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2 – Unsichtbare Verfolger

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»Auf den Kaffee müssen wir leider verzichten«, bemerkte sie mit einem enttäuschten Schulterzucken, bevor sie entschlossen meine Hand ergriff und mich ungestüm hinter sich her riss.

Dabei wäre ich fast über meine eigenen Füße gestolpert und der Länge nach hingefallen. Da sie anscheinend nicht die Absicht hatte sie wieder loszulassen, blieb mir nichts anderes übrig, als ihr wohl oder übel zu folgen.

In wilder Hatz rannten wir die Straßen der Stadt entlang, bogen mal in diese Nebengasse ab, mal in jene. Obwohl ich mich im Stadtzentrum ziemlich gut auskannte, verlor ich bald die Orientierung und wusste nicht mehr, wo wir uns befanden.

Während wir so durch die Stadt hetzten, warf Nathalie immer wieder einen Blick zurück. Irgendwie gewann ich den Eindruck, dass sie befürchtete, uns würde jemand verfolgen. Doch als ich mich ebenfalls umsah, konnte ich niemanden entdecken.

Dennoch wehrte ich mich nicht dagegen in ihrem festen Griff weiter hinter ihr her zu stürmen. Zum einen, weil sie mich total faszinierte, zum anderen, weil ich verdammt noch mal wissen wollte, was hier gespielt wurde und in welch kuriose Geschichte ich da hinein geraten war.

Je länger wir durch die Straßen und Gassen rannten, desto mehr drängte sich mir das merkwürdige Gefühl auf, dass sie nicht immer zufällig irgendwo abbog. Zwar hatte ich keine Ahnung, wo sie hin wollte, aber es verstärkte den Eindruck, als ob sie ein bestimmtes Ziel verfolgen würde.

Wovor wir freilich flohen, entzog sich weiterhin meiner Kenntnis. So oft ich mich auch umsah, ich konnte nirgends etwas ausmachen, das einem Verfolger nahe kam. Das war mehr als merkwürdig.

Was sah sie, das mir entging?

Langsam aber sicher ging mir das Ganze doch noch gehörig auf die Nerven. Zwar genoss ich ihre Gesellschaft, aber ansonsten machte mich die ganze Situation nicht gerade an. Erst dieser seltsame Überfall, dann diese wilde Hetzjagd durch die Stadt. Das war nicht gerade dazu angetan, mein angekratztes Nervenkostüm zu beruhigen.

Dazu kam noch, dass mir langsam aber sicher die Luft knapp wurde, da ich schon seit längerem keinen Ausdauersport mehr betrieben hatte.

Gerade als ich mich dazu entschloss, mich aus ihrem festen Griff loszureißen, stieß sie mich unvermittelt in einen Hauseingang. Sofort presste sie mich mit ihrem sportlichen Körper in einer Ecke hart gegen die Wand.

Der betörende Duft von Kastanien, der von ihren feuerroten Haaren ausging, umfing mich. So hatte ich mir unsere erste Annäherung nun wirklich nicht vorgestellt.

Bevor ich jedoch dazu kam, den unverhofften Körperkontakt zu genießen, krachte ein greller Blitz in die Hauswand neben uns und sprengte ein großes Stück aus dem Putz heraus. Obwohl ich unter dem donnernden Schlag heftig zusammenzuckte, blieb Nathalie erstaunlich ruhig. Wieder vollführte sie mit ihren Hände unglaublich schnell seltsame Gesten und murmelte dabei unablässig vor sich hin.

Abermals baute sich diese komische bläuliche Blase um uns herum auf – keine Sekunde zu früh. Denn schon zuckte der nächste Blitz aus dem Nichts auf uns herab, schlug krachend in diese schimmernde Wand und löste sich auf.

Völlig perplex riss ich die Augen auf und schüttelte unwillig den Kopf. Denn diesmal hatte ich ganz genau gesehen, dass dieser verdammte Blitz tatsächlich mitten in der Luft entstanden war.

Wie konnte das sein?

Er musste einfach einen Ursprung und eine Ursache haben. Nichts, absolut gar nichts entstand einfach so aus dem Nichts.

Was war hier nur los?

Doch es kam noch schlimmer.

Ich traute meinen Augen nicht, als sich jäh zwei flammende, schnell rotierende Bälle über Nathalies zarten Händen bildeten. Scharf sog ich die Luft ein, obwohl mir der Ozongeruch fast den Atem raubte. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von den wabernden Kugeln nehmen, die scheinbar schwerelos über ihren Handflächen schwebten.

Im nächsten Moment schleuderte Nathalie diese Bälle ohne Ansatz von sich. Nur Sekundenbruchteile später dröhnten zwei donnernde Explosionen über uns in der Luft. Ein greller Glutball breitete sich aus und leuchtete den Hauseingang bis in die letzte Ecke aus.

