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Bei den Argin

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Als er bei ihnen erschien, war gleich alles anders als vorher, Tabor kam lachend auf ihn zu, die Luft duftete nach lieblichem Honigaroma, die Sonne schien und es war angenehm warm, der Glen fühlte sich wohl. Nachdem er Tabor begrüßt hatte, sagte er ihm:

„Ich habe für mich den Entschluss gefasst, bei den Argin zu bleiben“, und als Tabor das hörte, war die Freude bei ihm groß. Er ging mit dem Glen zu seinem Haus und sagte ihm:

„Du brauchst als Erstes neue Kleidung“, er wollte ihm für eine Übergangszeit eine Toga von sich geben, und der Glen verschwand mit ihm im Haus und zog sich um. Er fühlte sich sofort wohl in seinem neuen Gewand und lief wieder nach draußen, wo Tabor ihn ansah und ihm sagte, dass er wie ein richtiger Argin aussähe. Mit einem Mal erschien Tola vor Tabors Haus und war sichtlich erfreut, sie kam in Tabors Vorgarten und, anders als beim letzten Mal, gab sie dem Glen nicht die Hand, sondern umarmte ihn und küsste ihn auf die Wange.

„Das Gewand steht Dir sehr gut“, sagte sie dem Glen, ob das bedeutete, dass er von nun an bei ihnen bliebe, fragte Tola und als der Glen ihre Frage bejahte, war Tola beinahe außer sich vor Freude, sie umarmte ihn noch einmal und gab ihm einen weiteren Wangenkuss. Der Glen wusste nicht, wie ihm geschah und blickte Tola in die Augen, Tola schaute ihn verliebt an und hätte Tabor sich nicht geräuspert, um darauf aufmerksam zu machen, dass er auch noch anwesend wäre, wären sich die beiden um den Hals gefallen. So setzten sie sich an Tabors Tisch und tranken ein Glas von seinem grünen Saft, als Tola sagte:

„Der Glen muss von nun an einen Argin-Namen tragen“, und sie und Tabor überlegten, welcher wohl zu ihm passen würde, und nach eine Weile angestrengten Nachdenkens schlug Tola den Namen „Albin“ vor.

„Albin bedeutet sowohl weiß, rein als auch Freund“, und der Glen fand ihn ausgezeichnet, von dem Augenblick an hieß er Albin. Er gewöhnte sich schnell an den neuen Namen und hörte es gern, wenn Tola ihn mit Albin ansprach. Albin hatte in seinen Ohren etwas Weiches und gleichzeitig etwas Bestimmendes. Tabor sagte:

„Solange wie wir ein Haus für Dich suchen, kannst Du bei mir wohnen, ich habe schließlich Platz genug bei mir, und ich freue mich, wenn jemand bei mir zu Besuch ist.“ Albin lief ins Haus und steckte seine alten Kleidungsstücke in den Rucksack, vorerst würde er sie nicht brauchen und wieder herausholen. Höchstens wenn er vielleicht noch einmal Sehnsucht nach Kregelbach hätte, aber bis dahin würde noch viel Zeit vergehen. Tola sagte:

„Ich will mit meinem Vater wegen eines Hauses für Dich sprechen, der kann seine Beamten einschalten, bei denen sind freie Häuser gemeldet, aber zunächst einmal bist Du ja untergekommen.“ Zur Feier des Tages sollten sie gemeinsam tanzen gehen, sagte Tabor und Tola fand seine Idee sehr gut, weil sie schon lange nicht mehr getanzt hatte. Die Argin waren begnadete Tänzer, sie nutzten jede sich bietende Gelegenheit zu tanzen, dabei vollführten sie Bewegungen, die sich von denen bei den Menschen stark unterschieden. Auch tanzten sie nach einer Musik, die sehr gewöhnungsbedürftig war, aber Albin war lernwillig und ließ sich auf alles ein. Tola wollte vorher noch zu ihrem Vater und ihn in seinem Palast besuchen, sie würde ihm von Albin erzählen, auch dass er ein Haus brauchte. Sie sagte den beiden:

„Ich bin in zwei Stunden zurück, danach können wir tanzen gehen!“

Sie schlug das Pop Inn vor, das war im Dorf die Disco, in die sie alle immer zum Tanzen gingen. Albin musste daran denken, dass das Tanzen von ihm eigentlich nie vorher praktiziert worden war, wenn andere nach Irmstadt in die Disco gefahren waren, blieb er zu Hause, ihn hatte niemand mitgenommen. Jetzt im Arginreich würde er das Tanzen lernen und er freute sich darauf, mit Tola eng umschlungen auf der Tanzfläche zu stehen. Ein paar Tanzschritte bekäme er schon hin, aber er wusste nicht wie die Argin tanzten, er würde sicher alles falsch machen und bat Tabor, ihm einige Tanzschritte zu zeigen. Tabor ging ins Haus und stellte eine laute Musik an, die man auch vor dem Haus hören konnte und er begann mit Verrenkungen und Stakkato-Schritten, dass Albin angst und bange wurde. Er fragte seinen Argin-Freund:

„Hast Du nicht auch langsame Musik, auf die man Blues tanzen kann?“, aber Tabor musste passen, nicht dass es bei den Argin keine langsame Musik gäbe, er hatte nur im Moment keine da.

„Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Tanzarten bei den Argin“, sagte Tabor, „den Narga, einen schnellen Tanz, den es in vielen Variationen gibt und den beinahe jeder nach seinem Geschmack tanzt und den Menbaro, einen langsamen Tanz, den besonders Verliebte gerne tanzen, weil sie sich dabei eng aneinanderschmiegen können, aber auch bei dieser Tanzart gibt es Variationen.“

Albin brauchte sich nicht vor den für ihn neuen Tänzen zu fürchten, sagte Tabor, wenn er nur ein wenig körperliche Ausdauer mitbrächte, und er sähe so aus, als hätte er davon genug, könnte er auch die Tänze bewältigen, er sollte einfach nur schauen, wie die anderen tanzten und es ihnen nachmachen. In diesem Moment kam Tola zurück und berichtete von dem Treffen mit ihrem Vater, er wollte Albin treffen und ihn im Arginreich willkommen heißen.

„Wegen eines Hauses sollst Du Dir keine Sorgen machen, da wird sich schon etwas finden.“ Tola schlug Albin vor, am nächsten Tag mit ihr zum Palast zu gehen, ihr Vater freute sich schon sehr auf ihn, aber jetzt sollten sie zum Pop Inn. Tabor war ohne Freundin, er sagte, dass er vor Kurzem eine feste Beziehung beendet und sich von den Frauen erst einmal zurückgezogen hätte.

„Einen Tanzpartner zu finden ist aber nicht schwer, ich spreche im Pop Inn einfach jemanden an, es gibt an der Tanzfläche genug weibliche Argin, die nur darauf warten, aufgefordert zu werden.“ Sie liefen los und kamen an den Häusern der Dorfbewohner vorbei, die in ihren Gärten saßen und sie grüßten.

„Wir gehen tanzen“, rief Tabor ihnen zu und sie wünschten viel Spaß:

„Vielleicht kommen wir noch nach“, erwiderten sie.

Das Pop Inn lag im Dorfzentrum und man konnte die laute Musik, die Albin wirklich sehr befremdete, bis auf die Straße hören, was aber niemanden zu stören schien, denn die Musik gehörte offenbar zum Leben der Argin dazu. Tola und Tabor verfielen schon draußen in verzückte Bewegungen und Albin tat sich noch schwer damit. Als sie die Disco betreten hatten, hätte er sich beinahe die Hände vor die Ohren gehalten, so laut spielte dort die Tanzmusik. Tola schob Albin gleich auf die Tanzfläche, auf der es von tanzenden Argin nur so wimmelte und sie tanzten in skurrilen Bewegungen, die Albin noch nicht einmal an gymnastische Übungen erinnerten, die aber durchaus etwas Sportliches an sich hatten. Tola forderte Albin auf zu tanzen und Albin wusste nicht wie er sich bewegen sollte, um den Tanztstil zu kopieren, er bewegte sich einfach irgendwie zu der Musik, und so fiel niemandem auf, dass er Tanzneuling war. Tola fand seine Tanzbemühungen ganz ansprechend und je mehr Albin tanzte desto mehr glich sich sein Tanzstil dem der anderen an. Er war ganz schön außer Atem geraten, als die Musik einsetzte, auf die er so lange gewartet hatte, die langsame Musik, auf die er mit Tola eng aneiandergeschmiegt tanzen konnte. Die Argin um ihn herum tanzten bereits und hatten keine Hemmungen, sich zu küssen und sogar vor aller Augen zu betatschen.

Albin konnte seine Augen nicht von ihnen lassen, als Tola sich an ihn presste und zu tanzen aufforderte. Die Musik war schon gefälliger und ähnelte, wenn auch nur entfernt, der Bluesmusik, die Albin von zu Hause her kannte. Er spürte durch seine Kleidung Tolas wohlgeformten Körper und drückte seinen Oberkörper vor ihre Brüste. So etwas Schönes hatte Albin noch nie erlebt und Tola schaute ihm dabei unentwegt in die Augen, sie ermunterte Albin, sie zu küssen. Albin war völlig konsterniert, noch nie in seinem Leben war er einem Mädchen so nah, und er streichelte Tola ganz zärtlich. Tola hatte ihre Augen geschlossen und wiegte ihren Körper eng an den von Albin gepresst zu der Musik. Tabor hatte inzwischen jemanden vor der Tanzfläche aufgefordert und tanzte ebenfalls eng umschlungen mit ihr, auch sie streichelten sich und schauten sich dabei in die Augen. Schließlich war die Musik aber zu Ende, die Tanzpartner setzten sich an einen Tisch und bestellten sich etwas zu trinken. Albin war noch immer sehr erregt und musste sich erst daran gewöhnen, dass bei den Argin die Erregung offensichtlich schnell wieder abklang. Tabor hatte seine Tanzpartnerin gebeten, sich zu ihnen zu setzen und die beiden redeten mit Tola, als hätten sie nicht gerade erst eng umschlungen miteinander getanzt. Albins kam ganz langsam wieder zu sich, er drückte Tolas Hand und sah sie permanent an, Tola erwiderte seinen Blick und fordete ihn auf, zu trinken. Als Albin sein Glas an den Mund führte, schmeckte er einen sehr starken Schnaps und verzog sein Gesicht. Er war das Schnapstrinken nicht gewohnt und als Tola ihn fragte:

„Schmeckt Dir der Drink nicht?“, antwortete er: „Ich war nie in großer Trinker.“

Als Tola im Anschluss ihr Glas mit einem Zug leer trank, kam Albin aus dem Staunen nicht heraus und fragte sie: „Setzt Dir der Alkohol denn nicht zu?“ Tola sagte:

„Die Argin können noch so viel Alkohol trinken, er wird sie in keinster Weise beeinträchtigen“, sie fragte zurück:

„Was macht denn der Alkohol mit Dir?“ und Albin erläuterte dessen Wirkung auf den menschlichen Organismus. Tola musste lachen, als sie das hörte und trank gleich noch einen Schnaps auf einmal leer, als wollte sie Albin von der Richtigkeit ihrer Worte überzeugen. Albin bat um Verständnis dafür, dass er sich zurückhalten musste und bestellte mit Tolas Hilfe ein Glas von dem grünen Saft, den er schon bei Tabor getrunken hatte. Die Musik setzte wieder ein und Tola bat Albin weiter zu tanzen, und dieses Mal traute er sich schon mehr zu als beim ersten Mal, was Tola gefiel. Tabor hatte sich mit seiner Partnerin auch wieder auf die Tanzfläche begeben, und so tanzten sie die ganze Zeit, bis Albin mit einem Mal eine starke Müdigkeit befiel. Die Erklärung dafür war ganz einfach, es war in Kregelbach zu diesem Zeitpunkt weit nach Mitternacht und Albin wäre mittlerweile längst im Bett, er bat Tola darum, nach Hause zu gehen und Tola gab Tabor ein Zeichen, dass sie den Tanzabend beenden sollten.

So liefen sie zu Tabors Haus und Tola wollte Albin eigentlich mit zu sich nehmen und eine tolle Liebesnacht mit ihm verbringen, aber Albin schleppte sich nur so dahin und war zu nichts mehr in der Lage, er entschuldigte sich bei Tola und sie hatte Verständnis für Albins Müdigkeit. Albin musste sich erst noch an den Lebensrhythmus der Argin gewöhnen, sie brauchten kaum Schlaf und konnten sehr lange wach bleiben, auch unter Belastung befiel sie so schnell keine Erschöpfung. Albin sagte Tola:

„Ich muss schlafen“ und gab ihr zum Abschied einen Kuss auf den Mund, es war ein sehr inniger Kuss. Tola sagte, dass sie ihn nach seinem Schlaf abholen und mir ihm zu ihrem Vater gehen wollte und sie lief zu sich nach Hause. Bei Tabor angekommen, sagte Albin, dass er sich hinlegen wollte, und Tabor entgegnete:

„Fühl Dich wie zu Hause!“ Es dauerte nur eine ganz kurze Zeit, und Albin war eingeschlafen, er schlief zehn Stunden am Stück, wie er später an seiner Armbanduhr überprüfen konnte. Nachdem er wieder aufgestanden war, machte er sich frisch und sah im Spiegel, dass sich sein Äußeres verändert hatte, sein Gesicht war nicht mehr so verhärmt und hatte sich geglättet und er sah insgesamt jugendlicher und schöner aus, was ihn freute. Er begrüßte Tola und Tabor, die im Vorgarten saßen und Schnaps tranken. Albin drückte sein Bedauern aus, dass er so lange geschlafen hätte und sagte:

„Ich muss mich erst noch an die neuen Verhältnisse gewöhnen.“ Das machte doch überhaupt nichts, sagte Tabor, er könnte doch so lange schlafen wie er wollte.

