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2. Der Mittag

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Als ich kurze Zeit später unser Hotel betrat, hatte ich doch ein schlechtes Gewissen. Immerhin war es jetzt schon Mittag, ich hatte Maggie nun schon so lange allein gelassen, und auch bei unseren Freunden hatte ich mich noch nicht gemeldet. An der Rezeption ließ ich mir unseren Zimmerschlüssel geben (ich hatte beim Weggehen nicht abgeschlossen, wollte aber meinen Schatz beim Wiederkommen nicht wecken müssen, falls sie noch schliefe) und fuhr mit dem Lift auf die vierte Etage hinauf. Unser Zimmer lag fast am Ende des Korridors; an seiner Kopfseite befand sich ein großes, fast über die gesamte Gangbreite und bis zum Fußboden reichendes Fenster mit einem wunderbar gearbeiteten Jugendstilrahmen, in dessen Rankenornamenten die Glassscheiben eingebettet waren. Die Darstellung einer bacchantischen Szenerie mit einem Faun und mehreren Elfen mit grünen Haaren, die sich offensichtlich in einer innigen Umarmung befanden, erweckte den Eindruck, auf eine laubenartige Lichtung zuzugehen. Das Fenster war erkerartig herausgebaut und links und rechts von zwei klaren Glasscheiben eingerahmt. Davor stand in einer Nische ein Rauchtisch mit drei bequemen Bistro-Sesselchen, und gegen Abend, wenn die Sonne niedrig stand, genoss man von hier aus einen atemberaubend schönen Ausblick über den Montmartre mit seinen sich den Berghang hinaufziehenden Häusern und der wunderschönen weißen Silhouette von Sacre Coeur.

Als ich leise die Tür unseres Zimmers öffnete, fand ich Maggie noch immer schlafend vor. Die zugezogenen Vorhänge tauchten den Raum in warmes, ockerfarbenes Licht und schufen eine entspannte, mediterrane Atmosphäre. Kurze Zeit, nachdem sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, nahm ich Einzelheiten wahr - ich fand Maggie in der gleichen Stellung vor, in der ich sie verlassen hatte: auf der rechten Seite liegend, zusammengerollt wie ein kleines Kind, ihre rechte Hand unter der Wange versteckt. Ihr linker Arm lag zwischen ihren Knien eingeklemmt. Ich kannte ihre Lieblingshaltung, die sie fast immer einnahm, um einzuschlafen. Sie liebte es, sich manchmal zwischen den Beinen zu streicheln oder ihre Brustwarzen zu liebkosen, wenn wir miteinander geschlafen hatten; so genoss sie das langsam abebbende Gefühl der vorangegangenen Zärtlichkeiten. Manchmal, wenn ich schon fast eingeschlafen war, überraschte sie mich mit einem erneuten orgiastischen Stöhnen, wenn sie sich lange und intensiv genug gestreichelt hatte - was meistens zu einer erneuten Erektion bei mir führte, und wir begannen erneut mit dem ältesten Spiel der Welt.

Auch jetzt fühlte ich die Lust in mir aufsteigen. Ich zog vorsichtig die Decke von ihren Schultern, um den Anblick ihres wohlgeformten Körper mit seinen weiblichen Rundungen zu genießen, der bei mir immer wieder die gleiche Regung hervorrief: den Wunsch, sie hier und jetzt zu besitzen, sie während des Aktes zu beobachten und mitzuerleben, wie sich ihre Bewegungen rascher und rascher gestalteten, hektischer und hektischer, wenn sie auf den Höhepunkt zusteuerte. An diesem Moment teilzuhaben bedeutete mir alles; ich genoss es, wenn sie auf mir ritt, ihr stakkatoartiges Atmen, die kleinen, spitzen Schreie, die manchmal in ein Wimmern übergingen, ihre Blicke, die mich auch ohne Worte baten, gerade jetzt nicht mit meinen Bewegungen aufzuhören, und dann der eigentliche Höhepunkt, während dessen sie manchmal ihren Körper wie eine Sehne spannte, um dann, in ein Beben übergehend, ein tiefes kehliges Stöhnen auszustoßen um wiederum von konvulsivischen Zuckungen übermannt zu werden, oder aber ein anderes mal mit immer rascheren Bewegungen ihres Gesäßes auf meinem Schwanz hin und her zu gleiten, bis ihr Becken mit raschen, harten Stößen zu zucken begann, und ich mich selbst nicht mehr zurückhalten konnte und meinen warmen Samen pulsierend in sie hineinschoss.

