Читать книгу Malik Mantikor: Die Liebe ist ein Lichtermeer - I. Tame - Страница 5

Kapitel 1

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„Wehr' dich doch“, fordert Malik ungerührt. Sein Blick ruht liebevoll auf seinem Geliebten. Für einen Außenstehenden könnte es aussehen als läge Fynn in einer verrenkten Umarmung. Wenn Malik sich konzentriert, hört er Fynns panischen Herzschlag.

Bleib ruhig, mein Hübscher. Er ist dir nicht gewachsen!

Malik! Malik! schreit Fynn in Gedanken. Hilf mir doch!

Du brauchst keine Hilfe! Du vereinst die Kraft zweier mächtiger Mantikore in dir. Er ist eine Fliege an der Wand, mein Lieber. Du musst nicht einmal viel Fantasie aufbringen, um ihn zu stoppen! Jetzt wehr' dich endlich!

Einen Moment lang blitzt es vorwurfsvoll aus Fynns Augen, doch dann schließt er sie und atmet tief durch. Eine Sekunde. Zwei Sekunden.

In dem Moment als Kato den Dolch noch tiefer in Fynns Haut senken will, merkt er, dass etwas nicht stimmt. Entsetzt reißt er die Augen auf. Was ist denn jetzt los?

Die silberne Klinge verliert an Konsistenz. Erst zieht sich ein kaum merklicher Schleier über das Metall und dann … biegt sie sich unter Katos Druck als wäre sie aus Gummi. Schließlich baumelt sie herunter und stellt als Waffe nur noch eine Farce dar. Kato ist so geschockt, dass er nicht einmal merkt, wie Fynn sich aus seiner Umklammerung windet. Wie eine Wachsfigur bleibt er genau so stehen, als hätte er den Blonden noch in seinen Fängen.

Endlich wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr rühren kann. Selbst den deformierten Dolch kann er nicht fallen lassen. Eine Macht – stärker als seine – hält ihn gefangen. Katos Mantikor brüllt vor Wut.

Doch als Fynn sich vor ihn stellt und ihn aus seinen strahlend blauen Augen ansieht, fühlt sich Kato wie hypnotisiert. Diese Augen … und jetzt verwandeln sie sich. Ja, sie funkeln wie ein Berg Diamanten. Katos Mantikor tut etwas, was er zuvor noch nie getan hat. Er flüchtet … von einem Moment zum anderen versteckt er sich, denn er hat Angst vor der Macht, die dieser Mensch in sich vereint.

Kato stöhnt. „Ich brauche Wasser! Bitte! Ich verbrenne innerlich!“

Wieder einmal ist es Yassin, der als erster reagiert und mit einer Flasche herbeieilt. Hilfsbereit hält er sie Kato an die Lippen.

Aus dem Hintergrund ruft Kess verzweifelt nach seiner großen Liebe. Dieser antwortet ihm schließlich:

„Alles gut, Bruder! Halt jetzt die Klappe, ja?“

Mit finsterem Blick starrt er Fynn an.

„Muss ich hier noch länger wie eine Karikatur herumhängen oder was?!“

Malik tritt mit einem hämischen Grinsen im Gesicht neben Fynn und legt ihm kumpelhaft einen Arm um die Schulter.

„Das hast du super gemacht, mein Hübscher!“

Er drückt Fynn einen fetten Schmatzer auf die Wange, dass sich dieser lachend windet.

„Hört ihr vielleicht mal auf mit eurem schwulen Getue?“, ranzt Kato sie an. „Ich steh' hier, als würde ich mit irgendeiner dicken Frau tanzen!“

Jetzt ist es endgültig vorbei. Die beiden Freunde brechen schier zusammen unter ihrem Lachanfall. Immer wieder deuten sie auf den genervt die Augen verdrehenden Kerl und bekommen doch kein Wort heraus, da sie es kaum schaffen, Atem zu schöpfen.

„Dein schlaffer Dolch spricht eine eigene Sprache“, presst Malik hervor und seine Bemerkung streckt Fynn fast zu Boden. Aus dem Hintergrund ertönen ein weiteres Mal Kess' Rufe. „Kato! Wo bist du?“

„Schschsch“ Gleichzeitig drehen sich Malik und Fynn in seine Richtung. „Nicht!“, flüstert Fynn mit bebender Stimme. „Er tanzt doch!“

Plötzlich schiebt sich Yassins massive Gestalt vor ihn.

„Ich glaub' er atmet nicht mehr“, presst er mit angsterfüllter Stimme hervor.