„Ich glaube aber, dass sich Deine Schlafdauer mehr und mehr verringern wird, je länger Du bei den Argin bist, auch Dein Aussehen hat sich in der kurzen Zeit schon zu Deinem Vorteil verändert.“ Albin setzte sich zu den beiden und trank ein Glas von dem grünen Saft, der ihm noch am besten schmeckte, er verspürte überhaupt keinen Hunger, obwohl er schon lange keinen Happen zu sich genommen hatte. Tola bemerkte, dass die Argin dem Essen gar keine große Bedeutung beimaßen. Selbstverständlich aßen sie, aber nur das, was ihr Körper unbedingt zum Leben brauchte und das gab es in fertigen Würfeln, von denen sie in unregelmäßigen Abständen welche aßen, ein Gefühl wie Hunger kannten sie gar nicht. Das hörte sich für Albin zwar sehr merkwürdig an, er versuchte aber nachzuvollziehen, was Tola da gesagt hatte, wenn es auch schwerfiel. Als Albin seinen Saft getrunken hatte, sagte Tola:

„Ich will mit Dir zu meinem Vater in den Palast gehen, er wartet schon auf uns und hat vielleicht schon ein Haus für Dich.“ Sie verabschiedeten sich von Tabor und liefen los, Hand in Hand wie zwei frisch Verliebte. Sie liefen ungefähr eine Viertelstunde, als sie auch schon das große Palastgebäude mit den davorstehenden Wachen sahen. Gerade als diese vor Tola zu ihrem militärischen Gruß ansetzen wollten, winkte sie ab und befahl ihnen, zu rühren, sodass sie gleich in eine lockere Haltung zurück verfielen.

Tola und Albin betraten den Palasthof und Albin konnte den Duft der Blumen aufnehmen, die dort in Beetkübeln gepflanzt waren und deren intensive Duftnote sogar noch das Parfum von Tola übertraf. Sie gingen in die Lobby und König Joda kam, um die beiden zu begrüßen, er führte sie in den Salon und bat sie, sich an den Mahagonitisch zu setzen. Die Diener brachten Getränke, es war auch Saft dabei und Albin hielt sich an das alkoholfreie Getränk, Joda und seine Tochter tranken einen Schnaps und Tola klärte ihren Vater gleich über Albins Probleme auf, die er bekäme, wenn er Alkohol trank. Joda glaubte, dass sich bei ihm eine Alkoholverträglichkeit schon noch einstellen würde, wie sich vieles noch ergeben würde, wenn er einige Wochen bei den Argin lebte. Zunächst beglückwünschte er Albin zu seinem Entschluss, ein Argin zu werden und wollte ihm einige allgemeine Informationen geben.

„Sicher hast Du Dir schon die Frage vorgelegt, wovon die Argin eigentlich leben, ob es so etwas wie Geld gibt, wie groß das Arginreich ist usw.“ Als Erstes wollte er Albin aber mitteilen, dass er ein Haus für ihn gefunden hätte, das ihm sicher gefallen würde:

„Es liegt direkt im Dorfzentrum, ungefähr drei Minuten von Tabor entfernt, Du kannst es Dir später zusammen mit Tola ansehen.“ König Joda berichtete:

„Die Argin können es sich erlauben, in einem Staat zu leben, in dem alles frei ist, weil das Arginreich über immense Rohstoffvorkommen verfügt, vor allem Gold und Kupfer, die bei den Kikra-Bergen abgebaut werden und diese ins Ausland verkauft. So ist die Haushaltskasse immer gefüllt und alle Argin können sorgenfrei aus ihr leben. Die Argin üben zumindest zum Teil Berufe aus, die mit der Rohstoffgewinnung oder mit Dienstleistungen wie Tourismus oder der Herstellung der Gnoogles zu tun haben, das ist der Name für die Nahrungswürfel, von denen die Argin sich ernähren. Sie arbeiten höchstens an drei Stunden in der Woche, mehr zu arbeiten ist nicht erforderlich und sie bekommen auch kein Geld dafür, weil Geld nicht verbreitet ist. Die Argin gehen ihren Beschäftigungen vielmehr aus sozialer Verantwortung nach. Das Soziale ist überhaupt sehr ausgeprägt bei den Argin, weil aber niemand in Armut lebt, wird es allerdings kaum nachgefragt. Du fragst Dich vielleicht, was der Lebensinhalt der Argin ist und da kann ich Dir sagen, dass der kulturelle Bereich eine große Rolle spielt, viele Argin malen oder sind Schriftsteller, andere treiben Sport, was aber beinahe alle für ihr Leben gerne tun ist wandern. Es gibt Argin, die schon das gesamte Reich erwandert haben und Monate unterwegs gewesen sind. Es ist eine Infrastruktur geschaffen worden, die mit Wandern zu tun hat, da sind nicht nur die Verteilstellen für die Ausrüstungsgenstände wie Schuhe, Kleidung, Rucksäcke und Stöcke, die alle nicht bei den Argin produziert, sondern eingeführt werden, es gibt auch die vielen Hotelbetriebe für die Wanderer, auch müssen die Wanderwege in Ordnung gehalten werden. Sicher bekommst Du einmal die Möglichkeit, mit Tola und weiteren Freunden eine solche Wanderung durch das Reich zu unternehmen, Du wirst auf diese Weise sehr viel sehen, denn es gibt Reichsteile mit hohem Freizeitwert.“

Joda erhob sein Glas und stieß auf Tola und Albin an, er sagte, dass er Albin das wünschte, wovon er immer geträumt hätte. Wenn er irgendein Problem hätte, sollte er zu ihm kommen, er hätte immer ein offenes Ohr für ihn.

„Ich will Dich nicht weiter mit Informationen zuschütten“, sagte Joda, „alles weitere wirst Du erfahren, wenn Du mit den Argin zusammenlebst“, und er wünschte Albin alles Gute und viel Glück. Tola schlug Albin vor, dass sie sich zusammen sein neues Haus ansehen sollten und Albin war einverstanden. Sie standen auf und Albin gab König Joda die Hand, er fragte sich in diesem Moment, ob er vor der Majestät einen Diener machen müsste, aber Joda sagte gleich, dass er auf alle Ehrenbezeugungen verzichtete. Die beiden verließen den Palast wieder und Tola verzichtete demonstrativ auf das Grüßen der Wachen. Sie liefen in Richtung Dorfzentrum und kamen bei Tabor vorbei, der in seinem Vorgarten saß und sich angeregt mit seiner Nachbarin unterhielt, sie wollten ihn erst mitnehmen, ließen ihn aber mit seiner Nachbarin reden.

In einer kleinen Seitenstraße stand schließlich Albins neues Zuhause, ein schmuckes Haus mit riesigem Garten, wobei sich Albin gleich fragte, wie er den pflegen sollte, und Tola sah ihn grübeln, sie sagte ihm:

„Es gibt im Ort einen kostenlosen Gärtnereibetrieb, den Du zur Pflege Deines Gartens einschalten kannst.“ Da das Haus nicht abgeschlossen war, öffneten sie die Tür und gingen hinein. Die Häuser im Arginreich waren nie abgeschlossen, es gab gar keine Schlösser, weil es auch keine Diebstähle und Raubüberfälle gab. Das Haus war voll möbliert und die Einrichtung gefiel Albin auf Anhieb, es hatte unten ein schönes großes Wohnzimmer mit anschließender Gartenterrasse und zwei weiteren Räumen für Gäste, dazu ein Bad. Eine Küche gab es nicht, weil die bei den Argin nicht gebraucht wurde, die Gnoogles, die sie aßen, wurden geliefert und in ein Fach gelegt, das es vor jedem Haus gab. Sie gingen nach oben und fanden dort Albins Schlafzimmer und noch zwei weitere Zimmer vor, von denen Albin nicht wusste wie er sie nutzen sollte.

Aber Tola sagte ihm:

„Du kannst zumindest aus einem Raum schon einmal einen Sportraum machen, den anderen Raum kannst er als Arbeitszimmer nutzen, wenn Du einmal etwas schreiben willst.“ Die beiden Räume waren kaum möbliert, es fand sich gerade einmal eine Couch und ein Tisch in ihnen. Im Schlafzimmer aber standen ein großer Schrank, ein breites Bett mit herrlich fester Matratze, ein kleiner Tisch und ein Stuhl. Neben dem Schlafzimmer lag ein weiteres Badezimmer, ebenfalls groß und zweckmäßig eingerichtet. Was im gesamten Haus noch fehlte, waren Bilder, die wollte Albin zusammen mit Tola aussuchen und aufhängen.

Er hatte da bestimmte Vorlieben, die er in seinem neuen Haus verwirklichen wollte. Tola sagte, dass sie zur Verteilstelle gehen sollten, dort könnten sie sich einen Katalog ausleihen und sich zu Hause in Ruhe Bilder aussuchen. In der Verteilstelle gäbe es auch eine Buchausleihe, wenn er bestimmte Bücher haben wollte, könnte er sich die dort holen.

„Beinahe alle Argin benutzen aber mittlerweile E-Books, weil das einfach das Praktischste ist“, sagte Tola. Albin zeigte sich überaus zufrieden mit seinem Haus und war drauf und dran, eine Einweihungsfete zu geben, und er sprach mit Tola darüber, sie fand die Idee gut, sie wollte Albin mit ihren Freunden bekannt machen, und sie könnten schön zusammen tanzen.

„Du musst Dir nur überlegen, wann Du feiern willst, damit sich die Leute darauf einstellen können und Zeit haben, sicher kommen viele, denn eine Einladung lässt sich so schnell kein Argin entgehen.“ Sie sah Albin an, Albin sah sie an und sie küssten sich, sie küssten sich lange und verliebt, Albin drückte Tola sanft zur Couch und sie ließen sich darauf fallen.

Albin begann, Tola zu streicheln und küsste sie sehr innig, Tola erwiderte seine Küsse. Albin sagte Tola, dass er es unglaublich schön dände, mit ihr auf der Couch zu sitzen und sie zu streicheln, er küsste Tola wieder und sagte ihr, dass er sie liebte. Tola entgegnete, dass sie ihn auch liebte und schmiegte sich fest an ihn, sie hätte ihn gleich gemocht, als er das erste Mal im Arginreich erschienen wäre. Sie lagen lange Zeit auf der Couch und gaben sich ihre Liebesschwüre, bis Tola aber irgendwann wieder aufstand und ins Badezimmer ging. Albin stand auf und gab Tola einen langen Kuss, sie duschten beide und wuschen sich gegenseitig, anschließend nahmen sie Handtücher und trockneten sich ab. Tola sagte:

„Ich will mit Dir zur Verteilstelle gehen, damit Du Dir dort eine Grundausstattung an Getränken und Reinigungsmitteln zulegst.“ Auch den Bilderkatalog wollten sie sich geben lassen und er sollte überlegen, welche Bücher er sich ausleihen wollte, am besten ließ er sich aber gleich ein E-Book geben und die Bücher darauf laden. Also zogen sich beide wieder an und liefen los, sie kamen zuerst durch Albins Vorgarten, der ohne Zaun an die Straße grenzte, die ja nur von Fußgängern benutzt wurde, es gab keine Zäune oder dergleichen, die die Grundstücke vor Fremden schützten, die Argin kannten nicht einmal die Worte „Fremder“ oder „Zaun“. Sie waren immer darauf aus, den anderen zu sich kommen zu lassen und ihn zu bewirten. Tola und Albin konnten die Verteilstelle schon sehen, sie lag nicht weit vom Pop Inn entfernt und hatte noch zwei Stunden geöffnet.

Sie gingen hinein und begrüßten die Mitarbeiterin, die dort gerade ihren Dienst verrichtete, sie hatte für drei Stunden die Aufsicht in der Verteilstelle übernommen und musste noch zwei Stunden arbeiten.

Tola und Albin sagten, dass sie Getränke und Reinigungsmittel geliefert haben wollten und Albin gab seine Adresse an, anschließend baten sie die Mitarbeiterin um ein E-Book und den Bilderkatalog.

Sie wünschten ihr noch einen schönen Tag und gingen mit dem E-Book und dem Katalog zu Albin zurück und setzten sich in sein Wohnzimmer.

„Du kannst Dir nicht vorstellen wie erhebend das Gefühl für mich ist, in meinem eigenen Haus mit Dir sitzen zu dürfen“, sagte Albin und er küsste seine Angebetete. Danach schlug er den Katalog auf, der achthundert Seiten und eine Menge an Gewicht hatte, Albin hatte ihn auf den Wohnzimmertisch gelegt, damit auch Tola hineinschauen konnte. Doch zuerst beschäftigte er sich mit seinem E-Book und ließ sich von Tola zeigen, wie man mit ihm umging, das war für die Argin völlig normal. Albin sagte Tola:

„Die Mitarbeiterin auf der Verteilstelle hat mir meine zwei Favoriten aufgeladen: Bill Bryson, „Eine kurze Geschichte von fast allem“ und Elsa Osorio, „Mein Name ist Luz“.“ Den Bryson läse er zum zweiten Mal, weil er ihm so gut gefallen hätte und eine wirklich verständliche Übersicht über die Entstehungsbedingungen und die Geschichte des Lebens gäbe. Elsa Osorio wäre eine Empfehlung aus der Zeitung gewesen, ihr Roman spielte in Argentinien zur Zeit der Militärdiktatur und schilderte das Leben der Autorin unter der Knute der Militäroberen.

Für die Bilder nahm er sich schon mehr Zeit und wollte ganz in Ruhe mit Tola welche aussuchen, vorab fragte er sie, ob sie bei den Gemälden irgendwelche Vorlieben hätte und Tola antwortete, dass ihr die französischen Impressionisten sehr gefielen. Damit hatte sie exakt den Geschmack von Albin getroffen, der ebenfalls ein Faible für diese Maler hatte. Es war einfach die Leichtigkeit des Pinselstrichs und die scheinbar aufgehauchte Farbe bei gleichzeitiger Farbintensität, die die beiden so faszninierten. Albin lief mit Tola sein Haus ab und notierte die Stellen, an die er ein Bild hängen wollte. Er kam auf acht Bilder, von denen er vier ins Wohnzimmer, zwei ins Treppenhaus und zwei ins Schlafzimmer hängen wollte. Danach setzte er sich mit Tola wieder auf die Couch und schlug in dem dicken Katalog die französischen Impressionisten auf, von denen die beiden ohne Ausnahme alle mochten. Sie verschafften sich zunächst einen Überblick, was schon schwer genug war, denn jeder Maler hatte mindestens fünfzig bedeutende Gemälde hervorgebracht. Schließlich nahem sie die acht wichtigsten Impressionisten und verständigten sich darauf, von jedem ein herausragendes Werk zu nehmen. Sie schlugen zuerst die Werke von Paul Cezanne (1838-1906) auf und Albin entschied sich gleich für eine Darstellung des Mont Saint-Victoire, von denen Cezanne mehr als zwanzig gemalt hatte. Albin suchte das Bild „Mont Saint-Victoire, Blick vom Steinbruch Bibemus“ von 1897 aus.

Der Berg war die dominierende Landschaftsstruktur in Cezannes Heimatstadt Aix-en-Provence, die von Albin ausgesuchte Variation war wegen ihrer Farbigkeit sehr schön, das Bergmassiv thronte geradezu inmitten des umgebenden Buschwerks und des Steinbruchs, dabei verzichtete Cezanne auf jede Detaildarstellung und brachte die Farbe sehr flüchtig aber dennoch authentisch auf.

