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3. Das ferngesteuerte Flugzeug

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Frau Blauberg strich Dennis über die Haare. Zornig zog er seinen Kopf weg. Er mochte es nicht, wenn Mama seine Frisur durcheinanderbrachte.

„Dennis, sei doch vernünftig“, sagte Frau Blauberg. „Wenn du zum Geburtstag ein neues Fahrrad bekommst, können wir im Sommer eine große Fahrradtour machen. Das wolltest du doch schon immer.“

„Nein, zum Geburtstag wünsche ich mir ein ferngesteuertes Flugzeug. Und sonst nichts“, sagte Dennis trotzig. „Mein letztes Fahrrad habe ich auch einfach so bekommen, als mir das alte nicht mehr passte.“

Herr Blauberg sah seinen Sohn streng an: „Ein Fahrrad ist kein Pullover, den du bekommst, wenn dir der alte nicht mehr passt. Ich habe mich früher selbst über einen Pullover zum Geburtstag gefreut. Damals gab es die ersten Kapuzensweatshirts und ich weiß noch genau, wie ich zu meinem elften Geburtstag ein schickes rotes Kapuzensweatshirt bekommen habe. Das war ein tolles Geschenk. Und meine Freunde in der Schule haben mich darum beneidet.“

„Ja, ich weiß schon. Und an Weihnachten hast du dir Unterhosen mit flotten Fußballmotiven gewünscht. Die hast du dann statt deiner Kuscheltiere abends mit ins Bett genommen“, maulte Dennis.

„Hör mit dem Unsinn auf“, sagte Frau Blauberg streng.

„Ihr seid gemein. Ich habe nur einen einzigen Wunsch und ihr wollt mir ein blödes Fahrrad aufschwatzen. Ein Fahrrad, das braucht man einfach. Das wünsche ich mir nicht zum Geburtstag. Ich bin doch nicht blöd“, rief Dennis und rannte aus der Küche. Er knallte die Tür hinter sich zu, so fest er nur konnte. Er wusste, das würde seinen Vater richtig ärgern.

Und prompt brüllte sein Vater hinter ihm her: „Dennis, es reicht. Dafür bekommst zwei Tage Computer- und Fernsehverbot.“

Dennis fand seine Eltern total bescheuert. Seinen einzigen Geburtstagswunsch wollten sie ihm nicht erfüllen: Ein ferngesteuertes Flugzeug, so eins wie Kalle es hatte, mit richtigem Motor. Wenn der Akku voll aufgeladen war, flog es lässig fünf Minuten. Und die Fernsteuerung reichte richtig weit. Von zu Hause wahrscheinlich bis zur Schule. In der Pause könnte er es nach Hause fliegen lassen und seine Mutter würde ihm ein Sandwich auf das Flugzeug laden. Das wäre echt cool. Alle im Pausenhof wären neidisch. So ein Flugzeug wollte er!

Kalle hatte Guntram und Dennis neulich mitgenommen, als er sein ferngesteuertes Flugzeug fliegen ließ. Seit sie in der Haibande waren, unternahmen sie nach der Schule öfter etwas zusammen. Kalles Flugzeug flog super, wie ein echtes Flugzeug. Nur steuern durften Dennis und Guntram es nicht. Das sei viel zu schwierig, höllisch kompliziert und zu gefährlich, wenn es abstürzte, hatte Kalle gesagt. Wenn Dennis ein eigenes ferngesteuertes Flugzeug hätte, würde er auch Guntram fliegen lassen.

Am nächsten Tag in der Schule erzählte Dennis Guntram, dass seine Eltern ihm nur ein Fahrrad zum Geburtstag schenken wollten.

„Wieso? Ein Fahrrad ist doch ein super Geschenk. Dann könnte ich vielleicht dein altes haben“, schlug Guntram vor.

Dennis kochte. „Du denkst auch nur an dich!“

„Dann könnten wir gemeinsam Fahrradtouren unternehmen“, erwiderte Guntram entschuldigend.

„Hör bloß mit dem Fahrrad auf! Sag mir lieber, was wir heute Nachmittag unternehmen. Ich habe keine Lust zu Hause zu sitzen.“

Guntram Mempelsino von Falkenschlag druckste ein wenig herum. Er zupfte ein Blatt von einem Busch im Pausenhof und drehte es zwischen den Fingern.

„Na, was ist?“, bohrte Dennis nach.

Guntram sah kaum von seinem Blatt auf, als er sagte: „Ich habe heute Nachmittag keine Zeit.“ Und dann schob er nach: „Tut mir leid.“

Dennis wollte es nicht glauben. Guntram hatte immer Zeit. Guntram war sein bester Freund. Sie machten alles zusammen. „Wie, du hast keine Zeit?“, fragte Dennis fassungslos.