Fynn schreckt zusammen. Packh! Sie hatten ihn völlig vergessen. Er hängt immer noch in der Luft wie auf einer unsichtbaren Trage. Fynn stürzt zu ihm.

„Packh“, spricht er ihn verzweifelt an und tätschelt seine Wangen. „Packh, wach' auf!“ Kontrollierend legt er ihm zwei Finger auf die Halsschlagader.

„Er lebt, Yassin, aber sein Puls geht sehr langsam.“

„Was hast du mit ihm gemacht?“, brüllt Malik Kato an. Der steht noch immer in seiner verrenkten Haltung da, doch dieses Mal ist er derjenige, der gehässig lacht.

„Nichts!“, antwortet er gespielt unschuldig. „Er hat nur 'ne Cola getrunken ...“ Abschätzig verzieht er einen Mundwinkel. „Die ist ihm wohl nicht bekommen.“

Fynn schiebt Malik beiseite, als dieser gerade zu einem Kinnhaken ausholt.

„Was hast du ihm gegeben?“

Kato ignoriert ihn. Sein Blick bleibt auf Malik geheftet.

„Gib' Kess sein Augenlicht zurück!“, fordert er finster. „Vorher sag' ich gar nichts!“

Auf einmal ändert sich Fynns Körperhaltung. Geradezu königlich … erhaben … mit durchgestrecktem Rücken und stolz erhobenem Kopf steht er da. Eine Stimme spricht aus ihm, die er selbst nicht kontrolliert. Freundlich antwortet Fynn dem gelähmten Mantikor.

„Steh' doch bequem“, fordert er Kato auf. Diesem entfährt vor Erleichterung ein leises Seufzen, als er sich endlich normal vor Fynn hinstellt. Er kann sich sogar eingeschränkt bewegen, zum Beispiel die Hände in die Hosentasche stecken. Allerdings gelingen ihm seine Bewegungen nur sehr langsam.

„Alles ist eine Frage der Liebe … immer!“, fährt Fynn mit sanfter Stimme fort. Er lächelt Kato an und seine Augen funkeln wie die reinsten Diamanten.

Ein Lichtermeer, denkt Kato fasziniert.

„Doch kennst du die wahre Liebe?“, fragt Fynn weiter.

„Natürlich!“, ranzt Kato ihn an. „Ich liebe meinen Bruder! Ich würde für ihn mein Leben geben!“

„Warum gibst du nicht einfach Packh sein Leben zurück? Das wäre auch wahre Liebe! Nächstenliebe!“

„Kess ist mir aber wichtiger!“, mault Kato ungeduldig.

Fynn lächelt immer noch. Malik starrt ihn gebannt an. Er sieht aus wie ein Engel, denkt er fasziniert.

Doch die kurze Konversation scheint vorbei. Fynn dreht sich weg und schreitet langsam zum schwebenden Packh. Seine Augen glitzern weiter – unwirklich, doch wunderschön. Er senkt seinen Blick auf den Ohnmächtigen und legt ihm sanft eine Hand aufs Herz; die andere auf die Stirn. Einige Sekunden später erwacht Packh und schnappt nach Luft. Sanft senkt sich seine unsichtbare Liege und stellt ihn auf die eigenen Füße.

„PACKH!“, ruft Yassin erleichtert und zieht seinen Geliebten in eine feste Umarmung. „Geht es dir gut?“

Packh lächelt. „Mir ging's nie besser, mein Großer! Ich war nur ein wenig weggetreten, aber jetzt …“ Er schiebt Yassin ein Stück von sich, um sich ausgiebig zu strecken. „Fantastisch! Ich fühl' mich wie neu geboren!“

Fynn lächelt. Das Lichtermeer strahlt inzwischen aus jeder Pore seines Körpers. Als hätte er in Sternenstaub gebadet. Nun steuert er auf Kess zu.

„Steh' auf“, fordert er ruhig den vor ihm kauernden Mann auf. „Und nimm meine Hand!“

Kess folgt und tastet zögerlich mit seiner Rechten nach Fynn. Dieser geleitet ihn vorsichtig in Katos Richtung.

„Setz' dich, Kato!“ Ganz selbstverständlich folgt der Mantikor seiner Aufforderung und lässt sich in das weiche Moos sinken.

„Kess, setz' dich doch zu ihm“, fordert Fynn ihn auf als er direkt neben Kato steht. Auch Kess setzt sich wie befohlen.

