Читать книгу Lindenstadt und sächsischer Kleinkram - Jens Rübner - Страница 9

Es war einmal – nicht nur Märchen beginnen so!

Оглавление

Vor vielen, vielen Jahren … nein, nein keine Bange, hier handelt es sich nicht um ein Märchen, sondern um eine Zeit, die es tatsächlich gab – die DDR (so seinerzeit das gängige Kürzel, fast hat man’s vergessen). Es war die Zeit, als Autos vom Typ Trabant, Wartburg oder Wolga durch die Kohlen-grauen Straßen fuhren. Als die Kennzeichen für den Bezirk Leipzig entweder mit einem S oder einem U begannen. Des Weiteren ist mir in Erinnerung, dass auf keinem Sender dermaßen viele gleichgeschlechtliche Liebesbeweise zusehen waren, wie auf DDR 1 und 2. Die Rede ist natürlich von den sozialistischen Bruderküssen, die in keiner ‚Aktuellen Kamera‘, der Nachrichtensendung des Deutschen Fernsehfunks, dem späteren Fernsehen der DDR fehlen durften. Unschönerweise wurden die Akteure, ihres Zeichens meist im hohen Rentenalter, in diesen Momenten noch dazu ganz nahe herangezoomt. Igitt, war das unästhetisch! Aber andererseits: Wenn man heute Wiederholungen dieser Nachrichtensendungen von damals sieht, kann man vor deren beispiellosem Mut zur Anästhetika nur den Hut ziehen. Aber, vielleicht wussten die Macher auch einfach nur, dass ohnehin kaum jemand zusah.

Jeder erinnert sich an die Zeit, in der für viele DDR-Bürger das 1. und das 2. die einzigen Optionen werk- und feiertäglicher Abendgestaltung waren. Auch wenn in der DDR ein zweites Fernsehprogramm bis 1969 auf sich warten ließ. Schließlich geschah in der Deutschen Demokratischen Republik alles „aus Anlass“ und „zu Ehren“. So begannen auch die regelmäßigen Farbsendungen erst mit der Einführung des zweiten Programms kurz vor dem 20. Jahrestag der DDR zum 3. Oktober 1969.

Da die DDR aber schon damals in der glücklichen Lage war, von vielen zivilisierten Nachbarstaaten umgeben zu sein, gab es mancherorts doch die Möglichkeit, ein paar andere Gesichter (aus dem West-Fernsehen) in der Glotze anzutreffen. Seit 1963 gab es in der BRD auch ein zweites Fernsehprogramm. Doch das ZDF wurde auf UHF ausgestrahlt; dafür waren unsere Geräte aber nicht vorgesehen. Findige Bastler bauten deshalb in der DDR UHF-Konverter mit geschmuggelten Transistoren vom Typ AF 139 ein, die den Empfang dann ermöglichten.

In jedem Fall waren beide Programme an manchen Abenden bemüht, auf der so ärmlich ausgestatteten Senderskala mit ihren zielgruppengerechten Sendungen die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen.

So erinnere ich mich an die Kindersendung: „Mach mit, mach's nach, mach's besser“ mit einem Billigtrainingsanzug-Träger namens Adi und von Zeit zu Zeit wechselnden kleinen Mädchen als, wie man heutzutage sagen würde, Co-Moderatorinnen. Als pubertierender Jüngling an das militärpolitische Magazin Radar. Die 30-minütigen Sendungen handelten von der Wehrerziehung und der Militärpolitik der DDR sowie ihren militärischen Bündnispartnern. Offenbar war ich der einzige Zuschauer dieses Magazins. Auf Nachfrage behaupteten bislang alle, und zwar alle Bekannten und Verwandten aus der ehemaligen DDR, von diesem Magazin nie gehört zu haben. Hätte es nie gegeben. Ja, spinne ich? Die Schützenpanzer russischen Fabrikats, die da zum Schutze der Arbeiter und Bauern vor laufender Kamera durch die Märkische Heide donnerten, dass meine jungen sozialistischen Knochen nur so vibrierten - war das ein Traum?

In die Abteilung hormonelle Wirrungen und Irrungen stufe ich die Sendung: Erotisches zur Nacht ein. Rückblickend möchte man es gar nicht mehr wahr haben, wie das Erotische zur Nacht französischer Provenienz an ganz besonders guten Abenden von einer Ansagerin ‚promotet‘ wurde, die wie ein fleischgewordener Testosteronstoß auf einem Chaiselongue (Römersofa) hingegossen war, in Netzstrümpfen … oh, mein Gott, war die hübsch anzusehen! Obendrein gab es auch noch hinreißende Eigenproduktionen gleichen Genres, die das Lotterleben am Hofe ‚August des Starken‘ portraitierten. Verschwommen erinnere ich mich an eine Szene, in der August in seinem Boudoir die Blockflöte spielt und eine überaus üppige Brünette dazu ihre ansprechenden Reize in die Kamera schwenkt. Und im Rhythmus dazu die Kulissen wackeln! Ja, auch so etwas gab es im Ostfernsehen …

In die Rubrik: „Auf die Barrikaden, nieder mit den Herrschenden“ würde ich die Sendung Der Schwarze Kanal einstufen. Auch hier muss ich oft der einzige Zuschauer gewesen sein. Zumindest ist es möglich, dass die Quote im Westen höher war als die im Osten. Der als Hardliner geltende von Schnitzler hatte den Spitznamen Sudel - Ede. Karl-Eduard von Schnitzler war meine erste politische Hassfigur, noch vor dem Stasi-Chef Erich Mielke und lange vor Franz Josef Strauß. Warum? – überlegen, lesen Sie selbst (nach).

Aber der Höhepunkt, der alle Welten, Zeiten, Systeme umgreift und vereint und in ein mildtätiges Licht taucht, wird bis in die Ewigkeit – Die Olsenbande bleiben. Da will ich gar keine Anekdoten von erzählen, das sollen andere tun. Die Olsenbande ist ein unsterbliches Stück Kino- und Fernsehgeschichte Ost und wird nie wieder so hell erstrahlen wie damals, eingefasst zwischen ‚Aktueller Kamera‘ und Berichten aus der Fußball-Oberliga. Viele Folgen habe ich davon mehrmals gesehen. Was haben wir uns amüsiert und wie haben wir ‚gemeinsam‘ gelacht. „Das dumme Schwein“, „Direktor Bang-Johansen“, „Dynamit-Harry“ oder Sexy-„Yvonne“. „Ich habe einen Plan …“ Dieser Satz ist legendär und braucht keine weiteren Anekdoten.

Lindenstadt und sächsischer Kleinkram

Подняться наверх