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UWE MADEL Anzügliches zur Kriminacht

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»Sie haben ja heute gar nicht Ihren roten Anzug an – das geht aber nicht!« Auch der Krimi-Fan in Reinickendorf ist wie die meisten Berliner: direkt, schnoddrig, aber im Herzen gut. Was wie ein Anranzer klingt, ist eigentlich ein liebevoller Hinweis. Der Wunsch nach etwas Beständigem in einer Zeit, in der so vieles unbeständig ist.

Den roten Kordanzug habe ich zum ersten Mal 2004 getragen, bei meiner Premiere in der Humboldt-Bibliothek. Es war die 12. Kriminacht – aus heutiger Sicht quasi die Halbzeit.

Ich dachte, das dunkle Rot würde gut zu Mord und Totschlag passen, zu atemloser Stille, wenn Friedrich Ani seinen Tabor Süden nach Vermissten suchen lässt, wenn Cora Stephan als Anne Chaplet ihre kriminellen Fantasien auslebt oder wenn Horst Bosetzky den Serienmörder Karl Großmann auf die Bühne bringt – in einer szenischen Lesung, einer Welturaufführung. Darunter geht’s nicht bei der Kriminacht.

Ich habe den Anzug immer getragen. Auch als ich 2010 selbst mit dem »Krimifuchs« geehrt wurde, dem wichtigsten und einzigen Krimi-Preis in Berlin.

Es war eine überraschende Auszeichnung. Niemand hatte vorher etwas verraten. Mir war gesagt worden, der Preisträger in diesem Jahr wisse noch nichts von seinem Glück. Es solle ein Geheimnis bleiben, erst gelüftet in der Laudatio von Jan Eik. Es dauerte eine Weile, bis mir auf der Bühne schwante, dass ich selbst gemeint war. Ein sehr besonderer Moment, denn plötzlich stand ich gedanklich in einer Reihe mit echten Krimifüchsen wie Günter Lamprecht, Felix Huby, Fred Breinersdorfer oder Jochen Senf – Autoren und Schauspielern, die ich noch immer sehr verehre. Bis heute hat die handgemalte Urkunde einen Ehrenplatz in meinem Arbeitszimmer.

Leider gibt es unter den vielen Preisträgern bislang nur zwei weibliche Krimifüchse. Thea Dorn und Pieke Biermann. Dabei haben die Frauen in Reinickendorf oft besonders raffiniert gemordet. Getreu der alten Ermittlerweisheit: Männer töten, um zu behalten, Frauen, um loszuwerden. Vielleicht wird sich hier bei aller Sehnsucht nach Beständigkeit in den nächsten 25 Jahren doch noch etwas ändern?

Was macht die älteste Kriminacht in Berlin so außergewöhnlich? Aus meiner Sicht ist das vor allem diese sehr besondere Drei-Komponenten-Mischung. Organisator Helge Schätzel ist es immer gelungen, herausragende Autorinnen und Autoren einzuladen mit wirklich spannenden Lebensläufen. Viele Lehrer, aber auch Juristen und Ärzte. Was zur Frage führt, ob bestimmte Berufe den Hang zum Verbrechen auf verhängnisvolle Weise fördern.

Zu jeder Kriminacht gehören aber auch brillante Musiker, die viel mehr liefern als nur Zwischentöne. Und der dritte Erfolgsgarant sind die Zuschauer im stets ausverkauften Saal, die von der ersten bis zur letzten Minute gespannt dabei sind. Mit Grusel in den Augen und Mitgefühl – oder mit Lachtränen, wenn literarisch gesehen ein Polizeieinsatz mal wieder komplett danebengeht.

Ja, und dann ist da noch die Sache mit dem Anzug. Ich verspreche, der Abend mit dem kleinen Schwarzen 2016 bleibt eine Ausnahme. Die Farbe der Kriminacht ist rot. Blutrot!

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