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Reanimation zu neuem Leben?

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Oberarzt von Risseck wunderte sich, dass sein Klopfen nicht gehört wurde, die Sekretärin hatte ja – das wusste er von ihrem Telefonat – schon Feierabend. Leicht beunruhigt machte er die Tür auf und erschrak sofort. Er sah einen nach vorn gesunkenen Muniel mit dem Gesicht auf der Tischplatte und schrie entsetzt auf: „Oh Gott, Doktor Muniel – was ist denn los?“

Er legte den Geschäftsführer mit Schnappatmung auf den Boden und begann automatisch mit einer Herzmassage, weil an der Halsschlagader kein Puls mehr zu spüren war – oder waren da noch ganz schwach langsame Pulsschläge? Über eine Fernsprechanlage wählte er die eingespeicherte Notrufnummer, hatte so die Hände für die Herzmassage frei und rief abgehackt: „Das Reanimationsteam sofort zum Geschäftsführer ins Büro – Reanimation!“ Das hätte er in seinen schlimmsten Fantasien nicht gedacht, dass er einmal den kaltschnäuzigen Geschäftsführer wiederbeleben musste. Da wurde es ihm doch etwas anders.

Sonst war er bei dieser Arbeit cool – zumindest nach außen sah man keine Emotion. Bei Bedarf ein menschlicher Reanimationsautomat. Nur so war das Geschäft auszuhalten – er hatte auch schon mehr als hundert Reanimationen hinter sich. „Welch ein Glück, dass der OA der Intensivstation den Geschäftsführer als Erster fand“, sollten nachher die Mitarbeiter kommentieren!

Es gab allerdings, wie sich später herausstellte, zum Beispiel den Pfleger Mario oder seinen Freund Odekoke aus Kamerun, die über die Wiederbelebung, wie gemunkelt wurde, gar nicht glücklich waren. Doch selbst diese etwas anderen Pfleger schätzten den Oberarzt.

Herr Doktor Justus von Risseck war ein ernster, schöner Mann von fünfunddreißig Jahren, der nicht viele Worte verlor. In seine hohe Stirn fiel eine kecke blonde Locke, was ihm ein jungenhaftes Aussehen verlieh. Sein eckiges und markantes Kinn zeugte von Willenskraft, seine Stimme war tief, leise und angenehm. Die Schwestern auf den Stationen schwärmten von ihm und flirteten wie wild mit ihm, was ihn aber kalt ließ. Er hatte seine heiße Liebe mit zwanzig gefunden, geheiratet und war immer noch in seine Frau verliebt. Zwei Kinder hatten sie und die waren auch der Hauptgrund dafür, dass er seit acht Jahren im Buchenhain blieb, weil sie sich im Kindergarten und dann in der Schule wohlfühlten. Gemeinsam träumten sie von einem Haus mit hohen, hellen Zimmern, einer markanten Stadthausfassade aus der Gründerzeit und einem großen Garten mit Pavillon. Als die Stimmung vor einem Jahr im Krankenhaus so bedrückend war, überlegte allerdings auch er sich einen Wechsel nach so langer Zeit.

Von Risseck mochte nicht an das Grauenvolle denken, wenn der Geschäftsführer stürbe. Man würde ihm sicher Vorwürfe machen. Niemand würde sagen, dass er ihn einfach zu spät gefunden habe, sondern dass er vielleicht einen Fehler bei der Reanimation gemacht habe. Doch schlecht standen die Karten nicht. Das Notfallteam war in zwei Minuten da, sodass Beatmung und Herzmassage professionell im Team weiterlaufen konnten. Risseck hatte die Vitalfunktionsparameter im Blick. Alles war kompakt in einem Equipment zusammengefasst auf einem sogenannten Reanimationswagen – früher war das schwieriger.

Das Geschäftsführerbüro war geräumig, sodass man sich nicht gegenseitig behinderte. Das übliche Gepiepse der akustischen Signale, Fauchen der Beatmungspumpen und Schnaufen der Mitarbeiter ergab ein chaotisches, ja fast infernales Konzert. Das Reanimationsteam aus sieben Personen arbeitete zuerst ohne viele Worte, schweigend und konzentriert. Das EKG von Muniel zeigte Kammerflimmern – damit konnte man fertigwerden, mit Adrenalin intravenös, dem Defibrillatorschock, Antarrhythmika und Magnesium intravenös verabreicht. Die erste Ampulle Adrenalin zeigte noch keine Wirkung, die Sauerstoffsättigung war aber dank der Beatmung über den Tubus, dem Schlauch in der Luftröhre und einer Kreislaufrestfunktion auf neunzig Prozent angestiegen, was als positiv quittiert wurde. In Sekundenschnelle hatte der OA den Trachealschlauch zur Beatmung gelegt – gelernt ist gelernt!

