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Ende der Vorrede und des ersten Bändchens

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Der Leser wird noch aus dem Anfange der Vorrede wissen, daß ich so glücklich war, den alten Kaufmann auf eine große Mohngarbe zu bringen und seiner Tochter ein frohes Laubhüttenfest aus den Herzblättern des gegenwärtigen Hausgärtchens zu geben... Aber der böse Feind weiß einen Platzregen auf unsre schönsten Feuerwerke zu wehen. Ich tat nichts als meine Pflicht, wenn ich eine kleine Taschen-Leihbibliothek für ein armes stilles Ding von Mädchen war, dem der Alte keinen Umgang zuließ, der vernünftig war, als den mit dem Papagei und mit dem vorigen Gerichthalter.

Der erste stand in seinem Bauer neben ihrem Dintenfaß und Schmierbuch und erlernte von ihr, was ein Buchhalter als Deutsch-Italiener zur Korrespondenz zu wissen braucht. Und da ein Papagei allemal durch einen Taschenspiegel am Käfig zu Sprachsachen ermuntert wird: so sahen beide, die Sprachmeisterin und der Zögling, miteinander hinein. – Das andere, der Gerichthalter, war ich. Aber der Hauptmann ließ sie – aus Furcht vor uns verführerischen Prinzessinnenräubern und Raubbienen und weil ihre Mutter tot war und weil sie in der Schreibstube zu brauchen war – mit keinem Herrn reden als unter sechs Augen und vor ebensoviel Ohren. Daher kam selten ein Herr, außer mir, anstatt daß sonst ein Vater sich durch eine blühende Tochter ganze männliche Insektensammlungen ins Haus lockt, wie ein Kirschbaum, der am Fenster in Blüte steht, Wespen und Bienen in die Stube zieht. Es war nicht eines jeden Sache, wenn er ein gescheutes Wort – d. h. eines, das der Vater nicht hörte – mit ihr reden wollte, erst vor diesem Argus das Flötenregister zu ziehen und eine Stunde zu orgeln und hundert grüne Augen zuzusperren, um in zwei blaue zu schauen; meine Sache war es zwar, aber die Welt höre, was mir für ein Dankpsalm und für eine Dankadresse dafür ward.

Der Alte hatte sich nämlich – mißtrauisch durch mein langes Dasitzen am vorigen Abend geworden – an diesem nur angestellet, als schlief' er, um zu sehen, auf was ich ausginge. Sein eiliges Entschlafen, wie sich der Leser aus dem Anfange dieser Vorrede besinnt, hätte mich überhaupt mehr frappieren sollen; ich hatte noch dazu selber schon aufs Gegenteil gerechnet und ihm deswegen Extrakte aus mehren Vorreden als dieser zu Niklasruhen oder Schlafpulvern zugedacht. Denn obgleich die Rabbinen lehren, daß zwölf Heukörbe mit leerem Gewäsche vom Himmel gefallen wären und daß neun davon bloß die Weiber aufgegriffen hättenBuxt. lex. p. 221. : so ists doch nur mit der Einschränkung wahr, daß sich die Vorredner – und die Rechtsfreunde – besagte neun Körbe zu ihrer Nutznießung erheiratet haben, von ihren Weibern als Eingebrachtes.

Der diebische Horcher wartete liegend meinen Rapport von den zwei Blumenstücken und von den vier Kapiteln dieses Werkleins ab: am Ende des vierten prallte er in die Höhe wie eine aufschnellende Maulwurffalle, worauf man getreten hat, und fiel mich von hinten mit folgender Huldigungpredigt an: »Hat Sie denn der lebendige Teufel beim Schopf? – Sie kommen aus Berlin und wollen meiner leiblichen Tochter da atheistisches windiges Romanenzeug in den Kopf setzen, daß sie in kein Kontor mehr taugt, wie? Machen Sie mir meinen nicht warm, Herrrrr!« –

»Nur auf ein Wort!« sagt' ich gelassen und zog ihn in die finstre ungeheizte Nebenstube hinaus, »Hr. Zopfhaupt, nur auf ein halbes Wort!«

