Читать книгу Carringo - Ein Mann rechnet ab: Western Roman - Heinz Squarra - Страница 8

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Irgendwann bewegte sich Larry Hall. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schob er sich herum und blickte auf die beiden schlafenden Männer. Chacos Poncho war etwas nach oben gerutscht. Hall konnte ein leichtes Schimmern an der Stelle sehen, an der Chaco seinen Colt tragen musste.

Die Schmerzen bohrten sich wie Tausende langer Nadeln durch seinen gemarterten Körper, als er sich anschickte, den Oberkörper aufzurichten. Doch er presste die Lippen fest aufeinander und widerstand dem Verlangen, einen Schrei auszustoßen.

Lautlos setzte sich der Gefangene auf. Nebelwände schoben sich scheinbar vor seinen Blick. Doch schon nach wenigen Sekunden spürte er Besserung. Deutlicher erkannte er das Schimmern des Mondlichts auf Chacos Revolver. Und er sah undeutlich die Pferde bei den nahen Büschen. Eines der Tiere hatte den Kopf gedreht.

Leise klirrten die Stahlschellen an Halls Handgelenken. Er versuchte, die linke Hand durch die Schelle zu schieben, hatte aber keinen Erfolg damit. Es konnte auch gar nicht gehen. Er selbst kannte solche Fesseln gut genug, um zu wissen, wie wirksam sie ihre Opfer fesselten. Aber die Hoffnung, es könnte ausgerechnet bei ihm anders sein, ließ es ihn nochmals versuchen.

Nein, sinnlos. Larry Hall zog die Beine an. Die Handschellen würde er anderswo noch loswerden. Er fand schon einen Schmied, der sie ihm zerschlug. Und beim Reiten würden sie ihn auch nicht so sehr behindern, dass er deswegen Zeit verlor. Viel eher wegen der schmerzenden Schulter, aus der wieder Blut sickerte, das ihm warm über die Haut lief.

Er hatte die Beine angezogen, nahm die Hände nach rechts und stützte sie auf. Höllisch brannte die Wunde.

Hall hielt inne und kämpfte um Atem.

Eines der Pferde schnaubte.

Larry Hall lief es heiß über den Rücken. Er schaute auf die beiden schlafenden Männer, sah aber, dass keiner von ihnen erwachte.

Sein Erschrecken klang ab. Die Schauer verschwanden. Fester stützte er die Hände auf und erhob sich mit zusammengebissenen Zähnen und dem Versuch, den Schmerz nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Übelkeit überkam ihn erneut. Doch er schaffte es, auf den Füßen zu bleiben, bis ihm wieder besser war.

Den Revolver des Halbbluts brauchte er, um sich verteidigen zu können, falls sie doch noch erwachten. Aber auch für später. Wenn er einen Schmied fand, gefesselt war, verletzt und ohne Geld, dann würde der ihm nur unter einer Drohung weiterhelfen. Dazu war eine Faustfeuerwaffe unentbehrlich.

Hall wagte den ersten, noch unsicheren Schritt. Es ging ganz gut. Er schob den anderen Fuß vor. dann wieder den ersten, und so tastete er sich regelrecht um die Feuerstelle herum, die nur noch Asche bedeckte. Dann stand er bei Chaco, der auf der Seite ruhte. Sein Hut lag auf dem Ohr und auf den langen, dunklen Haaren.

Hall bückte sich. Blut stieg ihm in den Kopf und rauschte in seinen Ohren. Neue Schwindelgefühle ließen ihn milchige Schwaden sehen, die es an diesem Ort zu dieser Stunde nicht geben konnte. Er richtete sich rasch wieder auf und entrann damit der Gefahr, auf Chaco zu stürzen und das Fluchtunternehmen durch die eigene Schwäche zu beenden.

Hall schaute zu den Pferden. In Chacos Scabbard steckte das Gewehr. Aber einen Schmied, der an den Handgelenken arbeiten sollte, damit bedrohen zu wollen, war ein Irrsinn. Er musste einen Revolver haben. Jede andere Waffe schied aus.

Sein Blick wanderte zu Carringo weiter. Der große, schlanke und sehnige Mann lag auf der Seite, den Kopf auf den Sattel gebettet und den Colt halb unter sich. Nur ein Teil des Griffs war zu erkennen.