„Na, keine Zeit eben. Ist im Moment leider so“, sagte Guntram. Es schien ihm peinlich zu sein. Aber das änderte nichts. Er hatte einfach keine Zeit. Und dann schwiegen sich die beiden an.

Auch mittags auf dem Weg nach Hause sprachen sie kaum ein Wort miteinander. Stumm trotteten sie nebeneinander her. Guntram zupfte immer wieder Blätter ab und beschäftigte sich ausgiebig mit ihnen. Dennis ärgerte sich furchtbar. Alle hatten sich gegen ihn verschworen, gestern seine blöden Eltern und jetzt sein bester Freund. Vielleicht war Guntram überhaupt nicht mehr sein bester Freund und er musste sich nach einem neuen besten Freund umsehen. Und nach anderen Eltern am besten auch. Kalles Eltern, die waren großzügig. Sie schenkten ihrem Sohn einfach ein ferngesteuertes Flugzeug. Sie benahmen sich nicht so knauserig wie seine Eltern. Und auch die Sache mit Guntram ließ Dennis keine Ruhe.

Das Mittagessen schmeckte Dennis überhaupt nicht, obwohl es Apfelstrudel mit Vanillesoße gab, eines seiner Lieblingsgerichte. Dennis musste unbedingt wissen, was Guntram am Nachmittag vorhatte. Er beschloss, Guntram zu folgen. Heimlich.

Mit Apfelstrudel und einer großen Portion Ärger im Bauch versteckte sich Dennis vor Guntrams Haus. Und tatsächlich, es dauerte nicht lange, da kam Guntram heraus. Er sah nicht links und rechts. Guntram schlenderte die Straße hinunter, so als wäre es das Normalste auf der Welt, den Nachmittag ohne ihn zu verbringen. Dann bog Guntram in den Weg ein, der zum Schlittenberg führte. Dennis presste sich eng an die Zäune, nutzte den Schutz von Bäumen und Mülltonnenhäuschen und duckte sich hinter der Bushaltestelle. Das wäre wohl nicht notwendig gewesen, denn Guntram drehte sich nicht ein einziges Mal um.

Nach den letzten Häusern rannte Guntram über die große Wiese auf einen Jungen zu, der oben auf dem Hügel stand. In der Hand hielt der Junge ein ferngesteuertes Flugzeug. Dennis wollte es nicht glauben. Der Junge war niemand anderes als Kalle! Die beide begrüßten sich, als wären sie die besten Freunde.

Dennis' Knie fühlten sich weich an wie nasse Schwämme. Seine Lippen bebten vor Zorn. Er hielt sich an einem Zaunpfahl fest. Guntram und Kalle. Diese Verräter! Er konnte nicht hören, was die beiden redeten. Aber es sah aus, als hätten sie richtig Spaß. Nur das Hornissenbrummen des Flugzeugmotors wehte herüber. Kalle hatte sich die Fernsteuerung um den Hals gehängt. Guntram sprang aufgeregt hin und her. Das Flugzeug stand im Gras. Der Hornissenmotor heulte auf und das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Es hoppelte über die Wiese. Zunächst ganz langsam, dann immer schneller. Schließlich riss sich das Flugzeug vom Boden los und sauste durch die Luft. Guntram jauchzte.

Wie Boxschläge fühlte sich das in Dennis' Bauch an. Ausgerechnet sein bester Freund ließ ihn im Stich, traf sich lieber mit Kalle! Nur wegen des ferngesteuerten Flugzeugs. Und seine blöden Eltern würden ihm keines schenken. Warum hatte ihn Guntram nicht mitgenommen?

Das Flugzeug schraubte sich immer weiter in den Himmel. Kalle und Guntram starrten ihm begeistert nach.

Guntram hörte auf zu hüpfen. Ganz still stand er plötzlich vor Kalle. Da nahm Kalle die Fernsteuerung ab und hängte sie Guntram um den Hals, wie eine Goldmedaille.

Dennis schossen Tränen in die Augen. Er konnte sich nicht zurückhalten. Schluchzen schüttelte ihn. Erst vor ein paar Tagen wollte Kalle ihm die Fernsteuerung nicht geben, auf gar keinen Fall. Das sei viel zu kompliziert und zu gefährlich, hatte er gesagt. Und Guntram durfte auf einmal das kostbare Flugzeug lenken. In abenteuerlichen Loopings tobte es über den Himmel.

