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Vorwort

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Das Grüne Band entlang der einstigen innerdeutschen Grenze bietet auf 1.393 Kilometern eine große Vielzahl von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Es ist der einzige existierende länderübergreifende Lebensraumverbund in Deutschland und ein lebendiges Denkmal an die überwundene deutsche Teilung, ein Mahnmal an die Opfer dieser grausamen Grenze. Es verbindet Ost und West und lädt zur Begegnung ein: Zum Erfahren und Begreifen unserer gemeinsamen Geschichte und unseres gemeinsamen Naturerbes.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) engagiert sich seit 1989 federführend für den Schutz des innerdeutschen Grünen Bandes: Bereits eineinhalb Jahrzehnte vor der Grenzöffnung hatten junge Ehrenamtliche des BUND im bayerisch-südthüringischen Raum mit der Datensammlung über die Arten im Grenzstreifen begonnen. Auch den Naturschützern auf der Ostseite war der Naturreichtum des Grenzbereichs schon früh bewusst. Doch sie konnten, anders als ihre westdeutschen Kolleg*innen, nicht direkt bis an die Grenzanlagen.

Aber die Natur hat schon damals über Grenzen hinweg verbunden: Über Briefwechsel wurde ausgetauscht, welche Vögel man beobachtet hatte und welche Flugbewegungen es gab. Als dann 1989 die Grenze fiel, ergriff der BUND sofort die Gelegenheit und lud Natur- und Umweltschützer aus Ost und West zum ersten gesamtdeutschen Naturschutztreffen ins oberfränkische Hof ein – am 9. Dezember 1989, wenige Wochen nach der Wende. Gekommen sind statt der erwarteten 20 Naturschützer fast 400 aus der ganzen DDR! Außer Frage stand schon damals, dass der Grenzstreifen naturnah bleiben und zum ökologischen Rückgrat Mitteleuropas werden müsse. So verabschiedete die Versammlung die erste Resolution zum Grünen Band Deutschland und hob das erste gesamtdeutsche Naturschutzprojekt aus der Taufe. Festgehalten wurde hier die Schutzidee, der vom heutigen BUND-Artenschutzreferenten Kai Frobel geprägte Name „Grünes Band“ und dass die naturschutzfachlichen Forderungen „keine nachträgliche Rechtfertigung der Grenze“ sind.

Seit dieser Zeit nimmt sich der BUND des Grünen Bands federführend an, in Zusammenarbeit mit vielen Partnern: Bundes- und Länderbehörden, Kommunen, Kreisen, Verbänden und Stiftungen, Landwirten sowie zahlreichen Aktiven vor Ort. Doch gerade in der Nachwendezeit war das Grüne Band alles andere als ein Selbstläufer! Innerhalb von kurzer Zeit verschwanden auf fast 2.000 Hektar Biotope und Grenzrelikte im Grünen Band und wurden zu Acker umgewandelt. Hinzu kam, dass ab Mitte der 1990er Jahre die Flächen, die im Eigentum der Bundesrepublik lagen, immerhin fast die Hälfte des Grünen Bandes, auf dem freien Grundstücksmarkt verkauft werden konnten. Der BUND forderte damals, diese mit Zweckbestimmung Naturschutz als Teil des Nationalen Naturerbes an die Bundesländer zu übertragen. Es bedurfte 12 Jahre an Hartnäckigkeit, Geduld und Kreativität, bis dies tatsächlich geschah und wurde zu einem Meilenstein für die Sicherung des Grünen Bandes. Im Herbst 2018 konnte ein weiterer großer Erfolg gefeiert werden. Als erstes Bundesland schützte Thüringen seinen gesamten Anteil am Grünen Band (über die Hälfte der Länge des Grünen Bandes Deutschland) zusammenhängend als „Nationales Naturmonument“!

Trotz aller Erfolge bleibt aber noch viel zu tun. Der BUND setzt sich dafür ein, die Lücken im Grünen Band zu schließen und ökologische Quervernetzungen zu entwickeln. Seit fast 20 Jahren kaufen wir – unterstützt durch viele Spender*innen– Flächen (bisher über 1.000 Hektar) an und setzen dort umfangreiche Naturschutzmaßnahmen um. Dies trägt auch dazu bei, das historische Erbe für die kommenden Generationen zu sichern. Nur dort, wo das Grüne Band als Spur in der Landschaft erfahrbar ist, wird die Erinnerung an eines der prägendsten Kapitel der deutschen Geschichte erhalten.

Das Grüne Band lässt uns jedoch auch weit über den nationalen Tellerrand hinausblicken. Denn auch in anderen Regionen Europas richtete sich die Aufmerksamkeit schon früh auf die Schätze der Grenznatur entlang des Eisernen Vorhangs. Aus einzelnen Aktivitäten der anliegenden 24 Staaten wurde 2003 eine gemeinsame europäische Initiative zum Grünen Band geformt. Heute schlängelt sich das Grüne Band Europa von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer und zur Adria. Es steht für grenzübergreifenden Erhalt des gemeinsamen historischen Erbes und ist zu einem einzigartigen Symbol für zukunftsweisenden und internationalen Naturschutz geworden.

Wir freuen uns daher außerordentlich, dass die Lebenslinie Grünes Band für viele Menschen in ganz Europa zur Herzensangelegenheit geworden ist. Viele wandernde Botschafter*innen für die Grüne Band-Idee verbinden auf einmalige Weise Natur und Geschichte und treten mit den Menschen vor Ort am Grünen Band in den Dialog. Auch Dr. Heinrich Pingel macht in diesem Buch die besondere Bedeutung des Grünen Bandes als Begegnungsraum von Menschen mit Menschen und mit der Natur deutlich. Ganz nach dem Motto „Grenzen trennen – Natur verbindet“.

Dr. Liana Geidezis

Leiterin BUND-Fachbereich Grünes Band

Nürnberg, im Juni 2019

Grenzgänger

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