Während ich mich so in lustvollen Phantasien verlor, erwachte sie durch die Berührung meiner Hand auf ihrem Körper und schlug mit einem leisen Seufzen die Augen auf. Langsam erst nahm sie die Situation vollständig wahr und richtete sich langsam in eine sitzende Stellung auf. Ich genoss den Anblick, wie sich ihre Brustwarzen versteiften, ihre Arme überzogen sich mit einer leichten Gänsehaut; sie fühlte die Kühle auf ihrem jetzt unbedeckten Körper im Gegensatz zu der Wärme des Bettes vorher. Sie zog die Daunen wieder an sich heran und schlang sie um sich, bis nur noch ihre Nase zwischen der Decke unten und ihren schwarzen Wuschelhaaren oben hervorlugte.

Darf ich vorstellen:

Maggie. Alter: zweiunddreißig. Größe: einsachtundsechzig ohne Absätze. Gewicht: 57 Kilogramm, ungefrühstückt. Dunkler Teint, afroromanischer Typ (der mit den dunklen Brustwarzen!), Körbchengröße 75 C. Intelligent, charmant, sensibel, lausbübisch. Und nie schlecht gelaunt. Wirklich nie! Erstaunlich!

” Wo warst Du? Ich hab dich gar nicht weggehen hören. Hast du schon gefrühstückt? Ich glaube, mir geht’s nicht so gut heute morgen.”

“Du bist gut, wir haben bereits Mittag. Und ich habe noch nicht gefrühstückt. Ich bin ein Stück am Seineufer entlang spazieren gegangen. Musste den Kopf auslüften. Glaubst du, du kannst etwas essen?”

“Ich weiß nicht, aber es käme auf einen Versuch an. Frühstück im Bett?”

“Liebend gerne. Nur glaube ich nicht, dass wir jetzt noch Frühstück serviert bekommen. Eher schon ein Mittagessen. Ist ja immerhin schon halb eins. Was hältst du davon, wenn du dich – für mich - gaaanz langsam anziehst und ein wenig zurechtmachst? Wir könnten irgendwo in der Nähe ein Bistro aufsuchen und ein Baguette und einen Cappuccino dazu bestellen, was denkst du? Übrigens habe ich auch noch kein Lebenszeichen von Horst und Anne erhalten. Werde mal auf ihrem Zimmer anrufen.”

Ich nahm den Hörer des Telefons ab und wählte die Zimmernummer der beiden. Das Rufzeichen kam, ich ließ es zehnmal läuten und legte dann auf, ohne dass jemand abgenommen hätte.

“Da meldet sich niemand. Die sind doch bestimmt nicht ausgegangen, ohne uns Bescheid zu sagen? Immerhin wollten wir heute Nachmittag doch in den Bois de Bologne fahren. Und unten im Restaurant habe ich sie auch nicht gesehen.” “Vielleicht sind sie gerade mit etwas seeeehr Schönem beschäftigt oder unter der Dusche - oder beides etwa?“ Dabei sah sie mich so schelmisch aus den Augenwinkeln und unter ihren bezaubernd langen Wimpern an, dass ich sie spöttisch fragen musste: “Ich denk’, dir geht’s nicht gut? Oder hab’ ich da etwas falsch gedeutet?” - “Wir können’s ja immerhin mal versuchen, und wenn es nichts wird, machen wir dann eben später weiter.” Sie lachte mich an, richtete sich auf und robbte auf ihren Knien an mich heran. Dann legte sie Ihre Arme um meinen Hals und zog meinen Kopf zu sich herab, um mich zu küssen. Nach ein paar Sekunden machte ich mich frei und sagte: “Sehr verlockend, aber ich hätte jetzt doch erstmal ganz gerne etwas im Bauch - du wahrscheinlich auch, aber du meinst das sicher anders. Allerdings möchte ich schon etwas essen. Hatte ja noch nicht einmal einen Kaffee heute.” - ” Mein armer, armer Schatz, nein, verhungern darfst du mir auf gar keinen Fall, wer soll’s mir denn besorgen, wenn du nicht da bist, etwa der Portier? - Hast du den übrigens gestern gesehen, als der uns die Schlüssel gab, der war ja so dünn, dass ich schon dachte, der fällt gleich um, wenn ich ihn anpuste!”