Nein, aussichtsvoller erschien es ihm bei Chaco. Er musste es einfach schaffen.

Hall atmete tief durch, sammelte seine verbliebenen Kräfte und ging in die Hocke. So schaffte er es leichter, Klarheit im Kopf zu behalten. Auch seine Schulterwunde schmerzte bei der Bewegung nicht stärker als sonst. Die aneinandergefesselten Hände streckten sich aus. Ganz leise klirrten die Handschellen. Die Fingerspitzen berührten den Griff, schoben sich auf ihm weiter und packten zu.

Ihm schlug das Herz fast zum Zerspringen. Er hatte den Colt. Er gehörte bereits ihm. Nur aus dem Halfter musste die Waffe noch heraus. Er zog an der Waffe. Sie glitt unendlich langsam aus dem schwarzen Halfter.

Chaco schlief und merkte nichts.

Hall hielt den Colt in der Hand und richtete sich auf. Sein Blick glitt zwischen den beiden Schläfern hin und her. Der Versuch, zu fliehen, genügte ihm plötzlich nicht mehr. Sie würden ihn verfolgen. Und weil sie nicht verletzt waren wie er, konnten sie ihn auch leicht einholen, bevor er Mexiko erreichte. Hall wusste, dass Carringo deswegen keine Hemmungen haben würde. Der jagte seine Gegner auch dort, wo sie gerade waren, und sei es am Nordpol.

Er musste sie töten. Jetzt, hier an dieser Stelle. Nur dann konnte er wirklich sicher sein.

Die linke Hand schob sich vor, legte sich auf den Hammer und zog ihn zurück. Ein leises Knacken verband sich mit dem Spannen der Waffe, als die Feder einrastete. Es war lauter als die Geräusche vorher, kurz und scharf. Hall erschrak selbst darüber, weil es ihm so deutlich niemals vorher aufgefallen war. Er zuckte zusammen.

Carringo bewegte sich, rollte auf den Rücken und hatte die Augen offen. Auch Chaco lag nicht mehr still. Der Hut rutschte langsam zur Seite.

So zuckte Hall herum, um zuerst den gefährlicheren der beiden Gegner zu erledigen, weil der bereits reagierte. Die Waffe richtete sich auf Carringo, Hall drückte ab.

Zu spät. Geistesgegenwärtig hatte sich Carringo zur Seite geschnellt.

Ein Feuerstrahl fuhr aus Halls Revolver. Die Kugel schlug vor dem Sattel ins Erdreich und schleuderte Sand in die Höhe. Halls Waffe schwang weiter herum, um Carringo wieder vor den Lauf zu kriegen.

Doch der war bereits mit einem federnden Sprung auf den Beinen. Seine Handkante traf das Handgelenk des Schurken und beförderte die Waffe aus dessen gefesselten Händen. Der Schurke schrie auf, taumelte zurück und stürzte zu Boden.

Chaco saß auf dem Boden und folgte noch benommen der Szene. Carringo schob ihm mit dem Fuß die noch rauchende Waffe zu, die dem Kerl entfallen war.

Hall stöhnte, wälzte sich auf die Seite und fiel auf den Rücken zurück.

„Zur Hölle, der ist gefährlich wie eine Klapperschlange“, sagte Chaco. Er hob den Colt auf und schob ihn in die Halfter, über die er den Poncho schlug.

„Von jetzt an wacht einer von uns“, sagte Carringo.

„Oder wir verschnüren ihn zu einem Paket“, schlug Chaco vor.

„Das ist unmenschlich!“, stieß Hall hervor. „Das dürft ihr nicht! Der Captain wird euch was erzählen, wenn wir in Austin sind.“

„Der Captain kann uns mal“, entgegnete Carringo. „Aber keine Angst, wir fesseln dich nicht härter als nötig.“

Chaco stülpte seinen Hut auf den Kopf und erhob sich. „Beinahe hätte der uns mit Handschellen an den Gelenken noch umgelegt.“ Er schüttelte den Kopf. „Nicht zu fassen.“

Carringo und Chaco setzten sich auf ihre Sättel. An Schlaf war vorerst nicht mehr zu denken. Carringo stand schließlich auf und ging zu den Pferden. Er sah die zusammengeknoteten Zügel nach, obwohl er sich schon denken konnte, dass es da gar nichts nachzusehen gab. Er wollte sich einfach nur beschäftigen und an etwas anderes denken als an die Sekunden, in denen er zwischen Himmel und Hölle geschwebt hatte. Nur die schnelle Reaktion, die Abwehrbereitschaft, die in ihm nie ruhte, hatte sein Leben gerettet. Bruchteile von Sekunden hatten entschieden.

