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GRIECHISCH - RÖMISCH

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„Rumms,“ machte es.

Herta sprang von ihrem Computer auf, nahm aber gleich wieder Platz.

Es rummste noch einmal. Ihre beiden Katzen kamen hoch gehetzt, sprangen über ihre Schulter, umkreisten gewohnheitsmäßig den Computer, stürmten weiter ins Schlafzimmer, wo sie sich auf den Betten niederließen.

Die Topfdeckel drehten unten auf dem gefliesten Küchenboden ihre einsamen Runden, bis sie endlich mit einem nicht zu beschreibenden Scheppern zum Stillstand kamen. Hertas gespitzte Ohren dröhnten, sie spitzte sie nach unten. Ihr war klar, dass eine Kanonade von Flüchen alsbald zu ihr heraufdringen würde. So war es.

„Wenn das Weib doch endlich einmal die Töpfe richtig stapeln würde,“ schrie ihr lieber Ehemann, der zur Zeit alles andere, als lieb war. Er brüllte in der Hoffnung, die ihn nicht trog, dass das vertrackte Weib ihn hören möge.

Das vertrackte Weib, die arme Herta also, stapelte die Töpfe schon seit mindestens vierzig Jahren auf diese Art und Weise und war damit äußerst zufrieden. Niemand hatte sich, die beiden nichtsnutzigen Katzen ausgenommen, bisher darüber gestört gefühlt.

„Was hat Rudolf eigentlich neuerdings und überhaupt in deiner Küche zu suchen?“ fragte sie sich nicht zum erstenmal.

Selbstkritisch behauptete sie ja nicht, was altgewohnt auch gut getan wäre, aber wozu sollte sie ihre liebgewordenen Gewohnheiten seinetwegen ändern, wo sie bisher immer bestens mit ihren hausfraulichen Dingen zurecht gekommen war. Vor allem ohne ihn! Zugegeben, bevor sie den Topfschrank öffnete, sondierte sie erst einmal die Lage. Sie horchte, angestrengt wie ein Panzerknacker, auf etwaige Innengeräusche. Blieb alles ruhig, geschah beim nachfolgenden Öffnen nichts. Sollte sie überhastet gehandelt haben, blieb immer noch Zeit die Topfdeckel aufzufangen. Wozu sollte sie ihre Verrichtungen seinetwegen anders handhaben? Das wäre ja gelacht! Wie Pyramiden wollte er sie aufgeschichtet sehen, „mit einem soliden Sockel,“ hatte er sich erregt.

„Von unten nach oben zulaufend, und nicht umgekehrt!“

„Auf griechisch-römisch“, vielleicht? hatte sie den Wütenden aus einem Impuls heraus gefragt. Alles, was er geändert haben wollte, nannte sie seit dem griechisch-römisch, womit sie ihn augenblicklich aus dem Lot zu bringen vermochte. Sie wusste selbst nicht genau, was der Ausdruck bedeutete, glaubte aber, dass er so viel wie ordnungsgemäß heißen könnte.

Wann immer ihr Mann sie maßregelte und etwas in seinem Sinn verändert haben wollte, nervte sie ihn mit der Frage: „Auf griechisch-römisch vielleicht?“

Die Aufzucht ihrer beiden Kinder lag weit hinter ihr, so dass sie nicht die geringste Lust verspürte, noch einmal von vorn anzufangen. Deshalb gab sie in vielen Dingen nach. Nicht zuletzt, weil sie gegen die Flut von Anordnungen des Neupensionärs ohnehin machtlos war.

Im Keller hing z. B. über der Waschmaschine ein Schild mit der Aufschrift.

BITTE DEN KRAN NACH DEM GEBRAUCH DER WASCHMASCHINE ZUDREHEN!

Was denn wäre, wenn der Kran offen bliebe, hatte sie sich doof gestellt, wobei ihm schon anzusehen war, wie ihm der Kamm mächtig schwoll.

„Dumme Frage“ brummte er und übertrieb wie so häufig. Machte ihr klar, dass der gesamte Keller unter Wasser stehen könnte.