Nach der zweiten Ampulle Adrenalin und der Defibrillation betrugen die Herzaktionen zirka dreißig Schläge pro Minute. „Besser als nix oder Nulllinie“, kommentierte Doktor Gscheidle aus Ulm. Dem externen Schrittmacherimpuls folgte noch keine elektrische Aktion. Vorerst war die Herzdruckmassage die einzige Maßnahme, um einen Minimalkreislauf aufrechtzuerhalten. Dieses neue Gerät, der Defibrillator mit externer Schrittmacherfunktion, war erst vor einigen Wochen angeschafft worden und gehörte zum festen Reanimationsequipment. Welche Ironie, dachte von Risseck, dass das Ding jetzt erstmals beim Geschäftsführer eingesetzt wurde, der aus Kostengründen anfänglich stur gegen die Anschaffung gewesen war, aber nach einer vorgetäuschten Prüfung und strikten Forderung des technischen Überwachungsdienstes schließlich überzeugt werden konnte.

Das momentane Problem beim Patienten war eine elektromechanische Entkoppelung seines Herzens. Dem elektrischen Impuls folgte noch keine adäquate Pumpaktion des Herzens, was nicht so gut war, weil es gewöhnlich eine sehr schlechte Herzmuskelfunktion bedeutete.

„Hoffentlich ist die Ursache nicht ein Riesenvorderwandinfarkt. Dann hätten wir schlechtere Karten“, äußerte sich von Risseck besorgt.

„Oder …“

Von Risseck hob die Augenbrauen.

„… das Kalium im Blut ist zu hoch, weil ihm jemand das Zeug in die Vene gespritzt hat“, warf der Naseweis aus Ulm ein. Als alle mit Kopfschütteln reagierten, setzte er noch eins drauf: „Ich habe zufällig in meiner Dissertation – allerdings im Tierversuch bei Schweinen – die Auswirkungen von Kaliumchlorid in unterschiedlichen Dosierungen und die Blutspiegel nach Injektion unter den Bedingungen des Herzstillstands untersucht. Ohne vorherige Kaliuminjektion waren auch bei längerer Reanimation und saurem PH die Kaliumchloridwerte im Blut nie über dreißig Prozent erhöht. Werte darüber stammten immer von externer Zufuhr“, dozierte er stolz.

Er wurde vom OA zurechtgewiesen: „Wie soll das gehen? Muniel wird sich ja wohl nicht selbst das Kalium injiziert haben!“

Jetzt führte ein kräftiger Assistent die Druckmassage weiter und fühlte sich zu einer Äußerung berufen: „Außerdem, wenn schon durch Pharmakawirkung tot, dann doch Selbstmord oder Tötung mit Insulin – unter Medizinern, besonders unter Anästhesisten, die beliebteste Art. Richtig, Herr Doktor Muniel ist ja auch Arzt, auch wenn er den Beruf nie ausgeübt hat.“

Alle schwiegen betroffen ob dieser absurden Gespräche! Aber solche Gespräche wirkten wohl auch erleichternd wie als Ventil der angespannten Stresssituation.

„Wenn ich das so sagen darf“, warf noch ein Altassistent ein, „ein Doktor Muniel mit seinem riesigen Selbstbewusstsein würde sich selbst nie umbringen.“

Glücklicherweise kamen jetzt auch nach jedem elektrischen Impuls am EKG Pulse an der Leiste durch. Das gab Hoffnung und deshalb redeten die Beteiligten weiter darauflos. Die initial bedrückende Atmosphäre war wie von Zauberhand verschwunden.

„Vielleicht gibt es ja einen Mörder, einen Arzt oder Pfleger – bei der Beliebtheit des Geschäftsführers? Warten wir doch die Laborwerte ab. Ich glaube, die Wahrheit liegt in greifbarer Nähe“, gab der naseweise Jungspund Doktor Gscheidle aus Ulm, der „Kaliumforscher“, von vorhin nicht nach. Schwaben können sehr stur sein.

„Du schaust wohl zu viele Krimis“, wies ihn der OA zurecht. Seine Gereiztheit tat ihm im gleichen Moment leid, weil der Kollege eigentlich wirklich gut war.

