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Goethes Briefe
an
Chr. G. Schönkopf und seine Tochter Käthchen
IV

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Franckfurt am 31 Jan.

1769

Heute oder Morgen, es ist einerley wann ich schreibe, wenn Sie nur erfahren wie's mit mir ist. Es muss besser in Leipzig seyn als hier. Es schreibt weder Horn noch Sie, noch ein anderer; vielleicht habt ihr Bälle und Fastnachts Schmäusse, zu der Zeit da ich im Elend sitze. Traurig Carnaval. Seit vierzehn Tagen, sitz ich wieder fest. Im Anfange dieses Jahrs, war ich auf Parole losgelassen, das bissgen Freyheit ist auch wieder aus, und ich werde wohl noch ein Stückgen Februar im Käfigt zubringen. Denn Gott weis wenn's alle wird, ich binn aber ganz ruhig darüber, und ich hoffe, Sie werden es auch seyn. Den dritten März binn ich schon ein Halbjahr hier, und auch schon ein Halbjahr kranck, ich habe an dem Halbenjahr viel gelernt. Ich dencke Horn soll die Zeit über auch mehr gelernt haben, wir werden einander nicht mehr kennen, wenn wir einander wiedersehen. Gewiß Horn hat nicht halb so viel Lust mich zu sehn als ich ihn. Der gute Mensch soll aus Leipzig, und hat kein Blut gespien. Das mag schwer seyn. Sie sind so lustig, sagte ein sächsischer Officier zu mir, mit dem ich den 28 Aug. in Naumburg zu Nacht ass, so lustig und haben heute Leipzig verlassen. Ich sagte ihm, unser Herz wisse offt nichts von der Munterkeit unsers Bluts. Sie scheinen unpässlich, fing er nach einer Weile an. Ich binns würklich, versetzt ich ihm, und sehr, ich habe Blut gespien. Blut gespien, rief er, ja, da ist mir alles deutlich, da haben sie schon einen grosen Schritt aus der Welt getahn, und Leipzig musste ihnen gleichgültig werden, weil sie es nicht mehr geniessen konnten. Getroffen, sagt ich, die Furcht vor dem Verlust des Lebens, hat allen andern Schmerz erstickt. Ganz natürlich, fiel er mir ein, denn das Leben bleibt immer das erste, ohne Leben ist kein genuss. Aber fuhr er fort, hat man ihnen nicht auch den Ausgang leicht gemacht. Gemacht? fragt' ich, wie so. Das ist ja deutlich, sagte er, von Seiten der Frauenzimmer; Sie haben die Mine, nicht unbekanndt unter dem schönen Geschlecht zu seyn. – Ich bückte mich für's Compliment. – Ich rede wie ich's meyne, fuhr er fort, sie scheinen mir ein Mann von Verdiensten, aber sie sind kranck, und da wette ich zehen gegen nichts, kein Mädgen hat sie beym Ermel gehalten. Ich schwieg, und er lachte. Nun sagte er und reichte mir die Hand übern Tisch, ich habe zehen Thaler an sie verlohren, wenn sie auf ihr Gewissen sagen: Es hat mich eine gehalten. Top sagt ich Hr. Captain und schlug ihm in die Hand, Sie behalten ihre Zehen Tahler. Sie sind ein Kenner, und werfen ihr Geld nicht weg. Bravo, sagt er, dann seh ich dass sie auch Kenner sind. Gott bewahre sie darinn, und wenn sie wieder gesund werden, so werden sie Nutzen von dieser Erfahrung haben. Ich – und nun ging die Erzählung, seiner Geschichte los die ich verschweige, ich sass und hörte mit Betrübniss zu, und sagte am Ende, ich sey confundirt, und meine Geschichte und die Geschichte meines Freunds Don Sassafras, hat mich immer mehr von der Philosophie des Hauptmanns überzeugt.

Unglücklicher Horn! Er hat sich immer so viel auf seine Waden eingebildet, jetzt werden sie ihm zum Unglück gereichen. Lasst ihn nur lebendig weg.49 Satt sehen könnt ihr euch noch an ihm, denn er ist der letzte Franckfurter in Leipzig, der gerechnet wird, und wenn der fort, da könnt ihr warten biss ihr wieder einen zu sehen kriegt. Doch tröstet euch, ich komme bald wieder.

Du lieber Gott, jetzt binn ich wieder lustig, mitten in den Schmerzen. Wenn ich auch nicht so munter wäre wie wollt ich's aushalten? Fast zwey Monat, an einem fort ganz eingesperrt.

Leben Sie wohl beste Freundinn, grüssen Sie Ihre Eltern, und ihre Freundinn, und wenn Sie einmal schreiben, so berichten Sie mir wie die Glieder der ehemahligen Sonntägigen Gesellschafft jetzt unter einander stehen. Lieben Sie mich

kranck oder gesund

biss an den Todt

Ihr Freund Goethe

49

Horn kam Anfangs April wieder nach Frankfurt. In seinem ersten Briefe heißt es: „Goethe läßt Sie grüßen, Mamsel! Er sieht immer noch ungesund aus und ist sehr stipide geworden. Die Reichslufft hat ihn schon recht angesteckt. Ich muß machen, daß ich wieder wegkomme, sonst geht es mir ebenso und ich bin doch noch zu jung um stipide zu werden. Die Zeit wird mir aber entsetzlich lange, ob ich gleich selten allein bin. Goethe spricht, ich sollte mich hängen, aber hier mag ich nicht; wenn ich klug gewesen wäre, so hätte ich mich in Leipzig hängen sollen.“

Goethes Briefe an Leipziger Freunde

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