Wenngleich bei Edgar Degas (1834-1917) die Landschaftsmalerei nicht den Hauptteil seines Schaffens ausmachte, entschied Albin sich für das Bild „Strand bei Ebbe“ von 1870. Degas ordnete waagerecht verlaufende Farbstreifen für Himmel, Meer und Strandzonen, vereinzelt waren Menschen zu erkennen, die gemalten Pastelltöne ließen eine gedrückte Stimmung entstehen, fast war man geneigt, das offensichtliche Ende des Tages mit dem Ende des Lebens gleichzusetzen. Das Bild war mit achtzehn mal einunddreißig Zentimetern verschwindend klein und Albin würde es wohl über die Treppe hängen.

Paul Gaugin (1848-1903) faszinierte natürlich besonders wegen seiner Südseemalerei und deren plastischer Farbigkeit. Albin wollte ein Südseebild, die Südsee war für Gaugin ein Fluchtpunkt, den er zweimal ansteuerte, bevor er auf der von ihm ausgewählten Insel Hiva Oa nach vielen Misserfolgen jung starb. Er suchte das Bild „Parau Ap, Gibt´s was Neues?“ von 1892 aus, das zwei zufrieden dreinblickende Südseefrauen in ihrer bunten Kleidung zeigte. Das Bild hatte mit siebenundsechzig mal zweiundneunzig Zentimetern stattliche Ausmaße und es würde sich im Wohnzimmer ganz gut machen.

Vom Edouard Manet (1832-1883) suchten Tola und Albin ein Spätwerk aus, das „Musik in den Tulerien“ (1862) zum Inhalt hatte und neunundfünfzig mal dreiundsiebzig Zentimeter groß war, es war eines der wenigen Gruppenportraits des Künstlers, auf dem er sich selbst darstellte. Tola und Albin gefiel das Bild, weil es die französische Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf die Schippe nahm und sich die Einzelcharaktere überzeichnet fanden.

Der sehr berühmte Impressionist Claude Monet (1840-1926) sollte durch ein besonderes Werk im Hause Albins repräsentiert sein, Tola und er wählten das Bild „Sonnenaufgang“ von 1872 aus. Der „Sonnenaufgang“ im Hafen von Le Havre könnte Albins Erscheinen bei den Argin versinnbildlichen. Monet hatte die Farben dünn in Schichten aufgetragen, stellenweise war noch die Leinwand zu sehen. In der Mitte und im Vordergrund waren Fischerboote zu sehen. Mit achtundvierzig mal dreiundsechzig Zentimetern war das Bild in einer überschaubaren Größe gehalten, Albin könnte es sich in seinem Schlafzimmer vorstellen.

Camille Pissaro (1830-1903) galt als einer der produktivsten Schöpfer des Impressionismus und Tola und Albin hatten Schwierigkeiten, ein passendes Gemälde von ihm auszusuchen, bis sie sich für „Die Kastanienbäume von Louveciennes“ von 1870 entschieden, ein Bild, das durch klare Strukturierung und ins Auge springende Farbigkeit überzeugte. Es war mit fünfundsechzig mal einundachtzig Zentimetern von normaler Bildgröße und Albin würde es ins Wohnzimmer hängen.

Ein weiterer weltweit geachteter Impressionist war Pierre-August Renoir (1841-1919), Tola und Albin hatten schon viele Werke von ihm gesehen, Albin in Zeitschriften und Tola während ihres Kunststudiums, sie hatte nämlich vier Jahre lang Kunst studiert und kannte sich dementsprechend aus. Tola verwandte wöchentlich drei Stunden darauf, junge Argin an die Kunst heranzuführen und gab auch Malunterricht. Sie entschieden sich beide für das Riesenbild „Bal de Moulin de la Galette“ von 1876, das die Größe hunderteinunddreißig mal hundertsechsundsiebzig Zentimeter hatte. Albin würde es an die große frei Wohnzimmerwand hängen, die die ganze Breitseite des Hauses einnahm.

Alfred Sisley (1839-1899) war der letzte Künstler, von dem die beiden ein Gemälde aussuchten und sie taten sich zunächst schwer, bis sie auf das Bild „Die Seine bei Bougival“ von 1876 stießen. Es war mit fünfundvierzig mal einundsechzig Zentimetern nicht sonderlich groß. Es fixierte das Auge des Betrachters am Schnittpunkt der Bilddiagonalen in der Bildmitte und leuchtete geradezu in seiner hellen Farbigkeit. Es zeigte einen sonnendurchfluteten Sommertag und Albin war sich noch nicht ganz klar darüber, wo er das Bild hinhängen wollte, das würden Tola und er entscheiden, wenn er das Bild im Hause hätte.

Plötzlich klopfte es an Albins Tür und ein Mitarbeiter der Verteilstelle brachte die Getränke und Reinigungsmittel, die Albin bestellt hatte, Albin nahm sie entgegen und räumte sie in einen Schrank. Anschließend goss Albin Tola einen Schnaps und sich einen Saft ein und sie genossen zufrieden ihre Getränke. Tola sagte:

„Ich muss wieder nach Hause, weil ich dort noch etwas zu erledigen habe“, und Albin bot ihr an, sie zu begleiten, schließlich war es nicht weit bis zu Tola gewesen. Tola lief im Albins Begleitung zu sich und Albin sah, dass auch Tolas Haus sehr schön aussah und von einem blumenübersäten Vorgarten geziert wurde. Sie lud Albin noch kurz zu sich ein, bedeutete ihm aber, dass sie gleich wieder weg müsste, sie hätte noch einen Termin bei ihrem Vater. Albin küsste Tola zum Abschied und lief wieder zu sich zurück. Als er an Tabors Haus vorbeikam, sah er ihn allein bei sich sitzen und grüßte ihn, sofort bat Tabor Albin zu sich und fragte ihn nach seinem Haus aus. Albin erzählte:

„Ich werde demnächst eine Einweihungsfete geben, aber natürlich sollst Du auch schon vorher zu mir kommen, ich habe Getränke von der Verteilstelle geliefert bekommen und kann Dir einen Schnaps anbieten.“ Warum also sollten sie nicht gleich zu ihm gehen, fragte Albin Tabor und Tabor stand auf und lief mit Albin die drei Minuten bis zu dessen Haus. Tabor bewunderte Albins Vorgarten und die schmucke Hausfassade.

Im Wohnzimmer lag noch der Bilderkatalog auf dem Couchtisch und Albin erklärte, dass er bis gerade mit Tola Bilder ausgesucht hätte.

„Wir habten acht impressionistische Gemälde ausgesucht und nur die herausragendsten Franzosen berücksichtigt, ich habe gar nicht gewusst, dass Tola Kunst studiert hat“, sagte Albin, „so habe ich natürlich eine hervorragende Beraterin an meiner Seite gehabt.“ Tabor ließ sich von Albin einen Schnaps einschenken und setzte sich mit ihm in dessen Vorgarten. Albin traute sich noch nicht an den Schnaps und nahm von dem grünen Saft. Er sagte Tabor, dass er sich unendlich glücklich in seinem neuen Haus fühlte, nie hätte er sich träumen lassen, dass er in seinem Leben einmal so gut haben würde. Tabor sagte Albin:

„Ich fliege einmal in der Woche in das Rohstoffgebiet des Arginreiches und arbeite dort drei Stunden, ich bin Bergwerksingenieur und überwache die Förderarbeiten, die weitgehend vollautomatisch verrichtet werden.“ Albin sollte sich überlegen, ob er nicht auch einen kleinen Beitrag in Form von Arbeit leisten wollte, es könnte ihm ja Bescheid geben, wenn ihm etwas eingefallen wäre. Albin entgegnete:

„Ich habe eigentlich nichts gelernt und die Arbeit, die ich verrichten kann, kann deshalb nur von niederer Qualifikation sein.“ Tabor erwiderte:

„So etwas gibt es bei den Argin nicht, jede Arbeit, die dem Gemeinwohl dient, ist von gleichem Wert.“ Albin fiel ein, dass er, wenn er den Bücherkatalog zur Verteilstelle zurückbrächte, dort einmal fragen könnte, ob er nicht an drei Stunden in der Woche Waren ausgeben könnte. Das wäre doch eine gute Idee, sagte Tabor, er könnte sich vorstellen, dass man auf der Verteilstelle noch jemanden gebrauchen könnte. Albin stellte an sich fest, dass sich ganz allmählich ein Verwandlungsprozess vollzog, sein Äußeres hatte sich ja schon zu seinem Vorteil verändert, jetzt bemerkte er, dass er gar keinen Hunger verspürte und auch nicht müde war, und als er Tabor das mitteilte, meinte der, dass das der Gewöhnungsprozess an die neuen Umstände wäre.

„Du wirst langsam ein Argin, Du musst nur noch eine Zeit lang warten, bis sich der Prozess vollends vollzogen hat“, meinte Tabor. Albin sollte doch einmal einen Gnoogle probieren, er sollte einmal in sein Fach schauen, ob da überhaupt Gnoogles drinlägen. Albin lief zu seiner Haustür, neben der das Gnoogle-Fach angebracht war und griff hinein, und tatsächlich fand er dort einige Gnoogles, von denen er Tabor einen anbot und sich selbst auch einen nahm. Tabor sagte, dass er eigentlich keinen Hunger hätte, aber um Albin zu zeigen, dass man die Gnoogles durchaus mit Genuss essen könnte, nahm er einen Würfel und biss eine Ecke ab, die er mit Wohlgenuss zerkaute.

Albin sah ihn unsicher an, bevor er aber auch einen Gnoogle nahm und vorsichtig eine Ecke abbiss. Er begann, darauf zu kauen und wartete darauf, den Geschmack des Gnoogle zu spüren, und nach einem Augenblick stellte sich ein ausgezeichnetes Geschmackserlebnis ein. Es war eine Mischung aus Fleisch und Gemüse, die sehr gut gewürzt war und Albin biss gleich noch eine Ecke ab, die er mit dem gleichen Genuss vertilgte. Er sagte Tabor:

„Niemals hätte ich gedacht, dass die Gnoogles dermaßen geschmackvoll wären“, und er steckte sich den Rest des Nahrungswürfels in den Mund. Sie aßen eine ganze Zeit in Albins Vorgarten, als Tabor wieder nach Hause ging und Albin beschloss, einige Stunden zu schlafen. Er ging in sein Schlafzimmer hoch, machte sich im Badezimmer kurz frisch und legte sich auf sein Bett, das er sehr gut fand, es war nicht zu weich und nicht zu hart. Er hatte die Übergardinen zugezogen und lag eine Zeit lang auf dem Rücken, wieder musste er daran denken wie gut es ihm doch ging und schlief darüber ein. Er wird drei, vier Stunden geschlafen haben, als er wieder aufstand und duschte. Er würde Tabor fragen müssen, wie er an Kaffee kommen könnte, denn er hatte mächtigen Kaffeedurst. Nachdem er sich angezogen hatte, nahm er den Bilderkatalog und brachte ihn zur Verteilstelle zurück, er rief von dort aus Tabor an und teilte ihm mit, dass er sich dort um eine Stelle bemühen wollte. Tabor gab ihm sein Okay und sagte ihm, dass er seinen Entschluss gut fände.

Albin begrüßte die Mitarbeiterin, die gerade in der Verteilstelle Dienst tat und gab ihr einen Zettel, auf dem die Bilder, die er mit Tola ausgesucht hatte, mit ihren Katalognummern aufgeschrieben waren. Die Mitarbeiterin gab die Angaben in ihren Computer ein und sagte Albin:

„Du musst mit zwei Tagen Wartezeit rechnen, bis die Bilder geliefert werden“, und sie notierte Albins Adresse. Als Albin sie fragte, wie man sich um einen Job in der Verteilstelle bewerben müsste, sagte die Mitarbeiterin:

„Mit diesem Vorhaben musst Du zur Leiterin, die gerade im Haus ist und in ihrem Büro sitzt, wenn Du willst, kann ich Dich zu ihr bringen.“ Albin dankte der Mitarbeiterin für ihr Entgegenkommen und ließ sich zur Verteilstellenleiterin bringen, die auch nur drei Stunden die Woche arbeitete wie jeder andere auch.

Er stellte sich ihr vor und sagte:

„Ich bin an einem Job interessiert, ich möchte gern in der Verteilstelle arbeiten und könnte dafür drei Stunden in der Woche erübrigen.“ Die Leiterin stellte sich Albin als Pelbin vor und sagte ihm, dass sie ihn schon in der Nähe ihres Hauses gesehen hätte, er wäre wohl dort zugezogen und Albin bestätigte, dass er erst seit ganz kurzer Zeit in seinem Haus lebte, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Pelbins Haus befand. Pelbin sagte:

„In der Verteilstelle wird jede Kraft gebraucht, und ich finde es gut, dass Du Dich meldest, wann passt es Dir denn am besten?“

Albin erwiderte, dass es ihm eigentlich egal wäre, er erschien für drei Stunden und würde seinen Job erledigen, er glaubte, dass ihm der Job Spaß machte.

Pelbin nahm Albins persönliche Daten auf und sagte ihm, dass sie ihn anriefe, wenn er gebraucht würde, er müsste danach einfach vorbeikommen, und wenn er aus der Verteilstelle noch irgendetwas brauchte, sollte er nur Bescheid sagen, sie würde sich persönlich darum kümmern. Albin bedankte sich für Pelbins Freundlichkeit, er sagte:

„Ich warte auf Deinen Anruf“ und ging wieder zu sich nach Hause, er teilte der Mitarbeiterin im Gehen mit, dass er auf seine Bilder wartete. Zu Hause schaute er sich genau die Stellen an, an die er seine Bilder hängen wollte, der große Renoir war klar, der kam an die große leere Wohnzimmerwand, den kleinen Degas würde er ganz unten über die Treppe hängen. Er würde zwei weitere Bilder über die Couch und eins an die Wand zum Badezimmer hängen, und dachte dabei er an den Gaugin und den Pissaro. Den Monet würde er im Schlafzimmer brauchen, und auch den Sisley würde er dorthin hängen. Die endgültige Platzierung der Bilder nähme er zusammen mit Tola vor, die wohl bald bei ihm erscheinen würde, bis dahin nahm er sein E-Book und setzte sich in seinen Vorgarten, er nahm den grünen Saft mit hinaus, den Schnaps mied er. Bier tranken die Argin gar nicht oder nur selten, es gab ganz guten Wein, der in dem sehr sonnigen Süden des Arginreiches wuchs und gerne getrunken wurde.