„Könnte, könnte, immer alles im Konjunktiv“ meinte sie schnippisch. Und weil sie gern das letzte Wort hatte, stellte sie fest:

„Und nebenbei bemerkt, lieber Rudolf, kann ich im Falle eines Falles, und im Gegensatz zu dir, schwimmen!“ Eine kindische Feststellung, sie wusste darum.

Dafür unterließ sie es zu fragen, ob der Kran vielleicht nicht doch noch auf griechisch-römisch zuzudrehen sei, weil seine Steilfalte zwischen den beiden Brauen sich vertiefte und ihr ganz mulmig ums Herz wurde.

Selbst mit dem Mittagessen war er seit kurzem nicht mehr zufrieden.

Früher hatte er achtlos die Bissen heruntergewürgt, dabei die Zeitung gelesen in seiner knappen Zeit, die er sich selbst verordnete. Immerzu hatte er gleich Catchup auf fast jedes Essen geschüttet, ohne es überhaupt nur angerührt zu haben, so dass sie sich fragte, wozu sie sich eigentlich der Mühe unterzog, überhaupt noch schmackhafte und zeitaufwendige Saucen zuzubereiten. Vielleicht hing sein übersteigerter Verzehr der roten Scheußlichkeit mit seiner Prostata zusammen. Sie wusste es nicht. Er ließ sich sowieso niemals in die Karten gucken. Sie hatte irgendwo gelesen, Tomaten seien ein gutes Vorbeugemittel gegen Krebs. Möglicherweise auch gegen jenen unterhalb der Gürtellinie?

Nach dem „Genuss“ von Catchup und etwas, das ihm nicht mehr zu analysieren gelang, war der Unzufriedene wieder eilig, wie immer, ins Büro zu seinen Leuten gefahren, denen er mit seinen Anordnungen auf den Geist gehen mochte. Rudolf war schon immer ein Mann, der das Sagen haben musste. Er tat allerdings auch eine Menge dafür und schonte sich nicht. Jedoch so viel Einsatz wollte er durch Einsicht, sprich Gehorsam, belohnt wissen.

Als sie beide jung verheiratet waren, hatte Rudolf sie in einer stillen Stunde beiseite genommen und ihr jovial mitgeteilt:

„Ich denke, in einer Ehe kann nur einer das Sagen haben! Bitte, stimme dem bei, Hertalein!“ Hertalein hatte das nicht so recht einsehen wollen, bei ihren Eltern war das nämlich ganz anders. Da hatte ihre Mutter das Heft in der Hand. Aber verliebt wie sie nun mal war, bat sie um Bedenkzeit, die der um fünf Jahre ältere Rudolf diesem Dummchen gern gewährte, zumal er ihr klar gemacht hatte, es wäre ähnlich wie bei einem Schiffskapitän, der ja auch nur als Einziger Befehle erteilen würde.

„Nun ja, bei einem Kapitän in Seenot etwa, ist das was ganz anderes,“ hatte sich Herta gedacht, aber gründlich wie sie war, überlegte sie sich seinen Vorschlag in aller Ruhe, war auch zu einem guten Resultat gekommen. Nach einigen Tagen hakte Rudolf noch einmal nach.

„Na, hast du dich entschieden meine Kleine?“ Wieder dieser blöde Tonfall. Der große blonde Mann beugte sich zu seiner kleinen dunklen Herta herunter, die ihre randlose Brille zurecht rückte und sich zunächst nicht an das Gespräch zu erinnern gedachte.

„Wofür soll ich mich entschieden haben, Rudolf?“ Mit ihren dunklen treuen Augen sah sie Rudolf so lieb an, dass er förmlich dahinschmolz. Er erinnerte sie an sein Vorhaben allein das eheliche Steuer in die Hand nehmen zu wollen, weil wie schon erwähnt, nur einer, na, sie wüsste schon.

„Du hast Recht, Rudolf, in einer Ehe sollte nur einer das Sagen haben!“ säuselte sie.

Ach, wie Rudolf sie in diesem Moment liebte. Er hatte einen guten Griff getan, obwohl ihn seine Mutter, ihren einzigen und einzigartigen Sohn seinerzeit gewarnt hatte mit der Feststellung:

„So eine aufmüpfige Frau heiratet man nicht!“

„Ich möchte dir bitte einen Vorschlag machen,“ vernahm Rudolf, war ganz Ohr und sein Glücksgefühl kannte keine Grenzen.