In der dunkeln Sakristeistube legte ich die zwei Hände auf seine Achseln und sagte: »Hr. Zopfhaupt, denn so hieß unter Karl dem Großen ein jeder Hauptmann, weil damals die Soldaten – wie jetzo die Weiber – einen Zopf statt einer Fahne vor sich hattenMösers Osnabrückische Geschichte etc. 1. Tl. . – – Ich beiße mich heute, wo das alte Jahr untergeht und ein neues auf, mit Ihnen nicht herum; ich beteur' Ihnen, daß ich der SohnWer den Hesperus später lieset als diese Vorrede, dem muß die unschuldige Neubegierde gelassen werden. Der andere hat sie schon gestillt. des ****en bin und daß ich Sie nicht wieder sehe und daß Sie gleichwohl alle Wiener Briefe haben sollen. Aber ich bitte Sie um Gottes willen, lassen Sie Ihre Dlle. Tochter lesen. Jetzo lieset jeder Kaufherr, der sie heiraten kann, und jede Kauffrau, die schon einen hat: und gesponnen und gekocht wird in unsern Tagen – das sehen Sie aus den Hemden und Wänsten – bei aller Lektüre noch immer genug. Und verführen – kann ein Leser gerade eine Leserin am schwersten und eine ABC-Schützin am besten. – – Das sehen Sie an der Stenzin. Hr. Hauptmann, ich bitte Sie!«

»Ei, daß dich – über den lebendigen Windfächel! was kümmert Sie mein Ding drinnen (seine Tochter)?« war seine Replik. – Ein wahrer Glückhafen wars für mich, daß ich in den zwei heiligen Abenden nichts, unter dem größten relatorischen Feuer, nichts von der Tochter in die Hände genommen hatte als – statt der ihrigen – etwan für einen Groschen Kopfhaar, das mir noch dazu in die Finger ordentlich wuchs. Es wäre wenig gewesen, im biographischen Relatorium ihre Hände zu ergreifen, es wäre gar nichts gewesen; aber wie gesagt, ich hatt' es bleiben lassen: du, hatt' ich zu mir gesagt, genieße ein schönes Gesicht wie ein Gemälde und eine weibliche Stimme wie einen Nachtigallenton und zerknülle das Gemälde nicht und erdrücke die Philomele nicht! Wie, muß denn jede artistische Tulpe zu einem Salat, jedes Altartuch zu einem KamisolProkulus, Landpfleger des Genserichs, stahl alle orthodoxe Kirchen in der Zeugitianischen Provinz in Afrika aus und ließ die Altartücher zu Kamisölern und Hosen verarbeiten. Simonis Christl. Altertum. p. 286. verschnitten werden? – Bei solchen Grundsätzen ist jedem leicht die Angst begreiflich, in der ich sonst fast alle Abende über den Eindruck war, den etwan meine Gestalt in Paulinens Herz nachlassen könnte, bis ich mich damit beruhigte, daß ich ein Advokat und Gerichthalter wäre und daß ich mich also über zweierlei Schönheiten Miltons erhöbe, über seine poetischen und übers eine physiognomischen, die dem Poeten den Ekelnamen Miß Milton zugezogen

– Unter allen Wahrheiten glaubt man die am letzten, daß gewisse Menschen mit keiner zu bekehren sind: – daß der Zopfhaupt unter diese gewissen gehöre, fiel mir spät endlich bei, und ich nahm mir vor, ihm keine andre Predigt zu halten als meine spaßhafte Straf- und OsterpredigtIn dem Mittelalter wurde am ersten Ostertage auf der Kanzel Spaß gemacht, den man ein christliches Ostergelächter hieß. : »Hr. Zopfhaupt, leiser, Mademoiselle hört sonst jeden. Sie haben den guten Sommervogel ins Brief-Kopiebuch festgespießt; aber am jüngsten Gerichte verklag' ich Sie, daß Sie ihr meine Werke nicht zu lesen geben. Ich wollte, Sie hätten sich nur wenigstens so lange schlafend gestellt, bis ich ihr die übrigen Teile von der kuhschnappelischen Historie hätte auserzählt gehabt, weil gerade in ihnen die wichtigsten Dinge, Siebenkäsens Zank, Tod und Heirat, vorkommen. – Mademoiselle! ich werde aber meinen Hrn. Verleger in Berlin ersuchen, Ihnen die folgenden Teile, sobald sie aus der Presse gehoben sind, noch feucht wie eine Zeitung zu übermachen. – Und damit Gott befohlen, Hr. Zopfhaupt, er schenke Ihnen statt des neuen Jahrs ein neues Herz und der guten Tochter ein zweites in ihres hinein.«

