Читать книгу Die Superaugen ... und der Theatergeist - Heidi Troi - Страница 5

Kapitel 1

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„Wie ist dein Name?“, liest Tim aus der Mappe mit der Aufschrift „Peter Pan“ vor. Er sieht Djamila an, die sofort die richtige Antwort parat hat: „Wendy Moira Angela Darling. Und deiner?“

„Peter Pan“, sagt Tim.

Sie wirft ihre langen schwarzen Locken nach hinten und meint: „Blätter doch ein bisschen weiter. Den Anfang kann ich schon.“ Die beiden warten im Gartenhäuschen auf den Rest der Superaugen. Oma Berta sitzt mit ihrem Strickzeug in ihrem Ohrensessel. Die Füße hat sie auf eine alte Apfelkiste gelegt, damit sie mehr Wärme von dem Bollerofen abbekommen. Das Holz knackt im Feuer und ein leises Zischeln kommt von dem Teekessel, der auf der Herdplatte steht.

Djamila und Tim nutzen die Wartezeit, um ihren Theatertext durchzugehen. Sie ist die Zweitbesetzung in dem Theaterstück „Peter Pan“, das die Kindertheatergruppe der kleinen Stadt in der Weihnachtszeit aufführt. Tim findet, dass sie es verdient hätte, die erste Besetzung zu sein. So wird sie nur bei wenigen Aufführungen die Wendy spielen dürfen. Bei allen anderen wird sie in der Rolle eines Piraten mitwirken und keinem Zuschauer auffallen.

„Welche Szene magst du denn üben?“, fragt er.

„Die, wo Wendy die Geschichte erzählt“, sagt Djamila. „Wenn Hook sie gefangen hat.“ Sie beugt sich zu Tim hinüber und blättert weiter bis dorthin, wo ein paar Stellen in ihrer Lieblingsfarbe Pink markiert sind.

„Dann hört zu. Da war einmal ein Gentleman.“

„Kenn ich!“, liest Tim brav die Antwort aus dem Textbuch.

Djamila will soeben mit ihrem Text fortfahren, da öffnet sich die Tür und die Zwillinge Ulli und Olli kommen herein. Sie sind dick eingemummt. Trotzdem leuchten ihre Gesichter rot vor Kälte. In dem warmen Gartenhäuschen beschlagen ihre Brillengläser sofort. Ulli nimmt die Brille ab und versucht erfolglos, sie zu putzen.


Olli ist schlauer. Er lässt sein blaues Sehgestell einfach auf der Nase und schielt darüber hinweg.

„Hey, ihr zwei“, grüßt er. Dann erst entdeckt er Oma Berta. „Oma Berta?“

„Haltet eure Dinger über den Ofen“, sagt die nur und die Zwillinge folgen ihrem Rat.

Tim meint: „Was hat denn so lang gedauert?“

Djamila zieht ihm den Text aus der Hand und verstaut ihn in der Schultasche.

„Mathe“, schnaubt Ulli und Tim stimmt in ihr Seufzen ein.

„Ich versteh immer noch nicht, warum du nicht einfach von Olli abschreibst“, meint er.

„Ehrensache“, sagt Ulli. Sie setzt die Brille auf und streicht ihren Pony zurück. Dann wechselt sie das Thema. „Was gibt’s Neues, Djami? Hat der Theatergeist wieder zugeschlagen?“

Ihre Freundin verdreht die Augen. „Wahrscheinlich. Freddie hat seinen Text nicht mehr gefunden.“

Freddie, das wissen die anderen Superaugen, spielt bei diesem Theaterprojekt den Peter Pan. Sie verstehen nicht, was sich der Regisseur dabei gedacht hat, denn Freddie ist ein Dummbeutel. Ständig meckert er jeden an, besonders die Superaugen haben unter ihm zu leiden. Es ist erst ein paar Wochen her, da hat er Ulli beschuldigt, in der Schule Schuhe gestohlen zu haben. Und jetzt spielt er zusammen mit Djamila in der Kindertheatergruppe – und noch dazu die Hauptrolle.

