schon beschlagen waren. Daneben stand ein großer Kleiderschrank aus weißem Schleiflack, aus dem die Kleidungsstücke quollen, als sie ihn geöffnet hatten.

Es gab einige alte Pelzmäntel von Frau Steffens, nichts Kostbares, ein Leopardenimitat, einen Fuchs und ein Persianerimitat, daneben fielen den Polizisten einige Pullover und Hosen von Herrn Steffens entgegen., der Schrank war mit den Sachen vollgestopft, die sich im Laufe der letzten Jahre angesammelt hatten. Auf dem Bett lag eine Steppdecke, wie man sie ganz früher hatte und wie sie heute nicht mehr modern war, man konnte sich nicht vorstellen, dass sich das Ehepaar in diesem Bett jemals geliebt hatte. Vor dem Schlafzimmer gab es in der Decke des Vorraumes eine Klappe, durch die man auf den Speicher gelangen konnte, es gab eine ausziehbare Holztreppe, die man hinaufsteigen musste. KHK Kortner nahm einen Stab mit einem Haken, der in der Ecke stand und zog die Holztreppe hinunter, und als er langsam hinaufstieg, bog sie sich unter seinem Gewicht durch. Es schwante ihm nichts Gutes, als er die Klappe auf den Speicher aufdrückte und sich hindurchzwängte, KOK Schneider war ihm gefolgt. Es gab zwei alte Dachluken, die nur wenig Licht ins Dach ließen, das Licht reichte aber aus, dass die Beamte die vielen Kisten und Kästen sehen konnten, die dort aufgestapelt waren und auf denen der Staub der vergangenen Jahre lag. KHK Kortner hob den Deckel von einer der Kisten und entdeckte pornografische Fotos in Massen, es waren ausschließlich junge Frauen zu sehen, die in den ausgefallensten Posen Sex trieben, meistens lesbischen Sex.

Er öffnete noch weitere Kisten und fand auch in ihnen Pornobilder, es müssen tausende gewesen sein und als er zur Probe eine Kiste von ganz hinten und ganz unten öffnete, fand er auch in dieser Kiste Pornofotos. Es stellte sich den Beamten die Frage, was Bauer Steffen mit so vielen Pornofotos angestellt hatte und es blieb eigentlich nur die Erklärung, dass er in der Zeit, in der die Pornografie noch nicht frei zugänglich war und noch nicht im Internet von jedem heruntergeladen werden konnte, die Bilder verkauft hatte. Jetzt war er auf seinen Schundbildern sitzengeblieben und wurde sie nicht los, weshalb er sie auf seinem Speicher hortete. Einen Computer hatten die Beamten nicht im Haus gefunden, wahrscheinlich hatten die Steffens keinen Zugang zu der modernen Technik. Warum aber ist die gesamte Familie getötet worden, gab es einen Zusammenhang zu den beiden vorherigen Morden, Fragen, die die Beamten mit aufs Präsidium nahmen. Sie gaben das Drahtstück aus dem hinteren Teil der Scheune beim Labor ab und setzten sich kurz vor Feierabend noch in ihr Dienstzimmer, dachten nach und kamen nicht weiter, sie fuhren nach Hause. Am Abend rief KOK Schneider seinen Kollegen Kortner an und sagte ihm:

„Ich habe noch einmal überlegt und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Familie Steffens mit den Morden an den junge Frauen zu tun gehabt haben musste, sicher würden die Laboruntersuchungen des Drahtes ergeben, dass von der Drahtrolle das Stück Draht abgeschnitten worden wäre, mit dem Annabelle Memmert getötet worden war.“

„Wie kommst Du darauf?“, fragte KHK Kortner zurück, und KOK Schneider antwortete:

„Das ist bei mir so ein Gefühl, mehr kann ich dazu auch nicht sagen“, und KHK Kortner bestätigte ihn in seinem Gefühl, er hätte die gleichen Gedanken gehabt, könnte aber auch nicht Konkretes angeben, das die Gedanken abstützte, sie würden am nächsten Morgen den Laborbericht in Händen halten und weitersehen, sie beendeten ihr Telefonat. Als sie am nächsten Tag mach Dienstbeginn den Laborbefund erhielten, wunderten sie sich nicht, die Untersuchung hatte ergeben, dass das der gesuchte Draht war und damit gab es eine Verbindung zwischen Bauer Steffens und den Morden an den jungen Frauen, nur welche? KHK Kortner meinte, dass sie sich um den Mercedes kümmern sollten, vielleicht hätte die Fahndung ja doch etwas ergeben und sie könnten den Wagen untersuchen lassen. Er rief bei den Fahndungskollegen an und hatte tatsächlich Glück, man hatte an der Straße von Feldstadt nach Mensingen einen Mercedes Kombi des gesuchten Typs gefunden. Er war von der Straße weg in ein Feld gefahren worden und man hatte versucht, ihn hinter Maispflanzen zu verstecken, aufmerksame Anwohner hätten den Wagen aber gesehen und die Polizei verständigt.

KHK Kortner ließ sich die Fundstelle genau beschreiben und fuhr mit KOK Schneider dorthin, sie kamen gerade dazu, als der Wagen aus dem Feld gezogen worden und auf einen Transporter gehievt worden war. Die beiden Beamten riefen die KTU an und baten darum, dass man im Umfeld der Fundstelle Spuren nahm, natürlich sollten auch Gipsabdrücke der Fußspuren genommen werden. Die Straße zwischen Feldstadt und Mensingen war eine vielbefahrene Bundesstraße und die Autos rasten an der Fundstelle des Mercedes vorbei, die Beamten mussten vom Straßenrand ein Stück zurücktreten, um nicht vom Fahrtwind auf die Fahrbahn gerissen zu werden. Als die Männer von der KTU gekommen waren, verrichteten sie akribisch ihr Arbeit und suchten Mikrospuren an den Maispflanzen, sie gingen mit Lupen zu Werke und untersuchten alle Pflanzen in der unmittelbaren Umgebung, wie sie das auch am Tatort von Mareike Berenkötter getan hatten. Sie nahmen Fasern von Kleidungsstücken und winzig kleine andere Gegenstände auf und legten diese in einen Kunststoffbeutel, den sie mit zu ihrem Labor nahmen. Leider wurde am Fundort schon allzu viel herumgetrampelt, sodass die Ausbeute bei den Fußspuren nicht sehr groß war, von den brauchbaren Fußspuren machte man aber Gipsabdrücke und nahm sie mit. KHK Kortner und KOK Schneider kannten von den KTU-Leuten Jo Leinert, einen erfahrenen Mann, der auch die Spurensuche bei Mareike Berenkötter geleitet hatte.

Jo Leinert wohnte in Feldstadt und war ein korpulenter Mitfünfziger mit Vollbart, der gerne einmal einen Whisky trank, er machte einen gemütlichen Eindruck. Wenn es aber darum ging, erhaltene Spuren auszuwerten, wurde er ganz ernst und ließ sich von niemandem in seine Arbeit hineinreden. Einmal wurden KHK Kortner und KOK Schneider Zeugen, wie Jo Leinert einen Berufsanfänger an einem Einsatzort anschrie, weil dieser nach Jos Ansicht zu luschig bei der Spurenaufnahme vorging, der Berufsneuling zuckte geradezu zusammen und wurde knallrot im Gesicht, was Jo Leinert aber völlig egal zu sein schien, er stand vor ihm und stierte ihm böse ins Gesicht, dass der Neuling sich nicht bei ihm entschuldigte, war alles. Jo kam zu KHK Kortner und KOK Schneider und sagte, dass er und seine Männer soweit fertig wären, sie wollten zurückfahren und das, was sie hätten, mitnehmen, wenn sie den Wagen untersucht hätten, würde er sich melden. KOK Schneider hatte sich die Autonummer notiert und ließ sie gleich überprüfen und wie nicht anders zu erwarten gewesen war, stammte das Kennzeichen von einem gestohlenen Fahrzeug, sodass man mit ihm erst einmal nichts anfangen konnte. Die Beamten fuhren zum Präsidium zurück und überprüften noch einmal genau die Beschreibung der Männer, die sie zusammen mit den Gemeindemitarbeiterinnen in Schüttbach erstellt hatten, die Beschreibung war doch recht dürftig, wie sie fanden und sie beschlossen, noch einmal nach Schüttbach zu den Frauen zu fahren, um ihnen vielleicht noch ein paar Details zum Aussehen der Männer zu entlocken.