„Und jetzt“, schließt Fynn seine Zusammenführung ab. „sollst du Gelegenheit haben, deinen Bruder aus der Dunkelheit zu führen, ...“ Er wendet sich ab, dreht sich jedoch nach zwei Schritten noch einmal um. „... Kess!“, beendet er lächelnd seinen Satz.


Beruhigend legt Kato seine Rechte auf Kess' Schulter.

„Ich bin hier“, murmelt er, um Fassung ringend. Sein Bruder muss nicht unbedingt mitbekommen, wie sehr Kato diese Situation aufregt. Dieser Lichtermeer … was hat er da eben nur gemacht? Selbst auf eine Entfernung von ungefähr drei Metern und mit ihm zugekehrten Rücken konnte Kato den Lichtschein ausmachen, der Packh einhüllte.

Er ist ein verdammter Heiler, stellt er trocken fest. Aber wenn er angeblich so toll ist, warum hilft er dann Kess nicht? Heißt er Maliks Verhalten etwa gut?

Kato atmet tief durch, um sich nicht schon wieder aufzuregen. Wenn er wütend wird, hat sein Mantikor leichtes Spiel und fühlt sich aufgefordert zu handeln.

„Kato ...“, jammert Kess leise und legt eine zitternde Hand auf die seine. „Was soll nur aus mir werden? Ich werde in einer schwarzen Hölle leben … verdammt! Es ist als würde ich die ganze Zeit vor einem gähnenden – alles verschlingenden – Abgrund stehen. Jeder Schritt kostet mich unglaubliche Überwindung.“

Kato dreht sich halb in Kess' Richtung. Er scheint um Jahre gealtert. Sämtliches Blut ist aus seinem Gesicht gewichen. Stattdessen steht ihm kalter Schweiß auf der Stirn. Ein heißer Stich des Mitgefühls fährt durch Katos Herz. Liebevoll streicht er einige verklebte Haarsträhnen aus Kess' Stirn.

„Beruhige dich“, raunt er zurück. „Wir werden den Lichtermeer überzeugen, dass er dir hilft, wieder sehen zu können.“ Er streicht behutsam über den zitternden Oberschenkel. „Was glaubst du hat er damit gemeint, dass du mich aus der Dunkelheit führen sollst?“

Verlegen kaut Kess auf seiner Unterlippe herum. Er ahnt, was Fynn damit sagen wollte. Soll er es wirklich wagen? Soll er Kato die Wahrheit über seine Gefühle zu ihm sagen? Oh, Mann! Was für ein Risiko geht er damit nur ein? Hat er nicht schon genug verloren? Er wird Kato nie wieder von Angesicht zu Angesicht sehen. Wird er ihn also nicht sowieso verlieren? Er ist kein Mann, der seine Zeit damit verschwendet, einen anderen zu pflegen …

Kess seufzt tief. Nun ist es wirklich egal. Er wird es wagen!

„Also … ja“ setzt er zögerlich an. „Ich glaube … ich könnte mir vorstellen ...“

„Ja?“ Neugierig zieht Kato die Augenbrauen hoch.

Kess senkt den Kopf als könnte er noch sehen und würde Katos Blick aus Scham ausweichen.

„Du musst wissen … ich liebe dich, Kato!“

„Ich liebe dich auch, Kess! Du kannst mir alles sagen … auch wenn es sich um bitterböse Kritik handeln sollte. Red' einfach drauf los!“

„Ich hab' dir schon alles gesagt!“ Kess quält sich ein verlegenes Grinsen ab.

„Du … liebst … … ach so“, haucht Kato mit ersterbender Stimme. „Aber ich ...“

„Nein! Nein!“ Kess wedelt beschwichtigend mit beiden Händen. „Ich weiß doch! Bitte mach' dir keine Gedanken, ja? Das ist ganz allein mein Problem. Wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, kann ich das verstehen. Ich erwarte wirklich nichts von dir … ehrlich! Ich wollte es dir nie sagen, aber jetzt ...“ Er zuckt niedergeschlagen mit den Achseln. „... jetzt ist sowieso alles egal. Du wirst mich in deinem Leben nicht mehr haben wollen. Ich bin ein Krüppel!“ Ein abschätziges Geräusch entfährt ihm, doch im gleichen Moment legt Kato einen Finger auf seine Lippen.