„Wahrscheinlich hat er ihn nur verlegt. Der ist doch mindestens so ein Chaot wie Ulli“, behauptet Olli und duckt sich unter einem Boxhieb seiner Schwester weg.

„Ich versteh immer noch nicht, wie du mit ihm zusammen auf der Bühne stehen kannst“, sagt Tim kopfschüttelnd.

Djamila zuckt die Schultern. „Ich hab ja nicht wirklich etwas mit ihm zu tun. Er probt immer mit Mira zusammen und ich mit Dejan. Und wenn ich nicht die Wendy spiele, bin ich ja seine Gegnerin.“ Sie macht einen Ausfallschritt und wedelt mit einem unsichtbaren Degen in der Luft herum.

Die anderen stellen sich vor, wie Djamila im Piratenkostüm gegen Freddie kämpft, und freuen sich schon. Sicher gibt sie eine phänomenale Piratin ab mit ihren langen schwarzen Locken.

„Du kannst ihn ja einmal piksen. Ganz aus Versehen natürlich“, schlägt Ulli vor.

Djamila zwinkert ihr zu. „Werde ich machen“, sagt sie.

Aber Tim weiß schon, dass das nicht passieren wird. Sie streitet nie mit jemandem. Und sie pikst auch niemanden. Nicht absichtlich und nicht unabsichtlich.

Wieder öffnet sich die Tür. Diesmal kommt mit einem Schwall eiskalter Luft Minimax herein. Im Schlepptau hat er seinen kleinen Bruder Benjamin, der sofort Oma Berta auf den Schoß krabbelt.

„Kalt“, jammert er und sie macht sich daran, seine Arme und Beine warm zu rubbeln.

„Freddie findet seinen Text nicht?“, sagt Minimax zur Begrüßung und beweist damit, dass er immer den Durchblick hat – obwohl er als Einziger von ihnen keine Brille trägt. In der Schule sagen die Mitschüler Minimax zu ihm, weil er der Kleinste in der Klasse ist. Nur die Superaugen nennen ihn bei seinem vollen Namen. Sie wissen, wie wichtig ihm das ist. Maximilian bedeutet „der Größte“ und für sie alle ist er der Größte. Ohne ihn würde der Schuhdieb noch immer sein Unwesen in der Schule treiben. Den Spitznamen hat ihm übrigens Freddie verpasst, genauso wie er für Ulli, Olli, Djamila und Tim den Namen „Superaugen“ eingeführt hat, weil sie alle eine Brille tragen. Dafür nennen sie ihn „Stoppelkopf“.

„Woher weißt du das schon wieder?“, will Ulli wissen.

„Hab ihn auf dem Spielplatz getroffen. Der ist vielleicht sauer. Hat eine Gardinenpredigt von Herrn Kümmerlich gekriegt, dass ihm die Ohren gewackelt haben. Und jetzt muss er zu ihm nach Hause, um eine Kopie zu kriegen.“

Karl Kümmerlich ist der Regisseur. Er hat schulterlange Haare, ständig einen Hut auf und einen roten Schal um den Hals – im Winter wie im Sommer – und wäre viel lieber an einem Theater in London, wo seine Ehefrau als Schauspielerin arbeitet. Stattdessen führt er Regie für das Laientheater der Stadt und hilft seinen beiden Söhnen Pascal und Marcel bei den Hausaufgaben.

„Und ihr meint, dass das auch dem Theatergeist zu verdanken ist?“, hakt Maximilian nach und nimmt sich ein Stück getrockneten Apfel.