Sicher würde Albin einmal mit Tola in die Weingegend fliegen und dort vielleicht eine Wanderung machen. Die Weingegend lag südlich der hohen Gebirgskette, die das Arginreich von Westen nach Osten durchzog und Gipfel bis dreitausend Metern Höhe aufwies. Dicht an der Gebirgskette lag das Rohstoffvorkommen des Reiches, die Gebirgskette war eine Wetterscheide, öfter regnete es sich im Norden ab, während der Süden unbehelligt blieb und Sonnenschein hatte, auf den Berggipfeln lag oft Schnee. Das Arginreich wurde von drei großen Strömen durchzogen, die alle drei in der Gebirgskette entsprangen. Zwei von ihnen, der Elem und der Intra, flossen nach Norden und mündeten in das Nordmeer, der Sulara floss nach Süden und mündete in das Südmeer. Alle drei Ströme hatten beträchtliche Ausmaße und waren schiffbar, wenngleich sie nur von Touristenschiffen befahren wurden. Der Sulara floss mitten durch das Weingebiet und viele Argin verbrachten an seinen Ufer ihre Ferien, sein Wasser war sauber und man konnte sogar in ihm schwimmen, musste aber wegen seiner Strömung vorsichtig sein. Die Gebirgskette teilte das Reich in zwei etwa gleichgroße Hälften, von denen jede ungefähr achthundert Kilometer bis zum Meer maß und ihre Ost-West-Ausdehung betrug etwa tausend Kilometer. Albin saß im Vorgarten und fing an, Elsa Osorio zu lesen, die schilderte, wie sie als Kind im Argentinien der Militärdiktatur bei ihr fremden Eltern aufwuchs, weil ihre Mutter erschossen worden war, und wie sie später ihren Vater in Madrid traf, wo sie ihm alles erzählte, was sie erlebt hatte.

Albin fand, dass das Argentinien der Militärdiktatur das krasse Gegenteil zum Arginreich war und er wusste durchaus zu schätzen, wo er sich befand. Kurze Zeit später erschien Tola und setzte sich zu ihm, sie berichtete vom Besuch bei ihrem Vater und sagte:

„Ich mache mir Sorgen um seine Gesundheit, er hat so ein merkwürdiges Leiden an seinem Magen, für das niemand eine Erklärung hat.“ Die Argin kannten eigentlich überhaupt keine Krankheiten und hatten demzufolge so gut wie gar keine Ärzte. Verletzungen oder Brüche, die sie sich zuzogen, heilten sie problemlos selbst, dazu waren sie in der Lage, aber ein inneres Organ war im Regelfall nie befallen. Albin erzählte Tola, dass er einen Job in der Verteilstelle angenommen hätte, er würde drei Stunden in der Woche dort arbeiten und sich um die Warenausgabe kümmern. Er hätte mit der überaus netten Pelbin gesprochen, die drei Häuser weiter wohnte. Das wäre ja toll, sagte Tola, sie hätte mit ihm auch so etwas vorgeschlagen, damit er sich wie alle Argin um die Hebung des Gemeinwohls bemühte, sie hätte ihn nur nicht gleich zu Beginn seines Lebens im Arginreich damit überfallen wollen. Albin teilte Tola mit, dass er die Bilder in zwei Tagen bekäme und goss ihr einen Schnaps ein, den sie in einem Zug trank und er füllte ihr Schnapsglas gleich wieder auf.

Albin glaubte, dass er den Schnaps bald auch wie Wasser trinken könnte, seine Umstellung auf die Bedingungen im Arginreich dauerten nur noch etwas.

Er ging anschließend mit Tola ins Haus und zeigte ihr die Stellen, an die er die Bilder hängen wollte. Er sagte, dass er mit der Lektüre von Elsa Osorio begonnen hätte und es sehr gemütlich fände, auf seinem E-Book zu lesen. Er holte seinen Laptop und stellte ihn im Vorgarten auf den Tisch, anschließend lud Tola über den Internetserver, den sie im Arginreich benutzten, die Reichskarte und zeigte Albin die Gebiete, die von Interesse waren und wo sie mit ihm einmal gerne wandern würde. Sie rief Tabor an und bat ihn:

„Komm doch einmal zu Albin, ich habe etwas mit Dir zu besprechen!“ Tola entschuldigte sich bei Albin, dass sie über seinen Kopf hinweg Tabor eingeladen hätte, aber sie wollte mit ihm über ihre Wanderung sprechen, an der er mit seiner neuen Freundin, die sie aber noch nicht kannte, teilnehmen könnte. Kurz darauf erschien Tabor und begrüßte Tola und Albin, Tola unterrichtete ihn gleich über ihre Wanderpläne und schlug ihm vor, doch mit seiner neuen Freundin teilzunehmen.

„Woher weißt Du denn von meiner neuen Freundin, ich kenne sie ja selbst erst seit einem Tag“, fragte Tabor und Tola entgegnete, dass sich so etwas eben schnell herumspräche. Tabor erklärte sich gleich bereit mitzuwandern, müsste aber natürlich noch Nerma, seine Freundin, fragen, ob sie auch Lust dazu hätte wie er sie einschätzte, wäre sie aber dabei.

Er schaute auf die Reichskarte und fragte Tola:

„An welches Wandergebiet hast Du denn gedacht?“ und Tola zeigte auf den Süden und dort auf die Weingegend, sie sagte:

„Wir fliegen an den Sulara und dort vor Ort planen wir Näheres.“ Tabor fragte, ob er Nerma nicht anrufen und zu Albin bitten dürfte, er durfte natürlich und rief sie an. Albin lief ins Haus und holte Gläser, Saft und Schnaps nach draußen, sie sahen sich gemeinsam die Reichskarte an und Tola erklärte Albin, was es Sehenswertes im Norden gäbe, nirgendwo im ganzen Reich fände sich eine größere Stadt, es gäbe kein ausgebautes Straßensystem. Das Reich wäre sehr dünn besiedelt, es gäbe insgesamt nur vier Millionen Einwohner. Das Verhältnis zu den Nachbarreichen wäre gut, jedenfalls hätte es noch nie einen Grund gegeben, einen Krieg gegeneinander zu führen. Es gäbe im Westen das Königreich der Laner und im Osten das der Indrer, die drei Könige träfen sich regelmäßig zu einem Meinungsaustausch über Fragen der allgemeinen Politik und der Wirtschaft. In diesem Moment erschien Nerma und Tabor ging zu ihr und küsste sie, bevor er ihr Tola und Albin vorstellte. Nerma war ein sehr gut aussehendes Mädchen, das in dem Alter von Tola gewesen sein mag, aber so genau konnte man das mit dem Alter bei den Argin ja nie sagen. Albin bat Nerma, sich an den Tisch zu setzen und goss ihr einen Schnaps ein.

Nerma nahm den Schnaps und trank das Glas in einem Zug aus, Albin goss nach. Tabor erzählte ihr von den Wanderplänen und Nerma fragte:

„Wann soll die Wanderung denn starten?“, aber darüber hatte sich noch niemand Gedanken gemacht. Tola schlug vor, dass sie sehr bald, so in drei, vier Tagen starten sollten, Albin war einverstanden und jeder sollte seine Wanderausrüstung überprüfen. Albin würde sich an der Verteilstelle erst noch eine Ausrüstung zulegen müssen, das hieß, dass er Schuhe und einen Rucksack brauchte, auch an eine Badehose würde er denken. Tola fragte Nerma, was sie so machte und Nerma antwortete:

„Ich arbeite drei Stunden pro Woche im Reisebüro des Nachbardorfes und die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, ich liebe es, die Argin in ihrem Reiseverhalten zu beraten. Tola erzählte Nerma, dass sie an drei Stunden in der Woche Arginkinder an die Kunst heranführte und sie das Malen lehrte, sie hätte vier Jahre Kunst studiert, verstünde etwas von Malerei, und ihr machte die Arbeit mit dem Nachwuchs sehr viel Spaß. Die vier sahen sich an und freuten sich auf ihre gemeinsame Wanderung, sie wollten nach Enare fliegen und dort von zu Hause aus zwei Doppelzimmer buchen, darum wollte sich Nerma kümmern, wie sie auch die Flüge reservieren wollte. Flüge mussten immer reserviert werden, weil die Flugzeuge traditionell ständig ausgebucht waren. Mittlere Distanzen und Fernverbindungen legten die Argin nur per Flugzeug zurück.

Sie saßen lange bei Albin zusammen bis Albin vorschlug:

„Ich werde ad hoc eine Einweihungsfete veranstalten, Tola, Nerma und Tabor, ruft ihr doch einfach ein paar Leute an und ladet sie zu mir ein, in zwei Stunden geht es los.“ Tabor sollte seine Musikanlage holen und einige CDs mitbringen, auch Tola sollte ihre CDs holen. Wenn möglich sollten sie auch noch ihren Schnaps mitbringen, Albin würden ihnen an der Verteilstelle Ersatz besorgen. Zwei Stunden später waren sie zu zwölft, es waren Freunde von Tola, Nerma und Tabor gekommen und man trank Schnaps, tanzte und unterhielt sich miteinander. Alle liefen sie durch Albins Haus und schauten sich seine neue Herberge an, Albin sagte, dass er noch Bilder aufhängen würde. An die ruckartigen Stakkato-Tänze musste Albin sich wirklich noch gewöhnen, bei den langsamen Tänzen gab es wieder die Knutschereien und Betatschereien wie im Pop Inn. Albin hatte am Haus alle Türen aufstehen und es spielte sich alles gleichzeitig draußen und drinnen ab, seine Gäste fühlten sich wohl und sie mochten den neuen Argin. Vier Stunden lang feierten sie, tanzten, lachten und waren fröhlich, danach war Schluss und die Gäste gingen wieder nach Hause, Nerma und Tabor gingen zu Tabor und Tola blieb bei Albin. Die beiden räumten schnell auf und setzten sich danach ins Wohnzimmer, wo sie zunächst über Tolas Vater und dessen Magenprobleme sprachen.

Albin wusste aus eigener Krankheitserfahrung zu berichten:

„Ich war einmal mit einer Magenverstimmung beim Arzt, der bei mir das Bakterium „Heliobacter Pylori“ nachgewiesen hatte, gegen das er in der Folge mit Tabletten sehr wirksam angegangen war, ich weiß zwar nicht, ob Dein Vater auch davon betroffen ist, man müsste vielleicht den behandelnden Arzt darauf aufmerksam machen.“ Tola schrieb sich den Namen des Bakteriums auf und sagte, dass sie sich darum kümmern wollte, sie würde zunächst einen der wenigen Ärzte, die es im Arginreich gäbe, kontaktieren und zu ihrem Vater bitten. Albin sah Tola an und begann sie zu streicheln, er legte seine Arm um ihre Schulter und gab ihr einen Kuss, Tola ließ sich auf die Couch sinken und gab sich Albins Liebkosungen ganz hin. Nach einer Zeit begannen sie beide, in den Schlaf zu fallen und Albin schlug vor, ins Schlafzimmer zu gehen und zwei, drei Stunden zu schlafen, was Tola gut fand und sie liefen nach oben. Er zog die Gardine vor und Tola und er zogen ihre Toga aus, bevor sie sich in Albins Bett begaben, die Arme umeinander legten und einschliefen. So lagen sie drei Stunden lang und wachten wieder auf, sie duschten anschließend zusammen und wuschen sich gegenseitig, anschließend zogen sie sich wieder an und liefen nach unten. Albin fragte Tola, ob sie zusammen Gnoogles essen sollten und sie meinte:

„Ich bin hungrig und werde zwei Stück essen.“

„Gibt es im Arginreich eigentlich keinen Kaffee?“, fragte er sie und Tola antwortete, dass es den zwar gäbe, sie aber kaum jemanden kannte, der ihn tränke, man müsste ihn extra bei der Verteilstelle ordern, wenn man Kaffee trinken wollten, was er ja tun könnte.

Albin nahm sich vor, Kaffee zu bestellen, vorerst nahm er mit Saft und Tola mit Schnaps vorlieb. Kurz darauf ging sein Handy, Pelbin war dran und bat Albin:

„Komm doch bitte um 10.00 h zur Verteilstelle, ich kann Dich an diesem Tag gut gebrauchen.“ Kurz vor zehn gab er Tola einen Kuss und verabschiedete sich von ihr, Tola wollte sich um den Arzt kümmern und ihm von dem „Heliobacter Pylori“ erzählen, sie wollte Albin am Nachmittag wieder aufsuchen. An der Verteilstelle angekommen begrüßte Albin die Mitarbeiterin, die er ablösen sollte und Pelbin, die winkte. Er sagte:

„Ich möchte gern Kaffee und für die anstehende Wanderung Schuhe und einen Rucksack bestellen.“ Die Mitarbeiterin wies Albin kurz in seine Arbeit ein und zeigte ihm das Formular, in das er seine Bestellungen eintragen musste, bevor er sie in den Computer eingab und an die zentrale Verteilstelle des Arginreiches weiterleitete. Die Mitarbeiterin ging nach Hause und ließ Albin an seinem neuen Arbeitsplatz allein, er kam gleich gut zurecht und Pelbin führte ihn in das große Lager, in dem die Dinge aufbewahrt wurden, die die Argin immer bestellten wie Getränke und Reinigungsmittel.

Wenn jemand käme und diese Waren verlangte, müsste er zum Lager gehen, sie holen und ihm geben, alles andere müsste er über den Computer bei der Zentralstelle ordern. Die Sachen würden per Frachtflugzeug angeliefert und mit Elektrokarren ins Dorf zur Verteilstelle gefahren. Albin übertrug seine Wünsche zunächst auf das Formular und gab sie danach in den Computer ein, Kaffee, Badehose, Wanderschuhe und Rucksack. Er bekam eine Mail von der Zentralstelle zurück:

„Bitte gedulde Dich zwei Tage, bis Du Deine bestellten Waren bei Deiner Verteilstelle abholen kannst.“ Es kamen in der Zeit, in der Albin arbeitete, einige Argin und holten sich das Übliche bzw. bestellten die Waren und ließen sie sich bringen. Diese Wahl hatte jeder, entweder man nahm seine bestellten Waren selbst mit oder sie wurden einem geliefert. Als Albin gegen 13.00 h Feierabend machte, war schon seine Ablösung erschienen und sie übernahm die Warenausgabe. Pelbin war schon längst wieder bei sich zu Hause, sie hatte um 8.00 h angefangen und demzufolge um 11.00 h wieder aufgehört. Albin übergab seinen Arbeitsplatz ordnungsgemäß und verließ die Verteilstelle wieder, er kam bei Tabor vorbei und setzte sich zu ihm in den Vorgarten. Tabor fragte Albin:

„Wie war es in der Verteilstelle?“ und Albin beschrieb einen Arbeitstag, der so recht keiner gewesen war, er hätte drei Stunden lang Warenbestellungen registriert, und die Zeit wäre vergangen wie im Flug.