“Dir geht es scheinbar schon wieder besser. Komm, zieh dir was an und lass uns gehen, sonst werde ich wirklich noch schwach und vergewaltige dich auf der Herrentoilette.” - “Hört sich gut an, machst du das mal irgendwann mit mir? Oder besser: mit irgendeiner Schlampe und du erzählst mir dann, wie’s war, während ich mir’s selber mache vielleicht? Das ist geil!”

Manchmal verblüffte sie mich immer noch. Auch das ist einer der eintausendeinhundertundelf Gründe, für die ich sie so sehr liebte.

Kurze Zeit später, nachdem sie im Bad verschwunden war, erschien eine strahlend schöne Maggie und drehte sich kokett vor mir um: “Wie seh’ ich aus, kann man mich so auf die Straße und auf die Männer loslassen?”

Sie trug ein pfirsichfarbenes T-Shirt und einen weißen Leinenrock, der zwei Drittel ihrer Oberschenkel bedeckte, oder sollte ich sagen: leider nur ein Drittel unbedeckt ließ, dazu die weißen Sandaletten, deren dünne Riemen bis über die Fessel geschnürt waren und die ich so an ihr mochte.

“Madame sehen zum Anbeißen aus. Ähm, zum Hineinbeißen. Weiß auch schon, wohinein. Nur Geduld. Was macht übrigens dein Kopf?” - “Na ja, Bäume ausreißen werde ich heute nicht so schnell, aber das haben wir ja auch nicht geplant. Nur ansehen, soweit ich weiß. Aber es geht schon, die frische Luft wird mir sicher gut tun.”

Wir verließen unser Zimmer um uns auf den Weg nach unten zu begeben, nicht ohne vorher noch an der Zimmertür unserer Freunde geklopft zu haben. Niemand öffnete oder rief uns durch die Tür etwas zu. Ich legte mein Ohr an die Tür, und dann wurde mir auch klar, weshalb die beiden nichts hatten von sich hören lassen. Aus dem Zimmer dringendes gedämpftes Stöhnen und ab und zu mal ein kehliger Laut, der sicher Horst entstammte, lieferten mir die Gewissheit, dass es den beiden gut ging, im Moment sicherlich sogar sehr gut. Okay, jeder sollte seinen Spaß haben dürfen, und wir hinterließen beim Portier (der von heute war etwas kräftiger als der Nachtportier gestern) eine Nachricht für die beiden, dass wir nur kurz etwas zu uns nehmen wollten und gegen halb drei wieder zurück sein würden.

Bald hatten wir auch ein nahe gelegenes Bistro entdeckt und genossen unser verspätetes Frühstück, das gleichzeitig unser Mittagessen war. In Gedanken versunken, ließ ich mir die Episode vom Vormittag durch den Kopf gehen - was würde Maggie wohl dazu sagen, wenn sie wüsste, dass ich für eine zweifelhafte “Liebesdroge” Geld ausgegeben hatte. Oder sollte ich sie ihr einfach verabreichen, ohne dass sie etwas davon weiß… - hinterher könnte ich mich ja einfach dumm stellen und irgendwelche Nebenerscheinungen auf die Nachwirkungen des Alkohols schieben.

Nein.

Ich beschloss, ihr reinen Wein einzuschenken und ihr alles zu erzählen.