Der Elementenstreit unsrer ungleichartigen Bestandteile wurde immer lauter; – mehr sag' ich nicht, weil jeder Beisatz Rachsucht schiene. Glücklich preise – das darf ich zu allen Zeiten sagen – glücklich preise sich jede Tochter (aber die wenigsten erkennen es), die meine Werke lesen darf, wenn der Vater wacht. – Unglücklich ist jeder Oehrmannische Bediente, weil das Zopfhaupt ihn wie einen Windhund ausgehungert zu schnellem Läufern, aber nicht auf dem Klavier, so wie die Kinder der Tänzer nichts zu essen kriegen, um besser zu springen! Und glücklich ist jeder Dürftige, der nichts mit ihm zu tun hat, weil Jakob Oehrmann allen Menschen gerade so viel moralischen Kredit gibt, als sie kaufmännischen haben, an welches Rekrutenmaß des Wertes ihn die Kaufleute gewöhnt haben, die einander mit metallnen Ellen messen! Bloß ganz Arme hat er als Fußgestelle seiner Milde lieb, weil er Almosen, die er im Namen und aus dem Kammerbeutel der Stadt verteilt, für seine hält... Friede sei mit ihm! Ich hatte nur damals das Friedenfest der Seele, das ich im Fruchtstücke dieses Buchs beschrieben»Das Fest der Sanftmut am 20 März.« Es beschließt das dritte Bändchen. , noch nicht mitfeiern helfen und hatte über das Erlaßjahr, das in unserm Herzen so lange gegen alle moralische Schuldner dauern soll wie der lange Reichstag, noch wenig von dem gelesen, was ich darüber geschrieben; ich hätte sonst dem Zopfhaupte nicht einmal widersprochen.

Durch meine Abschiedrede an die Tochter ärgert' ich ihn leider noch einmal, weil ich ihr und ihm einerlei wünschte, um zu verbergen, wem ich wünschte: »Ich sage Ihnen, Hr. Zopfhaupt und Mademoiselle, ein langes Lebewohl – ich werde Ihnen beiden keine meiner Lebenbeschreibungen in elysischen Abenden ohne Abschweifungen mehr erzählen können, und die hl. Abende und die hl. Tage werden vorübergehen, ohne daß ein Mann ins Haus tritt, der Sie beide sehr rührt. Das Schicksal erstatte beiden die Büchermacher durch Bücher – es gebe dem trägen Herzen zuweilen einen poetischen Schlag, der stillen Brust einen süßen Seufzer, der sie mit Ahndungen schwellt, Ihren beiden Augen einige Tropfen, wie sie ein Andante auspreßt, und führe Sie aus dem heißen Sommer voll Mühe statt in einen Nachsommer in einen blühenden singenden Lenz... Und gute Nacht!« –

– Und wär's mein Erbfeind: er würde mir nahe gehen, wenn ich beim Abschiede dächte: du siehst ihn nicht mehr. Pauline war eigentlich keine Erbfeindin. – Draußen auf den Gassen liefen noch mehre Neujahr-Gratulanten, die Nachtwächter, herum, die ihre Wünsche in Blas-Musik setzten und in schlechte Verse. Mich bewegt allezeit ein steifer altväterischer roher Vers, zumal aus einem ihm angemeßnen Munde, inniger als ein saftloser neuer mit elenden Eis- und Federblumen, und eine ganz elende Poesie ist besser als jede mittelmäßige. Ich beschloß, zum Tore hinauszugehen und die Brust voll sehr unähnlicher Bewegungen – eben weil es erst 11 Uhr und die kalte Nacht voll Sterne war – und weil es die letzte des Jahrs war und ich in das neue nicht wie in das zweite Leben schlafend übergehen wollte, sondern wachend – ich beschloß, die schlagende erhitzte Brust ins Freie in einen stillern Zirkel zu tragen...