Der junge Assistent, der gerade aus der Uni kam, blickte ernst und nachdenklich den reanimierten Geschäftsführer an, dessen Gesichtsfarbe nicht mehr graudunkelblau war. Alle freuten sich über die zunehmende Rötung, besonders an den Ohren sichtbar.

Doktor Gscheidle beugte sich über die linke Armbeuge des Liegenden und deutete mit einem versteckten Lächeln auf eine winzige verwischte Blutspur und eine Stelle an der Vene, die klein wie ein Mückenstich aussah. Die umstehenden älteren Assistenten schüttelten zwar den Kopf, das aber veranlasste den Ulmer Jungspund nur zu der Bemerkung: „Mal säha!“, was wohl „Schauen wir mal“ bedeuten sollte. Sein Vater war Chefarzt und hatte ihm neben einem finanziellen Polster ein gnadenlos unbeirrbares Selbstbewusstsein eingeimpft.

Nach fünf Minuten reichte eine Schwester dem Oberarzt einen Zettel – es war das Ergebnis der Blutgasanalysebestimmung, die neben der Messung des Blutfarbstoffs Hämoglobin und der Sauerstoffsättigung auch die Elektrolyte, die Mineralien im Blut, beinhaltete. Der Kaliumwert war tatsächlich über sechzig Prozent erhöht, was die Zufuhr von außen bewies und nicht durch den Herzstillstand an sich zu erklären war. Der OA war jetzt doch sehr überrascht und sagte zu Gscheidle: „Gratuliere, Kollege! Wie Figura zeigt, sind die Schwaben zwar langsam, aber gescheit – manche wohl schon vor dem vierzigsten Geburtstag. Jetzt keimt Hoffnung auf! Kein Rieseninfarkt, sondern Kaliumvergiftung! Weitermachen mit der Herzdruckmassage und Transport auf die Intensivstation unter Reanimationsbedingungen“, entschied Doktor von Risseck mit schon leichterem Herzen.

Nach zwanzig Minuten Reanimation und einer weiteren Ampulle Adrenalin war jetzt ein regelmäßiger Rhythmus von fünfzig Schlägen pro Minute auf dem Monitor sichtbar – zudem war der Puls kräftiger tastbar.

„Die Vorhöfe sind noch nicht eingesprungen, also Knotenrhythmus von fünfzig pro Minute, nur der Blutdruck muss noch medikamentös gestützt werden“, verkündete von Risseck erleichtert. Er beugte sich zu Muniel und sprach ihn laut an: „Nicken bitte, wenn Sie mich hören!“ Muniel nickte und der Oberarzt zeigte lächelnd mit dem Daumen nach oben. Der Patient schien also nicht mehr tief bewusstlos zu sein.

Nach fünf weiteren Minuten konnte er auf einfache Fragen nicken oder verneinend den Kopf schütteln. Der Geschäftsführer lag jetzt seit zwanzig Minuten auf der Intensivstation, nicht mehr auf dem Teppich – aber noch beatmet –, langsam wacher werdend.

Eine besorgte Frau von Hess, die die Chefsekretärin der Anästhesieabteilung schon früh telefonisch benachrichtigt hatte, stand jetzt mit am Bett und zeigte Muniel den Terminkalender. Sie redete beschwörend und zugleich hilflos auf ihn ein: „Herr Doktor, wissen Sie nicht mehr, Sie hatten doch einen Termin mit dem Oberarzt Doktor von Risseck, der Sie fast tot vorgefunden hat. Was war zuvor? Gab es noch einen anderen Besucher, nachdem ich heimgefahren war?“ Sie lächelte ihn an und sprach zu ihm, als hätte sie ein Kind vor sich: „Also wirklich, man kann Sie ja nicht eine Stunde allein lassen.“

Alle schauten verstört ob des grotesken Schauspiels, aber Muniel bekam die ironische und komische Einlage natürlich nicht mit, sondern starrte nur vor sich hin. Die Atemfrequenz betrug jetzt fünfundzwanzig Züge pro Minute und die Sauerstoffsättigung neunundneunzig Prozent unter vierzig Prozent Sauerstoffzufuhr. Justus von Risseck entfernte deshalb den Beatmungsschlauch, nachdem die Intensivschwester Gertrud den Ballon an ihm mit einer Spritze entleert hatte.