Er kehrte zurück. Chaco hatte sich eine Zigarre angezündet. An der hastigen Art seines Rauchens war zu erkennen, dass auch ihn starke Erregung gefangen hielt.

„Wollen wir aufbrechen?“, fragte Chaco, ohne den Kopf zu heben.

Carringo setzte sich wieder. „Nein, es ist ja höchstens Mitternacht. Die Pferde brauchen Ruhe und wir auch.“

„Dann versuch jetzt zu schlafen.“ Chaco klemmte die Zigarre zwischen die Lippen und rollte sie hin und her. Wenn er zog, leuchtete die Glut auf und legte einen rötlichen Schimmer auf sein zernarbtes Gesicht.

Carringo legte sich nieder und schloss die Augen. Doch die Ereignisse ließen ihn noch keine Ruhe finden. Krampfhaft versuchte er, an nichts mehr zu denken und alles von sich zu schieben. Und in der Tat verwirrten sich seine Sinne nach einiger Zeit.

Chaco saß auf seinem Sattel und beobachtete Hall.

Der verräterische Texas Ranger blieb so liegen, dass sein Gesicht dem Halbblut zugewandt war. „Du hast Stafford ganz schön aufs Kreuz gelegt, verdammt. Lässt dich von ihm anheuern und willst tatsächlich nur hinter seine Geschäfte steigen.“

Chaco lächelte hart, ohne die Zigarre aus dem Munde zu nehmen. „Solche Ratten besiegt man mit ihren Mitteln oder gar nicht.“

Hall schloss die Augen. Er wusste in diesen Minuten, dass sein Spiel zu Ende war. Noch eine Chance würden ihm diese eisenharten Männer nicht geben. Sein Schicksal schien besiegelt.

Elmer und Starky, die beiden übriggebliebenen Killer aus Jeff Landers Bande befanden sich südwärts unterwegs auf der Straße von Red Springs. Sie wollten das Versteck aufsuchen, in dem ihr Anführer sicher schon auf sie wartete.

Carringo, Chaco und der Gefangene sahen zuerst nur die Staubwolke in der Ferne, als sie aus einem Kakteenfeld reitend die Wagenstraße erreichten. Sie zügelten sofort die Pferde. Chaco griff zu Hall hinüber und fiel dem in den Zügel.

„Immer schön langsam, Freundchen. Erst mal sehen, wer das sein könnte.“

Zwei Punkte ließen sich bald im grellen Sonnenlicht unter dem aufquirlenden Staub erkennen. Sie schoben sich näher heran und wurden zu Reitern. Als deren Gesichter deutlicher wurden und sie sich nur noch einige hundert Yards entfernt befanden, stieß Chaco einen leisen Pfiff aus.

„Kennst du die?“, fragte Carringo.

„Jedenfalls den einen. Der gehört zu Jeff Landers‘ Bande. In Ham Goals Station hätte ich den um ein Haar erwischt.“

„Dann sind es vermutlich beide Landers‘ Leute.“ Carringo glitt aus dem Sattel, hielt Halls Pferd mit fest und drängte die Tiere zurück.

Auch Chaco war abgestiegen und zerrte den Gefangenen von seinem Pferd. Doch eins der Tiere wieherte plötzlich und warnte damit die beiden Reiter, die sich ahnungslos dem Kakteenfeld näherten.

Sie rissen sofort ihre Tiere herum und sprengten auf eine Buschgruppe zu. Dabei schossen sie aus den Gewehren, ohne zu wissen, wer sich in den Kakteen verbarg.

Die Kugeln pfiffen durch das Feld und fuhren klatschend in die Stauden, aus denen sofort dicker Saft quoll.

