Читать книгу Carringo und die verbotene Stadt: Western - Heinz Squarra - Страница 9

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Gnadenlose Hitze beherrschte das Land vor den Mohave Mountains. Ein intensives Flimmern lag in der Luft und verzehrte die Berge vor unserem Blick.

Wir hatten die Pferde gezügelt. Chaco saß ab und untersuchte den Boden am ausgetrockneten Creek nach den Fußspuren der Sektierer, denen wir folgten. In dem unübersichtlichen Gebiet hatten wir die zerlumpten Gestalten aus den Augen verloren.

Chaco richtete sich auf und schaute nach Nordwesten. Sein Poncho hing völlig verstaubt am Körper. Ich sah sicher nicht besser aus. Auch unsere Pferde zeigten deutliche Spuren des entbehrungsreichen Rittes.

„Nichts.“ Chaco drehte sich um. „Hier sind sie nicht gewesen.“

,,Aber der Creek führt nachts sicher etwas Wasser“, erwiderte ich. „Wenn sie sich mal erfrischen oder etwas trinken wollten, müssen sie an ihm gewesen sein.“

Chaco saß wieder auf. Wir folgten dem gewundenen Graben durchs Dickicht und hielten auf beiden Seiten scharf Ausschau. Doch die Spuren der Gesuchten tauchten nicht auf.

Wir verließen die Rinne und ritten einen Hügel hinauf. Von seiner Kuppe aus konnten wir noch weit von den Bergen entfernt die Dächer von Häusern sehen.

„Riverside“, sagte Chaco.

Ich erkannte erst von hier aus, wie weit entfernt die Berge wirklich noch im Norden und Nordwesten lagen. Endlos erhoben sich dazwischen die Hügelketten. Auch Dorado, die aufgegebene Bergbausiedlung, musste noch vor den schroffen Felswänden liegen.

„Vielleicht treffen wir in dem Nest ein paar Holykumpane“, sagte Chaco. „Die treiben sich ja offenbar überall herum und versuchen, die Leute von ihrem Propheten zu überzeugen oder

wenigstens was zu erbetteln.“

Ich nickte und trieb Fox an. Nebeneinander ritten wir die Hügelflanke hinunter und auf die nun nicht mehr sichtbaren Häuser zu. Dichtes Buschwerk lag vor Riverside. Als es sich lichtete, lag das Nest unmittelbar vor uns.

Chaco stieß ein warnendes Zischen aus. Gleichzeitig zügelten wir die Pferde.

Vor dem letzten Haus auf dieser Seite standen drei abgerissene Gestalten, zwei Männer und ein junges Mädchen, die mit Eifer auf eine ältere Frau einredeten.

„Das sind welche“, murmelte ich. „Vielleicht sagen sie uns, wo Holy jetzt steckt.“

Das junge Mädchen zerrte die Frau vom Haus weg und die beiden Männer wollten sie schieben, offensichtlich, um sie aus der Stadt zu bringen. Die Frau wehrte sich jedoch unerwartet heftig, versetzte dem Mädchen eine Ohrfeige und dem einen Mann einen Kinnhaken, der ihn an die Hauswand schleuderte.

„Verschwindet, ihr Lumpenpack!“, schrie die Frau wütend. „Wir haben selbst nichts! Um uns hat sich euer lieber Gott im ganzen Leben noch nicht gekümmert!“ Sie verschwand im Haus. Hart wurde die Tür zugeschmettert.

Der eine Sektierer betastete sein getroffenes Kinn und schaute verwundert über die plötzliche Attacke auf die zugeworfene Tür.

Da öffnete sich das Fenster daneben. Eine doppelläufige Schrotflinte wurde über das Fensterbrett geschoben.

„Weg da, oder es knallt!“, rief die Frauenstimme.

Die drei Gläubigen beeilten sich, Reißaus zu nehmen und liefen mir und Chaco genau entgegen.

„Absitzen!“, sagte ich schnell und sprang vom Pferd.

Chaco tat das gleiche. Wir gingen hinter Scrubbüschen in Deckung, bevor die abgerissenen Gestalten uns sehen konnten. Ich befürchtete nämlich, dass sie die Richtung änderten, wenn sie uns entdeckten. Lieber bettelten sie bei Hausbewohnern, als dass sie sich an Männer wie Chaco und mich wandten.

