Читать книгу Verzaubert! Ein Kunstwerk aus Zahlen - Isabella Defano - Страница 3

Prolog

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Zufrieden ließ Joel seinen Blick über die Menschenmenge gleiten. Wie bei den letzten drei Kunstausstellungen in diesem Jahr war auch diese sehr gut besucht. Überall standen Pärchen und Gruppen herum, die neugierig die einzelnen Bilder betrachteten. Und soweit Joel wusste, waren sogar einige der Arbeiten bereits verkauft.

Joel liebte diese Veranstaltungen sehr. Der Geruch, die Stimmung, für ihn gab es keinen besseren Ort. Seit der ersten Ausstellung des Künstlers J. D. Lay vor gut fünf Jahren war er jedes Mal mit dabei. Als offizieller Agent des Künstlers arbeitete er eng mit den Galeriebesitzern zusammen. Und diese waren nur zu gerne bereit, die Werke dieses Künstlers auszustellen.

Das war nicht immer so gewesen. Joel erinnerte sich noch gut an die Zeit, in der es eine Absage nach der anderen gegeben hatte. Niemand wollte die Bilder des noch unbekannten Künstlers ausstellen und es hatte viel Zeit und Arbeit gekostet bis zur ersten offiziellen Ausstellung in einer Galerie. Heute war dieser steinige Weg Vergangenheit, denn niemand wollte einen erfolgreichen Künstler wie J. D. Lay abweisen.

Leider hat dieser Erfolg auch Nachteile, ging es Joel durch den Kopf, während er seinen Blick über die Menge schweifen ließ. Nicht selten wurden er und seine Männer von verrückten Fans belästigt, die unbedingt die Identität des Künstlers wissen wollten. Da dieser es vorzog, im Hintergrund zu bleiben, gab es keine Fotos oder Interviews von ihm. Der einzige Weg, über den er mit seinen Fans kommunizierte, war über seine Arbeiten. Zum Glück, dachte Joel und musste wieder an eine Gruppe von fünf Frauen denken, deren Verhalten schon fast an Stalking grenzte. Wenn die wüssten, wer sich hinter dem Pseudonym versteckte, würde sich J. D. Lay vor ihren Belästigungen nicht mehr retten können.

„Sie sind wieder da.“

Als Joel die Stimme seines besten Freundes und Partners Jordan Rathmann hörte, drehte er sich zu ihm um. Dieser zeigte gerade auf eine Gruppe junger Frauen, die sich leise miteinander unterhielten und sich suchend in dem Gang umschauten. Genervt stöhnte Joel auf, denn er kannte sie nur zu gut. Wieso können uns diese verrückten Weiber nicht endlich in Ruhe lassen, ging es ihm durch den Kopf. Und ohne ein Wort zu sagen, ging Joel in die andere Richtung davon, während sein Freund ihm schweigend folgte.

Am anderen Ende der Galerie angekommen, zogen sich Joel und Jordan in eine Nische zurück. Hier waren sie vor neugierigen Blicken geschützt und konnten sich in Ruhe unterhalten.

„Ich kann nicht glauben, dass Britta und ihre Mädels extra aus Deutschland nach Wien gekommen sind“, sagte Joel genervt und schüttelte mit dem Kopf. „Also langsam ist das nicht mehr lustig. Schon seit der Ausstellung in München, vor gut einem Jahr, reisen sie uns praktisch hinterher.“

Jordan zuckte mit den Schultern und sah seinen Freund belustigt an.

„Vielleicht lieben sie J. D.s Bilder so sehr, dass sie keine Ausstellung verpassen wollen.“

Verwirrt sah Joel seinen Freund an, der kurz darauf zu lachen begann.

„Das war ein Witz. Auch mir ist aufgefallen, dass es diese Frauen langsam übertreiben.“

„Übertreiben“, sagte Joel wütend. „Nach allem, was sie sich letztes Mal geleistet haben, müsste ich sie eigentlich rausschmeißen lassen.“

„Joel …“, begann Jordan zu sprechen, doch dieser winkte ab.

„Dafür gibt es keine Entschuldigung“, sagte Joel zornig. „Sie haben einen potenziellen Kunden so lange belästigt, bis dieser völlig genervt gegangen ist. Und das nur, weil ich mich vorher eine Weile mit ihm unterhalten habe. Sie dachten, er wäre J. D. Lay.“

„Woher weißt du das?“, wollte Jordan wissen und sah seinen Freund mit seinen grauen Augen fragend an.

Joel strich sich kurz durch sein schwarzes schulterlanges Haar und lehnte sich lässig an die Wand.