Dennis wollte nicht länger hinsehen. Heulend rannte er nach Hause. Er verkroch sich unter seine Bettdecke und blieb dort bis zum Abendessen. Immer wieder musste er an Kalle und Guntram denken, diese beiden Idioten. Mit denen wollte er nichts mehr zu tun haben.

In den nächsten Tagen sprach Dennis mit Guntram und Kalle kein Wort. Beide bemühten sich, doch Dennis gab ihnen nicht die geringste Chance. Und auch mit den anderen Kindern redete er nicht. Traurig hockte er auf der Schulbank. Er hörte kaum zu, was Frau Bretscher, seine Lehrerin, sagte. Er starrte einfach nur auf den Tisch, diesen Vormittag und auch den nächsten. Dennis war so traurig, dass Frau Bretscher sogar bei den Blaubergs anrief.

Mama und Papa, Guntram und Kalle, alle redeten auf ihn ein. Dennis wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Er hoffte, dass der Samstag bald vorüber sein würde. Denn er freute sich kein bisschen auf seinen Geburtstag, wenn er nur ein doofes Fahrrad geschenkt bekommen würde. Ein Fahrrad, das brauchte er doch sowieso. Das war kein richtiges Geburtstagsgeschenk. Warum bekam er kein ferngesteuertes Flugzeug, wenn das sein einziger Wunsch war?

Am Samstagmorgen weckte ihn seine Mutter besonders fröhlich. Dennis mochte es nicht, wenn sie so fröhlich tat. Und heute schon gar nicht. Dennis ließ sich extra viel Zeit. Er hatte keine Lust, mit seinen Eltern zu frühstücken.

„Alles Gute zum Geburtstag, mein Liebling“, flötete Frau Blauberg, als Dennis nach einer halben Ewigkeit im Schlafanzug in die Küche geschlurft kam. Und sein Vater begann auch noch, Happy Birthday zu singen. Wie immer sang er schrecklich falsch. Dennis wollte seinen Geburtstag nicht feiern. Das war der bescheuertste Tag im ganzen Jahr.

An seinem Platz auf dem Frühstückstisch lag ein einziges Geschenk. Quadratisch, nicht viel größer als eine Pizzaschachtel, aber höher. Ein Fahrrad konnte nicht drin sein und für ein ferngesteuertes Flugzeug war es auch zu klein. Vielleicht ein Bausatz für einen ferngesteuerten Hubschrauber? Das könnte von der Größe her passen. Das wäre wirklich der Wahnsinn.

„Möchtest du dein Geburtstagsgeschenk nicht auspacken?“, fragte Herr Blauberg und tat dabei furchtbar neugierig, so als wüsste er selbst nicht, was darin wäre. Dabei hatte er das Geschenk doch selbst gekauft.

„Später“, sagte Dennis mürrisch. „Ich möchte zuerst frühstücken.“

Frau Blauberg wollte Dennis ein Stück von seinem Geburtstagskuchen geben. Einem Schokoladenkuchen. Den liebte Dennis.

„Ich esse zuerst ein Brot“, sagte Dennis gereizt. „Wenigstens das darf ich an meinem Geburtstag doch selbst entscheiden.“ Und als wäre es ihm völlig egal, schob er das Geschenk mit dem Arm zur Seite. Dennis bekam einen riesigen Schreck. Das Päckchen fühlte sich ganz weich an. Oje, da konnte nichts Vernünftiges drin sein. Bestimmt kein Hubschrauber.

Ganz schnell schlang er sein Marmeladenbrot hinunter. Er wollte nun doch wissen, was in dem Geschenk war. Hektisch zerrte er die Schleife zur Seite und riss das Papier auf. Er konnte nicht glauben, was er dann sah. Es war so schrecklich, dass Dennis nicht einmal heulen konnte. Entsetzt hielt er ein rotes Kapuzensweatshirt in der Hand.

„Die Überraschung ist wohl gelungen“, sagte Herr Blauberg begeistert, als wäre es das Normalste auf der Welt, sich über ein rotes Kapuzensweatshirt zu freuen.

Dennis starrte das rote Teil fassungslos an. Er hatte nicht einmal die Kraft zu schimpfen.

„Du musst es auseinanderfalten“, forderte ihn seine Mutter auf und grinste immer noch gut gelaunt.

Dennis wollte es nicht glauben, seine Eltern schenkten ihm einen Pulli zum Geburtstag. Das war wirklich der schrecklichste Tag in seinem ganzen Leben!

„Na los“, drängte seine Mutter.