Er sagte, dass er die Sachen für die Wanderung bestellt hätte und zwei Tage warten müsste. Zusätzlich hätte er für sich Kaffee geordert, der ja von den Argin kaum getrunken würde, wie Tola ihm erzählt hätte.

„Ich bin ein sehr großer Kaffeeliebhaber und möchte erst einmal nicht auf Kaffee verzichten“, sagte er. Er hoffte, dass er den Kaffee in gemahlener Form bekäme, damit er ihn aufbrühen könnte, denn eine Kaffeemühle hätte er nicht und einen Filter auch nicht. Wenn das mit der Aufbrüherei nicht klappen sollte, müsste er sich auch noch eine Kaffeemaschine bestellen. Tabor sagte, dass er das schon hinbekäme, er selbst hätte früher auch einmal Kaffee probiert, ihn aber nicht gemocht, ihm gefiel der bittere Geschmack nicht, vielleicht hätte er auch die falsche Sorte genommen oder bei der Zubereitung etwas falsch gemacht. Tabor fragte Albin:

„Möchtest Du einen Schnaps trinken, Du kannst doch wenigstens einen probieren!“, und Albin ließ sich breitschlagen und nahm einen. Als er zunächst an dem Schnaps nippte, stach ihm sofort der scharfe Geruch des Getränks in die Nase, und er spürte sogleich den hochprozentigen Fusel auf der Zunge, nachdem er aber den Schnaps heruntergeschluckt hatte, musste er sagen, dass er ihm ganz gut schmeckte, er war früher nie ein Schnapstrinker gewesen und wunderte sich, dass er jetzt Gefallen daran fand.

Er kippte den Rest des Schnapses mit einem Mal hinunter und wartete darauf, dass er seine Wirkung bei ihm hinterließ, aber nichts dergleichen geschah und er ließ sich von Tabor einen zweiten Schnaps einschenken. Wieder nippte er zunächst an dem Schnaps, um den Rest in einem Zug zu trinken, Tabor kippte gleich einen ganzen Schnaps in sich hinein. Aber auch beim zweiten Schnaps stellte sich bei Albin kein Betrunkenheitsgefühl ein, und er wunderte sich darüber. Tabor meinte:

„Dein Organismus passt sich langsam an den der Argin an und Du kannst bald Schnaps trinken so viel wie Du willst.“

Der Schnaps war ein 48-prozentiger Pflaumenbranntwein, und als er mit Tabor auch das dritte Glas getrunken hatte, gab er ihm Recht, er spürte keinerlei Wirkung bei sich. Er verabschiedete sich wieder von Tabor und lief die drei Minuten zu sich nach Hause, aß einen Gnoogle und trank noch ein Glas Schnaps dazu, danach nahm er sein E-Book und setzte sich an den Tisch im Vorgarten, wo er weiter im Elsa-Osorio-Roman las. Mit einem Mal lief Pelbin bei ihm vorbei und fragte ihn:

„Wie war Dein Arbeitstag?“, und Albin antwortete:

„Er ist so schnell vergangen, dass er ich ihn kaum wahrgenommen habe.“ Er wollte Pelbin zu sich bitten, aber sie hatte keine Zeit, sie war auf dem Weg zu einer Bekannten, die am anderen Ende des Dorfes wohnte.

Albin holte sich ein Glas Saft und las weiter, als kurze Zeit später Tola erschien, sie küssten sich zur Begrüßung und auch sie fragte ihn nah seiner Arbeit.

Zum wiederholten Mal berichtete er, dass ihm die Arbeit nichts ausgemacht und er sie kaum wahrgenommen hätte. Er sagte:

„Ich habe meine Sachen bestellt, auch Kaffee, den ich aufbrühen will.“ Tola erzählte:

„Ich habe mit einem Arzt wegen meines Vaters gesprochen und ihm von dem Heliobacter-Pylori-Bakterium berichtet, der Arzt kannte natürlich das Bakterium, das es im Arginreich eigentlich gar nicht gibt, und er will meinen Vater auf dieses Bakterium hin untersuchen.“ Die Medikamente gegen den Befall mit diesem Bakterium hätte der Arzt vorrätig und er könnte ihm sofort welche verabreichen, sie wirkten auf der Stelle und ihr Vater müsste unmittelbar nach der Einnahme eine Besserung spüren. Der Arzt wäre gerade bei ihrem Vater, vielleicht ginge es ihm ja bald besser, sie wollte ihn besuchen und nach ihm sehen.

„Du kannst mich ja begleiten und wir werden uns gemeinsam nach seinem Befinden erkundigen“, ergänzte sie. Albin erzählte, dass er auf dem Rückweg von der Verteilstelle bei Tabor vorbeigegangen wäre und drei Schnäpse mit ihm getrunken hätte, er hätte sie nicht gespürt und keinerlei Anzeichen von Betrunkenheit davongetragen.

„Also bist Du jetzt ein Argin“, sagte Tola und bat Albin um einen Schnaps, er könnte ja gleich noch einen Schnaps mit ihr trinken, foderte Tola ihn auf und Albin überlegte, ob das nicht zu viel wäre, ging aber ins Haus und holte die Schnapsflasche und zwei Gläser.

Er schüttete zuerst Tola und danach sich einen Schnaps ein und stieß mit ihr an. Wieder nippte er zunächst an dem starken Getränk, Tola hatte ihren Schnaps längst getrunken, als er den Rest aus seinem Glas hinunterkippte. Obwohl er mittlerweile fünf Schnäpse intus hatte, spürte er keinerlei Wirkung, er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, dass er jetzt zum Schnapstrinker geworden war, aber wenn der Schnaps nicht auf die herkömmliche Weise seine Wirkung tat, sähe er darin eigentlich kein Problem. Er beließ es aber bei seinem fünften Schnaps und lief mit Tola zu ihrem Vater. Sie kamen wieder an der Palastwache vorbei, und als sie sich anschickte, militärisch zu grüßen, befahl Tola ihnen, zu rühren und sie nahmen wieder ihre Normalhaltung ein. König Joda kam den beiden schon entgegen und fühlte sich sichtlich wohler als in den Tagen davor mit quälenden Magenschmerzen. Er bergüßte Tola und Albin und bat sie in den Salon, ließ Getränke bringen und erzählte, wie ihn der Arzt untersucht und „Heliobacter Pylori“ diagnostiziert hatte. Er hätte ihm daraufhin Tabletten verabreicht, und gleich wäre es ihm besser gegangen. Albin sagte, dass ihn früher auch schon einmal dieses Bakterium geplagt hätte und ihm ebenfalls mit Tabletten sofort geholfen worden wäre. Tola erzählte ihrem, Vater:

„In drei Tagen wollen wir an den Sulara fliegen und dort wandern, Albin und ich werden von Nerma und Tabor begleitet.“ Joda entgegnete:

„Früher, als Deine Mutter noch gelebt hatte, sind wir auch an den Sulara geflogen und haben Wanderungen in der Weingegend unternommen.“ Sie hätten richtig weite Strecken zurückgelegt und er hätte Tola immer auf seinem Rücken getragen. Tolas Mutter wäre damals bei einem schrecklichen Unfall im Sulara ertrunken, als sie alle mit der Fähre über den Fluss gesetzt hätten und sie von Bord ins Wasser gefallen wäre. Da der Fluss an der Stelle sehr reißend war und sie niemand bemerkte, sie eine schlechte Schwimmerin war und niemand sie rettete, ertrank sie, ihre Leiche wurde erst Stunden später flussabwärts angetrieben.

„Die Trauer über den Tod der Königin war im Arginreich sehr groß, sie wurde wegen ihrer weitherzigen Art von allen gemocht, von manchen sogar vergöttert“, fuhr er fort. Auch Joda war am Boden zerstört und kam lange Zeit über den Tod seiner Frau nicht hinweg. Tola war damals noch zu klein, sie hatte das alles gar nicht richtig einordnen können, was da an Schrecklichem passiert war.

„Wir waren in Enare gewesen“, sagte Joda, „da wo Du Deine Wanderung unternehmen willst, wir waren auf der Fähre gewesen, und ich weiß bis heute nicht wie es passieren konnte, dass Deine Mutter von der Fähre in den Fluss fallen konnte!

Dass sie keine gute Schwimmerin gewesen war, war ihr großes Manko, das sich bei Tola so schnell nicht einstellen könnte, denn ich habe dafür gesorgt, dass seine Tochter früh schwimmen konnte.“

Joda hatte sich nie wieder mit einer Frau zusammengetan, er glaubte lange Zeit, seiner so sehr von ihm geliebten und auf so tragische Weise umgekommenen Frau das nicht antun zu dürfen.

Tola sagte, dass sie froh wäre, ihren Vater wieder so guter Dinge zu sehen, sie freute sich für ihn, dass er seine Magenprobleme im Griff hätte und wünschte ihm, dass das so bliebe.

Sie forderte Albin auf, mit ihr zu gehen und sie verließen den Königspalast wieder, der lange Jahre ihre Heimat gewesen war und in den sie, wenn sie Königin wäre, wieder einzöge.

Tola und Albin liefen nach Hause zurück und kamen bei Tabor vorbei, sie fragten von der Straße aus:

„Hast Du schon Deine Wandersachen zusammengelegt?“ und Tabor, der mit Nerma draußen bei sich saß, antwortete, dass er das schnell erledigt und noch Zeit genug dazu hätte. Sie gesellten sich aber nicht zu ihnen, sondern liefen zu Albin weiter. Albin sagte:

„Ich freue mich schon auf meine Bilder, die am nächsten Morgen geliefert werden“, er fragte Tola, ob er von ihr einen Hammer und Stahlnägel bekommen könnte und Tola antwortete:

„Ich glaube, dass ich so etwas in meinem Werkzeugbestand habe, ich werde Dir die Sachen Morgen mitbringen.“ Daraufhin gab sie Albin einen Kuss und verabschiedete sich von ihm bis zum nächsten Tag, sie wollte beim Bilderaufhängen helfen. Albin ging ins Bett, er war müde geworden und hatte in der letzten Zeit so viel nicht geschlafen, er hatte Nachholbedarf. Er stand am nächsten Morgen vollkommen ausgeschlafen und entspannt auf und zog die Gardinen zurück, die Sonne schien in sein Schlafzimmer, und es versprach, wie immer seit er im Arginreich war, ein schöner Tag zu werden. Er duschte, zog sich an und ging nach unten, holte sich einen Gnoogle aus dem Fach an der Tür, schüttete sich einen Saft ein und setzte sich in seinem Vorgarten an den Tisch, wo er in aller Ruhe frühstückte. Es machte ihm überhaupt nichts aus, sich mit einem Gnoogle zu bescheiden und kein Brötchen zu haben, er hatte sich schon an die Nahrungswürfel gewöhnt und vermisste auch zu den anderen normalen Mahlzeitterminen nichts. Die Gnoogles enthielten alles, was der Körper brauchte, man brauchte darüber hinaus keine weitere Nahrung, sicher fehlte das Gemütliche und Kommunikative einer herkömmlichen Mahlzeit, aber das stellte sich bei anderen Gelegenheiten ein. Den Argin taten die Gnoogles ganz offensichtlich gut, sie fühlten sich gut und klagten über keinerlei Krankheitserscheinungen, sie sahen durchweg gut aus und hatten eine gesunde Gesichtsfarbe, ihr Haar war voll und sie waren von großem Körperwuchs.

Aber das, was bei den Argin am meisten ins Auge stach, war die Tatsache, dass sie äußerlich nicht alterten und ein Lebensalter erreichten, von dem andere nur träumen konnten, die Menschen ohnehin. Tola hätte bei den Menschen gut als Model durchgehen können, ihr Körperwuchs hatte ein Ebenmaß, wie es eben nur Models hatten, und auch Tabor war geradezu ein Schönling, die beiden wussten, dass sie gut aussahen wie auch Nerma, aber sie sahen darin nichts Besonderes, weil alle Argin so gut aussahen. Während Albin so bei seinem Frühstück sinnierte, erschien plötzlich Tola:

„Guten Morgen Albin“, rief sie fröhlich. Albin sagte ihr wie schön sie doch wäre und gab ihr einen Kuss. Zu der äußeren Schönheit kam bei den Argin die Intelligenz, diese Paarung traf bei ihnen durchweg zu. Albin ging ins Haus und holte Tola einen Saft, er fragte sie vorher:

„Oder willst Du lieber einen Schnaps?“, aber Tola bevorzugte einen Saft. Albin musste daran denken, was es für ein Unding gewesen wäre, wenn er in Kregelbach zum Frühstück einen Schnaps getrunken hätte, aber der Schnaps spielte bei den Argin ja eine ganz andere Rolle. Mit einem Mal hielt ein Elektrokarren vor Albins Haus, er kam von der Verteilstelle und der Lieferant brachte die bestellten Bilder, er ließ sich die Übergabe bestätigen und fragte:

„Wohin soll ich die Bilder bringen?“ Die Bilder waren alle in einer blauen Folie verschweißt und man konnte ihre unterschiedliche Größe erkennen, das kleinste Bild, der Strand von Degas, verlor sich beinahe neben den größeren Bildern, von denen der Renoir alle überragte.

Albin sagte dem Mitarbeiter der Verteilstelle:

„Ich helfe Dir, die Bilder ins Wohnzimmer zu tragen, sie sind ja nicht schwer.“ Bei dem großen Renoir sollten sie vielleicht gemeinsam anpacken, damit er nicht beschädigt würde. Im Nu standen die Bilder in Albins Haus, und er bedankte sich bei dem Lieferanten, er bot ihm etwas zu trinken an, und der Lieferant trank einen Schnaps auf ex und fuhr wieder ab. Albin stand mit Tola vor den acht Gemälden, die alle von der Verteilstelle in einen neutralen Rahmen gefasst worden waren, und sie entfernten die blaue Folie. Albin stellte das große Bild vor die leere Wohnzimmerwand und postierte die anderen locker im Raum, vor die Couch, vor den Tisch und vor die anderen Wände, den kleinen Degas stellte er auf den Couchtisch vor eine Blumenvase. Tola hatte den Hammer und die Stahlnägel mitgebracht und Albin begann, den Renoir an die leere Wand zu bringen. Er richtete ihn zunächst aus und Tola musste sagen, ob er gut hing, er bewegte das Gemälde so lange, bis sie ihr Okay gab. Danach markierte Albin die Position mit einem Bleistift und schlug mit beherzten Schlägen die Stahlnägel in die Wand. Ein versetzter Schlag und der Nagel wäre abgebrochen, Albin konzentrierte sich beim Schlagen.