KOK Schneider rief in Schüttbach an und bereitete ihr Kommen vor, daraufhin setzten sich sein Kollege und er in einen Dienstwagen und sie fuhren nach Schüttbach. Sie hatten von den Männern beinahe nur eine Beschreibung ihrer Köpfe, sie mussten noch genauere Angaben zu Kleidung und vor allem Körpergröße und Gewicht haben und wollten die Frauen ermuntern, sich zu erinnern. Später wollten sie sie im Präsidium vor ihre Verbrecherdatei setzen und die Männer unter den registrierten Kriminellen suchen lassen, zuerst wollte man aber genauere Angaben haben. Als die Beamten am Nachmittag auf den Schüttbacher Marktplatz fuhren und dort parkten, kam ihnen die Atmosphäre dort fast vertraut vor, sie hielten kurz inne, nachdem sie aus dem Wagen gestiegen waren und schauten zu den Kindern und Jugendlichen wie sie die Halfpipe nahmen und teilweise stürzten, sie taten sich dabei aber nicht weh. Sie liefen auf das Gemeindeamt zu und drückten die Tür auf, die leise wieder zurückschwang, als sie hindurchgeschritten waren und sie betraten das Büro auf der rechten Seite. Sie begrüßten die junge Frau und sagten, dass sie ja wüsste, warum sie wiedergekommen wären und die Dame bat die Polizisten, sich zu setzen, sie rief ihre Kollegin hinzu und auch sie grüßten die Beamten. KHK Kortner bat die Gemeindemitarbeiterinnen, noch einmal genau zu überlegen, was ihnen zu den Männern vom Parkplatz einfiel, sie sollten dabei besonders auf deren Körpergröße und Gewicht achten.

Man einigte sich schließlich auf eine Körpergröße von hundertfünfundachtzig Zentimetern und ein Gewicht von fünfundachtzig Kilogramm, an die Kleidung konnten sich die beiden junge Frauen nicht mehr so gut erinnern, aber die spielte auch keine so große Rolle, denn Kleidung konnte man nach Belieben wechseln. KHK Kortner bat die beiden am nächsten Tag aufs Präsidium zur Sichtung der Verbrecherdatei, sie sollten sich abwechseln, damit das Gemeindeamt nicht unbesetzt wäre. Sie sollten am Vormittag erscheinen, weil die Beamten am Nachmittag mit der Spurenauswertung vom Fundort des Mercedes beschäftigt wären. Die beiden Frauen sahen sich an und nickten sich zu, als hätten sie sich schon darauf geeinigt, wer wann nach Feldstadt zum Präsidium führe. Sie sahen beide gut aus und waren so Anfang dreißig, beide waren sie groß und schlank und trugen langes blondes Haar. KHK Kortner und KOK Schneider bedankten sich bei ihnen und verabschiedeten sich bis zum nächsten Morgen. Als sie auf den Marktplatz traten, nahm sie die Vertrautheit des Ortes gefangen, es war warm und die Menschen trugen Sommerkleidung, sie fühlten sich sichtlich wohl in ihrem kleinen Ort, täglich müsste bei Erben der Außenbetrieb beginnen, noch war es aber nicht so weit.

Am Spätvormittag des nächsten Tages rief Jo Leinert von der KTU an und sagte, dass seine Männer und er schon wichtige Spuren ausgewertet hätten, so hätten sie Fußabdrücke vom Tatort Mareike Berenkötter und der Fundstelle des Mercedes miteinander verglichen und Deckungsgleichheit festgestellt. Am besten wäre es, wenn er mit den Ergebnissen zu ihnen käme und bei einer Tasse Kaffee mit ihnen darüber spräche. Kurze Zeit später erschien er im Dienstzimmer der beiden Beamten und hatte einen Aktenordner unter dem Arm, den er auf den Schreibtisch von KHK Kortner legte und in dem er die Untersuchungsergebnisse, so sie bisher vorlagen, abgeheftet hatte. Er setzte sich zu den beiden Polizisten und ließ sich einen Kaffee geben, und bevor er den Aktenordner öffnete, sprach er mit den beiden über das Wetter und die Arbeit, es war nicht so, dass er unzufrieden mit seinem Job gewesen wäre, aber er wäre doch manchmal sehr eingespannt, wie er sagte. Da ginge es ihm wie ihnen, entgegnete KOK Schneider, kein Außenstehender könnte doch ermessen, welchen Schwierigkeiten sie sich manchmal gegenübersahen, alle wollten doch immer nur den schnellen Fahndungserfolg in der Zeitung lesen. Jo Leinert nahm den Aktenordner in die Hand und öffnete ihn, er schlug eine Seite mit Fotos von den Fußabdrücken auf und wies auf die Übereinstimmung hin, die seine Männer und er herausgefunden hätten. Es handelte sich bei dem einen Abdruck um die Sohle eines Sportschuhs von Adidas in der Größe vierundvierzig, ihre Recherche hätte ergeben, dass es sich um das Modell Samba Suede handelte, einen häufig getragenen Alltagsschuh.

Sie hätten noch einen weiteren Schuhabdruck gefunden, der mit dem von der Mordstelle Mareike Berenkötter übereinstimmt, er zeigte auf das dazugehörige Foto und sagte, dass es sich um das Sohlenprofil eines Wanderschuhs handelte, ein Profil, das bei nahezu allen gängigen Wanderschuhen verwendet würde. Der Mercedes würde immer noch von seinen Leuten untersucht, was man bisher gefunden hätte, wären Fasern von Mareikes Kleidung im Kofferraum, was darauf hindeutete, dass Mareike von den Tätern zum Maisfeld gefahren wurde und sie dort wahrscheinlich schon tot war, die Autospuren waren an beiden Orten identisch, sodass damit feststand, dass der Mercedes das Tatfahrzeug war. Seine Leute untersuchten den Fahrerplatz auf Fingerabdrücke und sonstige Spuren, wenn sie damit weiter wären, würde er sich noch einmal melden, sagte Jo, stand auf und wollte zu seinem Labor zurückgehen, als es an der Tür klopfte und eine der beiden Gemeindemitarbeiterinnen eintrat. KHK Kortner und KOK Schneider begrüßten sie und boten ihr den Platz von Jo Leinert an, sie holten gleich eine Tasse Kaffee und schalteten den Computer ein, um ihr die Fotos der registrierten Kriminellen zu zeigen.

Sie baten sie:

„Bitte konzentrieren Sie sich und bedenken Sie, dass sich das Aussehen der Männer geändert haben könnte, insbesondere könnte der Mann mit der Glatze auf einem der Fotos noch Haare tragen!“ Die Beamten zeigten der jungen Frau an die zweihundert Fotos, jedes wurde ungefähr vier Sekunden eingeblendet, sie sollte Stopp sagen, wenn ihr etwas auffiele. Einmal rief sie Stopp und bat darum, dass man ihr ein Fotos noch einmal ohne Haare zeigte und als das Bild ohne Haare eingestellt war, sagte sie, dass sie sich verguckt hätte und man weitermachen sollte. Aber keines der zweihundert Fotos weckte bei ihr Erinnerungen an die Männer auf dem Marktplatz und sie sagte:

„Es tut mir leid, dass ich niemanden erkannt habe.“ Sie stand auf, ging zum Parkplatz und fuhr wieder nach Schüttbach, die Beamten gaben ihr ein Attest zur Vorlage beim Arbeitgeber, damit sie für die Zeit ihres Fehlens entschuldigt war. Kurze Zeit später erschien ihre Kollegin auf dem Präsidium, aber auch sie wurde unter den zweihundert ihr gezeigten Männern nicht fündig. KHK Kortner und KOK Schneider bedankten sich bei ihr und entließen sie nach Schüttbach mit dem gleichen Attest, das sie ihrer Kollegin gegeben hatten. Es war mittlerweile Mittag geworden. und die beiden Polizisten gingen in die Kantine zum Essen, sie trafen dort ihren alten Kollegen Schlottkämper und setzten sich zu ihm.

„Ich habe gehört, dass es bei Euch weitere Tote zu beklagen gibt“, sagte er, „Ihr bekommt ja richtig Arbeit“, ergänzte er ironisch.

KHK Kortner und KOK Schneider berichteten ihm von dem, was ihnen Jo an Spuren überbracht hätte, „wir warten nur noch auf die Auswertung der Spuren aus dem Fahrercockpit des Mercedes, wenn wir Fingerabdrücke bekommen, können wir konkrete Fahndungsmaßnahmen einleiten“, sagten sie, „natürlich unter der Voraussetzung, dass sie sich in unserer Datei befinden.“ Sie aßen an dem Tag Spagetti Bolognese und nahmen einen Schokoladenpudding zum Nachtisch, anschließend tranken sie zusammen mit Kollege Schlottkämper einen Cappuccino und fragten ihn:

„An welchem Fall arbeitest Du gerade?“, und ihr alter Kollege antwortete, dass er einer Bande von Autoschiebern auf der Spur wäre, die weit über den Kreis Mensingen hinaus aktiv wären. KHK Kortner und KOK Schneider wurden hellhörig und fragten ihn:

„Kannst Du uns nicht etwas über den von uns gefundenen Mercedes sagen?“, ihr Kollege meinte, dass er in seinen Unterlagen nachsehen müsste, „es könnte aber gut sein, dass ich Euch helfen kann, kommt am Nachmittag zu mir in mein Dienstzimmer!“ Die Mittagspause war zu Ende und alle Beamten widmeten sich wieder ihren Dienstaufgaben, einige ginge in ihre Büros, andere verließen das Präsidium. KHK Kortner und KOK Schneider liefen zu ihrem Dienstzimmer und nahmen dort den Anruf von Jo Leinert entgegen, der etwas von Fingerabdrücken in der Fahrerkabine des Mercedes erzählte und sie bat:

„Kommt doch einmal bei mir vorbei, damit ich mit Euch darüber sprechen kann, ich will Euch auch einen Ausdruck mit den gefundenen Abdrücken geben, damit Ihr ihn von Eurem Computer vergleichen lassen könnt!“ Nachdem die beiden noch einmal über die Gemeindemitarbeiterinnen nachgedacht hatten und es schade fanden, dass sie so erfolglos die Verbrecherdatei durchstöbert hatten, gingen sie zu Jo Leinert und sahen sich an, was er an Fingerabdrücken zu bieten hatte. Jo hatte das stolze Lächeln eines siegreichen Fahnders im Gesicht, als er ihnen seine Spuren präsentierte, er sah mit seinem Vollbart aus wie ein Schiffskapitän, der nach langer Fahrt seinen Zielhafen erreicht hatte. Jo berichtete, wie seine Leute systematisch die Fahrerkabine des Mercedes untersucht hätten und dabei auf eine wahre Fülle von Fingerabdrücken gestoßen wären.

