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Hier hüpft und springt ein Zwerg

In einer eisigen Januarnacht des Jahres 1976 treibt ein kleiner dicker DDR-Bürger ruhelos durch die Erfurter Innenstadt. Nur selten gibt die Dunkelheit den flinken Körper preis im Licht der Straßenlaternen. Mal huscht er hier um eine Häuserecke, mal springt er dort über einen grauen Schneehaufen. Nun überquert er mit kurzen Schritten die sich kreuzenden Straßenbahnschienen auf dem Anger, der zentralen Fußgängerzone der Stadt, und schwenkt in die Schlösserstraße ein. Dabei zerrt er immer wieder an seinem schweren Filzmantel, rafft ihn unter dem Kinn zusammen. Die Knöpfe fehlen seit Wochen. Und ohne einen straffen Zug im Stoff würde der frostige Wind noch intensiver auf den Körper treffen. Zappelig wirkt er mit diesem Zerren am Mantel und den kurzen Schritten. Ebenso unruhig ist auch sein Geist. Denn unserem kleinen dicken Mann ist endlich jener Einfall gekommen, auf den er seit Monaten gewartet hat, und wenn er ehrlich ist, seit Jahren. Nun muss er schnellen Schrittes zu seinem Haus im Schatten der beiden Domplatzkirchen. Dort wartet sein Schreibtisch. Dort warten Papier und Stifte auf ihn, diese Idee festzuhalten. Und er muss eilen, damit er das Bild nicht verliert, damit sich die Formen in seinem Gehirn nicht verflüchtigen und ihm seine derzeit einzige Frau nicht in die Quere kommt – die Partei. Die verfügt erst mit Arbeitsbeginn um 7:30 Uhr über ihn.

Der 55-jährige 1. Sekretär der SED-Grundorganisation des VEB Spielwarenkombinates „Erfi“ aus Erfurt, Anton Schütze, glaubt nämlich immer noch, dass er ein großer Erfinder sei, obwohl er seit Jahren nichts mehr erfunden hat. Schuld daran sind natürlich die Frauen. Das weiß er genau. Die stehen immer im Weg, wenn er kreativ sein will. Ob sie nun aus Fleisch und Blut sind oder in Form dieser verfluchten Partei erscheinen. Andererseits ist er schon auf keine originelle Idee mehr gekommen, als er noch Oberkonstrukteur im Betrieb, also noch nicht Parteisekretär und auch nicht mehr verheiratet war. Die Begebenheit der vergangenen Nacht allerdings hat ihm erneut Recht gegeben. Das stramme Weib im Hotel hat ihm den abgebrochenen Beischlaf übel genommen und Anton zurück in die Nacht geworfen. Natürlich hat sie nicht verstanden, weshalb er den Geschlechtsverkehr nicht bis zum Höhepunkt beibehalten konnte. Wie das so ist bei diesen Geschöpfen, sie können sich nicht damit abfinden, dass es Momente gibt, in denen etwas anderes wichtiger ist als ihre Wünsche.

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