„Aber gern, meine Liebe!“ Er rückte näher an sie heran. Welches Glück hatte er doch mit dieser kleinen Frau, die man noch so richtig zurechtbiegen konnte.

Er reckte sich, fiel aber gleich wie ein Hefeteig zusammen, als er die nunmehr feste Stimme seiner jungen Frau vernahm, die forderte: „Dann lass mich das Sagen haben!“

In den beinahe fünfzig Ehejahren wurde das Thema nicht ein einziges Mal mehr angeschnitten.

„Meine Güte, wo ist die Zeit geblieben?“

Hertas monatliches Treffen fand wieder einmal statt.

Gern ließ Rudolf sie nicht ziehen. Für seinen Geschmack hatte Herta einen viel zu großen Freundes- und Bekanntenkreis. Er selbst war eher introvertiert und außer mit Herta ausschließlich mit seinem Beruf verheiratet gewesen, bisher jedenfalls. Das genügte ihm vollauf. Deshalb ängstigte ihn der Gedanke an die baldige Pensionierung nicht wenig.

„Du musst dich darauf vorbereiten“ hatte Herta ihm gepredigt. Schon lange, bevor es tatsächlich der Fall war, hatte sie verschlagen und nicht ohne Eigennutz versucht, ihn für irgendein Hobby zu begeistern. Nicht auszudenken, wenn sie diesen Pedanten in Zukunft etwa als Arbeitsvorbereiter in ihrem Haushalt, tagaus und tagein und bis zu ihrem Lebensende um sich haben würde.

„Du könntest einen Fotokurs besuchen im „Hermannhaus“, oder zu malen anfangen.

Er hatte sie wild angesehen, sein energisches Kinn vorgeschoben und gebrüllt:

„Ich will diese Vorschläge niemals mehr hören,“ und sein: „Basta!“ hätte Tote erwecken können. Im Zeichen des Löwen geboren, war das Gebrüll für ihn ein Muss, im Gegensatz zu Herta, der es als Wassermannfrau nicht einfiel, jemanden bevormunden, oder gar ändern zu wollen. Beides hielt sie für genauso unmöglich, wie wenn sie versuchen wollte, Schneeflocken zu rösten.

Sie hatte schon immer viel von Sprichwörtern gehalten.

„Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ war ihre Maxime, die sie selbstverständlich auch bei ihren Kindern vertrat.

„Und was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andren zu!“ war für sie ein ebenso wichtiger Grundsatz, den sie auch Rudolf gern vermittelt hätte.

Wie gut man sich doch kannte im Laufe der vielen Jahre. Zu gut für ihren Geschmack. Schon deshalb war es für Herta unerlässlich, ihren Kreis aufrecht zu halten. Es hätte schon längst kaum mehr einen Gesprächsstoff gegeben. Eindrücke bekam man von außen, von Freunden zum Beispiel und die wuchsen nun mal nicht am Wegesrand. Um alles im Leben musste man sich mühen und bemühen. Rudolf dachte da ganz anders. Das mit der Mühe war er nicht imstande einzusehen. Er brauchte keine Freunde, höchstens seinen Computer, der ihm schon vor der Pensionierung und jetzt erst recht Freude machte. Das technische Wunderwerk tat nur das, was sein technisch versierter Meister ihm befahl, nicht mehr und nicht weniger. Auch waren keine Widerworte zu erwarten. Er brauchte im Grunde genommen vor der Pensionierung keine Angst zu haben. Nicht mit einem solchen Freund im Rücken, dem er

noch nicht einmal zu antworten brauchte, und den er vor allem durch Ausschalten ruhig stellen konnte. Zudem, wie sollte er sich auf seinen letzten Lebensabschnitt vorbereiten?

„Da kann ich mich ja gleich auf den Tod einstellen“ hatte er unwirsch geknurrt.