„Ich kann natürlich nicht sagen, ob unter den Abdrücken diejenigen der gesuchten Mörder sind, das müsst Ihr schon selbst herausfinden!“ und er gab KHK Kortner einen Ordner, in dem er die Kopien der Fingerabdrücke abgeheftet hatte. Die beiden Beamten bedankten sich bei Jo Leinert für seine Fleißarbeit und verließen ihn wieder, Jo schaute ihnen zufrieden nach und wünschte ihnen noch viel Erfolg. KHK Kortner und KOK Schneider gingen mit ihrem Ordner unter dem Arm zum Dienstzimmer ihres alten Kollegen Schlottkämper, sie klopften bei ihm an die Tür und traten ein, der Kollege bat die beiden, Platz zu nehmen und brachte ihnen einen Kaffee. Er sagte ihnen:

„Ich habe inzwischen in meinen Unterlagen nachgeforscht und einen silbergrauen Mercedes Kombi ausfindig gemacht, der in Blattenberg, etwa achtzig Kilometer von Feldstadt entfernt, gestohlen worden ist.“ Kollege Schlottkämper hatte alle Fahrzeugdaten des gestohlenen Mercedes vor sich liegen, und der Besitzer hatte ihm auch ein Foto des Wagens gelassen. Die beiden Beamten nahmen die Unterlagen an sich, bedankten sich bei ihrem alten Kollegen und liefen zu ihrem Büro zurück. Sie gingen gleich an ihren Computer und scannten die Ausdrucke ein, damit sie mit den in der Datenbank vorhandenen Fingerabdrücken verglichen werden konnten. In der Zwischenzeit verglich KOK Schneider die Autodaten mit den Daten des gefundenen Fahrzeugs und stellte fest, dass sie identisch waren. Sein Kollege und er nahmen sich vor, den Wagen persönlich wieder zurückzubringen und ihn an den Besitzer zu übergeben, damit dieser das Auto identifizieren und eventuelle Schäden feststellen konnte konnte. Der Computer brauchte keine halbe Minute, um alle Fingerabdrücke, die es auf seiner Festplatte gab, mit den Eingescannten zu vergleichen, der Vergleich brachte kein positives Ergebnis hervor. Das wunderte die beiden Polizisten nicht, sicher hatten die Mörder mit Handschuhen gearbeitet und waren äußerst vorsichtig zu Werke gegangen. Sie wollten Fingerabdrücke vom Autobesitzer nehmen und gingen davon aus, dass dessen Abdrücke zuhauf im Auto zu finden waren.

Enttäuscht aber nicht frustriert riefen sie Jo Leinert an und sagten ihm, was bei der Computeranalyse herausgekommen wäre, Jo drückte ihnen sein Bedauern aus. Sie sagte ihm, dass sie auch nicht wirklich erwartet hätten, die Fingerabdrücke der Mörder zu finden, aber vielleicht wären die auf seinen Ausdrucken ja nur nicht in ihrer Datenbank.

„Auf jeden Fall wollen wir dem Besitzer seinen Mercedes zurückbringen und uns mit ihm unterhalten, auch seine Fingerabdrücke wollen wir nehmen.“ Wann sie denn den Wagen haben könnten, fragten sie Jo, Jo überlegte kurz und sagte, dass seine Leute und er noch diesen Nachmittag und den folgenden Morgen mit dem Auto beschäftigt sein würden, danach könnten sie über den Wagen verfügen. KHK Kortner dankte Jo und legte wieder auf, er rief den Autobesitzer in Blattenberg an und teilte ihm mit, dass sein Wagen aufgetaucht wäre, ob er am nächsten Nachmittag zu Hause erreichbar wäre, sie wollten ihm sein Auto zurückbringen. Der Besitzer, ein Herr Sobert, war hocherfreut und wollte sich den Nachmittag freihalten, er beschrieb dem Beamten den Weg zu ihm und sagte, dass sein Zuhause ganz einfach zu finden wäre. KHK Kortner und KOK Schneider besorgten sich am nächsten Tag rote Überführungsnummern für den Mercedes, tankten ein paar Liter Sprit und fuhren nach der Mittagspause Richtung Blattenberg, KOK Schneider fuhr mit einem Dienstwagen hinter dem Mercedes her, denn sie mussten ja auch wieder nach Feldstadt zurück, wenn sie den Wagen in Blattenberg abgegeben hätten. Sie brauchten für die Strecke eineinhalb Stunden, denn es gab keine Autobahn zwischen Feldstadt und Blattenberg.

Herr Sobert hatte Recht, als er sagte, dass seine Adresse leicht zu finden wäre. Sie parkten vor einem schmucken Einfamilienhaus und Herr Sobert kam heraus. Er strahlte über sein ganzes Gesicht, als er seinen Wagen wiedersah und lief um das Fahrzeug herum, um sich einen Überblick zu verschaffen, ob er Beschädigungen davongetragen hatte. Anschließend gab er den beiden Beamten zur Begrüßung die Hand und fragte:

„Wie haben Sie den Wagen gefunden?“ KHK Kortner und KOK Schneider erzählten nicht, dass in dem Fahrzeug die Leiche von Mareike Berenkötter transportiert worden war, das hätte Herrn Sobert sicher schockiert und möglicherweise davon abgehalten, mit dem Wagen weiterzufahren, sie sagten ihm, dass sie den Wagen bei einer Routinekontrolle in Feldstadt aufgespürt hätten. Herr Sobert sollte sich doch einmal hineinsetzen und überprüfen, ob Gegenstände aus dem Handschuhfach oder aus den Ablagefächern in den Türen gestohlen worden wären. Herr Sobert nahm auf dem Fahrersitz Platz und stellte seine gewohnte Sitzposition ein, er öffnete das Handschuhfach und fand es komplett ausgeräumt, auch die Ablagefächer in den Türen waren leer.

„Es war nichts Wertvolles, das sich im Auto befunden hat“, sagte er, „ein Eiskratzer, Schwämme, ein Autoatlas vom vorletzten Jahr, die Bedienungsanleitung für den Wagen und ein Navi, das Autoradio ist ja zum Glück nicht entwendet worden.“ KHK Kortner nahm die roten Kennzeichen ab und sagte Herrn Sobert, dass er zur Zulassungsstelle und sich neue Kennzeichen anfertigen lassen müsste. Das wollte er gleich noch an diesem Nachmittag erledigen, sagte Herr Sobert. Die Beamten gingen mit ihm ins Haus, begrüßten dort seine Frau und bekamen von ihr eine Tasse Kaffee. Sie fragten Herrn Sobert:

„Ist Ihnen während des Autodiebstahls etwas aufgefallen?“ und Herr Sobert antwortete, dass er in der Zeit des Diebstahls tief geschlafen hätte.