„Jetzt halt' mal die Luft an, ja? Denkst du wirklich, ich würde dich mit dem Arsch nicht mehr angucken, nur weil du blind bist oder … weil du … in mich verknallt bist? Für wie abgefuckt hältst du mich eigentlich?! Ich werd' dich beschützen und unser Leben nach deinen Bedürfnissen gestalten. Du kannst auf meinem Bock mitfahren!“, fügt er aufgeregt hinzu, als wäre das Kess' dringlichstes Problem. Schnell hält er inne, als ihm selbst auffällt wie kindisch seine Äußerung war. Doch Kess lächelt. Seine innere Sonne geht auf. Die ganze Zeit hält er die Augen geschlossen. Jetzt rinnen ihm Tränen der Erleichterung über die Wangen.

„Hey“, raunt Kato und tätschelt seinem Bruder hilflos die Schulter. Im Trösten war er schon immer eine Niete. „Sieh' mich an!“

„Ha! Ha!“, erwidert Kess nasal und muss doch grinsen. Er dreht den Kopf und öffnet seine Augen. Und da passiert es. Zuerst wandelt sich die grausame Schwärze in ein sanftes Beige. Wo eben noch Unendlichkeit quälte, zeichnet sich das geliebte Gesicht ab. Kess zwinkert mehrfach. Er kann es nicht glauben.

„Ich kann dich sehen“, keucht er und tastet ungläubig in Katos Richtung.

„Was?“

Kess zwinkert noch einmal und reibt sich die Augen. Als er sie erneut öffnet, sieht er Kato klar und deutlich. Ihn und die ganze wunderbare Schöpfung drumherum.

„ICH SEH' DICH“, jubelt Kess, zieht spontan mit beiden Händen Katos Gesicht zu sich und küsst ihn voller Hingabe. Statt sich angewidert zu wehren, lässt dieser ihn gewähren. Als sich Kess von ihm löst, umfasst Kato ebenfalls dessen Gesicht. Seine Augen strahlen.

„Der Lichtermeer hat dich von dem Fluch befreit, weil du so mutig warst und mir die Wahrheit anvertraut hast!“, stellt er begeistert fest. „Du bist wieder der Alte!“

„Oh, mein Gott“, jauchzt Kess während sich sein Kopf in alle Richtungen dreht, um den Anblick dieses wunderschönen Waldes aufzusaugen. Doch schließlich sackt er wieder in sich zusammen.

„Ich kann nie wieder so sein wie früher“, stellt er mit klarer Stimme fest. „WIR können nie wieder so sein wie sonst … verstehst du das? Du kennst jetzt meine tiefsten Gefühle und ich weiß, dass du sie nicht erwiderst … na ja, eigentlich wusste ich das ja schon immer. Doch ...“ Er legt den Kopf schrägt und rupft an dem Moos neben sich herum.

„Küssen ist kein Problem“, stellt Kato mit belegter Stimme fest.

„Was?“ Kess glaubt, sich verhört zu haben.

„Ja, mein Gott!“ Peinlich berührt hebt Kato kurz beide Arme. „Du weißt, dass ich nicht schwul bin und dass ich total auf geile Weiber steh', aber …“

Kess sieht seinem Gegenüber an, wie sehr er nach Worten ringt. So offen haben sie noch nie über sich oder ihre Gefühle gesprochen. Nun beginnt auch Kato an dem Grün um sich herum zu rupfen.

„Okay, Mann! Ich sag' dir wie ich die Sache sehe. Wir beide haben völlig unterschiedliche Vorlieben, was unser Sexleben betrifft. Weiber machen mich an, Kerle machen dich an. Dazu bin ich ein loser Hund und du bist zurückhaltend. Doch glaub' mir, Bruder, wenn es darum gehen sollte zu wählen, kommst du immer an erster Stelle, ist das klar?“

Beeindruckt nickt Kess mit großen Augen.

„Und dann … also … verdammt, Kess!“ Er runzelt vorwurfsvoll die Stirn. „Wie kannst du nur glauben, du würdest mich anekeln?! Na gut, es macht mich nicht an, einen Kerl zu küssen, aber du … bist doch was anderes. Du bist mein zweites Ich!“

Er kehrt die restlichen Mooskrümel von seiner Lederhose.

„Gib' mir Zeit, Kess, okay? Ich muss mich an alles gewöhnen …“

Kess seufzt erleichtert und sie mustern sich grinsend.

„Übrigens fand' ich deinen Arsch schon immer sexy“, ärgert Kato seinen Bruder und zuckt albern mit den Augenbrauen.

„... und ich deine Augen“, flirtet Kess zurück.

Tatsächlich ... wer hätte das gedacht ... Kato wird rot.

Malik Mantikor: Die Liebe ist ein Lichtermeer

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