Herta wusste, wovon sie sprach. Sie war im Kreis ihrer langjährigen Freundinnen die Jüngste. Sie waren ihr alle durch ihre mehr oder weniger leidvollen Erfahrungen mit ihren Männern und deren Ruhestand, ein gutes Stück voraus. Bei ihrer Freundin Lotte hatte das Schicksal sich bewährt und positiv nachgeholfen. Ihr Mann, Chef-Arzt und ein Arbeitstier sondergleichen, so ähnlich wie Rudolf, hatte den berühmten Löffel kurz vor seiner Pensionierung abgegeben, möglicherweise noch bevor es zu Missstimmungen hätte kommen können. Herzinfarkt!

Lotte lief fast täglich zum Grab ihres Mannes, leistete Abbitte und hatte ihren Anton nur in allerbester Erinnerung. Er war sozusagen durch sein Ableben zur rechten Zeit, von jetzt auf gleich zum Engel mutiert, obwohl Lotte an seiner Seite zwar ein Luxusleben, dafür aber das der mehrfach betrogenen Ehefrau geführt hatte, was sie nicht im Geringsten zu stören schien.

„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ war der Leitspruch der molligen Lotte, die stets Optimistin geblieben war. Die anderen Damen hatten sich mokiert, waren nahezu schockiert gewesen, aber sie hielten sich zurück. Ganz sicher waren sie sich nicht. Möglicherweise wäre ihnen auch hier und da heiß unter ihrem Pony geworden, wenn sie von den Eskapaden ihrer Ehemänner gewusst hätten. Bekanntermaßen erfuhren die meisten Ehefrauen von den „Verfehlungen“ ihrer Männer zuletzt, oder zum Glück überhaupt nicht.

Wie dem auch sei, Herta jedenfalls stünde etwas bevor, meinten die Damen einmütig und warfen sich Blicke zu, als bräche jeden Augenblick der dritte Weltkrieg über sie herein. Beim vierwöchentlichen Gedankenaustausch holte Herta sich die Informationen und Ratschläge, die sie brauchte. Sie war ja immerhin eine blutige „Anfängerin“, noch, jedenfalls. Aber alles praktisch Durchzuführende beruhte schließlich auf Theorien, oder? Herta war lernfähig.

Wie an dem Freitag, an dem es in ihrem christlichen Haushalt Fisch gab. Rotbarsch, genauer gesagt. Rudolf stocherte lustlos im weichen weißen Fleisch des Fisches herum. Ihm fehlte augenscheinlich etwas. Hurtig sprang Herta zum Kühlschrank, gleich neben ihrem Essplatz und reichte ihm, wie eine geweihte Hostie, die rote Catchupflasche. Rudolfs Miene erhellte sich. Ohne ein „Dankeschön“, das war während der langen Ehejahre auf der Strecke geblieben, goss er den Inhalt der fast vollen Flasche auf den armen Fisch, begrub ihn regelrecht darunter. Auch die saftig grünen Frühlingszwiebeln verloren ihre schöne Farbe, wurden ebenfalls rot ertränkt. Es war für Herta, die nicht nur gern kochte, sondern auch gern aß, zum Verzweifeln. Wie sehr hatte sie sich bemüht, eine anständige Köchin zu werden. In der ersten Zeit ihrer Ehe hatte Rudolf alles, wirklich alles aufgefuttert, und damals, Respekt!, gab es noch keinen Catchup. Er verzog zwar manchmal den Mund, so dass er seinem kleinen Sohn der Spinat missachtete, auffallend glich, aber er spuckte nichts an die Wand. Auch später dachte er niemals daran, ihre mittlerweile respektablen Kochkünste zu loben. Lob konnte man von einem Mann wie Rudolf sowieso nicht erwarten, aber immerhin und ohne zu murren oder zu tadeln, hatte er seine Teller damals leergeputzt. Mal mit hoher Geschwindigkeit und mal piano, je nach Genießbarkeit. Herta hatte herausgefunden, wenn es ihm besonders gut schmeckte, er sich in wilder Besessenheit Gabel für Gabel in den Mund schob. Er benutzte dazu so gut wie niemals ein Messer. Wenn Herta sah, wie er sich verrenkte, um ohne Messer klarzukommen, ging ihr der Hut hoch. Sie nahm sich zusammen, versuchte ruhig zu bleiben, kam dennoch nicht umhin, ihm vorzuschlagen:

„Ich würde es einmal mit einem Messer versuchen!“ Das war zu viel des Guten! Rudolf geriet außer sich.