Muniel konnte jetzt sprechen, wenn auch keuchend und krächzend: „Wo bin ich? Und wer ist diese blonde schöne Frau und was will die von mir?“

„In der Klinik Buchenhain – in Ihrem Krankenhaus, Herr Doktor, und ich bin doch Ihre Sekretärin, Veronika von Hess-Prinz.“

„Ich kenne kein Krankenhaus mit diesem Namen und Sie kenne ich schon gar nicht und das will ich auch gar nicht.“ Er schloss die Augen und die Sekretärin hob verzweifelt die Schulter.

Jetzt mischte sich der Chefarzt der Inneren Abteilung ein, der hinzugekommen war: „Wie heißen Sie denn?“

„Muniel.“

„Herr Doktor Muniel sogar. Wir beide und zehn andere sind in diesem Provinzkrankenhaus die einzigen Personen, die den Doktortitel haben.“

„Warum? Bin ich Arzt?“

„Ja schon – aber den Beruf mussten Sie nicht ausüben. Diese Mühe ist Ihnen erspart geblieben. Sie haben eine komfortablere Karriere gemacht. Sie haben nämlich nach dem Medizinstudium schlauerweise noch Betriebswirtschaft drangehängt und in diesem Fach dann sogar promoviert.“

„Oh Gott, davon weiß ich ja gar nichts. Im Moment bin ich noch völlig durcheinander! Hat mir jemand einen schlechten Schnaps aus der Türkei eingeschenkt, den ich gar nicht vertrage? Fragen Sie mich morgen wieder, ich bin sehr müde. Ich schließe jetzt die Augen und Sie können mich alle mal.“

Schon wieder ein Beispiel seiner bekannten überaus charmanten Art, dachten die Ärzte der Intensivstation sofort und werteten es als positives Zeichen.

„Das Gedächtnis wird schon wiederkommen und wenn es Wochen dauern sollte. Wir werden eine neurologische Frührehabilitation beantragen. Die Hoffnung stirbt zuletzt“, tröstete der Chefarzt der Inneren Abteilung, Herr Professor Pfeiferlich, der sich glücklich schätzen durfte, bisher noch nicht mit Muniel zusammengerasselt zu sein. Er selbst hatte weniger Probleme mit der Geschäftsführung, da seine Abteilung gute Bilanzen aufwies. Die ökonomisch schlechten Patienten verlegte er auf die Geriatrie.

Das EKG von Herrn Muniel lag jetzt in Zwölfkanalversion, also komplett, mit allen Ableitungen vor. Wie vermutet, zeigte es keine Herzinfarktzeichen und ergab auch keinen Hinweis für eine massive Lungenembolie. Dafür waren die Zeichen eines hohen Kaliumspiegels im Blut im EKG deutlich zu sehen. Draußen im Gang vor der Intensivstation wollte der junge Assistenzarzt Doktor Gscheidle, obwohl er mit seiner Bemerkung beim Oberarzt zuvor auf die Nase gefallen war, noch einmal den Gedanken eines Tötungsdeliktes mit Kalium ins Gespräch bringen. Diesmal wurde er nicht zurechtgewiesen. Der Chefarzt klopfte ihm auf die Schulter und lobte ihn vor der ganzen Mannschaft: „Ja, exzellenter Einfall, Herr Kollege! Gott sei Dank haben wir hier intellektuelle Unterstützung aus dem Schwabenland. Sie haben vollkommen recht: Bei unklaren Fällen müssen wir wie bei allen schwierigen Diagnosen auch an das Unwahrscheinliche denken“, sprach er feierlich mit erhobenem Zeigefinger. „Übrigens, Frau von Hess-Prinz: Hoffentlich haben Sie das Kaffeegeschirr und die Gläser noch nicht gewaschen!“

„Nein, es ist noch in der Spülmaschine und die wird abends vom Reinigungspersonal eingeschaltet!“ Alle schauten erstaunt auf, als die Sekretärin ironisch bemerkte: „Manchmal denken auch Frauen scharfsinnig, Herr Chefarzt und Kriminalhauptkommissar, auch wenn sie nur aus Hessen stammen.“

Der musste schmunzeln und setzte noch einen drauf: „Sie sind eine überaus scharfsinnige, vorausschauende und neuerdings wohl auch witzige Frau“, übertrieb der Chefarzt Doktor Pfeiferlich mit dem sonnigen Gemüt eines Rheinländers, der lieber zu viel als zu wenig lobte, besonders aber Frauen.

Frau von Hess-Prinz freute sich trotzdem darüber. Sie hatte einfach keine Lust gehabt, das Geschirr von Hand zu spülen – sie hatte genug andere Dinge zu tun!