Die drei stiegen den Hang hinauf, wurden aber langsamer, je weiter sie sich vom letzten Haus der kleinen Stadt entfernten. Wir hatten Zeit, sie zu betrachten. Das Mädchen konnte nicht viel älter als fünfzehn sein, sah mager aus, hatte nur einfache Sandalen an den nackten Füßen und ein verschlissenes Kattunkleid am Körper. Strähnig hing ihm das strohblonde Haar ins Gesicht.

Die Männer schätzte ich um vierzig. Auch sie waren unterernährte Typen mit stoppelbärtigen Gesichtern, Leinenhemden und alten, ausgebeulten Röhrenhosen, denen die Strapazen eines langen Marsches durch die Wildnis deutlich anzusehen waren.

Ich trat vor, als sie uns fast erreicht hatten.

Sie erschraken, zuckten zurück und schienen an Flucht und Bekehrungswillen gleichzeitig zu denken.

Dann kniete das Mädchen mit gefalteten Händen, blickte in den dunstverhangenen Himmel und sagte: „Wir danken dir für die Gnade, Herr, zwei Fremde über unseren Weg zu führen.“

Chaco wurde von den Männern misstrauisch betrachtet. Sie erkannten, dass er ein Halbblut war, halbwegs ein Wilder für sie, der kaum zu bekehren war.

Das Mädchen erhob sich. „Ihr habt schon gehört, dass der Weltuntergang bevorsteht?“

Der eine Mann reckte den Kopf vor.

Sie kannten uns jedenfalls nicht.

Ich schloss daraus, dass wir ihnen nicht gefolgt waren. Denn diejenigen, deren Spuren wir suchten, hatten uns am letzten Abend bemerkt und mit Absicht ihre Fußabdrücke verwischt.

Es handelte sich schon wieder um eine andere missionierende Gruppe. Bruder Holy schien irgendwo angehalten zu haben, um seine Leute nach allen Richtungen ausschwärmen zu lassen. Sicherlich war seine Hoffnung, auf diese Weise neue Gefolgsleute zu finden und weiteres Eigentum einsammeln zu können, nicht unbegründet, wenngleich diese abgerissenen Gestalten kaum über die Anziehungskraft verfügten wie Holy selbst.

„Warum sagt ihr nichts?“, fragte der eine Mann irritiert. „Meine Schwester sagt euch, der Weltuntergang stehe bevor. Nur wer vorher das Paradies erreicht, kann sich retten, mein Bruder!“

„Wer schickt euch?“, fragte ich, obwohl ich das wusste. Sie sollten mich für einen total Unwissenden halten.

„Hast du noch nichts vom Propheten Holy gehört, mein Bruder?“, fragte das Mädchen.

Chaco und ich schüttelten wie auf Kommando den Kopf und zeigten fragende Gesichter.

„Wer ist das?“, fragte Chaco.

„Er ist ein Auserwählter des Himmels!“ Die Augen des Mädchens wurden eigenartig glänzend.

„Mit ihm ziehen wir ins Paradies ein“, setzte der eine Mann hinzu. „Wir werden gerettet sein.“

„Wo ist denn der Prophet?“, fragte ich so arglos wie möglich.

Die drei wechselten Blicke untereinander.

„Wollt ihr uns folgen?“, fragte das Mädchen zurück. „Wollt ihr euer ganzes Eigentum dem Propheten übereignen?“

„Wir müssten schon wissen, wo er ist“, erwiderte Chaco.

„Wir führen euch“, sagte der eine Mann. „Unterwegs wollen wir noch mehr Menschen von ihrer Ungläubigkeit befreien. Ihr könnt dabei helfen!“

Der zweite Mann rückte auf mich zu und wollte mir den Zügel des Hengstes abnehmen,

„He, nicht so stürmisch!“ Ich schob ihn zurück.

„Eure Pferde werden verkauft“, erklärte der andere. „Gleich hier in der Stadt. Der Erlös gehört Bruder Holy. Er bewahrt alles für uns auf.“

„Wir sind eigentlich nicht daran gewöhnt, lange Strecken zu Fuß zu gehen.“ Ich konnte mich nicht so weit auf den Unsinn einlassen, dass mein Pferd verkauft wurde und ich dann selbst bettelnd durch das Land zog.

„Wir können die Pferde doch später noch veräußern“, sagte Chaco vermittelnd.