Wenn man einen Menschen in eine unabsehliche leere Sarawüste laufen ließe – und ihn nachher wieder in die engste Ecke drückte: so würde ihn dasselbe sonderbare Gefühl seines Ich anfallen – der größte und der kleinste Raum beleben gleich sehr das Bewußtsein unsers Ich und seiner Verhältnisse. Nichts wird überhaupt öfter vergessen als das, was vergisset, das Ich. Nicht bloß die mechanischen Arbeiten der Handwerker ziehen den Menschen ewig aus sich heraus: sondern auch die Anstrengungen des Forschens machen den Gelehrten und den Philosophen ebenso taub und blind gegen sein Er und dessen Stand unter den Wesen; ja noch tauber und blinder. Nichts ist schwerer, als einen Gegenstand der Betrachtung, den wir allzeit außer uns rücken und vom innern Auge weit entfernen, um es darauf zu richten, zu einem Gegenstande der Empfindung zu machen und zu fühlen, daß das Objekt das Auge selber sei. Ich habe oft ganze Bücher über das Ich und ganze Bücher über die Buchdruckerkunst durchgelesen, eh' ich zuletzt mit Erstaunen ersah, daß das Ich und die Buchstaben ja eben vor mir sitzen.

– Der Leser sei aufrichtig: hat er nicht sogar jetzo, da ich darüber zanke, vergessen, daß er hier Buchstaben vor sich hat und sein Ich dazu? –

Aber draußen unter dem schimmernden Himmel und auf einem Schneeberge, um den eine gestirnte weite starre Fläche glimmte, riß sich das Ich von seinen Gegenständen ab, an denen es nur eine Eigenschaft war, und wurde eine Person, und ich sah mich selber. Alle Zeit-Absätze, alle Neujahr- und Geburttage heben den Menschen hoch über die Wogen um ihn heraus, er wischt die Augen ab und blicket im Freien herum und denkt: »Wie trieb mich dieser Strom und übertäubte mein Gehör und überflutete mein Gesicht! – jene Fluten drunten haben mich gezogen! Und diese oben, wenn ich wieder untertauche, wirbeln mich dahin!«

Ohne dieses helle Bewußtsein des Ich gibt es keine Freiheit und keine Gleichmütigkeit gegen den Andrang der Welt.

Ich will in meiner Erzählung fortfahren. Ich stand auf einem Eisberge, obwohl mit einer glühenden Seele – der zerspaltne Mond schien hell hernieder, und die Schattenstücke der Tannenbäume um mich lagen wie zerstückte Glieder der Nacht schwarz auf dem Liliengrund aus Schnee. – Drüben, weit von mir, knieete, wie es schien, ein Mensch unbeweglich auf der Straße.

Jetzt schlug es 12 Uhr und das schlachtenvolle Jahr 1794 fiel mit seinen Strömen von Blut in das Meer der Ewigkeit; das nachsummende Wogen des Glockentons sagte mir gleichsam: jetzo hat das Schicksal euch Hinfälligen das alte Jahr mit dem 12ten Schlage bei der Versteigerung von Minuten zugeschlagen.

Der knieende Mensch auf der Straße stand nun auf und ging eilig davon. Ich konnte im hellen Mondlicht ihm und seinem Schatten lange nachsehen.

Ich verließ meinen Berg, den Grenzhügel zwischen zwei Jahren, und ging hinunter auf die Straße, wo der Mann geknieet hatte. Ich fand einen Kreuzweg und ein verlornes handdickes schwarzledernes Gebetbuch in Duodez, dessen Blätter gelb gelesen waren. Auf dem einzigen weißen vornen stand der Name des Besitzers, dessen Kniee hier tiefe Spuren in das harte Glatteis gehöhlt hatten. Ich kannt' ihn wohl, es war ein sogenannter Häusler, der zwei Söhne in den jetzigen Krieg stellen müssen. Als ich weiter nachsah: fand ich im Schnee einen Kreis, den der Furchtsam-Kecke als einen Ring gegen böse Geister gezogen hatte.

Ich erriet alles: der Blödsinnige, dessen Seele in einer ringförmigen Sonnenfinsternis lebte, wollte in der feierlichen Nacht das ferne dumpfe Donnern der Gewitter in der Zukunft behorchen und hatte sich nicht mit dem Körper, sondern mit der erniedrigten Seele auf die Erde gelegt, um den Vorschritt der fernen Feinde zu hören. »Eingeschränkte bange Seele«, dacht' ich, »warum sollen über die heitre stille Nacht die künftigen Toten mit ihren Wunden ziehen und deine schlafenden Söhne ohne Glieder? Warum willst du schon die fliegenden Flammen der Feuerbrünste sehen und alles düstre Getümmel des ungebornen Jammers, der noch keine Zunge hat, vernehmen? Warum sollen auf die Särge, die im künftigen Jahre noch, wie in Pestzeiten, ohne Aufschrift stehen, die Namen kommen? – O, dein Salomons-Ring hat dich nicht beschirmt gegen den würgenden Geist in unsrer Brust. – Und die ungestalte Riesen-Wolke, hinter der der Tod und die Zukunft steht, wird, wenn wir nahe an sie treten, der Tod und die Zukunft selber.«... –