„Der Wagen hat exakt dort gestanden, wo er im Moment parkt, ich habe nichts gehört und nichts gesehen, und auch meine Frau hat nichts bemerkt“ und Frau Sobert nickte. Die beiden waren ungefähr Mitte bis Ende fünfzig, ihre Kinder waren aus dem Haus, und sie lebten allein in Blattenberg. Herr Sobert war Außendienstmitarbeiter einer Bekleidungsfirma und konnte sich deshalb seine Arbeitszeit frei einteilen, Frau Sobert war Hausfrau. Die beiden Polizisten sagten ihm, dass sie seine Fingerabdrücke zum Vergleichen haben müssten und nahmen sie ihm ab, auch die Abdrücke von Frau Sobert nahmen sie. Herr Sobert meinte:

„Ich werde den Wagen innen und außen reinigen lassen, man weiß ja nicht, welche Schmierfinken ihn gestohlen haben, außerdem ist eine Wagenwäsche längst wieder fällig.“

Sie gingen noch einmal gemeinsam vor die Tür und sahen sich den Ort des Wagendiebstahls genau an, um dort vielleicht etwas zu finden, sie konnten mit bloßem Auge aber nichts entdecken. KHK Kortner rief über sein Handy Jo Leinert an und bat ihn, mit einem Kollegen nach Blattenberg zu kommen und den Ort des Autodiebstahls zu untersuchen, KOK Schneider und er würden in Blattenberg auf sie warten. Sie ließen Herrn Sobert zur Zulassungsstelle fahren und warteten vor seinem Haus auf Jo, Frau Sobert fragte die Beamten, ob sie ihnen noch eine Tasse Kaffee bringen sollte und sie nahmen das Angebot gerne an. Nach eineinhalb Stunden erschien Jo mit einem Kollegen und sie machten sich gleich ans Werk. Sie legten sich auf den Boden und untersuchten die Stelle mit Vergrößerungsglas und Pinzette, sie sicherten Fasern und Schmutzreste, die von den Schuhsohlen der Mörder stammen könnten und warfen alles in einen Kunststoffbeutel, den sie anschließend mit nach Feldstadt nahmen. KHK Kortner und KOK Schneider fuhren zum Präsidium zurück, stellten den Wagen ab und machten sich auf nach Hause, sie hatten von unterwegs angerufen und gesagt, dass sie später kämen. Sie fanden beide, dass sie sich einmal wieder zusammensetzen und etwas trinken sollten, sie verabredeten sich für 20.00 h bei Schneiders und gingen bis dahin zu sich nach Hause zum Essen.

Bei Kortners war die gesamte Familie versammelt, was selten vorkam, denn die Jungen waren beinahe ständig unterwegs. Umso mehr freuten sich die alten Kortners, dass sie einmal wieder alle gemeinsam am Abendbrottisch saßen. Herr Kortner fragte seine Jungen, wie es bei ihnen in der Schule klappte und hatte keine Sorge, dass irgendetwas schiefgelaufen wäre, er wusste, dass seine Jungen gute Schüler waren und sie sagten fast beiläufig, dass alles in Ordnung wäre. Herr Kortner sagte seiner Frau, dass sie am Abend bei Schneiders wären, Herr Schneider und er hätten überlegt, dass man einmal wieder zusammensitzen und etwas trinken sollte. Frau Kortner freute sich darüber, denn abgesehen von dem wöchentlichen Turntermin mit Frau Schneider sahen sie sich sonst nie. Auch bei Schneiders saß man gemeinsam beim Abendessen, die Tochter des Hauses bekam als typische Zehntklässlerin ab und zu einmal einen kleinen Anfall, und man musste in solchen Momenten immer sehr vorsichtig mit ihr umgehen, wenn man nicht riskieren wollte, dass sie plötzlich wutentbrannt aufsprang und aus dem Zimmer rannte. Um 20.00 h ging bei Schneiders die Schelle und Kortners standen vor der Tür, man begrüßte sich und lief gleich auf die Terrasse, wo Herr Schneider schon Getränke hingestellt hatte. In einem Weinkühler gab es eine Flasche trockenen Weißwein von der Nahe für die Frauen, die Männer nahmen sich jeder ein kaltes Bier.

Ob denn jeder auch einen Grappa tränke, fragte Herr Schneider und niemand winkte ab, woraufhin Herr Schneider Schnapsgläschen und die Grappaflasche holte. Er schüttete vier Gläschen voll und gab jedem eins, danach hoben alle ihr Gläschen und prosteten sich zu. Auch wenn die Damen protestierten, die Männer begannen nach kurzer Zeit, dienstlich zu werden und unterhielten sich über Herrn Sobert und seinen Mercedes, und als die Frauen merkten, dass sie nicht dagegen ankamen, wandten sie sich ab und sprachen miteinander. KOK Schneider meinte:

„Selbst wenn Jo Leinert Spuren findet, die in einem Zusammenhang zu den Mordplätzen stehen, haben wir immer noch keinen Bezug zu einer konkreten Person, dazu fehlt uns ein eindeutiger Hinweis.“ Sie überlegten hin und her und kamen überein, am nächsten Morgen Jo anzurufen und mit ihm darüber zu sprechen, was er bei Herrn Sobert vor der Tür gefunden hätte. Frau Schneider hatte auf ihrem Elektrogrill inzwischen für jeden ein Würstchen gegrillt und gab jedem eins, dazu reichte sie Brötchen, Ketchup und Senf. Schneiders hatte den Holzkohlengrill abgeschafft, nachdem ruchbar geworden war, dass das Grillgut vom Holzkohlengrill krebserregend und es einige Male vorgekommen war, dass ihnen das Fleisch angebrannt war. Man redete mit den Gästen, und wenn es später angebrannt roch, war es schon zu spät. Dieses Spielchen wollten sie sich nicht länger mit ansehen und hatten sich einen Elektrogrill gekauft. Das Fleisch und die Würstchen hatten nicht den Geschmack vom Holzkohlengrill, aber das war ihnen egal.

Gegen 22.30 h brachen Kortners wieder nach Hause auf, es waren zwar nur ein paar Schritte zu laufen, aber sie waren müde geworden und die Männer mussten wieder um 7.30 h auf dem Präsidium sein. Kortners bedankten sich für die Einladung und liefen los, Schneiders hatten sie noch bis zur Tür gebracht und ihnen nachgewunken, bis sie um die Ecke in ihre Straße eingebogen waren, und von ihnen nichts mehr gesehen werden konnte. Die Tochter von Schneiders kam aus ihrem Zimmer und fragte:

„Sind die Spießer endlich weg?“, Frau und Herr Schneider sahen sich nur an, einen Kommentar dazu abzugeben erschien ihnen sinnlos. Das war eben die Art, die den Mädchen im Alter ihrer Tochter zu eigen war und damit musste man umgehen können. Jo Leinert zeigte den beiden Kommissaren am nächsten Morgen die Ausbeute seiner Spurensuche von Herrn Sobarts Parkplatz in Blattenberg. Er sagte, dass er etwas ganz Merkwürdiges gefunden hätte, nicht dass er mikroskopisch kleine Fasern gefunden hätte, die noch dazu mit denen identisch waren, die er bei Mareike Berenkötters Tatort gesehen hatte, sondern dass es sich dabei um Fasern handelte, die bei der ihm bekannten Textilproduktion keine Rolle spielten.

„Ich habe mir die Fasern vom Tatort Mareike Berenkötters gar nicht so genau angesehen, erst der Vergleich mit den in Blattenberg gefundenen Fasern hat mich veranlasst, genauer hinzusehen und ich habe festgestellt, dass es sich bei ihnen um ein technisch sehr hochentwickeltes Produkt handelt.“ Soweit wie er wüsste, entwickelte man solche Fasern in der Rüstungsindustrie, man stellte aus ihnen schusssichere Anzüge her, die noch dazu sehr leicht wären und unter der Kleidung getragen würden, sie böten den Soldaten ein Höchstmaß an Schutz. KHK Kortner und KOK Schneider hörten Jo Leinert gebannt zu, was er sagte, warf ein ganz anderes Licht auf ihre Mordfälle, die Mörder entstammten einem Milieu, in dem man den Umgang mit hochspezialisierter Technik kannte, darauf hätten sie sich einzustellen und das würde die Aufklärung der Mordfälle noch komplizierter machen. Die beiden Beamten fragte den KTU-Mann, wo denn in Deutschland solche Anzüge hergestellt würden und Jo Leinert antwortete, dass er nur von einer Firma in New York wüsste, die sich mit der Verarbeitung von solchen Fasern beschäftigte, der Name der Firma wäre High Tech Clothing und sie säße in Haarlem in einer Querstraße zur 125th Avenue.

„Das gibt den Morden einen internationalen Anstrich“, sagte KHK Kortner und er fragte Jo Leinert:

„Wie kann man in Deutschland in den Besitz eines solchen Schutzanzuges kommen?“ Jo antwortete:

„Es gibt bei uns noch keine Vertriebsagentur für die Produkte von High Tech Clothing, man muss sich die Anzüge direkt über das Internet in New York bestellen und von dort schicken lassen.“ Damit hätten sie einen Anhaltspunkt, sagte KHK Kortner, man müsste in New York in Erfahrung bringen, an welche Adresse die High Tech Clothing die bestellten Produkte geschickt hatte und käme so vielleicht den Mördern auf die Spur. Völlig unklar blieb, warum sich die Mörder in Deutschland solche Schutzanzüge angezogen hatten, aber das würden sie schon noch ermitteln. Jo erzählte weiter:

„Ich habe Schmutzspuren aufgenommen, die auch an den Tatorten von Annabelle Memmert und Mareike Berenkötter gefunden worden sind, bei Annabelle Memmert habe ich auch die Fasern sichergestellt, bei Steffens bin ich mir noch nicht sicher, meine Leute und ich müssen noch weiter auswerten, ich kann mir aber gut vorstellen, dass ich auch bei diesen fündig werde und sowohl die Fasern als auch den Schmutz sicherstellen kann.“ KHK Kortner und KOK Schneider verließen Jo Leinerts Büro wieder und gingen in ihr Dienstzimmer, sie überlegten ihre weitere Vorgehensweise. Sie müssten die High Tech Clothing in New York kontaktieren und versuchen, über die Firma an die Adresse in Deutschland zu kommen, an die sie ihre High-Tech-Anzüge geschickt hätte. Sie riefen die Internetadresse der Firma auf und kamen so an ihre Telefonnummer in New York, es war zu diesem Zeitpunkt noch Nacht in New York und man würde niemanden dort erreichen, sie müssten bis zum Nachmittag warten. Wenn sie am Telefon nicht weiterkämen, müssten sie wohl die New Yorker Polizei um Amtshilfe bitten und wenn das nicht helfen würde, müssten sie nach New York reisen.