Das Bild hatte auf seiner Rückseite ein über den Rahmen gespanntes Band, an das es gehängt werden musste, Albin legte das Band über den Nagel und ging acht Schritte zurück bis zu Tola, und sie betrachteten wieder gemeinsam das Meisterwerk. Es war sicher untertrieben, wenn man sagte, dass es den Raum schmückte, es dominierte ihn und gab ihm eine ganz besondere Atmosphäre, die Dominanz erschlug aber nicht die anderen Eindrücke, die sich auch noch in dem Raum einstellten. Tola und Albin hatten die anderen Bilder schnell aufgehängt, den kleinen Degas hängte Albin unmittelbar am den Beginn der Treppe auf, damit sich der Blick derjenigen, die nach oben gingen, sofort auf es richteten. Als Tola und Albin wieder ins Wohnzimmer traten, sahen sie auf den riesigen Renoir und freuten sich über das ausdrucksstarke Bild. Albin sagte:

„Nach getaner Arbeit haben wir uns beide einen Schnaps verdient“ und er nahm zwei Gläser und die Flasche und setzte sich mit Tola nach draußen. Tola fragte ihn:

„Was hälst Du davon, an diesem Abend mit Nerma und Tabor zusammen ins Pop Inn zu gehen und zu tanzen?“, und Albin war Feuer und Flamme von dem Vorschlag. Tola rief gleich bei Tabor an und fragte, ob die beiden Lust hätten, am Abend tanzen zu gehen und Nerma und Tabor kamen mit. Sie verabredeten sich um 18.00 h bei Albin, Tola beendete das Gespräch wieder und sagte, dass sie sich schon auf das Tanzen freute. Und wieder musste Albin denken, dass es ihm so gut ging wie kaum jemandem sonst, jedenfalls von den Menschen, und das nur, weil er damals einem Argin geholfen hatte, wieder zurück in seine Heimat zu gelangen. Außerhalb waren die Argin völlig hilflos, wie es Tabor auch gewesen war, als Albin ihn hinter dem Farn versteckt unterhalb des Wolfskopfgipfels am Sattel fand. Tabor war völlig orientierungslos und hätte niemals den Weg zurück gefunden, wenn Albin ihm nicht geholfen hätte. Deshalb hatte man ihm das auch so hoch angerechnet und ihn zum Argin-Bürger gemacht. Tola und Albin prosteten sich zu, Albin hatte überhaupt keine Probleme mehr damit, Schnaps zu trinken, längst war er darüber hinaus, betrunken vom Schnaps zu werden. Er schüttete ihnen beiden ein weiteres Glas ein, und auch das kippten sie in Einem hinunter, bis Tola sich plötzlich auf Albins Schoß setzte und ihn zu küssen begann. Albin tat zunächst überrascht, fand es aber sehr angenehm, Tola auf seinem Schoß zu haben und begann sie zu streicheln, er küsste sie dabei mit einer solchen Inbrunst wie sie nur frisch Verliebten zu eigen war. Erschöpft legten sich beide auf den Rasen und ruhten nebeneinander aus, sie durchströmte ein Glücksgefühl und sie waren beide froh, zusammengefunden zu haben. Tola hatte ihren Kopf auf Albins Schulter gelegt und beide hatten sie die Augen geschlossen. Sie schliefen kurz ein und Albin träumte von der Wanderung, und obwohl er noch nie am Sulara gewesen war, hatte er eine ganz konkrete Vorstellung davon, wie es dort aussah. Nach ungefähr einer Dreiviertelstunde entspannten Dösens standen sie wieder auf und gingen duschen, sie standen wieder gemeinsam unter der Dusche und wuschen sich gegenseitig. Sie spülten sich beide die Seife ab, trockneten sich ab, zogen sich wieder an und gingen nach unten. Von der Treppe aus liefen sie genau auf den großen Renoir zu, sie waren jedes Mal ganz angetan, wenn sie das schöne Bild sahen.

Den Nachmittag verbrachten die beiden bei Tola, zu der sie gelaufen waren, weil Tola ihr E-Book vergessen hatte und sie lesen wollten, Albin hatte sein E-Book mit zu Tola genommen.

„Was liest Du denn gerade?“, fragte Albin sie und Tola antwortete, dass sie Siri Hustvedt, „Die zitternde Frau läse“.

„Das ist die Geschichte der Autorin, die nach dem Tod ihres Vaters plötzlich in ein unerklärliches Zittern fällt, das sich in Anspannungssituationen einstellt und sie zwingt, augenblicklich zur Ruhe zu kommen“, antwortete sie. So saßen sie draußen vor Tolas Haus und lasen, jeder hatte ein Glas Schnaps vor sich stehen und sie redeten kaum miteinander. Tola holte jedem einen Gnoogle aus ihrem Fach, den sie einfach aßen, man konnte nicht sagen, dass sie ihn mit Genuss verspeisten, denn das Essen diente bei den Argin nur dazu, dem Körper die nötigen Nährstoffe zuzuführen, so wie man bei den Menschen ein Auto betankt. Gegen 17.00 h gingen sie wieder zu Albin und setzten sich noch eine Zeit lang bei ihm hin, sie lasen dort weiter, bis um 18.00 h Nerma und Tabor eintrafen.

Tola und Albin mussten sich noch frisch machen, umzuziehen brauchten sie sich nicht, die Argin sahen immer gleich aus und trugen zu jeder Gelegenheit die gleiche Kleidung, ihre Toga. Sie begrüßten sich kurz und liefen wenig später los zum Pop Inn. Es wäre bei den Menschen noch viel zu früh gewesen, um zu tanzen, doch bei den Argin war die Uhrzeit egal, sie tanzten, wann sie mochten, auch morgens. Von Albin aus war es ja nur eine ganz kurzes Stück zu laufen, um ins Dorfzentrum zu gelangen, und als sie vor dem Pop Inn angekommen waren, hörten sie schon die in den Ohren Albins immer noch fremd anmutende Musik. Die Verteilstelle war um diese Uhrzeit natürlich geschlossen, und Albin dachte in diesem Augenblick daran, dass er sich bei Pelbin zu seiner Wanderung abmelden musste. Als sie das Tanzlokal betraten, fanden sie es schon brechend voll vor und sie hatten Schwierigkeiten, für sich noch einen freien Tisch zu finden, bis es aber einen nicht weit von der Tanzfläche entfernt gab, der offensichtlich gerade frei geworden war. Sie setzten sich und Nerma und Tabor wippten im Takt der Stakkato-Musik mit. Als der Kellner kam, bestellten sie vier große Schnäpse, Albin schaute auf die Tanzfläche und sah, wie die Tanzpaare für ihn völlig verrenkt aussehende Bewegungen vollführten. Tola stieß ihn an und forderte ihn zum Tanz auf und wie schon bei seinem ersten Versuch, auf die Argin-Musik zu tanzen, brachte Albin in den Augen Tolas doch ganz brauchbare Bewegungen hin, er musste sich nur ganz freimachen von dem Gedanken an einen Standardtanz, bei dem man geneigt war, sich in Harmonie mit der Musik zu bewegen.

Für Albin war die Musik mehr eine Art Turnübung, aber selbst diese Parallele schien ihm noch übertrieben. Als die Musik wechselte und langsam wurde, änderte sich das Bild auf der Tanzfläche vollkommen, die Paare, die bis vor Kurzem noch zuckende Körperwindungen vollführten, tanzten jetzt eng umschlungen und streichelten sich. Albin blickte neben sich und sah Nerma und Tabor wie sie sich gegenseitig streichelten, sie küssten sich mit geschlossenen Augen und bekamen von ihrer Umgebung nichts mit. Er blickte wieder zu Tola, die ihren Kopf an seine Schulter gelegt und auch die Augen geschlossen hatte. Als die Musik endete und eine Tanzpause begann, strömten die Tanzpaare zu ihren Tischen, als hätten sie nicht gerade noch verloren und völlig ab vom Weltlichen miteinander getanzt und geschmust. Auch Tola, Nerma und Tabor waren wie ausgewechselt und rannten beinahe zum Tisch, setzten sich auf ihre Plätze und tranken von ihrem Schnaps. Albin nahm auch einen großen Schluck, es war eine Art Calvados, den er dort trank, und der ihm ausgezeichnet schmeckte, er war trotz seines hohen Alkoholgehaltes mild. Hätte er eine so große Portion Schnaps früher in Kregelbach getrunken, hätte man ihn nach Haus tragen müssen, dort aber machte ihm der Schnaps nichts aus.

Als die Musik wieder einsetzte, zog Tola Albin hinter sich her zur Tanzfläche und begann mit ihren Zuckungen, die, obwohl sie nicht harmonisch verliefen, gekonnt und beinahe lieblich aussahen, Tola beherrschte jedenfalls das Tanzen, während sich Albin einfach verrenkte. Der Wechsel zur langsamen Musik läutete die Schmuserunde ein, die Albin so angenehm fand, und die nach seinem Geschmack nie zu enden brauchte. Tola streichelte ihn und Nerma und Tabor waren ganz besonders ineinander versunken, und hätte die Musik nicht irgendwann wieder aufgehört, hätten sie sich weiter gewiegt und miteinander geschmust. So aber liefen sie wieder mit Tola und Albin zu ihrem Tisch und Tabor bestellte vier neue Schnäpse. In der Musikpause war es möglich, sich miteinander zu unterhalten, ansonsten kam man gegen die laute Musik nicht an, hatte man sich etwas Dringendes mitzuteilen, musste man nach draußen vor die Tür gehen. Albin sagte seinen Freunden:

„Ich finde das Tanzen im Pop Inn sehr schön, zu Hause bin ich so gut wie nie zum Tanzen gekommen, und ich muss mich deshalb bemühen, ein paar richtige Tanzschritte hinzubekommen, die Argin tanzen im Übrigen auch ganz anders als die Menschen.“

„Dafür ist Dein Tanz aber sehr gelungen“, sagte Tabor, „Du machst auf der Tanzfläche nach meinem Dafürhalten eine gute Figur“, was die Mädchen bestätigten. Sie konnten gerade noch sagen, dass sie nach der nächsten Musikrunde wieder nach Hause wollten, als die Musik wieder einsetzte, die Stille wie mit einem Messer zerschnitt und das Gespräch gewaltsam beendete. Nerma bat Albin, eine Runde mit ihr zu tanzen und Tola ging mit Tabor auf die Tanzfläche, Albin war zunächst befremdet, ließ es aber mit sich geschehen. Nachdem sie ihre Zuckungen absolviert hatten, setzte die langsame Musik ein und ehe die Tanzpartner in ihre Schmusehaltungen verfielen, wechselten die beiden Mädchen den Tänzer und Albin hielt Tola wieder in seinen Armen, die sogleich mit ihren zärtlichen Streicheleinheiten begann. Die Musik endete und Albin sagte Tola:

„Ich hätte gerne weitergetanzt“ und Tola entgegnete:

„Wir können noch so oft tanzen gehen, wie Du Dir das gar nicht vorstellen kannst.“ Daraufhin verließen sie das Pop Inn wieder und schlenderten ein wenig durch das Dorf, als Albin plötzlich fragte:

„Warum gibt es in dem Dorf eigentlich keine Kirche?“ Die anderen schauten ihn verwirrt an, sie mussten erst nachfragen, was er mit Kirche meinte. Und Albin erläuterte:

„Die Menschen gehen sonntags in die Kirche, um Gottes Wort zu hören und zu ihm zu beten.“ Die anderen schüttelten sie ihre Köpfe und sagten, dass es so etwas bei den Argin nicht gäbe. Sie brauchten keine Instanz, die ihnen das Gute nahebrachte und das Böse bekämpfte.

„Die Argin kennen das Böse gar nicht, jeder bekommt von seiner Geburt an das Gute vorgelebt und verinnerlicht es. Jeder lebt nach dem ethisch-moralischen Kodex, der ihm mitgegeben wird und niemandem kommt jemals in den Sinn, dagegen zu verstoßen“, sagte Nerma. Ob es so etwas nicht auch bei den Menschen gäbe, fragte Tabor, und Albin entgegnete, dass das Böse bei den Menschen zu ihrer Triebausstattung gehörte und ständig unterdrückt werden müsste.

„Es muss bei den Menschen deshalb so etwas wie eine kontrollierende Instanz geben, im Weltlichen als Regierung und im Geistlichen als Gott“, schloss Albin ab. Sie liefen weiter und kamen zu einer Waschbärenaufzuchtstation und zu der dazugehörigen Tierarztpraxis. Waschbären liefen die ganze Zeit durchs Dorf, Albin achtete schon gar nicht mehr auf sie. Er hatte sie manchmal auch in seinem Vorgarten, wo er mit ihnen spielte. Tola und Tabor hatten keine Waschbären, aber Nerma hatte bei sich zu Hause ein Paar.

„Gelegentlich muss ich schon mal mit einem meiner Tiere zum Tierarzt, wenn es krank ist, dort gibt es immer die richtige Medizin und den Tieren geht es, nachdem sie sie Medizin genommen haben, wieder besser. Meine Waschbären sind verspielt und sie lieben es, wenn ich ihnen einen kleinen Ball zuwerfe, mit dem sie in meinem Garten herumtollen können“, erläuterte Nerma. Albin sagte Nerma, dass sie doch ihre Waschbären einmal mitbringen sollte, von seinem Zuhause aus kannte er Waschbären nur aus dem Wald. König Joda hätte auch keine Waschbären, Tola erzählte:

„Früher hatte es beim Palast einen Gärtner mit Waschbären gegeben, mit denen hatte ich immer gespielt.“ Im Dorf war einiges los, viele Argin liefen durch das Ortszentrum und grüßten sich gegenseitig, sie wanderten eben gerne. Albin erzählte, wie er als Junge immer mit seinem Vater spazieren gehen musste, während seine Mutter das Mittagessen zubereitet hatte.