Djamila zuckt die Schultern. „Wem sonst?“

Seit ein paar Wochen treibt ein Geist sein Unwesen. Einmal hat er die Speicherkarte mit den Pressefotos gelöscht. Für das neuerliche Fotoshooting hat die Theatergruppe einen ganzen Probentag verloren. Dann verschwand der Schlüssel für den Probenraum oder eben Freddies Theatertext. Kleine Zwischenfälle nur, aber dem Regisseur rauben sie den letzten Nerv.

Djamila seufzt laut hörbar und erzählt weiter: „Grad gestern hat er gesagt: In diesem Projekt ist der Wurm drin. Am liebsten würde ich alles hinschmeißen. Wir sind alle erschrocken, aber dann hat er nur dem Freddie die Haare verstrubbelt und gemeint: Aber wir kriegen das schon hin. Alle zusammen. Nicht wahr, Peter Pan?

Karl Kümmerlich spricht seine Theaterkinder immer mit dem Namen ihrer Rollen an.

„Ich kann verstehen, dass er sich ärgert“, sagt Ulli.

Tim ist derselben Meinung. Er würde es jammerschade finden, wenn das Stück nicht aufgeführt würde. Djamila freut sich doch so darauf. Ob sie als Wendy durch die Luft fliegt? Sie macht ein großes Geheimnis aus der Aufführung und verrät überhaupt nichts.

„Na ja. Jetzt muss ich gehen.“ Djamila steht auf.

„Schon?“

„Ja. Wir proben die Anfangsszene. Also nur die Darlings und die Peter Pans“, sagt sie. „Hoffentlich kann Dejan den Text. Bei der letzten Probe war das richtig mühsam.“

Die vier übrigen Superaugen halten die gedrückten Daumen hoch und Djamila verlässt Oma Bertas Gartenhäuschen Richtung Gemeinschaftszentrum, wo auch der Theatersaal untergebracht ist.

Olli legt ein Holzscheit ins Feuer. „Ich freu mich auf die Aufführung.“

„Ich auch“, stimmt Ulli zu.

„Ich hoffe nur, dass der Theatergeist am Ende nicht doch siegt.“ Tim seufzt. Jeder kennt das Temperament von Karl Kümmerlich. Wenn noch irgendetwas schiefgeht, macht er womöglich mit seiner Drohung ernst und sagt alles ab.

Dabei würde Tim zu gern Djamila auf der Bühne erleben.

„Das wäre doch eigentlich ein Fall für die Superaugen“, schlägt Minimax vorsichtig vor.

Ulli schüttelt den Kopf. „Wir sind doch nicht Stoppelkopfs Sklaven, die ihm seinen Text suchen.“

Es ist kein Geheimnis, dass sie und Freddie Todfeinde sind, seit er sie beschuldigt hat, der Schuhdieb zu sein. Das lässt sie ihm nicht einfach so durchgehen! Sie steht auf. „Ich muss noch Mathe machen.“

Olli schiebt seinen Stuhl ebenfalls zurück. „Und ich muss zusehen, dass sie Mathe richtig macht“, sagt er und zwinkert Tim und Minimax zu. „Und dass sie unterwegs nicht ihren Kopf verliert.“ Wieder weicht er einem Boxhieb seiner Schwester aus. „Stimmt doch, Schwesterlein. Wir alle wissen, dass du allergisch gegen Ordnung bist.“

„Nur der Idiot hält Ordnung“, gibt sie zurück. „Das Genie …“

„… beherrscht das Chaos“, vollenden Tim und Minimax den Satz für sie.

„Genau“, sagt Ulli, packt ihren Bruder an der Hand und zieht ihn nach draußen.

Das Holz knackt im Bollerofen, Benjamins regelmäßige Atemzüge verraten, dass er eingenickt ist. Oma Berta hat ebenfalls die Augen geschlossen und summt leise vor sich hin.

„Ich denke doch, dass das ein Fall für die Superaugen wäre“, meint Minimax nachdenklich.

Tim stimmt ihm zu. „Bevor noch mehr passiert …“

Die Superaugen ... und der Theatergeist

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