Читать книгу Die Superaugen ... und der Theatergeist - Heidi Troi - Страница 6

Kapitel 2

Оглавление

Es ist Abend. Tim liegt in seinem Bett, seine Mama Yasmina ist mit gerunzelter Stirn in ihre Deutschübungen vertieft, auf der Nase ihre Brille aus dem Supermarkt. Er sieht ihr zu, wie sie Wörter in das Buch kritzelt, sie wieder löscht und neu schreibt. Sie lernt Deutsch und es ist nicht einfach für sie. Yasmina kommt aus Namibia. Tims Vater hat dort seinen Urlaub verbracht, sich unsterblich in sie verliebt und sie aus der Savanne in seine Heimatstadt gebracht. Aber ihre Haut ist auch nach vielen Monaten in seiner Heimat nicht heller geworden und da war Tims Vater wohl ein bisschen enttäuscht. Er und Yasmina haben ständig gestritten und eines Nachts hat sie ihren Sohn aufgeweckt und gesagt: „Timmi, wir müssen rasch weg.“

„Wieso weg?“, hat Tim gefragt.

„Wir dürfen umziehen! In ein Schloss.“

„Ein Schloss?“ Tim hat große Augen gemacht und Yasmina hat ihn angestrahlt.

„In ein richtiges Schloss. Mit Zinnen und mit kleinen Türmchen und mit Erkern. Aber wir müssen ganz schnell gehen.“

Tim hat sich anziehen wollen, doch seine Mama hat den Kopf geschüttelt. „Du brauchst nur deine Jacke.“

„Aber meine Kleider“, hat Tim gesagt.

„In dem Schloss kriegst du alle Kleider neu. Prinzenkleider!“ Beschwörend hat sie ihn angeschaut und da ist Tim aus dem Bett gehüpft und hat ihre Hand genommen. Zusammen sind sie in ein Auto gestiegen, das vor dem Haus gewartet hat.

„Und Papa?“, hat Tim gefragt.

Yasmina hat den Kopf geschüttelt. „Das ist ein Haus, wo nur Frauen und Kinder wohnen. Da will Papa nicht hin.“

Das Auto hat sie in das weiße Haus auf dem Hügel gebracht, das wirklich wie ein Schloss ausschaut. Hier leben sie seit ein paar Monaten und Tim gefällt es sehr. Ihm gefällt, dass ihn morgens die Schafe mit ihren leisen Glöckchen und ihrem Blöken wecken. Er liebt das Baumhaus im Kastanienhain und dass er die Stadt vom Erkerfenster ihres Zimmers aus von oben sehen kann.

Yasmina erzählt ihm abends immer Geschichten von einer Prinzessin, die mit ihrem Sohn Timothy in einem Schloss lebt. Der Sohn ist zwar noch ein Kind, aber trotzdem ein furchtloser Ritter. Täglich klopfen erwachsene Kavaliere ans Tor und rufen: „Yasmina, willst du meine Frau werden?“

„Will Yasmina?“, fragt sie dann immer.

Und Tim sagt: „Nein!“

Keiner ist gut genug für seine Mutter. Und die Ritter ziehen wieder davon.

Der Stundenzeiger nähert sich schon langsam der Neun und Yasmina sitzt immer noch mit gefurchter Stirn über den Deutschübungen. „Soll ich dir helfen, Mama?“, fragt Tim. Er steigt aus dem Bett und stellt sich neben sie. „Ich frage dich die neuen Wörter ab, ja?“

Dankbar schiebt ihm Yasmina das Buch zu. Tim überfliegt die Seite. Es geht um Bewerbungsgespräche. Das ist ein wichtiges Thema für seine Mama, denn sie wünscht sich nichts mehr als einen Job. Und einen Job bekommt nur, wer Deutsch kann.


In dem Deutschbuch sind in einer langen Spalte Sätze aufgelistet, daneben steht die Übersetzung ins Englische. Diese Sprache beherrscht Yasmina zum Glück, denn kein Verlag der Welt würde einen Deutschkurs in ihrer Muttersprache drucken. Khoekhoe heißt Yasminas Muttersprache. Die verwendet sie aber nur, wenn sie mit ihrer Mama, Tims Oma, telefoniert. Das klingt richtig lustig, weil sie dabei lauter Klick- und Schnalzlaute macht. Leider hat sie Tim nie erklärt, wie man Khoekhoe spricht. Papa mochte das nicht.

„Lern endlich Deutsch“, hat er immer geknurrt. Aber er selbst hat mit Yasmina auch nur Englisch gesprochen. Jetzt ist Papa weg und Tims Mama lernt jeden Tag in dem Deutschbuch, das ihr die Leiterin des Hauses geliehen hat.

„Ich möchte mich für die Stelle bewerben“, liest Tim auf Englisch vor und sie sagt den Satz auf Deutsch. So fahren sie fort, bis die Liste fertig ist.

„Und wie war dein Tag?“, fragt Yasmina etwas später.

„Ich habe mit Djami den Text geübt“, sagt Tim und erzählt gleich weiter, dass Djamila die Hauptrolle spielt. „Peter Pan“ kennt seine Mama auch und sie findet es genial, dass es in der Stadt eine Kindertheatergruppe gibt.

„Wollen wir die Aufführung zusammen sehen?“, fragt sie.

Tim nickt glücklich.

„Vielleicht wäre das auch was für dich“, meint Yasmina.

Tim schüttelt schnell den Kopf. Nie und nimmer würde er sich das getrauen. „Ich schau lieber zu“, sagt er. Wenn Djamila als Wendy auf der Bühne steht, fügt er in Gedanken hinzu. Dann kuschelt er sich an seine Mama und bettelt: „Geschichte.“ Und sie legt los.

Die Superaugen ... und der Theatergeist

Подняться наверх