Während wir aßen, begann ich also Maggie von meiner Begegnung am Vormittag zu berichten. Sie sah mich während meiner Schilderung mit immer größer werdendem Interesse an. Als ich geendet hatte, schüttelte sie Ihren Kopf und meinte nur. “Ist ja irre. Und du hast das Zeug wirklich gekauft? - Du spinnst!”

“Das glaube ich mittlerweile selbst. Ich weiß auch nicht, welcher Teufel mich da geritten hat, aber irgendwie war die Alte schon faszinierend. – ‚Du nix weißt von Träumen’ – ‚ich gewusst, du kommst’

was sie damit wohl gemeint haben mag? Sie klang so, als ob sie selbst an all den Blödsinn glaubte. Wer weiß, was für ein Teufelszeug sich in den Kügelchen verbirgt.” Maggie streckte ihre rechte Hand aus und sagte: “Zeig’s mir doch einfach mal, das Wunderding.”

Ich reichte ihr das Döschen, das ich bis zu diesem Augenblick noch gar nicht richtig betrachtet hatte. Es war aus dunklem Holz geschnitzt, der untere Teil schmucklos, rund mit einem sich nach oben verjüngendem Rand, vielleicht vier Zentimeter im Durchmesser und etwa einen Zentimeter hoch. An einer Stelle war die Rundung etwas abgeflacht und wies eine horizontale Bohrung auf, die als Scharnierloch diente, an dem der Deckel, ebenfalls aus dem gleichen Material hergestellt, mit einem Drahtstückchen so befestigt war, dass er sich aufklappen ließ. Der Deckel allerdings wies eine nicht sehr tief ausgeführte, dafür aber detaillierte Schnitzerei auf, die mir zunächst gar nicht aufgefallen war, da ich sie für Unebenheiten des Holzes gehalten hatte. Bei näherer Betrachtung jedoch erwies sich diese Schnitzerei als das Abbild eines Fauns, der eine Flöte in seinen Händen hielt. Am beeindruckendsten jedoch war die Darstellung seines Gesichts. Obwohl nur eine Miniatur, spiegelten seine Augen einen derart lebendigen Ausdruck wider, dass es schwer fiel, den Blick davon abzuwenden, er schien den Betrachter mit seinem Blick regelrecht zu fixieren, man war gefangen von den punktartigen Äuglein des Faungesichts. Merkwürdig verwirrt, klappte ich den Deckel auf, um meinem Schatz den Inhalt zu zeigen. Ein herber, an Moos oder Pilze erinnernder Geruch entströmte dem Inneren des Behältnisses. Misstrauisch betrachtete Maggie die beiden dunklen Kügelchen. “Das also ist das Konglomerat unserer geheimsten Wünsche. Ich bin sehr beeindruckt.” sagte sie mit feierlicher Stimme. Und dann lachte sie, lachte so, wie sie es immer tat, wenn sie etwas sehr, sehr komisch fand. “Weißt du was? Wir werden es einfach ausprobieren. Zusammen, wir beide, so, wie die Zigeunerin es dir gesagt hat. Und wehe, es funktioniert nicht. Oder mir wird schlecht. Oder es passiert sonst was Übles. Dann gehen wir morgen zu der Alten, und wir schieben ihr gemeinsam das Döschen in Ihr Höschen. Oder sonst wohin. Na, was sagst Du?” - “Du bist einfach genial. Deshalb liebe ich dich. Und wegen einiger anderer Dinge auch noch. Oder hauptsächlich wegen der anderen Dinge.”

Ich nahm Ihr Gesicht in beide Hände und zog sie über den Tisch zu mir, um sie zu küssen. Es wurde ein ziemlich langer Kuss, denn als wir aufsahen, stand der Garcon neben uns und tippte wie beiläufig mit dem Kugelschreiber auf seinen Bestellblock. Ob wir noch etwas verzehren wollten? - Nein danke. - Ob er dann bitte kassieren dürfe, er habe jetzt frei und der Kollege wolle den Tisch übernehmen. Immer noch lachend zahlten wir, wobei der Garcon ein ansehnliches Trinkgeld erhielt. Aber das musste sein. Uns ging es so gut an diesem Tag, denn wir waren glücklich.

Die Nacht des Satyrs

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