„Dann legt erst einmal alles ab, was ihr bei euch tragt“, verlangte das Mädchen.

„Erst wollen wir sehen, ob es den Propheten auch wirklich gibt, von dem ihr redet“, erklärte ich.

Das Mädchen trat zurück. „Das sind Spitzel der Ungläubigen!“

Die drei wirbelten herum und hasteten ins Dickicht, bevor wir uns auf ihren Sinneswandel einstellen konnten.

Chaco wollte sofort in den Sattel springen, aber ich hielt ihn zurück.

„Warte noch! Sie sehen es, wenn wir ihnen zu schnell folgen. Vielleicht gelingt es, ihren Spuren zu folgen.“

Das Rascheln im Gestrüpp verriet, dass sie nach Westen liefen. Wir warteten noch ein paar Minuten, dann folgten wir ihnen.

Zunächst ließ sich an den dünnen Staubschwaden der Fluchtweg der drei abgerissenen Gestalten leicht verfolgen. Richtige Spuren sahen wir jedoch gleich anfangs nur selten.

Westlich der letzten Häuser hatten die Sektierer die Richtung gewechselt und strebten nun nach Norden. Wir sahen sie auf einer Hügelflanke im Buschland sogar einmal auftauchen und zogen die Pferde schnell hinter ein paar Saguarokakteen.

Sie schauten auch zurück, um festzustellen, ob wir sie verfolgten. Dann verschwanden sie hinter der Hügelkuppe.

Ich schwang mich in den Sattel und ritt los. Chaco schloss zu mir auf. Wir hofften, nun endlich die Spur zu Bruder Holy entdeckt zu haben und sie halten zu können.

Bis zur Flanke des Hügels ritten wir, dann ging es zu Fuß weiter.

Das Buschgebiet zog sich über die ganze Kuppe weg und in die Mulde dahinter hinunter. Kurz unterhalb des Buckels ließen wir die Pferde stehen und schlichen geduckt weiter.

Aber wir sahen die seltsamen Gestalten nicht mehr. Es stand auch kein Staub zwischen den Büschen, der ihren Weg noch einmal verraten hätte.

„Aus“, sagte Chaco prompt. „Die haben gemerkt, dass wir sie verfolgen.“

Ich wollte nicht aufgeben und suchte den Boden ab, bis ich ein paar abgebrochene Zweige entdeckte, die verrieten, wohin sie sich gewandt hatten.

Wir holten die Pferde und folgten diesen mageren Hinweisen. Aber die Zeichen wurden spärlicher, je weiter wir in die Mulde vordrangen, bis sie gänzlich verschwanden.

„Sicher ist nur eins“, sagte ich enttäuscht. „Sie sind auf jeden Fall nach Norden gezogen.“

Unser Blick fiel wieder auf die sich auftürmenden Berge in der Ferne. Es schien, als hätten wir uns den Mohave Mountains in der letzten Stunde nicht weiter genähert.

„Und sie hatten weniger Glück als zum Beispiel ihr Anführer in Prescott.“

„Was meinst du?“ Ich schaute den Freund an.

„Dem sind doch neue Gläubige samt ihrer Habe in ganzen Scharen zugeströmt“

„Ach so.“

„Die hier hatten kein Glück. Beinahe hätten sie eine Ladung Rehposten kassiert. Das wäre aber auch alles gewesen.“

„Ihnen fehlt eben die Ausstrahlung Bruder Holys. Und seine Überzeugungskraft. Die kann im übrigen auch gar nicht jeder haben, weil sonst die ganze Menschheit nur aus Propheten bestehen würde:“ Ich blickte nach Norden.

„Wenn die wieder ein Haus sehen, werden sie hinziehen, missionieren und betteln.“

„Daran musste ich auch gerade denken“, erwiderte ich. „Ja, vielleicht finden wir die Spuren so wieder.“ Unsere Aufmerksamkeit konzentrierte sich nun auch auf andere Spuren, zum Beispiel auf ausgefahrene Radrinnen, die den Weg zu einem Anwesen markierten.

Aber im Augenblick bewegten wir uns durch eine unberührte, menschenfeindliche Wildnis, in der kein Rind genügend Gras finden und kein Mais gedeihen würde. Es war kaum damit zu rechnen, dass sich das rasch änderte.

Carringo und die verbotene Stadt: Western

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