In solchen Stunden legen wir alle gern unsern Hut und unsern Degen auf die Bahre und uns dazu – die veralteten Narben brennen noch einmal, und unser falsch geheiltes Herz wird wie ein übel eingerichteter Arm wieder gebrochen. – Aber der grausame schneidende Blitz einer großen Minute, dessen Widerschein über den ganzen Strom unsers Lebens leuchtet und reicht, ist uns nötig, um uns gegen die Irrlichter und Johanniswürmchen, die uns in jeder Stunde antreffen und führen, blind zu machen, und der leichtsinnige Mensch hat eine heftige Erschütterung gegen seine kleinen immerfort nagenden Bewegungen nötig. Daher ist eine Neujahrnacht für uns kleine Schaltiere, die am Schiffe der Erde saugend kleben, wie die mythologische Nacht eine Mutter vieler Götter in uns – und in einer solchen Nacht geht für uns ein höheres Normaljahr an als das, darin 1624 anfing. Und mir war, als müßt' ich, es sei aus Demut oder Reue, in die Spuren des armen kinderlosen Vaters niederknieen...

Jetzo trieb ein lebendiges Wehen auf einmal von der Stadt helle erheiternde Töne wie Blumenduft und Blütenstaub über die verhärteten Ebenen daher: Waldhörner und Trompeten warfen vom Turme der Stadt ihre lebendigen Töne über die schlafende Welt und führten froh und kräftig die erste Stunde des neuen Jahrs unter die ängstlichen Menschen ein. Und ich wurde auch froh und kräftig: Ich hob das Auge vom weißen Schleier des künftigen Frühlings auf und sah nach dem Monde; und auf seinen häufigern Flecken, welche in der Nähe grünenNach Schröters Beobachtungen stellen sich uns die grünenden Strecken des Mondes als Flecken dar, weil sie weniger Licht zurückwerfen als kahle weiße. , sah ich unsern Erden-Frühling in Blumen ruhen und darin mit ausgebreiteten Flügeln zucken, um bald mit andern Zugvögeln zu uns, mit Lerchentönen und Pfauenspiegeln geschmückt, herabzufallen. –

Die entfernten Neujahrtöne flatterten noch immer um mich; ich wurde viel glücklicher und weicher und sah die künftigen Schmerzen des neugebornen Jahrs, und sie glichen – so schön verkleideten sie sich – einigen vergangnen oder den Tönen um mich. So nimmt der Regen, der durch die große Höhle im Gebirge von Derbyshire fällt, in der Ferne den Klang von melodischem Getöne anS. Moritz Reise durch England. .

– Aber als ich umhersah und mir die weiße Erde wie eine weiße Sonne vorkam und der stille, vom tiefen Blau berührte Kreis um mich wie ein Familien-Zirkel verschwisterter Wesen – als die Töne, wie schönere Seufzer, meinen Gedanken nachfolgten – als ich am Sternenhimmel so viele tausend unverrückte Zeugen der schönen abgeblühten Minuten, deren Samen die höhere Güte weiter streuet, dankbar anschauete – als ich an die schlafenden Menschen um mich dachte und ihnen wünschte: »schließet froher morgen eure Augen auf« – und als ich an die wachenden unter mir dachte, deren eingeschlafne Seele denselben Wunsch bedarf: da wurde die Brust, die so schöne Töne und die heutige Nacht längst beklemmten, nun zu voll und zu schwer, und der blaue Himmel und der blitzende Mond und die flimmernden Berge aus Schnee flossen und sanken zusammen zu einem großen schwimmenden Schimmer. – – Und im Schimmer und unter dem Getöne hört' ich die Stimmen meiner Freunde und guter Menschen, wie sie einander bang' und weich die Wünsche eines frohen neuen Jahrs brachten; aber ihre rührten mich zu sehr, und ich konnte meinen kaum denken: »O, es geh' euch allen wohl in jedem Jahre!«

Siebenkäs

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