Die Schmutzspuren, die Jo Leinert in Blattenberg gefunden hatte, mikroskopisch kleine Krümel, stammten von der Umgebung des Tatortes von Annabelle Memmert, er lag an den Birken, an denen der Draht befestigt worden war. Damit wäre erwiesen, dass zumindest in den beiden Mordfällen der jungen Frauen die gleichen Täter am Werk gewesen waren. In der Kantine trafen sie am Mittag wieder ihren Kollegen Schlottkämper und setzten sich zu ihm an den Tisch. Sie erzählten ihm von den Spuren, die sie hatten, und dass sie auf der Suche nach der Verwendung einer High-Tech-Faser in Deutschland wären, die die KTU an den Tatorten gefunden hätte.

„Sie wird von einer Firma in New York hergestellt und von dort als Schutzanzug an die Abnehmer geschickt, der Anzug ist leicht und absolut kugelsicher.“ Sie aßen an diesem Tag Schnitzel mit Kartoffeln und Salat und holte sich danach einen Cappuccino.

„Was ist denn aus dem Mercedes geworden“, fragte der alte Kollege, und die beiden antworteten:

„Wir haben ihn dem Besitzer übergeben, der Wagen ist bei allen Morden, die wir untersuchten, im Einsatz gewesen.“ Kollege Schlottkämper grinste über alle Backen, als er hörte, dass er seinen jungen Kollegen hatte helfen können.

„Wie weit bist Du denn mit Deiner Autoschieberbande?“, fragten sie ihn und er antwortete:

„Inzwischen wird international ermittelt und wir haben Schwierigkeiten mit Ländern, mit denen es kein Auslieferungsabkommen gibt, da entsteht ein kompliziertes Vorgehen, bei dem die höchsten politischen Stellen eingeschaltet werden müssen.“ Sie wünschten sich gegenseitig viel Erfolg bei ihrer Arbeit und trennten sich wieder, um in ihre Dienstzimmer zu gehen, KHK Kortner und KOK Schneider wollten versuchen, jemanden in New York zu erreichen. Sie überlegten beide, ob sie so gut Englisch sprächen, dass sie sich mit den Leuten unterhalten konnten und wollten es erst einmal versuchen. Sie warteten noch bis 15.00 h, in New York wäre es zu diesem Zeitpunkt 9.00 h morgens, eine Zeit, zu der die Läden eigentlich geöffnet haben müssten. KHK Kortner nahm den Hörer ab und wählte die lange New Yorker Telefonnummer, es dauerte eine Zeit und er erhielt ein Besetztzeichen. Er wählte nach einem Moment des Wartens noch einmal und hörte ein Freizeichen, und als sein Gegenüber nach dem Abnehmen in einen dermaßen unverständlichen Slang verfiel, dass KHK Kortner völlig überfordert war, entschuldigte er sich und legte wieder auf. Sie müssten einen Dolmetscher anfordern, sagte er zu KOK Schneider und ihm fiel da nur die Kollegin Corinna Humpert ein, die in solchen Fällen immer ansprechbar war, sie arbeitete in der Diebstahlabteilung und war einfach eine sehr gute Englisch-Dolmetscherin.

KHK Kortner entschloss sich, persönlich bei ihr vorbeizugehen und sie um ihre Hilfe zu bitten. Die Abteilung Diebstahl lag ganz am anderen Ende des Präsidiums eine Etage höher. Er machte sich also auf den Weg und lief im Treppenhaus zunächst nach oben, er traf unterwegs viele bekannte Gesichter und kam aus dem Grüßen nicht mehr heraus. Er lief in dem Stockwerk über seinem Büro den Gang ganz bis zu seinem Ende und stand vor dem Dienstzimmer von Corinna Humpert, er klopfte und trat ein. Corinna Humpert war eine sehr hübsche Mitdreißigerin und viele Kollegen hatten ein Auge auf sie geworfen, sie gab sich aber immer abweisend, sodass man sie schon für lesbisch hielt. Es war aber ganz einfach so, dass Corinna sich in festen Händen befand und kein Techtelmechtel mit Kollegen beginnen wollte. Corinna stand auf und ging KHK Kortner entgegen, sie gab ihm die Hand und sagte ihm:

„Ich freue mich, Dich zu sehen, und wie ich Dich kenne, soll ich doch bestimmt Dolmetscherdienste für Dich leisten.“

„Da liegst Du richtig!“, antwortete KHK Kortner, „ich brauche Deine Hilfe in einem Fall, in dem ich mit New York sprechen muss, ich habe schon selbst einen Versuch unternommen, bin aber völlig gescheitert, nachdem die andere Seite in einen solchen Slang verfallen ist, dass ich mit meinem Schulenglisch keine Chance gehabt habe.“ Corinna sagte:

„Die Amerikaner sprechen, je nachdem, woher sie kommen, manchmal ein völlig unverständliches Englisch, am schlimmsten sind die Texaner.“ Sie sagte, dass sie um ihretwegen gehen könnten und schloss ihr Dienstzimmer ab, sie hängte ein Schild mit der Aufschrift „Bin gleich wieder da“ vor die Tür. Sie liefen wieder zurück zum Dienstzimmer von KHK Kortner und KOK Schneider und Corinna begrüßte KOK Schneider per Handschlag und der lächelte, weil ein weibliches Wesen in seinem Büro eine Bereicherung war. Sofort bot er Corinna seinen Platz hinter seinem Schreibtisch an und setzte sich selbst auf den Besucherstuhl. Er und sein Kollege schilderten den Fall, und was sie in New York in Erfahrung bringen wollten. Corinna machte sich ein paar Notizen bezüglich dessen, was sie fragen sollte, sie nahm den Hörer hoch und wählte die New Yorker Nummer, nach einer Zeit war die Verbindung hergestellt und sie parlierte in bestem Englisch mit ihrem Gesprächspartner. Die beiden Beamten hatten den Lautsprecher laut gestellt und konnten das Gespräch mithören, verstanden aber nur bruchstückhaft, worüber geredet wurde. Nachdem Corinna ihr Anliegen vorgetragen hatte, gab man sich in New York sehr zugeknöpft und wollte mit der Sprache nicht heraus, und als Corinna nicht weiterkam, beendete sie das Gespräch wieder.

So viel hatten KHK Kortner und KOK Schneider schon mitbekommen, dass sie verstanden hatten, dass man Corinna keine Auskunft erteilen wollte. So blieb nur der offizielle Weg über die New Yorker Polizei und nachdem KHK Kortner sich bei seinem Chef rückversichert hatte, dass er um Amtshilfe bitten durfte, bat er Corinna um erneute Hilfe, sie sollte eine Anfrage bei der NYPD starten und in Erfahrung bringen, wie man als deutsche Polizei die New Yorker Polizei um Amtshilfe bitten könnte. Corinna rief also noch einmal in New York an und wurde von Pontius zu Pilatus weiter verbunden, bis sie bei einem kompetenten Ansprechpartner gelandet war. Der sagte ihr:

„Amtshilfe wird nur gewährt, wenn ein mit einem Dienstsiegel und der Unterschrift mindestens eines Polizeipräsidenten versehenes offizielles Schreiben eingegangen ist.“ Corinna bedankte sich für die Auskunft und legte wieder auf, sie sagte ihren beiden Kollegen, wie sie verfahren müssten und riet ihnen, sich mit dem Polizeipräsidenten in Verbindung zu setzen. Sie stand wieder auf und wollte, wenn die Kollegen kein Anliegen mehr hätten, in ihr Dienstzimmer zurück, und KHK Kortner und KOK Schneider dankten ihr für ihre freundliche Unterstützung. Als Corinna gegangen war, runzelten die beiden Beamten die Stirn angesichts des Schreibaufwandes, den sie betreiben müssten, aber daran ging wohl kein Weg vorbei. Sie telefonierten zunächst mit ihrem Chef und baten um ein Gespräch mit ihm, der sagte, dass sie beide zu ihm kommen sollten, er wartete in seinem Büro auf sie.

Unfreundlich und knorrig wie immer empfing der Chef seine beiden Mitarbeiter, er taute aber gleich wieder auf, als er hörte, worum es ging, er sollte sich für seine beiden Beamten mit dem Polizeipräsidenten kurzschließen und ihn veranlassen, ein Amtshilfeersuchen ach New York zu unterschreiben.