Chaco zwang den Gefangenen, sich auf den Boden zu legen. Er blieb hinter ihm, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Die beiden Banditen hatten die schützenden Büsche erreicht, befanden sich links der Straße, also auf der anderen Seite, und feuerten weiter herüber. Über dem Scrubb-Buschwerk verdichtete sich der Pulverdampf zu einer Wolke.

Carringo stand im Schutz einer Saguarokaktee und schoss hinüber. Die Kugel fetzte Zweige von den dichten Büschen und warf sie in das Gestrüpp.

Vor ihm strich eine Kugel singend vorbei. Carringo sprang zurück, repetierte die Waffe und schaute sich um.

Chaco kniete indessen neben dem liegenden Gefangenen und schoss.

„Sinnlos“, sagte Carringo. „Wir verschwenden nur unsere Munition.“

Die Banditen feuerten immer noch. Die schnaubenden Pferde drängten tiefer in das Kakteenfeld.

Carringo und Chaco bemühten sich, im Dickicht etwas zu erkennen. Das blieb jedoch erfolglos.

Larry Hall, der sich im Moment unbeobachtet wähnte, sah eine neue Chance für sich. Zwar konnte er jetzt keine Waffe an sich bringen. Aber wenigstens ein Pferd hoffte er zu schnappen und damit das Weite zu suchen. Er dachte dabei an Fox, den er für das schnellste und ausdauerndste der Tiere hielt.

Nur den Schmerz musste er unterdrücken und auf sich nehmen. Er durfte sich von ihm nicht behindern lassen. Mit verzerrtem Gesicht sprang er auf.

Doch Chaco hatte aufgepasst. Halls erster Fluchtversuch steckte ihm noch in den Knochen. Ohne Warnung schleuderte er Hall einfach sein Gewehr zwischen die Beine.

Der Gefangene prallte mit dem einen Bein gegen die Waffe, wurde gestoppt, verwechselte die Beine und stürzte. Larry Hall schrie auf, so sehr peinigten ihn die Schmerzen beim Aufprall.

„Es kann alles nur einmal klappen.“ Chaco richtete sich auf, trat auf Hall zu und hob sein Gewehr auf. Ohne sich weiter um den Mann zu kümmern, ging er zurück und jagte noch ein paar Kugeln zu dem Dickicht hinüber.

Carringo sagte: „Kannst du mit ihm und den Pferden allein hierbleiben?“

„Meinst du, es ist möglich, hinter sie zu gelangen?“

„Denke schon, Amigo. Das Kakteenfeld reicht weit genug nach Norden.“

Noch immer pfiffen Kugeln durch die Saguaros und schlugen hier und da in die großen Kandelaber.

„Ich passe schon auf. Bei mir ziehen seine Tricks nicht mehr, egal, was er sich einfallen lässt.“ Chaco grinste träge.

„Also dann.“ Carringo ging zu den Pferden und stopfte sich Patronen in die Hosentasche, die er aus der Satteltasche nahm. Er nickte dem Freund noch einmal zu, dann verschwand er im Dickicht, das grün und braun, mit langen Stacheln und verwelkten Blüten dahinvegetierte.

Larry Hall wälzte sich stöhnend auf den Rücken. Schmerz verzerrte sein Gesicht. Auf seiner linken Schulter wurde der Blutfleck größer.

„Der Verband ist durchgeblutet!“, jammerte er.

„Ich werde dich neu verbinden“, versprach Chaco und repetierte sein Gewehr. „Aber nicht jetzt.“

„Wann dann, zum Teufel?“

„Alles zu seiner Zeit. Jetzt beschäftigen mich die beiden Halunken, die zu deinen Geschäftspartnern gehören. Killer von der übelsten Sorte, wie ich seinerzeit miterleben durfte.“

Chaco legte an und feuerte. Er hatte keine Hoffnung, einen der Schurken zu treffen, aber er musste ihnen zeigen, dass hier noch jemand war. Er musste sie hinhalten, beschäftigen und von Carringo ablenken.

So jagte er von Zeit zu Zeit einen Schuss zu den Büschen hinüber, beobachtete Hall aus den Augenwinkeln und lauschte auf alles um sich herum.

Carringo - Ein Mann rechnet ab: Western Roman

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