Читать книгу Wolken, Wind und Islandpferde - Ингер Фриманссон - Страница 6

3

Оглавление

Der Dienstag war Helis Reittag. Sie erzählte Liza nichts davon.

Eigentlich war Reiten viel zu teuer für sie. Mama hatte nie genug Geld. Sie war U-Bahn-Fahrerin und verdiente wenig, obwohl sie häufig zu unbequemen Arbeitszeiten Dienst machte. Vielleicht deshalb.

Das Gute an der unbequemen Arbeitszeit war, dass man dann eine Zulage kriegte. Schlecht daran war, dass man nicht zu Hause sein konnte, bei seinen Kindern. Unbequeme Arbeitszeit war immer die Zeit, in der andere Familien zusammen sein konnten. Abende und Nächte zum Beispiel. Und an Festtagen.

Aber obwohl Mama ziemlich häufig zu unbequemen Arbeitszeiten Dienst hatte, reichte ihr Lohn nicht hin und nicht her. Wenn sie schlechter Laune war, jammerte sie dauernd über Geld. Wenn Tante Anneli nicht gewesen wäre, hätte Heli ein Pferd nicht mal ansehen können.

Tante Anneli war Mamas ältere Schwester. Vor langer Zeit, bevor Heli geboren wurde, hatte Tante Anneli einen kleinen Sohn gehabt. Er hieß Marcus. Dann hatte er eine gefährliche Blutkrankheit bekommen und war an einem klaren Aprilmorgen gestorben. Mama hatte Heli und Putte davon erzählt, öfter hatte sie es getan, und sie musste jedes Mal den Kopf abwenden, wenn sie von Tante Annelis totem kleinen Jungen erzählte.

Etwas war jedenfalls gut an der Sache – wenn man überhaupt so denken durfte, wenn jemand gestorben war. Tante Anneli hatte viel von ihrer Liebe Heli und ihrem Bruder Putte gegeben. Eigene Kinder hatte sie nicht mehr bekommen.

Außerdem, und das war das Beste, außerdem war Anneli mit Gunni befreundet, der der Stall und die Islandpferde gehörten. Tante Anneli hatte Heli mit zum Stall genommen.

Heli konnte sich noch an das unsichere Gefühl erinnern, wie es war, als sie das erste Mal eine Hand ausstreckte und eins der Pferde berührte, den warmen, etwas wolligen Körper. Das Fell war weich oder auch rau, und es roch so fremd im Stall. Das Pferd wandte ihr sein langes Gesicht zu und betrachtete sie. Es hatte glänzende dunkle Augen.

„Ist das ... gefährlich?“, hatte sie gefragt und einen Schritt rückwärts zu Tante Anneli gemacht. In dem Augenblick schnaubte das Pferd und schüttelte sich. Tante Anneli lachte, aber nicht boshaft, sie gehörte nicht zu denen, die Leute auslachten, die Angst vor Pferden hatten.

„Somi ist ein besonders nettes kleines Pferd“, sagte sie und legte sanft die Hand auf das Pferdemaul. Das Tier stand ganz still.

Tante Anneli hatte ihr gezeigt, wie man ein Pferd sattelte und zäumte, und dann durfte Heli helfen, Somi auf den Hof zu der eingezäunten Reitbahn zu führen.

Es war nicht leicht, auf den Pferderücken zu kommen. Man glaubt, Islandpferde sind klein, aber wenn man aufsitzen will, merkt man, dass das keinesfalls so ist. Schließlich saß Heli jedenfalls oben, und Somi stand die ganze Zeit still, obwohl es ein unangenehmes Gefühl sein musste, wenn so ein tolpatschiges Mädchen versuchte, auf seinen Rücken zu gelangen.

Aber dann saß sie jedenfalls oben und spürte den lebendigen Pferdekörper unter sich. Somis Mähne war ziemlich dicht, Heli wurde von einem starken und unerwarteten Glücksgefühl erfüllt.

Tante Anneli war sehr lieb. Sie begann, Heli Reitunterricht zu bezahlen. Einmal in der Woche holte sie Heli ab, und dann fuhren sie zu den Pferden hinaus.

„Es ist schön, wenn man jemanden hat, mit dem man seine Interessen teilen kann“, sagte sie. „Oder hast du Lust mit Reiten anzufangen, Eeva?“

Helis Mutter lachte verlegen.

„Nein, aber darum geht es doch gar nicht, Anneli. Es geht darum, wie wir das wieder gutmachen können.“

„Wenn du nicht aufhörst, so zu reden, werd ich böse auf dich!“, sagte Tante Anneli.

Und dann hatten sie nicht mehr über die Sache gesprochen. Das war nun schon mehrere Jahre her.

Jetzt fuhr Heli mit dem Fahrrad zum Stall, und sie war so oft dort, wie sie es sich erlauben konnte. Gunni ließ sie manchmal umsonst reiten, weil Heli half, den Stall sauber zu halten. Sie durfte mit der Dienstagsgruppe in den Wald reiten, ein Ausflug, der ungefähr eine oder zwei Stunden dauerte. Sie half Gunni, Tee für die Thermoskannen zu kochen, die sie mitnahmen. Am Ranberg machten sie Rast, ließen die Pferde ausruhen und aßen ihren Proviant, der im Preis für die Gruppenreiter inbegriffen war.

Heli war dienstags oft schon in Reitkleidung in die Schule gegangen und nach der Schule direkt zum Stall gefahren. Aber das ging jetzt nicht mehr. Sie musste erst nach Hause gehen und sich umziehen und dann wie eine Verrückte zum Stall radeln. Sie wollte absolut nicht, dass Liza mitkam. Gunni und die Pferde wollte sie für sich allein behalten.

Sie überlegte, dass sie ihre Reitsachen in Zukunft in einem Schrank bei Gunni aufheben müsste. Dann würde es leichter sein, sich davonzustehlen. Aber der Dienstag war plötzlich nicht mehr so schön wie früher.

In der letzten Stunde hatten sie Englisch. Heli konnte sich kaum konzentrieren. Sie saß angespannt da. Wie sollte sie verschwinden, ohne dass Liza es merkte und sich an sie hängte. Oh, sie wollte in Ruhe gelassen werden!

Jetzt war Liza mit Lesen an der Reihe. Sie lasen in einem langweiligen Buch, das von einer englischen Familie Smith handelte. So hießen alle englischen Familien.

Liza war gut in Englisch. Sie war häufig im Ausland gewesen. Früher, bevor ihr Vater in Konkurs gegangen war.

„Very good, Liza!“, sagte Beata Larsson. „Und jetzt, Magnus, lies du weiter.“

Liza beugte sich zu Heli. „Wollen wir zusammen nach Hause gehen?“

Heli bekam ganz trockene Lippen. „Nein ... ich bin ... mit Mama verabredet.“

„Na, dann lass es!“

„Vielleicht morgen?“

„Mal sehen. Was wollt ihr machen, du und deine Mama?“

Zum Glück wurden sie von der Lehrerin unterbrochen.

„Lizandra und Heli, ihr sollt mitlesen anstatt zu flüstern.“

Heli wurde brennend rot. Die Lehrerin musste sie sonst nie zurechtweisen. Das war ungerecht. Schließlich hatte nicht sie angefangen zu reden.

Wolken, Wind und Islandpferde

Подняться наверх