„Wie weit sind Sie bei den Mordfällen denn überhaupt schon?“, fragte er KHK Kortner und KOK Schneider, und anschließend umschrieben diese ihm ausführlich den Stand der Erkenntnisse, so wie er sich in diesem Moment darbot. Sie erzählten ihrem Chef:

„Wir sind auf der Suche nach dem Empfänger der High-Tech-Anzüge und wollen dessen Adresse von der New Yorker Herstellerfirma bekommen, nachdem sich die Firma aber am Telefon sehr verschwiegen gezeigt hat, wählen wir nun den Weg der Amtshilfe.“ Aus dem Munde ihres Chefs ein Lob zu hören, war ein Ereignis, das sich nur einmal im Jahr einstellte, höchstens, dieses Mal war es wieder so weit, er lobte seine Beamten für ihr sehr effizientes Vorgehen, so stellte er sich polizeiliche Ermittlungsarbeit vor, sagte er den beiden und sie fühlten sich geehrt. Wenn der Polizeipräsident im Hause wäre, wollte er noch an diesem Nachmittag mit ihm sprechen, ansonsten müsste er sie auf den nächsten Tag vertrösten. Daraufhin verließen KHK Kortner und KOK Schneider ihren Chef wieder und gingen zu Jo Leinert.

Der erzählte ihnen etwas über die Spuren bei den Steffens, er sagte, dass auch dort solche Fasern und solcher Schmutz gefunden worden wäre, womit klar wäre, dass es sich in allen Fällen um die gleichen Mörder gehandelt hätte. KHK Kortner und KOK Schneider berichteten Jo von ihrem Versuch, Kontakt zu der New Yorker Firma aufzunehmen:

„Wir haben sogar Corinna Humpert als Dolmetscherin eingeschaltet, man ist dort aber nicht sehr mitteilsam gewesen, sodass wir nunmehr über eine Amtshilfe die deutsche Adresse zu finden versuchen.“ Jo meinte, dass es sich nicht unbedingt um einen deutschen Adressaten handeln müsste, es könnte genauso gut eine Adresse im europäischen Ausland sein, an die die High-Tech-Anzüge aus New York geschickt worden wären. Jo Leinert ging von einer ausländischen Adresse aus, denn sonst wäre er schon einmal in anderen Zusammenhängen auf die deutsche Firma gestoßen. Kurze Zeit später gingen die beiden Kommissare in ihr Dienstzimmer und erhielten noch einmal Besuch von ihrem Chef, der ihnen mitteilte, dass er den Polizeipräsidenten nicht erreicht hätte, und sie sich deshalb bis zum nächsten Tag gedulden müssten. Gleich am Morgen des nächsten Tages ließ die Sekretärin des Polizeipräsidenten ihren Chef durch und er trug vor, was seine Mitarbeiter von ihm verlangt hatten. Ohne große Diskussion unterschrieb der Polizeipräsident das Amtshilfeersuchen und seine Sekretärin setzte ein Siegel darauf, es ging gleich mit der Dienstpost aus dem Haus.

KHK Kortner und KOK Schneider erfuhren in einem Telefonat davon, das sie am Vormittag mit ihrem Chef geführt hatten, anschließend hieß es warten, je nachdem, wie lange sich die New Yorker Polizei Zeit ließ, konnten zwei bis fünf Tage ins Land streichen, bis sie eine konkrete Antwort aus den USA erhielten. Die Beamten beschlossen, ihre Untersuchungen bei Steffens und in Selldorf bei Memmerts fortzusetzen. Sie fuhren nach der Mittagspause nach Selldorf und statteten Memmerts einen Besuch ab, sie erreichten Frau Memmert und fragten sie, wie es ihr ginge, ihr Mann war auf der Arbeit. Sie antwortete:

„Mein Mann und ich sind ganz allmählich wieder zu Kräften gekommen, natürlich ist nichts wie früher, als Annabelle noch bei uns gewesen ist und mit ihrer heiteren Art das Leben bei uns bestimmt hat.“ Ihr Mann und sie sähen sich oft Fotos von Annabelle an und sprächen über gemeinsame Erlebnisse, sie hätten auch noch alte Video-Filme, die sie sich immer wieder ansähen, ihr wäre regelmäßig zum Heulen zumute, wenn sie die alten Filme betrachtete.

„Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?“, fragte Frau Memmert die beiden Polizisten und sie bedankten sich für die Fürsorge und nahmen gern eine Kaffee.

„Ich habe für Sie auch noch zwei Stücke selbst gebackenen Pflaumenkuchen, die ich anbieten kann.“ Was denn ihre Untersuchungen bislang ergeben hätten, wollte Frau Memmert wissen und die Beamten erwiderten, dass sie nur mühsam vorankämen, sie hätten aber eine vage Spur, die bis nach New York führte.

„Wir warten im Moment auf eine Antwort auf ihre Anfrage an die New Yorker Polizei und müssen uns wohl noch zwei Tage gedulden.“ In diesem Moment betrat Her Memmert die Wohnung und begrüßte die beiden Polizisten, er setzte sich zu ihnen und trank eine Tasse Kaffee mit, auch Frau Memmert saß mit einer Tasse Kaffee in der Runde. KHK Kortner fragte die beiden, wie Annabelle zu Bekanntschaften mit Jungen oder Männern gestanden hätte, ob sie mit ihnen darüber geredet hätte oder ob sie sonst etwas darüber wüssten. Frau Memmert antwortete, dass Annabelle zweimal ganz kurz mit jemandem liiert gewesen wäre, das eine Mal wäre mit dem Sohn von Herrn Kortner gewesen, das andere Mal wäre noch davor mit jemandem aus ihrer Jahrgangsstufe gewesen, beide Beziehungen hätten jeweils nicht länger als eine Woche gedauert.

„Mehr kann ich dazu nicht sagen, Annabelle ist mit Sicherheit nicht lesbisch gewesen, sie verstand es einfach nur, ihre Freiheit zu genießen und wollte sich nicht allzu früh fest binden.“ Die beiden Polizisten standen wieder auf und sagten, dass sie die Memmerts nicht länger stören wollten:

„Sobald sich bei unseren Ermittlungen etwas Konkretes ergibt, werden wir uns wieder melden“, sagten sie und verließen die Memmerts. Sie wollten eigentlich noch zu Miriam, da es aber schon fortgeschrittener Nachmittag war, verschoben sie ihren Besuch bei Miriam und fuhren zum Hof von Bauer Steffens, den sie verlassen vorfanden, das Fleckvieh war auf die benachbarten Höfe verteilt worden, damit es dort versorgt wurde, das schäbige Wohnhaus lag einsam, finster und verlassen da. Die Beamten glaubten, den unangenehmen Geruch aus der Küche noch vor er Haustür riechen zu können. Als sie in die Scheune kamen, sahen sie zu dem Balken hoch, an dem die drei Steffens aufgehängt worden waren. Die Untersuchung der Leichen hatte ergeben, dass alle drei vorher mit einem Pistolenschuss hingerichtet worden waren, erst danach hatte man sie an den Balken gehängt. Es wäre sicher nicht ganz uninteressant zu wissen, warum sie die doppelte Tötung erfahren haben. Jemanden zu hängen war sicher spektakulärer als jemanden einfach zu erschießen, was sollte damit demonstriert werden, das war die große Frage. KHK Kortner und KOK Schneider streiften über den Hof und schauten sich in allen Ecken um, um vielleicht etwas zu entdecken, das sie vorher noch nicht gesehen hatten, aber die KTU hatte schon alles durchstöbert und wenn Jo Leinerts Männer zu Werke gingen, wurde Gründlichkeit groß geschrieben. So fanden sie bei ihrer oberflächlichen Sichtung auch nichts, was ihr Interesse hätte wecken können und zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Sie hatten bald Feierabend und fuhren deshalb zum Präsidium, stellten den Wagen ab und liefen nach Hause.

Unterwegs beredeten sie, dass sie am nächsten Tag noch einmal nach Schüttbach fahren wollten, vielleicht wäre den Gemeindemitarbeiterinnen doch noch etwas eingefallen. Sie verbrachten den nächsten Morgen damit, Berichte über die bis dahin geleistete Arbeit zu schreiben, eine Beschäftigung, die KHK Kortner verfluchte, seit er bei der Kriminalpolizei war. Er hatte die Eigenart, immer wenn er auf der Suche nach einer passenden Formulierung war, durch das Fenster zu stieren und einen Punkt zu fixieren, meistens war das das Küchenfenster des gegenüberliegenden Hauses. Nicht dass er dort hineinschauen wollte, das Fenster diente ihm nur als Orientierungspunkt, er registrierte gar nicht, wenn jemand in ihm lag und hinausschaute. KOK Schneider tat sich nicht so schwer mit den Berichten, er war war auch kein großer Formulierungskünstler, hatte aber recht schnell ein paar fließende Sätze zu Papier gebracht. Es kam bei den Berichten auch gar nicht darauf an, dass sie literarischen Ansprüchen genügten, es reichte vollkommen, wenn die das Geschehene angemessen berücksichtigten und derjenige, der sie las, verstand, worum es ging. Ihre Anfrage war zu diesem Zeitpunkt seit vierundzwanzig Stunden aus dem Haus, wenn sie Glück hätten, könnten sie schon am nächsten Morgen mit einer Antwort rechnen.