„Ich habe gelernt, mit Messer und Gabel umzugehen. Ein Messer benutzt man nur, wenn man Fleisch zu zerschneiden hat. Kein Fleisch, kein Messer!“ schrie er und war kaum zu beruhigen. Wutschnaubend düste er ab.

„O.k.“ dachte Herta. „Wo er Recht hat, hat er Recht!“ Am nächsten Tag gab es Spaghetti, was für Rudolf eher die Ausnahme, als die Regel war. Er schwärmte nahezu in manischer Weise von Kartoffeln. Komischerweise schnitt er puppenlustig die langen Nudelfäden durch. Dazu musste er sich allerdings selbst um ein Schneidewerkzeug kümmern, denn kein Fleisch................................

Zu Zeiten seiner Kindheit wurden ihm Speisen aufgezwungen, die er einfach nicht runterkriegen konnte. Ihm wurde der Teller so lange vorgesetzt, bis das Essen, Kohlrabi etwa, an dem Teller festklebte, wie vorverdaut aussah und nicht mehr genießbar war. Zwischendurch gab es natürlich nichts. Es sei denn, das Mädchen hätte vor lauter Mitleid dem ohnehin dürren Heranwachsenden, heimlich einen Bissen zugesteckt.

Bei seinen beiden Kindern verstand Rudolf es kaum, dass sie essen durften, was ihnen schmeckte. Solchen Firlefanz gab es in seinem Elternhaus nicht. Der Vater, das wäre ja gelacht, hatte natürlich die Oberherrschaft. Kam er vom Amt, eilte ihm seine Angetraute mit angewärmten Pantoffeln an der Tür entgegen, um ihm die Puschen über seine knöchernen und stets kalten Füße zu stülpen. Sonntags schnitt der Herr Amtsrat den Braten auf und mit größter Selbstverständlichkeit jonglierte er das größte Stück auf seinen Teller. Erst dann reichte das Mädchen den anderen Familienmitgliedern das, was noch übrig geblieben war und ergatterte selbst meist nur noch ein winziges Stückchen, zu dem man fast eine Lupe gebraucht hätte, um es wahrnehmen zu können. Schmeckte Rudolfs Vater das Essen nicht, oder war ihm im Amt eine Laus über die Leber gelaufen, kippte er den ganzen „Salat“ unter Fluchen auf den Teppich, und scheute sich auch nicht, den nunmehr leeren Teller wie einen Diskus gegen die Wand zu schleudern. Einmal steuerte ein solches Geschoss auf die hübschhässliche „Idylle von Heiligenblut,“ einem Erbstück seiner verstorbenen Eltern, die sich womöglich im Grab herumgedreht haben würden, wären sie nicht eingeäschert worden.

Auch Rudolf hatte nach einer Langmut von vielleicht drei Monaten in seiner jungen Ehe seinem Vater nachgeeifert und einmal einen Teller an die Wand geklatscht. Herta war zutiefst erschrocken, wäre aber eher gestorben, als dass sie den Teller aufgehoben hätte. Schließlich bückte Rudolf sich, sprang über seinen Schatten, weil es sonst niemand hätte für ihn tun wollen und beseitigte die Spuren seines unseligen geerbten Jähzorns.

Ja der Jähzorn. Herta ging ihrem Rudolf gern aus dem Weg, obwohl sich im Lauf der vielen Jahre diese Charakterschwäche gelegt hatte, beinahe ganz verschwunden war, aber durch seine Pensionierung wieder aufzuflammen drohte.

Wie sehr genoss sie es, sich im Kreis ihrer Freundinnen aussprechen zu können.

Denen ging es auch nicht viel besser, nur dass sie einen erheblichen Vorsprung in Sachen Trouble mit ihren Pensionären hatten, wie schon erwähnt, Herta war die Jüngste. Sie wurde von den Damen nicht unbedingt wegen ihres Mannes an sich, aber um dessen anscheinend überdurchschnittliches technische Verständnis beneidet.

Der Debütant im Ruhestand

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