Dennis packte den Pulli am Kapuzenzipfel und zog ihn angewidert hoch. Da rutschte eine Karte heraus. Sein Papa hatte sie geschrieben. Das erkannte er sofort an der krakeligen Schrift. Dennis nahm die Karte in die Hand. Er drehte sie um. Ein Mountainbike war dort abgebildet. Dann las er:

Lieber Dennis,

zu deinem elften Geburtstag wünschen wir dir alles Liebe und Gute. Bleib so wie du bist. Sei nicht traurig, wenn du diesmal kein ferngesteuertes Flugzeug bekommst. Damit dir das neue Fahrrad richtig gut gefällt, darfst du es zusammen mit Papa aussuchen.

Dicke Küsse

Mama und Papa

Und darunter stand: Als ich damals einen roten Kapuzenpulli geschenkt bekommen habe, war darin kein Fahrrad eingewickelt.

Daneben hatte Papa ein Lachgesicht gezeichnet.

Das Mountainbike auf dem Foto sah ziemlich gut aus. Es hatte 27 Gänge und Scheibenbremsen. Cosmicblue stand neben dem dunkelblau glitzernden Rahmen. Kein Vergleich zu seiner alten Gurke. Vor Aufregung bekam Dennis einen Schluckauf. Sein elfter Geburtstag begann, sich besser anzufühlen. Er freute sich richtig auf das Fahrrad und murmelte heiser: „Können wir es heute noch aussuchen?“

Herr und Frau Blauberg nickten.

„Möchtest du nicht doch noch ein Stück von deinem Geburtstagskuchen essen?“, fragte Frau Blauberg.

Doch ehe Dennis etwas sagen konnte, klingelte es an der Haustür Sturm.

Herr Blauberg öffnete die Tür und mit großem Geburtstagsjubel stürmten Guntram und Kalle herein.

Gerade hatte Dennis angefangen, seinen Geburtstag zu genießen, da kamen diese beiden Idioten. Frau Blauberg bot ihnen gleich ein Stück von Dennis' Geburtstagskuchen an, den er noch nicht einmal selbst probiert hatte. Erst jetzt fiel Dennis auf, dass Guntram ein großes Päckchen in den Händen hielt. Es war in buntes Papier gewickelt und eine Schleife darumgebunden.

„Ist für dich, alles Gute zum Geburtstag“, sagte Guntram und hielt ihm das Päckchen hin.

„Alles Gute“, sagte Kalle. „Mach es gleich auf!“

Dennis nahm das große Päckchen. Es fühlte sich so leicht an, als könnte es fliegen. Dennis' Hände zitterten. Waren Guntram und Kalle doch noch seine Freunde? Ganz vorsichtig riss er das Papier auf. An einer Ecke. Er wollte nicht, dass sein Traum wieder so schnell zerplatzte. Er fühlte mit dem Finger etwas Dreieckiges, leicht Gewölbtes. Das könnte ein Flügel sein?

„Beeil dich“, drängte Guntram.

Dennis zog das Papier ab. Da lag das Geschenk vor ihm. Ein selbst gebasteltes Flugzeug, knallrosa lackiert. Doch in der Mitte war der Rumpf gebrochen und der Flügel abgeknickt.

Dennis wusste nicht, was das bedeuten sollte. Verdutzt glotzte er das Geschenk an.

„Wir müssen dir etwas erklären“, sagte Guntram verschwörerisch. „Aber das ist geheim. Komm mal mit!“

Die drei gingen vor die Küchentür.

„Also“, erklärte Kalle, „wir haben dieses Flugzeug für dich gebastelt. Ist natürlich nicht so gut wie ein gekauftes. Und eine richtige Fernsteuerung war zu teuer. Diese hier hat Guntram gezaubert.“

Und dann fiel Guntram Kalle ins Wort: „Eine Fernsteuerung zu zaubern ist ziemlich kompliziert. Zuerst sah es ganz gut aus. Am Dienstag haben wir die Probeflüge gemacht. Das Flugzeug ist geflogen wie eine Eins. Richtig viele Loopings.“

„Am Dienstag, auf dem Schlittenberg?“, fragte Dennis.

„Ja, ja“, erklärte Guntram, „zuerst flog es hervorragend, aber dann, dann ist es plötzlich abgestürzt. Wie ein Ziegelstein. Einfach so. Wir hatten keine Zeit mehr, es zu reparieren.“

„Das machen wir gleich gemeinsam“, sagte Kalle und klopfte Dennis auf die Schulter.

Dennis strahlte. Zum Glück hatten ihn die beiden am Dienstag nicht erwischt. Er kam sich so unendlich doof vor.

„Danke“, murmelte Dennis und musste vor Freude fast weinen. „Aber zuerst essen wir meinen Geburtstagskuchen.“

Dennis und Guntram - Zaubern für Profis (Band 3)

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