Die Zeit verging beim Berichteschreiben immer extrem langsam und sie waren beide froh, als die Mittagspause endlich begonnen hatte und sie in die Kantine gehen konnten. So setzten sie sich an einen freien Tisch, grüßten hie und da ein bekanntes Gesicht und holten sich danach ihr Essen. Sie nahmen den Eintopf, großen Hunger hatte aber keiner von beiden und sie aßen den Wirsing nicht auf. Sie genehmigten sich hinterher noch einen Cappuccino und besprachen, wie sie in Schüttbach vorgehen sollten, sie einigten sich darauf, ohne festes Konzept in das Gemeindeamt zu gehen und den Mitarbeiterinnen einfach frei Fragen zu stellen. Um 13.30 h gingen sie zu ihrem Dienstwagen und fuhren los, in Schüttbach war auf dem Marktplatz alles beim Alten bis auf das Straßencafe bei Bäckerei Erben, das gut besucht und eine unbedingte Bereicherung des Marktplatzes war. Sie beschlossen, im Anschluss an ihren Besuch auf dem Gemeindeamt dort einen Cappuccino zu trinken und gingen zu den beiden Frauen, die sie beide im ersten Büro antrafen. Die beiden Beamten entschuldigten sich für ihr nochmaliges Erscheinen bei ihnen und fragten die beiden:

„Ist Ihnen vielleicht doch noch etwas eingefallen?“ Aber die Frauen verneinten die Frage und so kam ein Gespräch über ihre Arbeit und das Leben in Schüttbach zustande. Die Beamten fragten:

„Seit wann gibt es denn schon das Straßencafe bei Erben?“, und sie erfuhren, dass es erst am Vortag eröffnet worden wäre.

„Das Gemeindeamt wird an diesem Tag schon um 15.00 h schließen, wir können doch danach zu Erben gehen und dort einen Cappuccino trinken.“

„Das ist eine sehr gute Idee“, sagten die beiden Polizisten und gingen schon einmal vor, sie wollten im Cafe auf die beiden jungen Frauen warten, sie würden ja schon in einer halben Stunde schließen. Sie blieben auf der obersten Stufe des Ausganges vom Gemeindeamt stehen und sahen über den Platz, er strahlte eine heimelige Atmosphäre aus und gefiel allen Besuchern. Die beiden Mitarbeiterinnen der Gemeinde kamen gleich um 15.00 h herüber und setzten sich zu den Beamten an den Tisch, sie bestellten sich alle einen Cappuccino und fühlten sich bei der Bäckerei Erben sehr wohl. Die Beamten genossen mit den beiden die gute Stimmung auf dem Marktplatz bei Erben, neben ihnen saßen vornehmlich Ältere, die sich so ein Straßencafe gewünscht zu haben schienen, aber es gab auch einige jüngere Cafegäste. Die beiden jungen Frauen standen nach einer Dreiviertelstunde auf und sagten, dass sie nach Hause müssten. KHK Kortner und KOK Schneider fanden das schade, würden es aber nicht ändern können, so verabschiedeten sie sich voneinander und auch die Männer machten eine Viertelstunde später Schluss und zahlten. Sie fuhren gleich zum Präsidium zurück und machten Feierabend, sie hatten an diesem Tag nicht viel bewegt, das wussten sie, aber auch solche Tage gab es im Leben der beiden Kriminalkommissare.

Am Morgen des nächsten Tages warteten sie gebannt auf die Dienstpost und als am späten Vormittag ihr Chef mit einem großen Briefcouvert ihr Dienstzimmer betrat, war ihnen klar, dass er die Antwort aus New York in Händen hielt. Ohne Worte zu verlieren, legte er das Couvert KHK Kortner auf seinen Schreibtisch und verschwand sofort wieder, die beiden Bamten schauten sich an, und KHK Kortner riss das Couvert auf. Es enthielt den Schlüssel zu ihrer weiteren Vorgehensweise, die beide waren sehr gespannt darauf zu erfahren, welche Adresse es enthielt, an der sie ihre Untersuchung an den Mordfällen fortsetzen würden. Das Scheiben war an den Polizeipräsidenten adressiert, der es gleich an KHK Kortner und KOK Schneider weitergeleitet hatte, es enthielt die Adresse einer Firma in London. Damit hatten die beiden fast schon gerechnet, dass es sich bei dem Abnehmer der High-Tech-Anzüge um jemanden im benachbarten Ausland handeln musste, sie würden also in London weitermachen und ihr Englisch aufbessern müssen. KHK Kortner holte eine große Londonkarte hervor und suchte die Adresse auf dem Stadtplan, sein Kollege half ihm dabei. Der Name der Firma, die von New York aus beliefert wurde, war Shackleton, es gab nur den Firmennamen, nichts deutete auf den Inhalt der betrieblichen Tätigkeit hin. Es dauerte eine Zeit, bis sie die Adresse auf der Karte gefunden hatten, sie hatten das Internet zuhilfe genommen und sich die Route in die Mayes Road in Noel Park berechnen und anzeigen lassen. Sie überlegten beide, wann sie das letzte Mal in London gewesen wären und glaubten, dass das schon Jahrzehnte her wäre, es war noch das britische Pfund, mit dem sie gezahlt hatten, denn die Engländer hatten nicht den Euro übernommen, um sich nicht dem Kontinent auszuliefern.

Die Zeiten, in denen das Pfund aber noch dem Wert von zwölf D-Mark entsprach, waren längs vorbei. Sie waren damals mit ihren ersten Autos durch die britische Hauptstadt gefahren und hatten massive Probleme mit dem Linksverkehr. Bis sie sich darauf eingestellt hatten, dauerte es seine Zeit, richtig daran gewöhnt hatten sie sich nie. Sie hatten damals beide noch geraucht und waren gerade im Dienst als junge Polizisten, sie erinnerten sich, wie sie über die hohen Preise in London geschimpft und sich zum Übernachten die billigsten Hostels ausgesucht hatten, später gab es Bed & Breakfast-Pensionen, die waren sehr in Ordnung. Es gab damals noch nicht den Eurotunnel unter dem Kanal, sie waren immer mit der Fähre von Calais nach Dover gereist, dieses Mal wollten sie mit dem Zug durch den Tunnel fahren. Sie hatten in ihrem Dienstzimmer ein ernstes Gespräch mit ihrem Chef über ihre Vorgehensweise in London:

„Treten Sie auf keinen Fall ganz allein in Kontakt zu der Londoner Firma, sondern schließen Sie sich vorher mit der Londoner Polizei kurz, damit Sie Rückendeckung haben, wenn sie in Bedrängnis geraten.“ Das würde bedeuten, dass sie zunächst zum Police Headquarter in die Wood Street und sich dort vorstellen müssten, sie sollten dort von ihrem Vorhaben berichten, zu Shackleton nach Noel Park fahren zu wollen und den Hergang ihrer bisherigen Untersuchungen darlegen.

„Vielleicht ist der Polizei die Firma schon bekannt und man kann Ihnen Auskünfte über sie erteilen, Sie müssen auf jeden Fall erzählen wie sie in Deutschland auf die Firma gestoßen sind und von den an den Mordstellen gefundenen Fasern berichten.“ Der Chef gab seinen Mitarbeitern internationale Dienstausweise, mit denen sie sich überall zu erkennen geben konnten und er gab ihnen den Tipp, ihren Rückstand beim Schießtraining wettzumachen.

„Nicht dass ich glaube, Sie werden in eine wilde Schießerei geraten, aber man kann ja nie wissen!“ Damit verließ er seine beiden Kommissare wieder und die gingen in den Keller des Präsidiums zum Schießstand, sie bewahrten beide ihre Waffen in ihrem Schreibtisch auf und hatten sie nur ganz selten noch einmal hervorgeholt. Ihre Dienstwaffe war eine Walther 9 mm, Modell P 99, die eine ernst zu nehmende Waffe war, denn die 9-mm-Patrone durchschlug fast alles und konnte erheblichen Schaden anrichten. Unten am Schießstand war kaum etwas los, drei Kollegen trainierten ihre Schießkünste, sonst hielt sich dort unten niemand auf und die beiden Kommissare ließen sich eine Ohrschutz geben, denn das Schießen verursachte ohrenbetäubenden Lärm.