„Britta hat mich darauf angesprochen. Sie wollte von mir wissen, ob dieser Mann der schüchterne Künstler sei, der sich vor seinen Fans versteckt. Natürlich habe ich Nein gesagt, doch sie hat mir nicht geglaubt.“

„Oh, Mann“, meinte Jordan und wischte sich eine braune Strähne aus dem Gesicht. „Langsam verstehe ich, warum du nicht willst, dass jemand die Wahrheit über den Künstler erfährt.“

Joel nickte.

„J. D. würde sich vor Frauen wie Britta nicht mehr retten können. Dabei ist er nur Maler und kein Prominenter.“

Nachdenklich sah Jordan seinen Freund an. Ihm war klar, dass mehr dahinterstecken musste. Doch er wusste auch, dass Joel hier an diesem Ort bestimmt nicht darüber sprechen würde. Hinter jeder Ecke könnte sich ein verrückter Fan oder ein Reporter verstecken. Und die Identität des Künstlers zu schützen, stand für seinen Freund an oberster Stelle.

„Tja, für manche gibt es da keinen Unterschied“, warf Jordan ein, dann wechselte er das Thema. „Wie läuft die Ausstellung sonst so?“

Dankbar sah Joel Jordan an. Er war froh, das Thema Britta Rosetti nicht weiter vertiefen zu müssen. Denn dies würde ihn nur noch wütender machen. Und an einem Tag wie heute wollte er sich freuen und nicht sich ärgern. Schließlich war diese Galerie der Höhepunkt dieser Ausstellungsrunde.

„Ich bin sehr zufrieden“, antwortete Joel auf die Frage seines Freundes und schluckte seine Wut herunter. „Von Giovanni habe ich erfahren, dass es bereits einige Angebote gibt. Wahrscheinlich werden am Ende nicht mehr viele Kunstwerke übrig bleiben.“

„Das hört sich gut an“, meinte Jordan und lehnte sich an die gegenüberliegende Wand. „Doch ehrlich gesagt habe ich nichts anderes erwartet. Die Bilder sind unglaublich geworden. Ich wünschte, ich könnte so etwas Besonderes erschaffen.“

Joel winkte ab.

„Jordan, es sind nur Stillleben“, meinte Joel und schüttelte mit dem Kopf. „Bilder von Häusern, Gärten oder dem Meer. Natürlich freue ich mich, dass den Leuten die Bilder gefallen. Doch der Wirbel, der teilweise um diese Werke veranstaltet wird, ist einfach zu viel.“

„Ich denke, das liegt viel an der Anonymität des Künstlers“, vermutete Jordan. „Wer weiß, vielleicht würde der Rummel nachlassen, wenn die Identität des Malers bekannt wird.“

Joel blieb skeptisch.

„Oder es wird nur noch schlimmer und J. D. kann keinen Schritt mehr tun, ohne belästigt zu werden. Glaub mir“, sagte Joel frustriert, „er hat schon oft darüber nachgedacht. Doch im Grunde ist es zu riskant. Solange es Frauen wie Britta und ihre Anhängerinnen gibt, ist es besser, den Mund zu halten.“

Bevor Jordan etwas erwidern konnte, stand plötzlich eine Gruppe junger Frauen vor ihnen. Genervt stöhnte Joel auf. Toll, sie haben uns gefunden, dachte er frustriert. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Joel“, sagte Britta mit einem Lächeln auf den Lippen. „Wir haben dich schon gesucht. Wirklich eine gelungene Veranstaltung. Und, wird uns der Künstler heute endlich die Ehre geben?“

Am liebsten hätte Joel dieser Frau so richtig die Meinung gesagt, doch er wollte keinen Skandal riskieren. Er wusste, dass auch einige Reporter anwesend waren. Und das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein Foto von ihm in der Zeitung, wie er sich mit einem der Besucher stritt. Also drängte er mit aller Kraft seine Wut zurück und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Ich denke, du kennst die Antwort auf deine Frage“, sagte Joel ruhig und mit ernster Stimme.

Als die Frauen jedoch keine Anstalten machten, zu verschwinden, hatte er die Nase voll.

„Das hier muss aufhören“, sagte Joel kalt. „Ihr solltet euch lieber ein anderes Opfer suchen, denn die Identität von J. D. werdet ihr nie erfahren. Oder glaubt ihr wirklich, ich würde zulassen, dass ihr ihn im Anschluss Tag für Tag belästigt?“

Gespielt unschuldig sah Britta ihn vorwurfsvoll an.

„Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst. Wir sind lediglich treue Fans, die den Künstler einmal persönlich treffen wollen.“

Joel ging nicht darauf ein, sondern sah die Frauen nur wütend an. Er hatte keine Lust mehr, mit ihnen zu diskutieren. Es würde sowieso nichts bringen. Schon zu oft hatte er es auf höfliche Weise versucht. Damit war ein für alle Mal Schluss.

„Ich denke, wir haben uns schon verstanden“, sagte er daher nur und schaute abwechselnd jeder der sechs Frauen in die Augen.

Sie sollten erkennen, dass er es ernst meinte. Dann wandte er sich seinem Freund zu.

„Lass uns verschwinden.“

Jordan nickte, und ohne die Frauen weiter zu beachten, gingen sie davon.

Die nächsten Stunden verbrachten Joel und Jordan damit, durch die Galerie zu laufen und sich mit den Besuchern zu unterhalten. Alle lobten die ausgestellten Werke und wünschten dem Künstler weiter alles Gute. Einige überreichten Joel sogar Geschenke, die er an J. D. weitergeben sollte. Alles in allem war die Veranstaltung ein großer Erfolg. Und selbst Britta und ihre Freundinnen waren irgendwann verschwunden.

„Alle Bilder sind verkauft“, sagte Joel, als sich die Galerie geleert hatte, und sah seinen Freund zufrieden an. „Giovanni meinte sogar, es hätten noch viel mehr sein können.“

Jordan lachte auf und sah sich um. An jedem Bild hing ein Zettel mit dem Wort „Verkauft“. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kam plötzlich Giovanni Rodriguez, der Geschäftsführer der Galerie, schnell auf die beiden Männer zu.

„Entschuldige, Joel“, sagte Giovanni, als er vor ihm stand. „Ich habe deinen Bruder auf Leitung zwei. Es scheint sehr wichtig zu sein.“

Verwirrt sah Joel in die braunen Augen des Galeriemitarbeiters. Juan?, dachte Joel verwirrt. Warum ruft er mich hier in der Galerie an? Wir wollten uns doch übermorgen treffen. Ist ihm etwas dazwischengekommen? Leicht nickte Joel Giovanni zu, dann ging er in Richtung des Büros. Die ganze Zeit überlegte er, was wohl der Grund von diesem plötzlichen Anruf sein konnte. Noch nie hatte sein Bruder ihn in einer der Galerien angerufen oder ihn hier besucht, dabei hatte er ihn schon oft zu einer Ausstellung eingeladen. Aber seit dem Tod seiner Frau, hielt Juan nicht mehr viel von solchen Vergnügungen, sondern zog sich immer mehr in seine Arbeit und sein Studium zurück.

Im Büro angekommen, griff Joel nach dem Hörer, der neben dem Telefon lag.

Ciao, Juan. Was ist denn los?“

Wie immer, wenn er sich mit seinen Eltern oder Geschwistern unterhielt, wechselte Joel sofort in seine zweite Muttersprache, Italienisch.

„Joel, du musst sofort nach Hause, zu unseren Eltern fahren. Ich habe morgen noch eine wichtige Prüfung und kann daher erst später nachkommen.“

Verwirrt sah Joel zu Jordan, der gerade ins Zimmer gekommen war. Was soll ich zu Hause?, fragte sich Joel. Jade wollte doch mit den Eltern nach Judenburg, zu Tante Melanies Geburtstagsfeier.

„Juan, was meinst du damit?“, fragte er verwundert. „Da ist doch niemand. Sie sind alle auf der Farm.“

Es folgte ein kurzes Schweigen, dann sprach Juan weiter. Erst jetzt hörte Joel die leichte Verzweiflung in seiner Stimme.

„Sind sie nicht. Wegen der aktuellen Kollektion ist ‚Papà in Dornbirn geblieben und Mamma wollte ihn nicht alleine lassen. Jade ist daher alleine gefahren. Vor zehn Minuten hat mich Christian von der Farm aus angerufen. Mamma hat sich bei Jade gemeldet, weil sie niemanden von uns erreichen konnte. Wir sollen sofort kommen.“

Es folgte ein langes Schweigen und Joel begriff, dass etwas Schreckliches vorgefallen sein musste. Bevor er aber etwas sagen konnte, sprach sein Bruder weiter und Joel hatte das Gefühl, als würde ihm jemand den Boden unter den Füßen wegziehen.

„Joel, Papà hatte im Büro einen Herzinfarkt und liegt auf der Intensivstation. Es sieht nicht gut aus.“

Verzaubert! Ein Kunstwerk aus Zahlen

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