Das ohrenbetäubende Krachen der Detonation hallte noch in meinen Ohren nach, da warf Nathalie schon die nächsten beiden Kugeln, die die schwächer werdende Feuerlohe erneut gleißend aufflammen ließen und meine Trommelfelle mit ihrem Donnern fast zum Platzen brachten.

Und schon wieder tanzten zwei dieser seltsamen Bälle über ihren Händen – bereit, erneut von ihr in die Luft geworfen zu werden. Aber Nathalie zögerte, verharrte lauschend. Angespannt musterte sie die Gegend vor uns, während ich durch und durch schockiert und überfordert von den unglaublichen Geschehnissen regungslos hinter ihr abwartete.

Was geschah hier?

In was für eine merkwürdige Geschichte war ich da nur hinein geraten?

Das konnte alles nicht wahr sein!

Dabei hatte ich nur ganz gemütlich in meinem Stammbistro mit einen Kaffee das Wochenende einläuten wollen. Okay, in Film und Fernsehen bekam man ja so etwas zur Zeit des Öfteren zu sehen. Superhelden, Vampire, Hexen und Zauberer, und was es sonst noch so gab – aber doch nicht in der realen Welt.

Immerhin, die Tatsache greller Blitze, die aus dem Nichts kamen, schwebende, explodierende Glutbälle und diese seltsam schimmernde Blase vor mir konnte ich beim besten Willen nicht ignorieren. Falls ich nicht gerade mit offenen Augen halluzinierte.

Ich war gewillt mich heftig in die Wangen zu kneifen, um zu sehen, ob ich auch wahrlich wach war. In dem Moment zerstoben die beiden rotierenden Kugeln über ihren Handflächen und lösten sich ohne eine Spur zu hinterlassen auf. Auch die schützende Hülle vor uns verschwand daraufhin übergangslos.

Anscheinend war es mit diesen verrückten Blitzen vorbei. Ehe ich aufatmen konnte, packte Nathalie mich wieder entschlossen an der Hand und zog mich abrupt auf die Straße.

Abermals ging die Hetzjagd weiter. Fast schon willenlos und dieser rätselhaften, jungen Frau samt und sonderst ausgeliefert, rannte ich auf ziemlich wackligen Beinen hinter ihr her. Erneut jagten wir stürmisch durch die Straßen der Stadt.

Allerdings hätten wir uns jetzt nicht mehr so zu beeilen brauchen. Denn es zuckten keine weiteren Blitze mehr aus heiterem Himmel auf uns herab. So hoffte ich mit pochendem Herzen, dass ich bald aus diesem Alptraum aufwachen würde.

Leider war dem nicht so.

Denn nachdem wir wiederum für eine Weile durch die Straßen gehetzt waren, blieb Nathalie so abrupt stehen, dass ich heftig mit ihr zusammenprallte.

»'tschuldigung«, murmelte ich, nachdem wir wieder das Gleichgewicht gefunden hatten.

Jedoch beachtete sie mich schlichtweg nicht, sondern starrte konzentriert auf das zu gewucherte Grundstück vor uns, das zwischen zwei mehrgeschossigen Häusern eingeklemmt war. Gänzlich außer Atem stand ich mit auf den Knien gestemmten Händen neben ihr und versuchte zu erkennen, was an dieser wenig anschaulichen Baulücke so interessant war.

Nebenbei registrierte ich, dass sie wieder damit begonnen hatte, komplizierte Muster mit den Händen in die Luft zu malen, während sie leise vor sich hin murmelte. Verständnislos schaute ich in ihr dabei zu.

Jetzt bot sich mir zum ersten Mal die Gelegenheit, die junge Frau in Ruhe etwas näher in Augenschein zu nehmen. Sie musste so um die Zwanzig sein, war vielleicht ein, zwei Zentimeter kleiner als ich, was sich durch ihre wilde Mähne nicht genauer spezifizieren ließ.

Sie war mit einem ärmellosen Top, einer schmal geschnittenen, hüftlangen Strickjacke und einer hautengen Jeans bekleidet, die ihre endlos langen und schlanken Beine äußerst vorteilhaft betonte, die einen sehr durch trainierten Eindruck machten. Zudem modellierte sie ihren hinreißenden, festen Po perfekt ab. So wie sie vor mir stand entsprach sie ganz und gar meiner Kragenweite. Attraktive Rothaarige hatten mich schon immer angezogen.

Nachdem ich wieder etwas zu Atem gekommen war, öffnete ich schon den Mund, um sie ungeduldig zu fragen, warum sie hier so überraschend gestoppt hatte, als wenige Schritte vor uns die Luft zu flimmern begann. Langsam bildete sich ein torbogenähnlicher Ausschnitt heraus, in dem ein hypnotisierender, grell bunter Farbwirbel wallte.