„Herr von Risseck, meine Herren“, fuhr der Chef der Inneren Abteilung fort, „ich gratuliere Ihnen – Sie haben alle eine gute Arbeit geleistet, auch wenn wir ein wenig oder vielleicht auch viel Glück hatten. Frau von Hess-Prinz, darf ich Sie bitten, die Kriminalpolizei zu verständigen? Alles können wir nicht selbst machen, Sie haben den Sachverhalt mitbekommen. Wo ist denn übrigens die Frau Muniel? Frau von Hess, haben Sie sie angerufen?“

„Ja, Herr Chefarzt, aber die meldet sich nicht, weder auf der Festnetznummer noch auf dem Handy. Na ja, ich versuche es später noch mal. Zuerst die Kriminalpolizei.“

Alle schauten ihr nach, wie sie beschwingt zu ihrem Büro eilte.

Bereits eine halbe Stunde später trafen der Hauptkommissar Joe Moser, seine Kollegin, die Kommissarin Gertrude Gerngross, und die Spurensuche im Büro von Muniel ein. Sie nahmen die Fingerabdrücke an der Türklinke und den beiden Kaffeetassen. Der Hauptkommissar bat Frau von Hess-Prinz, alle Ärzte und die Pflege in den Konferenzraum zu rufen, dass von allen Fingerabdrücke und DNA-Analysen durch Speichelproben genommen werden konnten.

„Ist das denn wirklich nötig?“, warf seine Kollegin Gertrude Gerngross ein.

„Gertrude, du wirst es verstehen, wenn du erfährst, was mit dem Geschäftsführer geschehen ist. Verzeih, ich hätte es dir gleich nach dem Telefonat mit dem Chefarzt der Inneren Medizin erzählen sollen. Das Opfer hat eine quasi tödliche Dosis Kaliumchlorid in die Vene gespritzt bekommen. Er hat unglaublich Schwein gehabt, weil der leitende Oberarzt der Intensivstation ihn noch mit Schnappatmung aufgefunden hat und mit der Wiederbelebung beginnen konnte, bevor das Hirn irreversibel geschädigt war. Das Zeug, so über die Vene verabreicht, bewirkt mit Sicherheit einen Herzstillstand. Ohne den hohen Kaliumgehalt im Blut hätten die Ärzte uns ja nicht gerufen. Angeblich kam die Idee von einem Doktor Gscheidle aus Ulm. Ja, die Schwaben denken bekanntlich langsam, aber richtig.“

„Danke, Joe, du scheinst dich ja nicht nur in der Medizin, sondern auch bei den Schwaben auszukennen.“

Joe schmunzelte nur, weil er ähnliche Bemerkungen schon öfters gehört hatte und Gertrude diese Art von zickigen Bemerkungen wohl witzig fand. Er kam gut mit ihr zurecht, weil er Frauen mit scharfen Kanten mochte und einfach Humor hatte.

„Ich habe Übung, mit schwierigen Frauen umzugehen“, pflegte er dann die männlichen Mitarbeiter zu beruhigen, wenn die sich in der Kantine wegen angeblicher Zicken von weiblichen Kollegen schon mal aufregten. Das mit dem Medizinstudium traf ihn aber doch immer wieder hart, weil das tatsächlich sein Wunsch gewesen war. Das war sein neuralgischer Punkt. Leider waren seine Abiturnoten und das Geld von zu Hause nicht ausreichend gewesen, um diesen Wunsch zu erfüllen. Seine Eltern hatten ihn schließlich zu einer Polizeikarriere überredet.

„Gertrude, jeder, der in eine Vene spritzen kann, ist verdächtig. Es handelt sich eindeutig um einen Mordversuch. Dies umso mehr, als natürliche Ursachen des Herzstillstands, wie zum Beispiel ein Herzinfarkt, wie ich verstanden habe, ausfallen. Oder sollen wir noch mal die Ärzte fragen?“

„Nein, Joe, danke.“

„Was glaubst du, wie der potentielle Täter vorgegangen ist?“

„Eventuell dürften vor der Injektion K.-o.-Tropfen oder Ähnliches verabreicht worden sein. Mit einem Holzhammer hat der Täter – wie Figura zeigt – ja nicht zugeschlagen! Wir müssen das Blut des Opfers also auf Betäubungsmittel untersuchen lassen!“

„So ist es.“

Mordgelüste in der Schlossklinik Buchenhain

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