„Wir liefen immer die gleiche Strecke, den Wendlerbach entlang bis zum Kalkdurchbruch und wieder zurück. Mein Vater hatte darauf geachtet, dass ich beim Laufen eine korrekte Körperhaltung einnahm, das hieß, dass ich gerade ging und den Oberkörper streckte. Ich hatte meinen Vater deswegen manchmal gehasst, sehe die Sache heute aber anders, ich glaube, dass es richtig ist, auf gute Körperhaltung zu achten, allein um Rückenproblemen vorzubeugen. Ich erinnere mich noch genau an diese Spaziergänge, mein Vater und ich hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt und wenn wir jemanden Bekannten unterwegs getroffen hatten, hatte mein Vater seinen Hut gezogen und ich hatte einen Diener machen müssen. Um mir die Zeit während der Spaziergänge zu vertreiben, hatte ich immer mit meinem Fahrtenmesser irgendwelche Stöcke geschnitzt, und wenn ich damit fertig war, diese weggeworfen und mir einen neuen Stock abgeschnitten. Meistens hatte ich einen Haselnussstock genommen, weil Haselnussstöcke so schön gerade wuchsen. Mein Fahrtenmesser war ein stabiles Messer gewesen, das ich in einer Scheide an meinem Hosengürtel getragen hatte.“

Messer kannten sie bei den Argin eigentlich nur von ihren Wanderungen, da nähmen sie ein Schweizer Messer mit, weil es daran so viele Werkzeuge gäbe, die man immer einmal wieder gebrauchen konnte. Sie schwenkten auf den Weg zu Albin ein und wollten sich noch zu ihm setzen, aber zuerst zeigte Albin Nerma und Tabor seine neuen Bilder, und als die beiden unten im Wohnzimmer vor seinem Renoir standen, bekamen sie vor Staunen ihre Münder kaum noch zu, und sie nahmen auch die anderen Gemälde in Augenschein.

„Da hast Du aber eine sehr gute Auswahl getroffen“, bescheinigte Tabor ihm, „ich müsste mir auch einmal den Bildkatalog aus der Verteilstelle holen und mir Bilder ansehen, eigentlich fehlte mir der Zugang zur Kunst.“ Den minikleinen Degas fand Nerma besonders süß, wie sie sagte, auch weil er einen Strand zeigte und Degas Pastellfarben verwendet hätte. Tola warf ein:

„Jeder kann sich einen Zugang zur Kunst verschaffen, wenn er sich nur darum bemüht und zumindest einen Teil seiner Zeit darauf verwendet, sich mit Gemälden zu beschäftigen, sie nicht nur anzusehen, sondern zu verstehen.“ Dazu gäbe es Literatur, ergänzte sie in Tabors Richtung und der verstand, was sie damit sagen wollte. Draußen vor Albins Haus tranken sie alle einen großen Schnaps und beredeten ihren gemeinsamen Tanzabend. Nerma und Tabor standen auf und verabschiedeten sich:

„Wir sollten auf jeden Fall wieder zusammen tanzen gehen“, sagten sie, „aber zunächst einmal sollten wir an unsere Wanderung denken.“ Nerma wollte am nächsten Tag die Flüge reservieren und in Enare zwei Doppelzimmer buchen. Sie würden vier Tage in der Weingegend bleiben und durch die Landschaft wandern, alle freuten sie sich darauf.

„Wenn die Wanderung gut klappt, wir uns alle vier verstehen und miteinander klarkommen, können wir ja irgendwann auch einmal in die Berge gehen“, schlug Tabor vor. Der Piz Boun wäre mit seinen dreitausend Metern ein lohnendes Ziel, das über Wege gut zu erreichen wäre, aber zuerst stünde ihre Weinwanderung an. Nerma und Tabor verließen die beiden anderen wieder und sagten, dass sie am nächsten Tag ihre Wandersachen packen wollten, sie wollten wegen eines Treffpunktes und eines Termins noch einmal miteinander telefonieren.

Kurze Zeit später erhob sich auch Tola und sagte Albin, dass sie zu sich gehen wollte, „ich finde es mit Dir immer sehr schön, es ist mir aber auch wichtig, Zeiten allein zu verbringen, umso schöner ist danach das Wiedersehen.“

Das sah Albin genau so und er nahm Tola in seine Arme, sie küssten sich und kamen erst beinahe nicht voneinander los, aber Tola löste sich aus der Umarmung und ging nach Hause.

Albin ging ins Haus, holte sich einen Schnaps und sein E-Book und setzte sich wieder raus, um seinen Elsa-Osorio-Roman fortzusetzen.

Was ihn daran faszinierte war die Schilderung der Möglichkeit eines Regimes, total über eine Bevölkerung zu herrschen und jeden Widerstand auszumerzen, nur um die Macht der Militäroberen zu erhalten.

Dass man missliebigen oppositionellen Frauen die Kinder wegnahm, die Mütter ermordete und die Kinder anderen zur Erziehung anvertraute, war in den Augen Albins ein dermaßen ungeheures Vergehen, dass er sich das für seine Realität nicht vorstellen konnte.

Eine solche Konstellation aus machtgierigen Militärs und unterdrücktem Volk war bei den Argin auch gar nicht möglich, weil es erstens keine Militärs gab und zweitens personengebundene Macht nicht existierte.

Macht diente ja per definitionem dazu, den eigenen Willen auch gegen den Willen anderer durchzusetzen, aber bei den Argin gab es eine solche Willensdifferenz nicht. Wegen des ethisch-moralischen Kodex wollten sie alle das Gleiche, Gute, eine Vokabel wie Macht spielte bei ihnen gar keine Rolle. Albin ging nach zweistündigem Leseaufenthalt in seinem Vorgarten ins Bett, er lag zuerst auf dem Rücken, dachte nach und schaute zur Zimmerdecke, bevor er sich auf die Seite legte und gleich einschlief.

Er schlief einige Stunden lang tief und fest und als er danach wieder runtergegangen war, aß er einen Gnoogle und trank einen Saft dazu, an diesem Tag würde in der Verteilstelle sein Kaffee ankommen und er könnte seinen gewohnten Frühstückskaffee trinken, darauf freute er sich schon seit Langem. Plötzlich ging sein Handy und Pelbin rief an:

„Deine Sachen sind gekommen, ich wollte fragen, ob Du sie holen kommst oder ob ich sie Dir bringen lassen soll“, und Albin antwortete, dass er im Verlauf der nächsten Stunde vorbeikäme und seine Sachen abholte. Es freute ihn, dass das Verteilsystem bei den Argin so gut funktionierte und er las ein wenig auf seinem E-Book, als Tola kam und ihn begrüßte. Albin erzählte ihr:

„Ich muss gleich zur Verteilstelle, um meine Sachen abzuholen, ich muss Pelbin auch Bescheid sagen, dass sie in den nächsten fünf Tagen nicht mit mir rechnen kann.“ Wenn Tola wollte, könnte sie ja mit ihm kommen, aber Tola sagte:

„Ich warte lieber im Vorgarten auf Deine Rückkehr.“ Albin lief los und erreichte nach drei Minuten die Verteilstelle, er zeigte der Mitarbeiterin seinen Bestellschein und bat sie, seine Sachen zu holen. In der Zwischenzeit ging er zu Pelbin und bedankte sich bei ihr für ihren Anruf, anschließend teilte er ihr mit, dass er vom nächsten Tag an gerechnet vier Tage lang wandern würde, und er deshalb nicht an der Verteilstelle erscheinen könnte. Pelbin fragte ihn:

„Wohin geht denn die Reise?“ und Albin antwortete:

„Ich fliege mit Tola, Nerma und Tabor nach Enare an den Sulara und wir wollen durch die Weinfelder und -dörfer wandern.“ Da gab Pelbin Albin einen Tipp:

„Wenn Ihr nach Garbek kommt, müsst Ihr unbedingt in das Weinlokal direkt am Fluss gehen, dort sitzt man sehr schön und es gibt dort den besten Wein, den man sich vorstellen kann.“ Sie schrieb Albin den Namen des Weinlokals auf, das wie nicht anders zu erwarten „Zur Traube“ hieß. Albin bedankte sich bei Pelbin und steckte ihren Zettel in die Tasche, er gab ihr zum Abschied die Hand und lief wieder nach vorn zur Mitarbeiterin, die seinen Kaffee, seine Badehose, seinen Rucksack und seine Wanderschuhe hingelegt hatte. Albin begutachtete sie Sachen mit einem ersten prüfenden Blick und war zufrieden, den Kaffee gab es gemahlen in Dosen wie zu Hause auch. Er öffnete den Rucksack und steckte alle Sachen hinein, verstellte die Trageriemen auf seine Körpermaße und setzte den Rucksack auf. Er bat die Mitarbeiterin:

„Bitte kontrolliere doch einmal den Sitz des Rucksacks!“ und sie sagte:

„Er sitzt gut, Du kannst aber ja die Riemen auch noch verstellen!“ Daraufhin wünschte Albin noch einen schönen Tag und lief wieder nach Hause. Sein Schritt war mit dem Rucksack auf dem Rücken ein anderer als normal, er verfiel in einen Wanderschritt und musste sich mäßigen, nicht zu schnell zu laufen. Zwei Waschbären nahmen auf der Straße vor ihm Reißaus, als er so ungestüm dahergelaufen kam und Albin rief ihnen besänftigende Worte hinterher.

Zu Hause bei ihm angekommen, zog er den Rucksack wieder ab und stellte ihn draußen auf den Tisch, Tola fragte ihn, ob er alles bekommen hätte und Albin packte die Sachen aus, die er mitgebracht hatte. Er sagte:

„Ich muss eine Anpassprobe bei der Badehose und vor allem bei den Wanderschuhen vornehmen, die Schuhe will ich einige Stunden an meinen Füßen behalten, um mich an sie zu gewöhnen und zu überprüfen, ob ich in ihnen Blasen bekomme.“ Aber als Erstes wollte er sich einen Kaffee kochen, und er ging ins Haus und stellte das Heißwassergerät an. Er nahm die Kaffeedose und gab in eine Porzellankanne ein paar Teelöffel von dem Kaffeepulver. Nachdem das Wasser gekocht hatte, übergoss er das Pulver damit und achtete darauf, dass er nicht zu viel Wasser nahm, um den Kaffee nicht zu dünn werden zu lassen. Anschließend ließ er das Kaffeepulver quellen und in dem heißen Wasser ziehen, er wartete, bis es ganz auf den Boden der Kanne gesunken war, erst danach goss er sich vorsichtig eine Tasse ein, immer darauf achtend, dass er keinen Kaffeesatz in seine Tasse schüttete. Er musste sagen, dass die Kaffeezubereitung bis zu diesem Zeitpunkt ausgezeichnet geklappt hatte und führte seine Tasse an den Mund, um zu probieren.

Der Kaffee schmeckte ihm, musste Albin gestehen, er schmeckte eine Nuance anders als der Filterkaffee, den er bis dahin immer gekocht hatte, aber er schmeckte, er hatte ein volles Aroma. Als er Tola fragte, ob sie auch eine Tasse trinken wollte, schüttelte sie sich und lehnte dankend ab:

„Kaffee ist mir zu bitter“, sagte sie. Albin war zufrieden, dass er es geschafft hatte, auf eine sehr archaische Weise Kaffee zu bereiten und nahm noch einen Schluck. Danach nahm er seine Badehose und stand auf, er zog seine Unterhose unter der Toga aus und probierte die Badehose an, sie passte wie angegossen, er zog die Badehose wieder aus und seine Unterhose wieder an. Anschließend nahm er seine Wanderschuhe zur Hand und ließ seine Augen über die Nähte wandern. Die Schuhe waren aus leichtem Material und keine Volllederschuhe, nur die Fußspitzen, die Knöchel und die Fersen waren verstärkt, die Schuhe hatten die üblichen Profilsohlen von Wanderschuhen, wie sie beinahe alle Wanderschuhe auch hatten. Er öffnete an beiden Schuhen die Schnürsenkel und schlüpfte mit seinen Füßen hinein. Bevor er die Schnürsenkel wieder zuband, stellte er sich und überprüfte die Schuhlänge, sie war genau richtig und er stieß mit seinen Zehen nicht an. Danach setzte er sich wieder und band die Schnürsenkel zunächst locker zu. Er lief ein paar Schritte und fühlte sich auf Anhieb wohl in seinen neuen Wanderschuhen, er würde die Schnürsenkel später stramm ziehen. Tola sagte:

„Du siehst gut aus in Deinen neuen Wanderschuhen, wie ein Bergsteiger, und die Badehose hat auch gut ausgesehen, obwohl Du die ja schnell wieder ausgezogen hast.“

Albin ging absichtlich in seinem Garten herum, um die Schuhe einzulaufen, sie passten so gut, dass er sich nicht vorstellen konnte, jemals eine Blase in den Schuhen zu bekommen. Er hatte während des Herumlaufens seine Kaffeetasse in der Hand und nahm ab und zu einen Schluck im Gehen, regelmäßig schüttete er sich Kaffee nach, bis die Kanne leer und nur noch Kaffeesatz in ihr war. Albin schlug Tola vor, mit ihm einen Gang durch das Dorf zu machen:

„Wir können doch einmal bis zum Flughafen und wieder zurück laufen und wenn ich danach immer noch keine Blasen in meinen Schuhen habe, ziehe ich sie aus und stelle sie für den nächsten Tag bereit.“ Tola war einverstanden, wenngleich bis zum Flugplatz ein ganzes Stück zu laufen war, aber sie war das Wandern ja aus alter Erfahrung gewohnt. Albin füllte sich eine Flasche mit Schnaps ab und nahm sie mit, damit Tola und er unterwegs zu trinken hätten, aber gemessen an dem, was ihnen am nächsten Tag bevorstünde, war der Gang zum Flughafen ein Klacks.

Sie kamen im Dorfzentrum an der Verteilstelle, am Pop Inn und an der Waschbärenstation vorbei und verließen das Dorf in nördlicher Richtung. Sie hörten schon den Fluglärm, den die Senkrechtstarter veranstalteten und er war beträchtlich, aber Albin bekam bei sich zu Hause nichts davon mit.

Gerade als sie am Flughafen ankamen, hob eine Maschine ab und stand wie ein riesiges lauerndes Insekt in der Luft, bevor sie zum Horizontalflug ansetzte, dazu konnte der Senkrechtstarter seine Düsen verstellen und der Maschine Vorschub geben. Diese Triebwerksverstellung vollzog sich natürlich nur langsam, bis die Maschine ausreichend Geschwindigkeit erreicht hatte und stabil flog, danach wurden die Düsen waagerecht gestellt. Tola und Albin gingen in das Abfertigungsgebäude und sahen an der Anzeigetafel, dass die gestartete Maschine nach Nieman flog, eine Stadt am Lugasee im Süden des Reiches, die wegen ihrer Seelage oft von Familien mit Kindern angeflogen wurde, weil man im Lugasee herrlich und gefahrlos baden konnte. In der Halle liefen einige Argin in Arbeitssachen herum, sie würden in die Maschine nach Barnadorf steigen, das am Fuße der Kikra-Berrge lag und wo sich das Zentrum der Rohstoffförderung befand. Tola und Albin schauten sich die Abflugzeiten am nächsten Tag an und sahen, dass um 10.45 h eine Maschine nach Enare ging, die würden sie nehmen. Sie müssten also nicht allzu früh aufstehen, könnten in Ruhe einen Gnoogle essen und Albin sich seinen Kaffee brühen. Die beiden verließen die Abfertigungshalle wieder und gingen zu Albin zurück. Als sie ins Dorf kamen, wirkte es wie ausgestorben, ein paar Waschbären stoben durch die Hauptstraße, sonst war nicht viel zu sehen.