Staunend bemerkte ich, wie sich nach einigen Sekunden darin eine goldene Blase abzuzeichnen begann, die sich immer mehr ausdehnte und den Farbwirbel immer mehr verdrängte, bis sie den ganzen merkwürdigen Torbogen komplett ausfüllte. Dann erstarrte das Flimmern kurz, ehe es leicht zu pulsieren begann.

»Komm!« forderte mich Nathalie mit einem Wink auf und ging forschen Schrittes auf die Erscheinung zu, die sie anscheinend wie auch immer erzeugt hatte.

Sie wollte doch wohl nicht etwa da hinein gehen?

Oh, nein! Nicht mit mir!

Das war mir nun nicht mehr geheuer – trotz aller merkwürdigen Dinge, die mir in der letzten Stunde widerfahren waren. Keine zehn Pferde würden mich dazu bringen, einen Fuß in dieses Ding hineinzusetzen. Auf keinen Fall! Nicht bevor ich wusste, was das alles sollte und was hier zum Teufel los war.

Wie kam ich denn dazu, ihr so blind zu vertrauen?

Ich konnte ihr trotz allem nicht einfach arglos überall hin folgen. Also wirklich. Das ging absolut zu weit. Zuerst wollte ich ein paar Erklärungen von ihr. Jawohl!

Entschlossen, mich keinen Millimeter von der Stelle zu rühren, blieb ich stehen. Kurz bevor sie das flimmernde Tor erreichte, bemerkte sie, dass ich ihr nicht folgte. Abrupt stoppte sie und sah mich über ihre Schulter an.

»Was ist?« erkundigte sie sich ungeduldig und winkte mir energisch zu.

Trotzig schüttelte ich nur den Kopf.

»Oh, Mann«, stöhnte sie gereizt und kam ein paar Schritte auf mich zu. »Bekommst du jetzt etwa weiche Knie?«

»So in etwa«, gestand ich.

»Oh, Mann«, entfuhr es ihr erneut und überbrückte hastig die restliche Entfernung.

»Jetzt hör' mir mal ganz genau zu«, verlangte sie sehr ernst. »Ich habe nicht die Zeit, um mit dir hier noch lange herum zu diskutieren. Denn das ist kein Spiel.«

»Aha!?!«

»Es ist ganz einfach«, fuhr sie fort und in ihren Augen blitzte es gefährlich auf. »Hinter diesem Tor befinden wir uns in Sicherheit – und das ist zur Zeit alles was für mich zählt. Verstanden?«

»Sicher«, gab ich stockend zurück. »Dennoch kann ich nicht.«

»Na klasse!« erwiderte Nathalie sarkastisch. »Jetzt bekommst du auf einmal kalte Füße, nachdem ich dich durch die halbe Stadt geschleppt habe. Aber ganz wie du willst. Dann wirst dich alleine weiter durchschlagen müssen.«

»Tut mir leid«, murmelte ich, da ich ahnte, dass ich sie nie mehr wiedersehen würde, sollten sich unsere Wege hier trennen.

»Okay, okay«, wiegelte sie ab. »Dann bleib eben hier, wenn du unbedingt sterben willst. Ich kann dich zu nichts zwingen. Das ist allein deine Entscheidung.«

Daraufhin drehte sie sich um und ließ mich ohne ein weiteres Wort stehen. Niedergeschlagen schaute ich ihr mit hängenden Schultern schweigend hinterher.

Verdammt!

Was sollte ich nur tun?

Konnten wir uns nicht wie normale Leute zu einem Date verabreden?

Aber ich wusste, dass dem nicht so war. Nathalie war eine sehr geheimnisvolle, junge Frau mit Fähigkeiten, die weit über meinen Verstand gingen.

Ich wollte sie auf keinen Fall verlieren – auch wenn ich sie erst seit knapp einer Stunde kannte. Und in wenigen Sekunden würde sie für immer aus meinem Leben verschwunden sein. Das wusste ich.

Mein Herz klopfte wie wild, als ich ihr hinterher starrte. Ich wollte irgendetwas tun. Sie aufhalten, sie festhalten. Doch mir fiel nichts ein. Sie hatte die seltsame Pforte fast erreicht, als sich ein Wort aus dem gedanklichen Durcheinander heraus kristallisierte.

Sterben!?!

Was hatte sie damit gemeint?

»Hey!« schrie ich und rannte ihr nach. »Wie hast du das eben gemeint – das mit dem Sterben?«

Sie zeigte keinerlei Reaktion. Ging stur weiter und würdigte mich keines weiteren Blickes.

»Verdammt!« fluchte ich verärgert. »Jetzt bleib doch stehen!«

Es war zu spät. Übergangslos verschwand das schönste Mädchen, das mir seit langem über den Weg gelaufen war, in dem seltsamen Flimmern – ließ nichts zurück, außer dem zartem Duft ihres Haares.

Sieben Schwestern - Geheimnisvolle Zauberwelten

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