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Eine föderale Europäische Union

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Ein Bündnis souveräner demokratischer Staaten würde sich auf die Aufgaben beschränken, die sich auf nationaler Ebene nicht besser organisieren lassen, wozu sicherlich nicht die Normierung von Obst und Gemüse gehört. Das würde z. B. eine gemeinsame Handels-, Sicherheits- und Außenpolitik sein.

Die EU könnte auch weiterhin Finanzausgleichszahlungen, zwischen reicheren und ärmeren EU- Ländern leisten. Diese müssten allerdings für die Bürger nachvollziehbarer und gerechter organisiert sein als heute. So dürften die Bürger aus Nehmerländern nicht mit geringeren Steuersätzen belastet werden als in den Geberländern. [12]

Das in vielen Nehmerländern heute weit verbreitete Interesse an einer Beibehaltung der Umverteilungspolitik, beruht auf dem Prinzip der persönlichen Vorteilsnahme und verhindert die Entwicklung einer echten Solidargemeinschaft, die auf einer gegenseitigen Hilfsbereitschaft aufbaut. Eine ausschließliche Orientierung auf den eigenen Vorteil wird die Hilfsbereitschaft zwischen den Mitgliedsstaaten zwangsläufig dauerhaft beschädigen und zeugt von einem schlechten Zustand der Demokratie, in der offensichtliche Solidaritätsdefizite nicht als Problem erkannt wird.

Heute muss festgestellt werden, dass die EU seit ihrem Bestehen wenig zur Weiterentwicklung der Demokratie in Europa beigetragen hat, was auch zu der schlechten Leistungsbilanz der EU auf vielen Gebieten, wie der Finanz- oder Sicherheitspolitik, führte. Diese Leistungsschwäche zeigt sich in der vorrangigen Wahrnehmung der Sonderinteressen internationaler Konzerne, durch Freihandelsverträge wie CETA, wogegen den Interessen der Mehrheit der Europäer nur eine untergeordnete Rolle eingeräumt wird. Das sich das englische Volk 2016 mehrheitlich entschied, die EU zu verlassen, lag nicht an zu viel vorhandenen direktdemokratischen Rechten in Europa, sondern an deren Abwesenheit.

»Die Europäische Union ist heute so undemokratisch, dass sie sich selbst wohl nicht als Mitgliedsstaat akzeptieren würde, denn sie erfüllt nicht die Mindeststandards einer Demokratie. […] Der demokratische Grundsatz der Gewaltenteilung wird in der EU systematisch ausgehebelt. Die Union leidet an ausgeprägter Exekutivlastigkeit, die ausführende Gewalt nimmt also eine bedeutendere Stellung ein, als ihr eigentlich zusteht. In der Praxis heißt das, dass essenzielle Aufgaben der europäischen Legislative – der gesetzgebenden Gewalt – von Vertretern der nationalen Regierungen (Exekutive) wahrgenommen werden. Der Europäische Rat, gebildet aus Regierungsvertretern, übt sowohl Funktionen der Legislative (durch den Ministerrat) als auch der Exekutive aus (er gibt die politischen Leitlinien für die Union vor). Gewaltenteilung stellt eines der wichtigsten Prinzipien für ein demokratisches Regierungssystem dar, wird hier jedoch einfach übergangen. […] Ein weiteres Problem entsteht durch die Personalunion der EU-Regierung und den nationalen Regierungen. Die Folge dieser Personalunion: Über den Umweg der EU können die Ratsmitglieder (Vertreter der nationalen Regierungen) die nationalen demokratischen Kontrollen umgehen. […] Geradezu vordemokratisch ist der Zustand, dass auf EU-Ebene nicht das von Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählte Parlament, sondern nur die EU-Kommission ein Initiativrecht in der Gesetzgebung hat. Damit erleidet die EU ein fundamentales Demokratie-Defizit, da eine vom Volk nicht unmittelbar durch eine Wahl legitimierte Institution – die EU-Kommission – Gesetzesinitiativen einleitet.« [13]

In einer föderal aufgestellten EU könnte mit der Abschaffung des Parlaments und der Kommission große Teile der Bürokratie abgebaut werden. Beide Einrichtungen sind nicht aus demokratischen Wahlen hervorgegangen. Die Mitglieder der Kommission werden von den Regierungen vorgeschlagen und vom Parlament lediglich bestätigt. Die Wahl der EU-Abgeordneten selbst erfolgt nach der völlig undemokratischen Praxis der ungleichen Gewichtung der Stimmen. Ein Abgeordneter aus Deutschland vertritt 854.167 Bürger und einer aus Luxemburg 83.333 Bürger. Danach hat ein Wähler in Luxemburg über seine Abgeordneten 10,25-mal so viel Einfluss wie ein Wähler in Deutschland. [14]

Die deutliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit der EU wäre erreicht, wenn es den Mitgliedsstaaten (mit Ausnahme des Eingangs erwähnten Solidaritätspaktes) freistehen würde, sich an einzelnen Aufgaben zu beteiligen. Die Einführung solcher themenspezifischer Allianzen hat der Präsident der EU Kommission Jean- Claude Junker Anfang 2017 angesprochen: »EU Länder, die in bestimmten Bereichen stärker kooperieren wollen, tun sich zusammen, während die, die das nicht möchten, außen vor bleiben.« [15] Allerdings sollte ein solches Verfahren »einer EU mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten« (Angela Merkel) nicht als vorübergehende Lösung, sondern dauerhaft eingeführt werden. Das würde eine Mitgliedschaft direktdemokratischer Staaten in der Union ermöglichen, die sich dann nicht an jedem Vorhaben und jeder Institution der EU beteiligen müssten, wenn das Volk dies so will. Natürlich wären Länder, die sich an bestimmten Aufgaben nicht beteiligen, von deren negativen als auch positiven Auswirkungen nicht betroffen, sodass eine freiwillige und wechselnde Zusammenarbeit bei der Lösung unterschiedlicher Aufgaben entstehen könnte. Diese Vorgehensweise, die heute als »Rosinenpickerei« abgetan wird, würde den Nutzen der EU für die Bürger deutlich stärken. Außerdem wären schnellere Entscheidungen möglich, wenn eine Einstimmigkeit für die einzelnen Beschlüsse nicht mehr erforderlich wäre.

Die EU hätte genügend Gründe sich neu zu erfinden, um die aufgestauten Probleme und Defizite angehen zu können, etwa den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, die im EU-Schnitt im Juni 2016 bei 18, 5 Prozent lag, wobei Spanien mit 45, 8 Prozent und Griechenland mit 47, 4 die höchsten Zahlen aufwiesen. [16]

Nichts könnte die EU mehr legitimieren, als deren erfolgreiche und auf die Interessen der Mitgliedsvölker ausgerichtete Arbeit, dann wären weitere Austritte von Mitgliedsstaaten nicht zu befürchten. Eine erfolgreiche und föderal aufgestellte Union wäre möglicherweise sogar in der Lage, Großbritannien, die Schweiz oder ein demokratisiertes Russland als Mitglieder neu zu gewinnen.

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