„Am frühen Nachmittag legen sich die Argin sicher hin“, dachte Albin. Tola erwähnte aber:

„An diesem Nachmittag wird vor dem Palast ein kleines Volksfest gefeiert, mein Vater gedenkt seines füngfundzwanzigjährigen Thronjubiläums und hat die Dorfbevölkerung eingeladen, natürlich müssen wir auch dorthin.“ Albin verwies protestierend darauf, dass er zuerst noch seine Wanderschuhe ausziehen müsste. Aber Tola entgegnete:

„Stell Dich nicht so an, Dein Aussehen interessierte überhaupt niemanden, wichtig ist nur Dein Erscheinen auf dem Fest.“ Albin nahm seine Flasche und trank einen Schluck Schnaps, bevor er sie an Tola weiterreichte und auch sie einen Schluck Schnaps nahm. Plötzlich ging Albins Handy und Nerma rief an, sie sagte: „Am am nächsten Tag fliegen wir um 10.45 h nach Enare ab und wir treffen uns um 9.30 h bei Dir.“ Albin sagte, dass er verstanden hätte und beendete das Gespräch wieder. Tola und er marschierten strammen Schrittes zum Palast, sie liefen einmal quer durchs Dorf und kamen zwanzig Minuten später dort an. Auf dem Schlossplatz war das gesamte Dorf versammelt, Schießbuden waren aufgebaut, es gab Getränkestände, an denen man die erlesensten Schnäpse trinken konnte, es gab ein Kettenkarussell und sogar eine kleine Achterbahn war aufgebaut. Auf einer Bühne machte eine Band Musik, sie hatte eine Sängerin und wenn Albin allein gewesen wäre, so hätte er sich vor ihr die Ohren zugehalten, so schrecklich fand er ihren Gesang. Tola forderte Albin auf, vor der Bühne stehen zu bleiben und der Musik zuzuhören.

Eine schlimmere Folter hätte sich Tola nicht einfallen lassen können, fand Albin und verzog sein Gesicht, als die Sängerin in einer Passage ihre Vortrages sehr hoch sang und die Tonhöhe kaum halten konnte. Endlich ging Tola weiter, nachdem sie eigentlich noch mit Albin tanzen wollte, das aber zu seinem Glück ließ und stattdessen mit ihm zum Getränkestand ging. Albin bestellte zwei große Schnäpse und als er Tola zuprostete, wurde er mit einem Mal angestoßen, und hinter ihm standen Nerma und Tabor. Albin bestellte gleich noch zwei Schnäpse, sie standen zu viert an der Theke und Nerma fragte:

„Wo werden wir Morgen um diese Zeit wohl sein?“

Nachdem sie ihre Schnäpse getrunken hatten, gingen sie zum Schießstand und jeder musste auf eine Scheibe schießen und das Schwarze treffen. Aber nur Tabor schaffte es, überhaupt die Scheibe zu treffen, alle anderen schossen Fahrkarten. Enttäuscht liefen sie zum Kettenkarussell und drehten mit ihm ein paar Runden. Die einzige Sicherung, die man gegen das Herausstürzen hatte, war eine Kette über dem Schoß, man wurde aber bei der großen Drehgeschwindigkeit in den Sitz gepresst und saß schon allein deshalb relativ sicher. Nachdem das Karussell ungefähr zehn Runden gedreht hatte, wurde es abgebremst, und als es zum Stillstand gekommen war, stiegen alle wieder von ihren Sitzen ab.

Mit einem Mal entstand eine Ruhe auf dem Schlossplatz, und als Albin sich umsah, um den Grund für die plötzliche Stille herauszufinden, sah er, dass König Joda auf der Bühne am Platz das Mikrofon von der Sängerin übernommen hatte und im Begriff war, eine Rede zu halten. Tola fand, dass er gut aussah, wie er da stand und mit ganzer Fassung auf sein Volk blickte. Sie ging mit den anderen dreien näher an die Bühne heran, um ihn besser sehen zu können. Nachdem er seine Untertanen, die sie in Wirklichkeit nicht waren, begrüßt hatte, kam er gleichauf den Anlass des Festes zu sprechen und sagte:

„Mit diesem Tag bin ich seit fünfundzwanzig Jahren König der Argin“, und es brach in der versammelten Menge ein Jubel los, dem der König nur durch eine bestimmende Geste Einhalt gebieten konnte. Er setzte seine Rede mit einem Überblick über seine Zeit als König fort und hob hervor, dass es in seiner Regierungszeit Höhen und Tiefen gegeben hatte.

„Ein absolutes Tief war natürlich der schreckliche Tod der Königin gewesen, den sicher noch Viele im Gedächtnis haben.“ Aber zum Glück würden die positiven Seiten überwiegen:

„Ich habe alles in allem glückliche Jahre hinter mir und möchte betonen, wie schön ich mein Leben mit meiner Tochter gefunden habe, die in den nächsten ein bis zwei Jahren Königin werden soll.“ Wieder tobte die Menge, dieses Mal gab es frenetischen Beifall, viele waren außer sich, keine Frage, König Joda wurde von allen gemocht und Tola erst recht. Tola blickte verlegen zur Seite und winkte ihren Bewunderern zu, als König Joda zum Schluss seiner Rede kam.

„Ich bin nun doch in die Jahre gekommen“, was man ihm wie allen Argin nicht ansah, „und ich denke ans Aufhören. Ich kann mir für den Rest meines Lebens vorstellen, viel zu wandern und vielleicht zu angeln, wozu ich während der letzten Jahre überhaupt nicht gekommen bin. Auf jeden Fall will ich viel reisen, und vielleicht lässt sich ja die eine oder andere Reise mit meiner Tochter durchführen.“ Noch einmal erschallten Beifallsstürme, und Tola winkte den Umstehenden zu. König Joda dankte für die Aufmerksamkeit und wünschte allen noch ein schönes Fest, er überließ der Sängerin wieder das Mikrofon, und die legte gleich wieder los und kreischte für die Ohren Albins ein fürchterliches Zeugs daher, die anderen waren aber angetan von ihrer Musik und wippten mit. Die vier tranken noch einen Schnaps und gingen anschließend zu Tabor, wo sie zwei frisch gepackte Rucksäcke und zwei Paar geputzte Wanderschuhe vorfanden. Tola und Albin mussten zugeben, noch nicht gepackt zu haben und hielten sich nicht allzu lange bei Nerma und Tabor auf, sie liefen zu Albin und kurze Zeit später verabschiedete sich Tola von Albin bis zum nächsten Morgen. Albin ging daran und packte ein paar Sachen für die nächsten vier Tage zusammen, da es warm in Enare war, brauchte er nicht so viel. Das, was er packte, waren im Wesentlichen Unterhosen und Strümpfe, er hatte sich an der Verteilstelle zwei Togen geholt, Tabors hatte er ihm längst zurückgegeben.

Eine Toga würde er immer durchwaschen und die andere tragen, während die Gewaschene trocknete. Er nahm ein Schweizer Messer, Waschzeug, Handtücher und sein E-Book mit, seine Wanderschuhe hatte er ausgezogen und neben den Rucksack gestellt. Er merkte auch nicht die kleinste Druckstelle an den Füßen, rief aber vorsichtshalber Tola noch an, damit sie Blasenpflaster mitnähme. Albin trank noch einen Saft und ging früh schlafen, es war nicht so, dass er sehr erschöpft war, aber er wollte ausreichend geschlafen haben, wenn sie ihren Wandertag begännen. Er machte sich frisch, zog die Gardinen zu und legte sich auf sein Bett, zunächst wieder auf den Rücken, um nachzudenken, er drehte sich aber danach auf die Seite und schlief gleich ein. Obwohl es nicht dunkel war, hatte er mit dem Einschlafen keine Schwierigkeiten, viele Menschen ließen bei sich ja die Rollos herunter, um ihr Schlafzimmer entsprechend zu verdunkeln. Am nächsten Morgen stand Albin um 8.00 h auf, was eine absolut vertretbare Zeit war, er duschte und zog sich an. Er ging nach draußen zum Gnoogle-Fach und holte sich die vier Nahrungswürfel, die er dort vorfand, drei steckte er in seinen Rucksack und einen nahm er zum Frühstück. Danach begann die Kaffeezubereitungszeremonie:

er stellte das Heißwassergerät an und gab einige kleine Löffel Kaffeepulver in die Porzellankanne, die er kurz danach mit heißem Wasser übergoss. Albin wartete wieder, bis das Kaffeepulver ganz auf den Boden abgesunken war, bevor er sich vorsichtig eine Tasse einschüttete. Er genoss den Kaffee in vollen Zügen, er war eben ein Kaffeetrinker, ohne Kaffee fehlte ihm etwas am Morgen, und er konnte seinen Tag nur schlecht beginnen. Albin trank drei Tassen und aß einen Gnoogle dazu, als plötzlich Tola erschien und ihm einen guten Morgen wünschte, sie küssten sich beide zur Begrüßung und freuten sich, sich zu sehen. Tolas Rucksack war voll gepackt und Albin fragte sie, was sie denn wohl alles mitgenommen hätte. Tola zählte die Sachen auf, die sie in ihren Rucksack gepackt hatte. Albin wollte an der einen oder anderen Stelle einwerfen, dass er dieses oder jenes für überflüssig hielt, ließ das aber. Er ging ins Haus und holte für Tola ein Glas Saft, Tola setzte sich zu ihm und sagte:

„Ich freue mich sehr auf die Wanderung, ich habe vor Aufregung sogar schlecht geschlafen“, und sie schämte sich ein wenig dafür, dass sie Albin davon erzählt hatte. Albin strich ihr über ihr Haar und gab ihr einen Kuss, er sagte ihr, dass sie den versäumten Schlaf ja nachholen könnte, ja sogar müsste, denn mit müden Knochen ließ sich schlecht wandern. Kurz darauf erschienen Nerma und Tabor und setzten sich noch kurz auf einen Saft zu Tola und Albin, jeder überprüfte, ob er auch alles Wichtige gepackt hatte und Nerma fiel ein, dass sie ihr E-Book vergessen hatte.

„Das ist nicht so schlimm“, meinte Tabor, „du kannst meins haben sooft wie Du willst.“ Alle zogen ihre Wanderschuhe an und ließen die Schnürsenkel noch locker, sie würden sie erst stramm ziehen, wenn sie loswanderten. Anschließend setzten sie ihre Rucksäcke auf und jeder achtete bei dem anderen auf einen guten Sitz, Tola zog bei Albin beide Tragriemen etwas nach und sagte ihm danach:

„So sitzt der Rucksack besser.“ Sie liefen los und nahmen den gleichen Weg, den Tola und Albin schon am Tag zuvor gelaufen waren. Das Gehen mit dem Rucksack auf dem Rücken gefiel Albin, es zwang ihn, konzentriert zu laufen und bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Er sah zu Tola und Tola lächelte ihn an, woraus er schloss, dass sie sich mit ihrem Rucksack auch wohl fühlte. Nerma und Tola fingen plötzlich an zu singen, aber das, was sie sangen, war nichts für Albins Ohren, er hatte weder Nerma noch Tola jemals zuvor singen gehört. Albin bat die beiden nicht gerade, ihren Gesang wieder einzustellen, aber seinem Gesichtsausdruck war für Tola zu entnehmen, dass er ihr Lied ganz offensichtlich nicht mochte und sie sangen nur die Strophe zu Ende, um gleich darauf wieder zu verstummen.

„Habt ihr bei den Menschen denn nie gesungen?“, fragte Tola Albin und er antwortete, dass sie natürlich gesungen hätten:

„Es hat bei uns nur ein ganz anderes Harmonieverständnis gegeben.“

„Gib uns doch einmal ein Beispiel Deiner Sangeskunst!“, bat Tola ihn und Albin fing an, das alte Wanderlied „Das Wandern ist des Müllers Lust...“ zu singen, und als er die erste Strophe gesungen hatte, schaute Nerma Tola an und sagte, dass sich das ja schrecklich angehört hätte:

„Es tut mir ja leid, das sagen zu müssen, aber in den Ohren eines Argin hast Du ganz schrille Misstöne von Dir gegeben.“ Albin antwortete:

„Ich muss mich als Zugewanderter noch an die Argin-Musik gewöhnen, Ihr müsst mir dazu aber Zeit geben“, bat er. Sie erreichten mit frischen Kräften den Flughafen und hatten noch eine Dreiviertelstunde Zeit, in der sie sich in die Schnapsbar setzten und jeder einen großen Schnaps bestellte.

„Wie lange dauert denn der Flug nach Enare wohl“, fragte Albin Nerma und sie antwortete:

„Die Flugzeit beträgt ungefähr eineinhalb Stunden, wir kommen um die Mittagszeit in Enare an und können am Nachmittag vielleicht noch schwimmen gehen“, worauf sich Albin ganz besonders freute.

Zu Hause war er nur ganz selten schwimmen gegangen, es gab zwar Freibäder in Waltershausen und in Irmstadt, für ihn war es aber immer sehr aufwändig gewesen, dahin zu kommen, und wenn er sommertags bei einem der Freibäder ankam, war es zum Bersten voll gewesen. Er wäre aber immer gern geschwommen, sagte er den anderen. Bei ihm wäre der Wendlerbach direkt am Haus vorbeigeflossen und in den wäre er als Kind immer gegangen, einmal wäre er beinahe ertrunken, wenn ihn seine Mutter nicht noch rechtzeitig herausgezogen hätte.

Tola erzählte, wie ihr Vater nach dem Tod ihrer Mutter immer darauf gedrängt hätte, dass sie das Schwimmen erlernte, und heute wäre sie eine gute Schwimmerin. Die beiden anderen sagten:

„Wir gehen auch gerne schwimmen, wir sind beide als Kinder oft mit unseren Eltern schwimmen gewesen, wir waren häufig am Elem, in dem man sehr gut baden kann.“ Alle standen auf und gaben ihre Rucksäcke nach Enare auf, sie würden vom Flughafenpersonal in die Maschine geladen. Tola, Nerma, Tabor und Albin gingen noch kurz zum Gate, bevor ihr Flug aufgerufen wurde und sie an Bord des Senkrechtstarters gingen.

Das Märchen von Albin

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