Sie ließen sich beide ein volles Fünfzehn-Schuss-Magazin geben und luden damit ihre Waffen, rückten ihren Ohrschutz zurecht und stellten sich in Schießposition. Sie hatten in zwanzig Metern Entfernung eine Scheibe zu treffen, nach Möglichkeit sollten sie die Ringe in der Mitte treffen, was natürlich nicht ganz einfach war, denn nach jedem Schuss verzog die Pistole leicht und musste wieder ausgerichtet werden. Es gab unter den drei Kollegen, die noch am Schießstand waren, zwei, die ihre zwölf Schuss schnell hintereinander abfeuerten und dabei auch noch ganz gut getroffen hatten, KHK Kortner und KOK Schneider ließen sich aber Zeit. Sie hielten ihre Waffen mit der einen und unterstützten den Griff mit der anderen Hand, sie gaben immer nur einen Schuss ab, um danach eine ganz kleine Zielpause einzulegen. Als sie die fünfzehn Schuss abgefeuert hatten, holten sie die Zielscheibe heran und betrachteten ihr Schießergebnis, sie waren ganz zufrieden, keiner von beiden hatte zwar mehr als drei Schuss ins Schwarze gesetzt, die übrigen Treffer lagen aber dicht bei. Sie trainierten gleich weiter und ließen sich noch einmal fünfzehn Schuss geben, sie wollten sich beide noch mehr konzentrieren als beim ersten Mal und stellten sich in Schießposition.

Wieder streckten sie die Schusshand vor und unterstützten den Arm mit der freien Hand, die richteten die Waffe nach jedem Schuss mit noch mehr Sorgfalt aus, bevor sie erneut feuerten. Als sie ihre fümfzehn Schuss abgegeben hatten, holten sie ihre Zielscheiben heran und überprüften wieder ihr Schießergebnis und siehe da, sechs Schuss saßen im Schwarzen, es gab keine Fahrkarten, die anderen sechs Schuss lagen alle auf der Scheibe. Nachdem sie sich ein drittes Mal ein neues Magazin hatten geben lassen, stellte sie sich wie die drei Kollegen hin und feuerten das Magazin in Windeseile leer. Sie hatten inzwischen eine gewisse Sicherheit gewonnen und ihre Ehrfurcht vor der Waffe verloren, was nicht bedeutete, dass sie unvorsichtig wurden, aber sie ließen sich von dem Schussknall und dem Verreißen der Waffe nicht mehr beeindrucken. Als sie ihren Schnelldurchgang beendet hatten, schauten sie sich ihr Schießergebnis auf der Scheibe an und waren zufrieden mit sich, sie waren bei diesem Durchgang zwar nicht ganz so treffsicher wie zuvor, aber sie hatten wieder drei Treffer im Schwarzen und den Rest auf der Scheibe. Sie nahmen beide den Ohrschutz vom Kopf und schlugen sich auf die Schulter, sie hatten ihre alte Treffsicherheit wiedererlangt und freuten sich darüber. Die Mittagspause war fast zu Ende, sie fuhren mit dem Lift nach oben und bekamen auf den letzten Drücker noch ihr Essen. Jo Leinert saß allein an einem Katinentisch, und sie setzten sich zu ihm, sie erzählten ihm:

„Wir haben die gesuchte Firmenadresse in London“, und Jo meinte nur, dass er auf Frankreich oder auf England getippt hätte. Die beiden Kommissare sagten ihm:

„Wir werden nach London fahren und der Firma einen Besuch abstatten, wir wollen nach Möglichkeit herausbekommen, wohin in Deutschland die Firma die High-Tech-Anzüge geliefert hat. Es können dabei einige Probleme auftreten, wobei wir nicht sagen können, worin die bestehen könnten, aber wir können uns nicht vorstellen, dass man uns sang- und klanglos die Adresse in Deutschland überlässt.“ Deshalb würden sie in London zuerst zum Police Headquarter fahren und sich dort vorstellen, sie würden ihren Kollegen erzählen, in welcher Sache sie ermittelten und wie weit sie bislang gekommen wären, sie würden ihnen natürlich von den gefundenen Fasern berichten, wegen derer sie überhaupt erst nach London gefahren wären. Jo Leinert wünschte ihnen viel Glück für ihre Londonfahrt und bat sie, doch von der Firma einen solchen Schutzanzug mitzubringen, wenn das möglich wäre, es wäre ein rein dienstliches Interesse, aus dem heraus er sich gerne einmal einen solchen Anzug ansehen würde. KHK Kortner und KOK Schneider sagte ihm:

„Wir wollen versuchen, einen solchen Anzug zu bekommen, können aber nichts versprechen, wir müssen zuerst in Erfahrung bringen, wie wir bei der Firma Shackleton aufgenommen werden.“

Sie holten sich alle drei einen Cappuccino und setzten sich damit bis zum Ende der Mittagspause wieder hin, die beiden Kommissare erzählten ihrem KTU-Kollegen, dass sie beim Schießtraining und recht erfolgreich dabei gewesen wären. Jo Leinert entgegnete:

„Ich muss er auch einmal wieder dorthin, ich habe seit ewigen Zeiten nicht mehr geschossen, und weiß gar nicht, ob ich noch gut treffe.“ Er wäre früher ein recht guter Schütze gewesen, glaubte aber, dass seine alte Treffsicherheit sehr gelitten hätte, nachdem er das Schießtraining zu lange hätte schleifen lassen. Am Ende der Mittagspause wünschte Jo den beiden noch einmal viel Erfolg in London, und sie sollten vorsichtig sein und gut auf sich aufpassen, er klopfte den beiden zum Abschied auf ihre Schultern. KHK Kortner und KOK Schneider kümmerten sich um Zugfahrkarten nach London und wollten am nächsten Morgen aufbrechen, ihr Chef hatte ihnen den halben Nachmittag freigegeben, damit sie ihre Sachen packen und sich für die Reise fertigmachen konnten. Sie verließen um 15.00 h das Präsidium und liefen nach Hause, sie erzählen sich unterwegs gegenseitig von alten Londonerlebnissen, bei beiden herrschte eine gespannte Erwartung an die große Stadt vor, sie freuten sich auf der einen Seite, einmal wieder dorthin fahren zu können, hatten aber auf der anderen Seite einen dienstlichen Auftrag zu erledigen, der ihnen noch Kopfzerbrechen bereiten sollte.

Als sie zu Hause berichteten, dass sie am nächsten Tag nach London fahren würden, waren ihre Ehefrauen zunächst überrascht, dass sie nur so wenig Vorbereitungszeit gehabt hätten, fügten sich aber der dienstlichen Verpflichtung ihrer Männer. Sie packten ihnen ein paar Sachen für ungefähr eine Woche in ihre Trolley-Koffer und tranken mit ihnen Kaffee.

„Ist denn Euer Aufenthalt in London gefährlich?“, fragte Frau Kortner ihren Mann, aber der winkte ab und entgegnete:

„Wir müssen nur eine Firma besuchen, auf die wir im Zusammenhang mit unseren Ermittlungen gestoßen sind.“

Frau Kortner merkte aber an dem Blick ihres Mannes, dass das nicht ganz stimmte, immer wenn er die Unwahrheit sagte, bekam er etwas Verschmitztes im Gesicht, und so war es dieses Mal auch. Sie wusste, dass er sie nur beruhigen wollte, fragte aber dennoch nach, und ihr Mann gab ihr einige Informationen zu seiner Reise, sodass seine Frau zufriedengestellt war. Er rief seinen Kollegen an und fragte ihn, ob sie nicht vor ihrer Abreise noch etwas Geld tauschen sollten und KOK Schneider meinte:

„Da müssen wir uns aber beeilen, denn die Banken schließen um 16.00 h.“ Jeder von beiden wechselte dreihundert Euro in britische Pfund um, das Gros ihrer Zahlungen würden sie mit einer Scheckkarte erledigen, die ihnen auf dem Präsidium von ihrem Chef ausgehändigt worden war.

Sie könnten aber nicht jeden kleinen Betrag mit ihrer Scheckkarte bezahlen, deshalb wollten sie immer etwas Bargeld in der Tasche haben. Sie steckten ihre Personalausweise ein und passten ihre Pistolenholster ihren veränderten Körpermaßen an, denn sie hatten ihre Holster lange nicht umgehabt und ihre Körper hatten an Masse zugelegt. Sie würden am nächsten Morgen erst um 11.15 h von Köln abfahren und kämen um 15.26 h in London St. Pancras International an, die Fahrzeit betrüge also nur knappe fünf Stunden. Sie frühstückten am nächsten Morgen ausgiebig mit ihren Ehefrauen und fuhren anschließend alle in einem Wagen zum Kölner Hauptbahnhof. Der Zug kam pünktlich, die Frauen standen auf dem Bahnsteig und schauten durch die Fenster in den ICE, ihre Männer kamen noch einmal heraus und verabschiedeten sich von ihren Frauen, anschließend stiegen sie wieder ein und der Zug setzte sich pünktlich in Bewegung. Sie winkten ihren Frauen noch zu und die standen auf dem Bahnsteig in der riesigen Halle des Kölner Hauptbahnhofs und winkten zurück, ihre Gesichter waren wie versteinert, als ahnten sie nichts Gutes.

Morde und Leben - Kortner und Schneider

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